Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jutta Widmann FREIE WÄHLER vom 15.12.2014 Gewerbliche Sammlungen und Rekommunalisierung Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie steht die Staatsregierung dazu, dass immer mehr Kommunen dazu übergehen, gewerbliche Sammlungen (Alttextil, Altmetall etc.) zu untersagen, obwohl die Privatunternehmen teilweise bereits seit Jahrzehnten entsprechende Verwertungsstrukturen aufgebaut haben ? a) Wie sieht die Staatsregierung hierbei die Entwicklung hin zu einer „Rekommunalisierung“ auch im Bereich von Haushaltsabfällen, Restmüll etc.? 2. Wie viele gewerbliche Sammlungen gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) sind seit 2012 für Alttextil und Altmetall angezeigt worden , aufgeschlüsselt nach: a) im Freistaat Bayern insgesamt, b) in Niederbayern und c) im Landkreis Landshut? 3. Wie viele gewerbliche Sammlungen gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) sind seit 2013 für Alttextil und Altmetall angezeigt worden , aufgeschlüsselt nach: a) im Freistaat Bayern insgesamt, b) in Niederbayern und c) im Landkreis Landshut? 4. Aus welchen Gründen werden gewerbliche Sammlun- gen untersagt? 5. Wer entscheidet über die Untersagung einer gewerbli- chen Sammlung? 6. Wie häufig wurde die sofortige Vollziehung der Unter- sagung angeordnet, aufgeschlüsselt nach: a) 2013 und b) 2014? 7. Wie oft haben gewerbliche Sammler gegen eine Un- tersagung den Rechtsweg beschritten? a) Wie lautet die aktuelle Rechtsprechung in diesen Fäl- len? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.01.2015 1. Wie steht die Staatsregierung dazu, dass immer mehr Kommunen dazu übergehen, gewerbliche Sammlungen (Alttextil, Altmetall etc.) zu untersagen , obwohl die Privatunternehmen teilweise bereits seit Jahrzehnten entsprechende Verwertungsstrukturen aufgebaut haben? Gewerbliche Sammlungen von Abfällen zur Verwertung aus privaten Haushalten sind abschließend – und ohne Abweichungsmöglichkeit im Landesrecht – bundesrechtlich geregelt . Zur Umsetzung der neuen EU-Abfallrichtlinie hat der Bundesgesetzgeber das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl I S. 212) erlassen, das am 01.06.2012 in Kraft getreten ist. Gleichzeitig ist das bis dahin geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrWG-/ AbfG) außer Kraft getreten. Auch das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht die Beibehaltung der bewährten „dualen Entsorgungsverantwortung“ vor. So sind die kommunalen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wie bisher grundsätzlich für die Entsorgung von allen Abfällen aus privaten Haushalten und von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen verantwortlich (vgl. §§ 20, 17 Abs. 1 KrWG). Sie nehmen damit eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge wahr. Demgegenüber soll die Entsorgung von nicht aus privaten Haushalten stammenden Abfällen zur Verwertung wie bisher durch die private Entsorgungswirtschaft im Wettbewerb erfolgen. Nach § 17 Abs. 2 KrWG besteht für Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushalten die grundsätzliche Überlassungspflicht an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht, wenn die Abfälle durch eine gemeinnützige oder eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Eine gewerbliche Sammlung ist darüber hinaus nur zulässig, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. § 18 KrWG sieht vor, dass gemeinnützige und gewerbliche Sammlungen anzuzeigen sind. Zuständig hierfür ist in Bayern die Kreisverwaltungsbehörde, in deren Bereich gesammelt werden soll. In § 18 Abs. 5 KrWG sind die Voraussetzungen der Untersagung einer angezeigten Sammlung durch die zuständige Behörde geregelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Die Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für gewerbliche Sammlungen sind das Ergebnis einer kontrovers geführten, intensiven Diskussion im Gesetzgebungsverfahren und stellen einen Kompromiss dar. Die Regelungen schaffen nach Auffassung der Staatsregierung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der privaten Abfallentsorgungsunternehmen. So stehen nach § 17 Abs. 3 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.03.2015 17/4970 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4970 KrWG einer gewerblichen Sammlung öffentliche Interessen nur dann entgegen, wenn sie bei dem jeweiligen öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger die Funktionsfähigkeit, die Planungssicherheit, die Organisationsverantwortung oder die Gebührenstabilität gefährdet. Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse über vermehrte Untersagungen gewerblicher Sammlungen von Abfällen zur Verwertung aus privaten Haushalten vor. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Vollzugs hat das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zu konkreten Vollzugsfragen Hinweise gegeben und dabei auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei kleinen gewerblichen Sammlungen besonders hingewiesen. a) Wie sieht die Staatsregierung hierbei die Entwicklung hin zu einer „Rekommunalisierung“ auch im Bereich von Haushaltsabfällen, Restmüll etc.? Die Abfallentsorgung obliegt in Bayern den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis . Die dabei als „entsorgungspflichtige Körperschaften“ bezeichneten kommunalen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger müssen für Bürger und Gewerbetreibende Entsorgungssicherheit auf einem hohen Umweltschutzniveau gewährleisten und nehmen damit eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge eigenverantwortlich wahr. Auf welche Weise sie den angefallenen Abfall im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften entsorgt und wie sie die Benutzung ihrer Abfallentsorgungseinrichtung regelt, liegt im Ermessen jeder einzelnen entsorgungspflichtigen Körperschaft . So entscheiden die entsorgungspflichtigen Körperschaften insbesondere über die Organisation der Abfallentsorgung – d. h. über die Durchführung des operativen Geschäfts – in Wahrnehmung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts und unter Berücksichtigung der örtlichen Bedürfnisse in eigener Zuständigkeit. Auf die Organisationsformen der Abfallentsorgung innerhalb der einzelnen entsorgungspflichtigen Körperschaft hat die Staatsregierung keinen Einfluss. Nach § 22 KrWG können die entsorgungspflichtigen Körperschaften zuverlässige Dritte mit der operativen Abwicklung der Abfallentsorgung beauftragen, ohne dass ihre Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Entsorgungspflicht davon berührt wird. Die Aufgabe der Entsorgung bleibt auch in diesem Fall bei der Kommune. Von dieser Möglichkeit machen die bayerischen entsorgungspflichtigen Körperschaften nach Kenntnis der Staatsregierung auch in erheblichem Umfang Gebrauch. Zur Beauftragung privater Dritter mit der Erfüllung ihrer Entsorgungsaufgabe sind die entsorgungspflichtigen Körperschaften allerdings nicht verpflichtet. Sie entscheiden vielmehr in Anbetracht der konkreten örtlichen Gegebenheiten , ob sie das operative Geschäft selbst, im kommunalen Zusammenwirken mit anderen entsorgungspflichtigen Körperschaften oder durch einen privaten Auftragnehmer wahrnehmen wollen. Entscheidet sich eine entsorgungspflichtige Körperschaft dafür, die Aufgabe auch operativ selbst zu erfüllen , braucht sie dies nicht vorher auszuschreiben. Das gilt auch dann, wenn die Aufgabe bislang durch ein beauftragtes privates Unternehmen erfüllt wurde und künftig wieder von der entsorgungspflichtigen Körperschaft selbst erledigt werden soll. 2. Wie viele gewerbliche Sammlungen gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) sind seit 2012 für Alttextil und Altmetall angezeigt worden, aufgeschlüsselt nach: a) im Freistaat Bayern insgesamt, b) in Niederbayern und c) im Landkreis Landshut? 3. Wie viele gewerbliche Sammlungen gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) sind seit 2013 für Alttextil und Altmetall angezeigt worden, aufgeschlüsselt nach: a) im Freistaat Bayern insgesamt, b) in Niederbayern und c) im Landkreis Landshut? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Systematische Daten zu gewerblichen Sammlungen von Abfällen zur Verwertung aus privaten Haushalten werden nicht erhoben. Eine Aufschlüsselung der Anzeigen gewerblicher Sammlungen nach einzelnen Jahren und nach der Abfallfraktion, die eingesammelt werden soll, ist deshalb nicht möglich. Eine vom Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz durchgeführte Umfrage zu sämtlichen gewerblichen (und gemeinnützigen) Sammlungen hat bis zum Stichtag 20.10.2014 die folgenden Zahlen für Anzeigen gewerblicher Sammlungen ergeben: a) Im gesamten Freistaat Bayern 3.866 Anzeigen, b) im Regierungsbezirk Niederbayern 452 Anzeigen und c) im Landkreis Landshut 43 Anzeigen. Untersagungen dieser angezeigten gewerblichen Sammlungen wurden wie folgt ausgesprochen: a) Im gesamten Freistaat Bayern in 311 Fällen, b) im Regierungsbezirk Niederbayern in 31 Fällen und c) im Landkreis Landshut in keinem Fall. Noch nicht entschieden sind: a) Im gesamten Freistaat Bayern 525 Fälle, b) im Regierungsbezirk Niederbayern 76 Fälle und c) im Landkreis Landshut kein Fall. Demnach können im Landkreis Landshut alle 43 dort angezeigten gewerblichen Sammlungen durchgeführt werden. 4. Aus welchen Gründen werden gewerbliche Sammlungen untersagt? Systematische Daten hierzu werden nicht erhoben. Nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG hat die zuständige Behörde die Durchführung einer gewerblichen Sammlung zu untersagen , wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben oder wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen – also die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der eingesammelten Abfälle und das Nicht-Entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen – anders nicht zu gewährleisten ist. Soweit im konkreten Einzelfall Untersagungen angezeigter gewerblicher Sammlungen ausgesprochen werden, erfolgen sie deshalb, weil Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen bestehen, weil die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung nicht nachgewiesen ist oder weil (wegen der Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durch die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung) überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Drucksache 17/4970 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5. Wer entscheidet über die Untersagung einer gewerblichen Sammlung? Zuständige Behörde zur Entgegennahme der Anzeige einer gewerblichen Sammlung von Abfällen zur Verwertung aus privaten Haushalten und damit auch zuständige Behörde für die etwaige Untersagung einer solchen Sammlung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG ist in Bayern die Kreisverwaltungsbehörde als untere staatliche Verwaltungsbehörde. Nach § 8 Abs. 4 KrWG fordert die zuständige Kreisverwaltungsbehörde den von der gewerblichen Sammlung betroffenen kommunalen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Abgabe einer Stellungnahme auf. 6. Wie häufig wurde die sofortige Vollziehung der Untersagung angeordnet, aufgeschlüsselt nach: a) 2013 und b) 2014? Systematische Daten hierzu werden nicht erhoben. Ob eine von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde ausgesprochene Untersagung einer angezeigten gewerblichen Sammlung für sofort vollziehbar erklärt wird, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. 7. Wie oft haben gewerbliche Sammler gegen eine Untersagung den Rechtsweg beschritten? Systematische Daten zur Häufigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren wegen behördlicher Entscheidungen zu gewerblichen Sammlungen werden nicht erhoben. a) Wie lautet die aktuelle Rechtsprechung in diesen Fällen? Wie sich aus dem zur Unterrichtung des Deutsches Bundestags von der Deutschen Bundesregierung gegebenen „Bericht über die Auswirkungen der Regelungen zur Anzeigepflicht gewerblicher und gemeinnütziger Sammlungen gemäß den §§ 17 und 18 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes“ vom 13.03.2014 (BT-Drs. 18/800) ergibt, ließ sich aus der Rechtsprechung der ab dem 01.06.2012 zunächst erstinstanzlich befassten Verwaltungsgerichte nur eine uneinheitliche Tendenz erkennen. Wie die Bundesregierung in der bundesweiten Betrachtung der Rechtsprechung zu den §§ 17, 18 KrWG weiterhin feststellt, zeichnet sich seit dem 2. Halbjahr 2013 in der Rechtsprechung der mittlerweile befassten Oberverwaltungsgerichte aber eine Linie ab, „die in der Sache streng auf eine verfassungsrechtskonforme, vor allem aber EU-rechtskonforme Handhabung der Regelungen der §§ 17 und 18 KrWG achtet“ (vgl. o. g. Bericht in BTDrs . 18/800, S. 6).