Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harry Scheuenstuhl SPD vom 25.11.2014 Mögliche Gefahren von Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen in Bayern Viele Wasserwirtschaftsämter in Bayern registrieren Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen. Die Folgen sind beispielsweise Aufwuchs von Abwasserbakterien in einem Bach durch Silagesickersaft oder Fischsterben. Flora und Fauna in den Gewässern ist teilweise langjährig geschädigt. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie viele Biogasanlagen gibt es in Bayern? 2. Bei wie vielen Biogasanlagen in Bayern ist in den letzten 10 Jahren eine Gewässerverunreinigung durch undichte Fahrsilos, Biomasselager o. Ä. registriert worden ? 3. Von welcher mutmaßlichen Dunkelziffer der Fälle von Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen wird in Bayern ausgegangen? 4. Wie viele der Fälle der Gewässerverunreinigung in den letzten 10 Jahren entstanden durch a) bauliche Mängel? b) betriebliche Mängel? c) technische Defekte? 5. Wie viele der Fälle wären in den letzten 10 Jahren vermeidbar gewesen durch a) bessere Planung und Bau? b) sorgsameren Betrieb? 6. Welche Maßnahmen wurden in den letzten 10 Jahren von der Staatsregierung ergriffen, um die Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen auszuschließen? 7. a) Welche Prüfpflichten bestehen gestaffelt nach Anlagengröße für Biogasanlagen in Bayern? b) Wie häufig wurden die Biogasanlagen in Bayern in den letzten 10 Jahren durchschnittlich von den Wasserwirtschaftsämtern geprüft? 8. Wie viele Anlagen kommen durchschnittlich auf eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter im Wasserwirtschaftsamt , die bzw. der für deren Kontrolle zuständig ist? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 28.01.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Biogasanlagen gibt es in Bayern? Zum Stichtag 31.12.2013 gab es laut Biogas-Betreiber-Datenbank in Bayern 2.330 Biogasanlagen. 2. Bei wie vielen Biogasanlagen in Bayern ist in den letzten 10 Jahren eine Gewässerverunreinigung durch undichte Fahrsilos, Biomasselager o. Ä. registriert worden? In den Jahren 2004 bis 2013 wurden bayernweit 657 Gewässerverunreinigungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Biogasanlagen durch die Kreisverwaltungsbehörden registriert. Dabei wurden sowohl Verunreinigungen des Grundwassers als auch von Oberflächengewässern erfasst, unabhängig davon, wie schwerwiegend die Verunreinigungen waren und ob bleibende oder nur vorübergehende Schäden für die Umwelt entstanden sind. 3. Von welcher mutmaßlichen Dunkelziffer der Fälle von Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen wird in Bayern ausgegangen? Die Abschätzung einer Zahl von Gewässerverunreinigungen durch Biogasanlagen, die nicht bekannt werden, ist nicht möglich. Es kann nur angenommen werden, dass Verunreinigungen von Oberflächengewässern eher erkannt werden als Verunreinigungen des Grundwassers. 4. Wie viele der Fälle der Gewässerverunreinigung in den letzten 10 Jahren entstanden durch a) bauliche Mängel? Durch bauliche Mängel verursachte Gewässerverunreinigungen sind in 311 Fällen aktenkundig. b) betriebliche Mängel? Aus betrieblichen Mängeln sind 244 Gewässerverunreinigungen entstanden. c) technische Defekte? Technische Defekte waren für 102 Gewässerverunreinigungen ursächlich. 5. Wie viele der Fälle wären in den letzten 10 Jahren vermeidbar gewesen durch a) bessere Planung und Bau? Nach Einschätzung der Kreisverwaltungsbehörden wären 334 Gewässerverunreinigungen, die sowohl durch plane Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.03.2015 17/5116 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5116 rische oder bauliche Mängel als auch durch technische Defekte entstanden sind, durch bessere Planung und fachgerechten Bau vermeidbar gewesen. b) sorgsameren Betrieb? Nach Einschätzung der Kreisverwaltungsbehörden wären alle 244 Gewässerverunreinigungen, die durch betriebliche Mängel verursacht waren, durch sorgsameren Betrieb vermeidbar gewesen. 