Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.11.2014 Asylsozialarbeit und Migrationsarbeit in Bayern Asylsozialarbeiterinnen und Asylsozialarbeiter sind unverzichtbar , um Flüchtlinge in unterschiedlichen drängenden und schwierigen Fragen beraten zu können und Schutz bieten zu können. Das Engagement der Ehrenamtlichen kann diese Arbeit nicht ersetzen, wohl aber ergänzen. Wo Asylsozialarbeit fehlt, gelangen aber Ehrenamtliche oft an ihre – auch fachlichen – Grenzen, ist ehrenamtliche Arbeit deutlich erschwert, Flüchtlinge bleiben in existenziellen Fragen schutzlos, eine geordnete Wahrnehmung ihres Rechts auf Asyl ist bisweilen sogar infrage gestellt. Aus diesem Grund hat die Sozialministerin eine Betreuungsquote von 1:100 für Flüchtlinge in der Erstaufnahme zugesagt und der Sozialausschuss hat beschlossen, dass eine Betreuungsquote von 1:150 für Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften angestrebt werden soll. Verschiedene Landkreise setzen bessere Betreuungsquoten, beispielsweise von 1:120 um. Ich frage deshalb die Staatsregierung: 1. Wie viele Flüchtlinge leben derzeit in Bayern in der Erstaufnahme und wie viele in Gemeinschaftsunterkünften bzw. dezentral in den jeweiligen Landkreisen/ kreisfreien Städten Bayerns? 2. Wie viele Stellen in der Asylsozialarbeit gibt es derzeit in den jeweiligen Landkreisen/kreisfreien Städten Bayerns ? 3. Mit welchem Prozentsatz im Minimum und mit welchem Mindestbetrag werden Stellen in der Asylsozialarbeit bezuschusst? 4.1 Wie viele Stellen können mit den Mitteln, die im Haushaltsentwurf 2015, und mit den Mitteln, die im Haushaltsentwurf 2016 angemeldet worden sind, nach den derzeitigen Förderrichtlinien maximal bezuschusst werden? 4.2 Wie soll die Lücke zu den angestrebten Betreuungsquoten überwunden werden? 5.1 In welchen Regionen gibt es keine Wohlfahrtsverbände , die in der Lage sind, die entsprechenden hohen Eigenanteile für diese Stellen aufbringen zu können? 5.2 Wie kann in diesen Landkreisen eine angemessene Betreuungsquote sichergestellt werden? 6.1 Wie soll gewährleistet werden, dass in den unterschiedlichen , zum Beispiel im Winternotfallplan vorgesehenen Notlösungen von Anfang an ausreichend viele Asylsozialarbeiterinnen und Asylsozialarbeiter zur Verfügung stehen? 6.2 Wie viele Asylsozialarbeiterinnen und Asylsozialarbeiter werden vom Freistaat bzw. den Bezirksregierungen beschäftigt? 6.3 Wie lange dauert das Genehmigungsverfahren für die Zusage der Bezuschussung einer Stelle ab dem Zeitpunkt der Antragstellung? 7.1 Wie viele Migrationsarbeiterinnen und Migrationsarbeiter sind derzeit in Bayern vom Freistaat, von den Kommunen und von den Wohlfahrtsverbänden angestellt ? 7.2 Wie viele Migrationsarbeiterinnen und Migrationsarbeiter wären erforderlich, um anerkannten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie Kontingentflüchtlingen einen guten Start in ein selbstbestimmtes Leben hier ermöglichen zu können? 8.1 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Moment in Clearingstellen untergebracht (bitte aufgeschlüsselt nach den einzelnen Clearingstellen)? 8.2 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Moment in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht (bitte aufgeschlüsselt nach den einzelnen Landkreisen )? 8.3 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Moment in Gruppenunterkünften, Provisorien, Erstaufnahmeeinrichtungen oder in sonstigen weiteren Einrichtungen untergebracht, in denen sie keine angemessene Jugendhilfeangebote erhalten? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 15.01.2015 1. Wie viele Flüchtlinge leben derzeit in Bayern in der Erstaufnahme und wie viele in Gemeinschaftsunterkünften bzw. dezentral in den jeweiligen Landkreisen /kreisfreien Städten Bayerns? Flüchtlinge sind Personen, deren Status als Flüchtling von einer nationalen Regierung anerkannt wurde. Sie sind nach den allgemeinen Sozialgesetzen sozialleistungsberechtigt und erhalten daher keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.03.2015 17/4930 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4930 Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind vor allem Personen leistungsberechtigt, bei denen noch nicht feststeht , ob sie sich berechtigterweise auf einen Schutzgrund berufen können. Bei der Beantwortung der Anfrage wird davon ausgegangen, dass die Anfrage auf Letztere abzielt. In Aufnahmeeinrichtungen leben 5.526 Personen; in Gemeinschaftsunterkünften 12.826 Personen; durch die Kreisverwaltungsbehörden sind 24.328 Personen untergebracht; in privaten Wohnungen leben 989 Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Insgesamt handelt es sich um 43.669 Personen (Stand Ende Dezember 2014). Eine Aufschlüsselung nach Kommunen ist wegen der derzeit hohen Arbeitsbelastung bei den Regierungen nicht möglich. 