Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13.11.2014 Operativer Opferschutz in Bayern Nach drei aufsehenerregenden Gewalttaten an Frauen in München-Giesing im Jahr 2013, sowie im September und Oktober dieses Jahres in München-Riem, wird einmal mehr deutlich, dass insbesondere Frauen, gerade im Bereich häusliche Gewalt und Stalking, einen besonderen Schutz benötigen. Ich frage die Staatsregierung 1. Welche Maßnahmen werden momentan in Bayern durchgeführt , um operativen Opferschutz zu gewährleisten (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? 2. Gibt es außer dem operativen Opferschutz noch weitere Maßnahmen, die das Innenminsterium präventiv ergreifen will, um im Bereich häusliche Gewalt und Stalking Gewalttaten an Frauen zukünftig zu vermeiden und Frauen sowie deren Kinder besser zu schützen (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? 3. Wird es für den operativen Opferschutz an bayerischen Polizeipräsidien zusätzliches Personal geben (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? 4. Wenn ja, wie viele zusätzliche Beamtinnen/Beamte sind hierfür vorgesehen und werden diese aus anderen Ab teilungen abgezogen oder werden zusätzliche Polizist(inne)n eingestellt (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien )? 5. Welche Auswirkungen hat der hohe Bedarf an Polizeieinsatzkräften um den G7-Gipfel 2015 auf den Opferschutz in Bayern bzw. die Einführung des operativen Opferschutzes am Polizeipräsidium München? 6. Gibt es außer dem operativen Opferschutz noch weitere Maßnahmen, die das Innenminsterium organisatorisch ergreifen will, um im Bereich häusliche Gewalt und Stalking die Arbeit der Polizei zu optimieren (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 16.01.2015 Die Schriftliche Anfrage wird nach Einbindung der Verbände wie folgt beantwortet: 1. Welche Maßnahmen werden momentan in Bayern durchgeführt, um operativen Opferschutz zu gewährleisten (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? Die Polizei sieht sich in unterschiedlichen Fallgestaltungen immer wieder mit herausragenden Gefährdungssachverhalten vor allem im Bereich des sozialen Nahraums konfrontiert . Fälle, die aufgrund der Beurteilung der Gefährdungslage eine über längere Zeit andauernde massive Bedrohung für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit der Opfer erkennen lassen, erfordern ein zielgerichtetes Einschreiten zum Schutz der Opfer (operativer Opferschutz). In Bayern werden in den wenigen sog. High-Risk-Fällen Maßnahmen zur Gewährleistung des operativen Opferschutzes durchgeführt, die nachfolgend – nicht abschließend – aufgelistet sind: – Umsiedelung – Datensperre bei allen relevanten Behörden und Institutio- nen – Gefährderansprachen – Gefährdetenansprachen, insbesondere Verhaltensemp- fehlungen an die gefährdete Person oder ggf. den gefährdeten Personenkreis mit sicherheitstechnischer Beratung bezüglich der Wohnung oder des Wohnhauses – Einbindung von Fachberatungsstellen – Enger Kontakt zwischen Opfer und Polizei – Ständige Beurteilung der Gefährdungslage und schnellst- mögliche Anpassung aller zum Schutz des Opfers erforderlichen Maßnahmen Gerade bei der Umsiedelung der Opfer ist Sinn und Zweck der Maßnahme, dass dem Gefährder der Aufenthaltsort der geschützten Person nicht bekannt wird. Eine nach Präsidien aufgeschlüsselte Darstellung würde diesem Zweck allein schon wegen der daraus resultierenden Information für Täter – regionale Eingrenzbarkeit des Aufenthaltsorts des Opfers – entgegenwirken. 2. Gibt es außer dem operativen Opferschutz noch weitere Maßnahmen, die das Innenminsterium präventiv ergreifen will, um im Bereich häusliche Gewalt und Stalking Gewalttaten an Frauen zukünftig zu vermeiden und Frauen sowie deren Kinder besser zu schützen (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? Vom Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bayerischen Landeskriminalamts beauftragt, in Anlehnung an die AG Stalking und unter Einbeziehung des Forschungsprojekts „Gewalteskalation in Paarbeziehungen“ sowie der Eva- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.03.2015 17/4978 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4978 luationsstudie „Evaluation der Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalteskalationen in Paarbeziehungen bis hin zu Tötungsdelikten und vergleichbaren Bedrohungsdelikten“ des Instituts für Polizei und Sicherheitsforschung (IpoS) der Hochschule für Öffentliche Verwaltung, Freie Hansestadt Bremen, die „Rahmenvorgabe zur polizeilichen Bekämpfung der häuslichen Gewalt und damit in Zusammenhang stehender Stalking-Fälle“ fortzuschreiben. Grundsätzliches Ziel ist eine weitere Professionalisierung im Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse aus der Forschung bzw. aus best-practice-Ansätzen. Darüber hinaus sollen insbesondere die Aspekte der Gefahrenprognose /Gefährderansprache weiter optimiert und bei geeigneten Fällen im Rahmen von Fallbesprechungen (ggf. unter Einbindung externer Institutionen, wie z. B. Jugendamt ) erörtert werden. Auch sind u. a. weitere Maßnahmen im Bereich Intensivierung der Opfernachsorge, Opferschutzmaßnahmen und die damit im Zusammenhang stehenden Fortbildungsmaßnahmen der Polizeibeamten geplant. Ziel dieser Maßnahmen ist die frühzeitige Erkennung und Vermeidung möglicher Gefahren für die Geschädigten sowie die Erstellung einer möglichst genauen Gefährdungsanalyse und der damit verbundenen Lageeinschätzung im jeweiligen Einzelfall. Das abschließende Ergebnis der Arbeitsgruppe und die unmittelbare Umsetzung der überarbeiteten Rahmenvorgabe ist für das 1. Quartal 2015 zu erwarten. Ferner wurden die Themenbereiche in der Dienstbesprechung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr mit den Leitern E3 Verbrechensbekämpfung der Polizeipräsidien am 26./27. November 2013 erörtert. Es wurde vereinbart, insbesondere die polizeilichen Optimierungspotenziale im Bereich des Ermittlungsverfahrens durch Einführung eines polizeilichen Vernehmungsspiegels „Stalking/ Cyberstalking“ umzusetzen. Darüber hinaus erfolgte seitens der Polizeiabteilung eine entsprechende Sensibilisierung im Rahmen der landesweiten Dienststellenleitertagung am 4. April 2014. 3. Wird es für den operativen Opferschutz an bayeri- schen Polizeipräsidien zusätzliches Personal geben (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? 4. Wenn ja, wie viele zusätzliche Beamtinnen/Beamte sind hierfür vorgesehen und werden diese aus anderen Ab teilungen abgezogen oder werden zusätzliche Polizist(inne)n eingestellt (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien)? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Der polizeiliche Opferschutz ist eine originäre polizeiliche Aufgabe und somit Aufgabe jedes Polizeivollzugsbeamten. Im Bereich des operativen Opferschutzes sind in der Re- gel jedoch weitergehende Maßnahmen erforderlich, die von speziell ausgebildeten Beamten der Kriminalpolizei getroffen werden. Im Hinblick auf die Personalsituation einzelner Organisationseinheiten ist es Führungsaufgabe der Polizeipräsidien , permanent die Entwicklungen in ihren Bereichen zu beobachten und darauf belastungs- und kräfteorientiert zu reagieren. In diesem Zusammenhang verfügen die Präsidien über einen relativ großen Handlungsspielraum, der auch Personalverlagerungen beinhaltet. 5. Welche Auswirkungen hat der hohe Bedarf an Polizeieinsatzkräften um den G7-Gipfel 2015 auf den Opferschutz in Bayern bzw. die Einführung des operativen Opferschutzes am Polizeipräsidium München? Die Bayerische Polizei ist sich ihrer Verantwortung für die Sicherheit im gesamten Freistaat Bayern auch während der kraftaufwendigen Einsatzzeit anlässlich des G7-Gipfels sehr wohl bewusst. Vor diesem Hintergrund wird sie auch die zuverlässige und souveräne Bewältigung aller übrigen Einsatzlagen – inklusive Großlagen – gewährleisten. Dieses explizite Ziel wird bei den aktuellen Kräftebedarfsplanungen für den G7-Gipfel umfassend berücksichtigt. 6. Gibt es außer dem operativen Opferschutz noch weitere Maßnahmen, die das Innenminsterium organisatorisch ergreifen will, um im Bereich häusliche Gewalt und Stalking die Arbeit der Polizei zu optimieren ? (bitte aufschlüsseln nach Polizeipräsidien) In der Gemeinsamen Dienstbesprechung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr mit den Damen und Herren Polizeipräsidenten und Vertretern der Justiz am 13. November 2013 wurden die Themenbereiche häusliche Gewalt/Stalking erörtert. Darüber hinaus wurde eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Justizbehörden vereinbart. Somit ist bei allen Polizeipräsidien gewährleistet, dass die Rechtsantragsstellen bei Anträgen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) sich eng mit den polizeilichen Sachbearbeitern abstimmen und auf die polizeilichen Berichte häusliche Gewalt zurückgreifen können. Zusätzlich hat das Polizeipräsidium München ab März 2014 interne Qualitätssicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Fällen der häuslichen Gewalt durchgeführt. Unter Einbindung des zuständigen Fachkommissariats wurde die Zusammenarbeit von Schutz- und Kriminalpolizei im konkreten Sachverhalt sowie im Hinblick auf ablauforganisatorische Gesichtspunkte optimiert. Diesbezügliche Aspekte wurden in Führungsgesprächen, Dienstgruppenleiterseminaren und Seminaren für Einweisungsbeamte umgesetzt. Das Ergebnis wird in einer bevorstehenden bayernweiten Präsidententagung erörtert.