6. Welche Maßnahmen wurden in den letzten 10 Jahren von der Staatsregierung ergriffen, um die Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen auszuschließen ? Hier sind einerseits Maßnahmen zu nennen, die den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlagen unterstützen und damit die Sicherheit verbessern, andererseits gibt es auch Initiativen, die sich mit der Minimierung der mittelbaren Risiken von Gewässerverunreinigungen befassen. Im Einzelnen sind dies: • Einrichtung des Biogasforums Bayern Das „Biogas Forum Bayern“ ist ein Expertengremium und eine Plattform zum Informations- und Wissenstransfer für die landwirtschaftliche Biogasproduktion in Bayern. Im Rahmen des Forums werden Schulungen angeboten, die insbesondere auch die Sicherheitsaspekte beim Anlagenbetrieb zum Thema haben, außerdem z. B. auch Informationen über die Auflockerung intensiver Maisfruchtfolgen mit anderen Kulturen und Empfehlungen für die ressourcenschonende Ausbringung von Biogasgärresten. • Biogashandbuch Bayern Hier werden ausführliche Hinweise auf zu beachtende Regelwerke und alle wesentlichen Fragen zum Thema Biogas gegeben. Darüber hinaus sind darin Checklisten für den Bereich Anlagensicherheit und beispielhafte Umsetzungen enthalten. Das Kapitel 2.2.4 „Wasserwirtschaft“ wurde bereits zum Dezember 2012 durch zusätzliche Regelungen im Sinne der Betriebssicherheit und Vorsorge ergänzt (z. B. Überfüllsicherungen , Umwallung der Anlagen). • Förderung von Forschungsprojekten Es wurden eine Reihe von Forschungsvorhaben initiiert, die sich mit der Nährstoffwirkung von Biogasgärresten, deren optimaler Kombination mit Mineraldüngern und maximalen Ausbringmengen befassen. Daraus wurden Merkblätter für die Anlagenbetreiber entwickelt und kostenfrei zur Verfügung gestellt. • Geplante Bundes-Anlagenverordnung (AwSV) Unter Mitarbeit der Bayerischen Staatsregierung wurden bei der Erarbeitung der AwSV Regelungen zur Verbesserung der Anlagen- und Betriebssicherheit formuliert. 7. a) Welche Prüfpflichten bestehen gestaffelt nach Anlagengröße für Biogasanlagen in Bayern? 1. Derzeitige Rechtslage Die Überwachung der Biogasanlagen obliegt den Kreisverwaltungsbehörden . Ab einer Produktionskapazität von 1,2 Millionen Normkubikmeter je Jahr Rohgas sind Biogasanlagen z. B. nach Nr. 1.15 des Anhangs 1 der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig und werden hinsichtlich der Luftrein haltung und des Lärmschutzes von den Umweltingenieuren der Kreisverwaltungsbehörden regelmäßig überwacht. Für die Überwachung der Einhaltung der nachfolgend dargestellten Prüfpflichten sind in den Kreisverwaltungsbehörden die fachkundigen Stellen für Wasserwirtschaft zuständig. Unabhängig davon werden Biogasanlagen ab einem Inhalt von 10 t Biogas nach dem in der Störfall-Verordnung (12. BImSchV ) festgelegten Überwachungszyklus überwacht. Die Prüfpflicht von Biogasanlagen wie auch aller anderen Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen richtet sich nach den Maßgaben des § 19 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (Anlagenverordnung-VAwS). Demnach sind prüfpflichtige Anlagen vor Inbetriebnahme und nach wesentlicher Änderung wiederkehrend und bei Stilllegung durch Sachverständige nach § 18 VAwS zu prüfen. Bei der Festlegung der Prüfpflicht wird zwischen W1-Anlagen (Biogasanlagen, die im Wesentlichen nur Gülle und nachwachsende Rohstoffe als Gärsubstrat verwenden) und W2-Anlagen (alle anderen) unterschieden. Eine genauere Abgrenzung enthält das Biogashandbuch Bayern. Prüfpflichtig sind im Regelfall nicht die gesamte Biogasanlage , sondern nur einzelne nachfolgend genannte Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Die Maßgaben des Genehmigungsbescheids für die Biogasanlage gehen den allgemeinen Regelungen der VAwS und des Biogashandbuchs vor. Prüfpflichtig sind folgende Anlagen: • Oberirdische