2. Wie viele Stellen in der Asylsozialarbeit gibt es derzeit in den jeweiligen Landkreisen/kreisfreien Städten Bayerns? Derzeit gibt es 209 staatlich geförderte Vollzeitstellen in den Landkreisen und kreisfreien Städten (in staatlicher, kommunaler und privater Unterbringung). Lediglich in den Landkreisen Erding und Ebersberg wird die Betreuung ausschließlich von den jeweiligen Kommunen selbstständig organisiert. Eine Aufschlüsselung nach Kommunen ist wegen der derzeit hohen Arbeitsbelastung der Regierungen nicht möglich. Zudem erfolgt die Betreuung teilweise auch landkreisübergreifend . 3. Mit welchem Prozentsatz im Minimum und mit welchem Mindestbetrag werden Stellen in der Asylsozialarbeit bezuschusst? Derzeit wird ein Fördersatz von 80 % garantiert. Ein Mindestbetrag kann nicht benannt werden, da die Stellen teilweise unterjährig besetzt werden und die Tarifverträge sowie die Höhe der Drittmittel bei den Trägern variieren. Es werden als förderfähige Kosten Pauschalen herangezogen, die je nach Berufsausbildung, Alter, Erfahrung und Familienstand pro Beschäftigten individuell festgelegt werden. 4.1 Wie viele Stellen können mit den Mitteln, die im Haushaltsentwurf 2015, und mit den Mitteln, die im Haushaltsentwurf 2016 angemeldet worden sind, nach den derzeitigen Förderrichtlinien maximal bezuschusst werden? Im inzwischen vom Bayerischen Landtag verabschiedeten Doppelhaushalt 2015/2016 wurden die Mittel für 2015 auf 9,3 Mio. € aufgestockt, um für die Erstaufnahmeeinrichtungen eine besonders engmaschige Betreuung gewährleisten zu können. Mit diesen zusätzlichen Mitteln können deutlich mehr Stellen als bisher (209 Vollzeitstellen) gefördert werden. Die exakte Zahl der zusätzlichen Stellen kann nicht benannt werden, da dabei auch der Zeitpunkt der Stellenbesetzungen relevant ist, der noch nicht feststeht (siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 3). 4.2 Wie soll die Lücke zu den angestrebten Betreuungsquoten überwunden werden? Seit 2011 wurden die Mittel für die Asylsozialberatung von damals 1,44 Mio. € auf 5,14 Mio. € (2014) mehr als verdreifacht. Hierdurch konnten über 130 Stellen bei den Wohlfahrtsverbänden zusätzlich geschaffen werden, sodass sich derzeit Asylsozialberater mit insgesamt 209 Vollzeitstellen um die Belange der Asylbewerberinnen und Asylbewerber kümmern. Auch für die kommenden Jahre ist ein weiterer Ausbau geplant (siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 4.1). 5.1 In welchen Regionen gibt es keine Wohlfahrtsverbände , die in der Lage sind, die entsprechenden hohen Eigenanteile für diese Stellen aufbringen zu können? Bis auf die Landkreise Erding und Ebersberg, in denen die Asylbetreuung durch die Kommune selbst organisiert wurde , wird die Betreuung in allen anderen Landkreisen von den Wohlfahrtsverbänden sichergestellt (siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 2). 5.2 Wie kann in diesen Landkreisen eine angemessene Betreuungsquote sichergestellt werden? Siehe hierzu die Antwort zu Frage 5.1. 6.1 Wie soll gewährleistet werden, dass in den unterschiedlichen , zum Beispiel im Winternotfallplan vorgesehenen Notlösungen von Anfang an ausreichend viele Asylsozialarbeiterinnen und Asylsozialarbeiter zur Verfügung stehen? Die jeweiligen Regierungen melden dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) die neu zu eröffnenden Einrichtungen. Den Wohlfahrtsverbänden auf Landesverbandsebene werden seitens des StMAS die neu zu eröffnenden Aufnahmeeinrichtungen mit der Bitte um kurzfristige Betreuungsübernahme gemeldet. Die Wohlfahrtsverbände auf Landesverbandsebene einigen sich untereinander , wer die Betreuung übernimmt. Daraufhin stellen die Wohlfahrtsverbände Anträge auf Stellenaufstockung beim StMAS. Nachdem der Winternotfallplan bislang nicht aktiviert werden musste, ergibt sich dort auch kein zu berücksichtigender Bedarf. 6.2 Wie viele Asylsozialarbeiterinnen und Asylsozialarbeiter werden vom Freistaat bzw. den Bezirksregierungen beschäftigt? Es gibt keine entsprechenden, vom Freistaat Bayern angestellten Beschäftigten. 6.3 Wie lange dauert das Genehmigungsverfahren für die Zusage der Bezuschussung einer Stelle ab dem Zeitpunkt der Antragstellung? Die Anträge auf Neubesetzung oder Aufstockung von Stellen werden in der Regel vom zuständigen Sachbearbeiter beim StMAS tagesaktuell abgearbeitet. 