Anlagen (Fuge Bodenplatte/Wand nicht im Erdreich eingebettet) zum Behandeln von Substrat und zum Herstellen von Biogas mit mehr als 1000 m³, in Wasserschutzgebieten mit mehr als 100 m³ Behältervolumen, • unterirdische Anlagen zum Behandeln von Substrat und zum Herstellen von Biogas, • Anlagen zum Lagern von Substrat für W2-Anlagen, z. B. Fettabscheiderrückstände und Bioabfälle (u. a. verdorbene Lebensmittel), • Anlagen zum Lagern von Gärresten aus W2-Anlagen. Die Prüfpflicht anderer Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, z .B. der Anlagen zum Verwenden von Biogas und von Schmierstoffen (BHKW), richtet sich nach § 19 VAwS. Nicht prüfpflichtig sind folgende Anlagen: • Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche und Gülle, die im Fermenter behandelt werden sollen, • Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Gärresten aus W1-Anlagen, • Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Biomasse (nach- wachsende Rohstoffe) und von Silagesickersaft, • Anlagen zum Umgang mit Lebensmitteln und Futtermit- teln, • Anlagen zum Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen, wie reine Pflanzenöle und -fette, • Anlagen zum Lagern von Biogas (Gasspeicher). Fundstellen: VAwS Bayern: http://www.lfu.bayern.de/wasser/umgang_mit_wgs/doc/ vaws_ab_30082014.pdf Biogashandbuch Bayern, Kap. 2.2.4: http://www.lfu.bayern.de/energie/biogashandbuch/ doc/kap224.pdf Drucksache 17/5116 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 2. Rechtslage nach Inkrafttreten der AwSV Die geplante Bundes-Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) fasst unter dem Begriff „Biogasanlage“ zusammen: • Anlagen zum Herstellen von Biogas, insbesondere Vor- lagebehälter, Fermenter, Kondensatbehälter und Nachgärer , • Anlagen zum Lagern von Gärresten oder Gärsubstraten, wenn sie in einem engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit Anlagen nach Nummer 1 stehen, und • zu den Anlagen nach den Nummern 1 und 2 gehörige Abfüllanlagen. Die AwSV unterscheidet Biogasanlagen, in denen ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft eingesetzt werden, wie z. B. Silagesickersaft, Jauche, Gülle , Festmist und bestimmte pflanzliche Rückstände, und andere Biogasanlagen. Die Unterscheidung entspricht in etwa der derzeitigen Unterscheidung in W1- und W2-Anlagen . Biogasanlagen, in denen ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft eingesetzt werden, sind unabhängig von der Lage innerhalb oder außerhalb eines Schutzgebietes zu folgenden Anlässen abhängig vom Gesamtvolumen zu prüfen: vor Inbetriebnahme oder nach einer wesentlichen Änderung wiederkehrend alle 5 Jahre bei Stilllegung über 100 m³ über 1.000 m³ über 1.000 m³ Bei Biogasanlagen, in denen auch andere als Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft eingesetzt werden, richtet sich die Prüfpflicht nicht nach dem Gesamtvolumen der o. g. einzelnen Anlagen, sondern nach dem jeweiligen Volumen der einzelnen Anlage zum Herstellen von Biogas, zum Lagern von Gärresten, zum Lagern von Gärsubstraten bzw. zum Abfüllen der jeweiligen wassergefährdenden Stoffe. Aufgrund der üblichen Behältergrößen ist zu erwarten, dass die genannten Anlagen zum Herstellen und Lagern bei jeder Biogasanlage, in der nicht nur ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft eingesetzt werden, zu allen genannten Anlässen durch Sachverständige (dann nach § 53 AwSV) zu prüfen sind. b) Wie häufig wurden die Biogasanlagen in Bayern in den letzten 10 Jahren durchschnittlich von den Wasserwirtschaftsämtern geprüft? Siehe Antwort zu Frage 8. 8. Wie viele Anlagen kommen durchschnittlich auf eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter im Wasserwirtschaftsamt , die bzw. der für deren Kontrolle zuständig ist? Die Wasserwirtschaftsämter haben keine direkten Zuständigkeiten für die Überwachung der Biogasanlagen oder Lagerstätten. Die Überwachung der Biogasanlagen obliegt den Kreisverwaltungsbehörden.