7.1 Wie viele Migrationsarbeiterinnen und Migrationsarbeiter sind derzeit in Bayern vom Freistaat, von den Kommunen und von den Wohlfahrtsverbänden angestellt? Die Migrationsberatungseinrichtungen für Erwachsene (MBE) stehen in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege (FW) und werden finanziell mit staatlichen Mitteln unterstützt . Neben der Förderung eines Grundangebots mit Bundesmitteln ergänzt der Freistaat Bayern die MBE zusätzlich mit Landesmitteln. Der Bundesmittelanteil für die MBE in Bayern beträgt rund 5,4 Mio. €. Der Freistaat Bayern unterstützt die Migrationsberatung zusätzlich speziell mit Landesmitteln in Höhe von jährlich rund 2,4 Mio. € (voraussichtliche Zahlen 2015). An den bayerischen Standorten werden insgesamt 66 landesgeförderte Berater eingesetzt. Die Berater werden Drucksache 17/4930 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 von den Trägern angestellt. Grundlage dieser Förderung ist die Integrationsrichtlinie; die Personalkosten der FW werden staatlich bezuschusst. 7.2 Wie viele Migrationsarbeiterinnen und Migrationsarbeiter wären erforderlich, um anerkannten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie Kontingentflüchtlingen einen guten Start in ein selbstbestimmtes Leben hier ermöglichen zu können ? Die Migrationsberatung bietet für anerkannte Asylbewerber sowie Kontingentflüchtlinge eine bayernweite Struktur. Die FW richtet diese Kapazitäten in Absprache mit dem StMAS an den bestehenden örtlichen Bedarfen aus. 8.1 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Moment in Clearingstellen untergebracht (bitte aufgeschlüsselt nach den einzelnen Clearingstellen )? Im System der zentralen Inobhutnahmeeinrichtungen sind derzeit (Stand 15.12.2014) 239 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht (Stadt München: 54 / Abensberg, Lkr. Kelheim: 10 / Stadt Nürnberg: 70 / Stadt Würzburg: 12 / Stadt Regensburg: 22 / Stadt Augsburg: 30 / Nördlingen, Lkr. Donau-Ries: 16 / Stadt Kempten: 17 / Lkr. Lindau: 8). Daneben sind an vielen Aufgriffsorten (insbesondere Stadt und Landkreis Rosenheim, Passau, aber z. B. auch Würzburg oder Landkreis Berchtesgadener Land) eigene Inobhutnahmemöglichkeiten geschaffen worden, um ein ausreichendes Clearing für aufgegriffene unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sicherstellen zu können. 8.2 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Moment in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht (bitte aufgeschlüsselt nach den einzelnen Landkreisen)? Die Datenerfassung zur Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten ist ausschließlich auf die jugendhilferechtliche Zuständigkeit abgestellt, die teilweise von der Unterbringungssituation deutlich abweichen kann. So besteht die Zuständigkeit des aufnehmenden Jugendamtes auch bei Unterbringung in einem anderen Landkreis zunächst noch fort. Eine realistische Darstellung der Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger für alle einzelnen Landkreise ist auf der bestehenden Datenbasis derzeit nicht möglich.Die Gesamtzahl der Zuständigkeiten und damit der Unterbringungen unbegleiteter Minderjähriger in der Kinder- und Jugendhilfe wurde zum Stichtag 30.11.2014 mit insgesamt 4.381 (ohne junge Volljährige) ermittelt. 8.3 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Moment in Gruppenunterkünften, Provisorien , Erstaufnahmeeinrichtungen oder in sonstigen weiteren Einrichtungen untergebracht, in denen sie keine angemessene Jugendhilfeangebote erhalten? Auch bei der Organisation von Übergangslösungen zur Inobhutnahme unbegleiteter Minderjähriger nach Aufgriff sind die fallzuständigen Jugendämter bayernweit gehalten, zentrale Anliegen der Jugendhilfe zu beachten, ggf. mit ambulanten Betreuungskonzepten den Ankommensprozess abzufedern, den Hilfebedarf zu klären und zügig eine Unterbringung nach Jugendhilfestandards einzuleiten. Die Landeshauptstadt München gibt an, derzeit (Stand 30.11.2014) ca. 600 unbegleitete Minderjährige in Notlösungen untergebracht zu haben, für die nur rudimentäre Jugendhilfeleistungen angeboten werden können. Die Verlegung aus diesen Provisorien in angemessene Jugendhilfeangebote wird seit Mitte Oktober 2014 durch die durch das StMAS koordinierte bayernweite Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen unterstützt. Darüber hinaus sind bayernweit in Einzelfällen (z. B. Hof, Rosenheim, Passau) immer wieder vorübergehende Unterbringungen von unbegleiteten Minderjährigen in Pensionen als Kurzfristlösung erforderlich , für die jedoch in der Regel ein ambulantes Betreuungskonzept vonseiten der Jugendhilfe organisiert wird.