Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Weikert SPD vom 16.12.2014 Prüfverfahren zur Einhaltung von Tarif- und Mindestlöhnen bei öffentlichen Aufträgen Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wer ist im Freistaat Bayern für die Kontrolle zur Einhaltung von Tarif- und Mindestlöhnen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zuständig? b) Wie sind die Verfahren zur Kontrolle der Einhaltung der Tarif- und Mindestlöhne ausgestaltet? c) Auf welcher Grundlage wird von wem darüber befunden ? 2. Welche Änderungen und Ergänzungen wird es in den Bieterverfahren mit dem ab 1. Januar 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn geben? 3. In wie vielen Fällen (absolut und prozentual) wurden in den vergangenen zehn Jahren jeweils Angebote von Bietern, die die Einhaltung von Tarif- und Mindestlöhnen nicht nachweisen konnten, aus diesem Grund von der Auftragsvergabe ausgeschlossen? 4. Wie wird sichergestellt, dass in den Festpreisangeboten der Bieter der Mindestlohn auch für alle Leistungen und Gewerke gilt, die der Bieter nicht selbst erbringen wird, sondern seinerseits an andere Auftragnehmer vergeben wird? 5. Welche unmittelbaren und dauerhaften Folgen hat der Nachweis für den Bieter, dass er sich durch die Nichteinhaltung geltender Tarif- beziehungsweise Mindestlöhne einen Vorteil im Ausschreibungsverfahren verschaffen wollte? 6. Wie wird nicht nur im Bieterverfahren bzw. bei der Vergabe, sondern auch bei der Ausführung der staatlichen Aufträge sichergestellt bzw. überprüft, ob die zugesagten Tarif- und Mindestlöhne tatsächlich bezahlt werden, und zwar sowohl beim unmittelbaren Vertragspartner des Freistaats als auch bei durch ihn beauftragten, anderen Unternehmen? 7. a) Bei wie vielen staatlichen Vergaben (absolut und prozentual ) wurden jeweils in den vergangenen zehn Jahren in Bayern bei der Ausführung der staatlichen Aufträge Verstöße gegen die Bezahlung von Tarif- und Mindestlöhnen festgestellt? b) In welcher Form erfolgte dies? c) Durch wen erfolgte die Überprüfung? 8. Welche Konsequenzen wurden daraus sowohl für den Auftragnehmer als auch für das Bieterverfahren gezogen ? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 23.01.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. a) Wer ist im Freistaat Bayern für die Kontrolle zur Einhaltung von Tarif- und Mindestlöhnen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zuständig? b) Wie sind die Verfahren zur Kontrolle der Einhaltung der Tarif- und Mindestlöhne ausgestaltet? c) Auf welcher Grundlage wird von wem darüber befunden ? 2. Welche Änderungen und Ergänzungen wird es in den Bieterverfahren mit dem ab 1. Januar 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn geben? Seit dem 1. Januar 2015 haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf den allgemeinen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) in Höhe von derzeit 8,50 Euro pro Zeitstunde. Die daneben in verschiedenen Branchen geltenden Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) gehen diesem vor, soweit sie dessen Höhe nicht unterschreiten. Unter bestimmten Voraussetzungen sind in einer Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2017 Abweichungen nach unten möglich . Zur Zahlung des allgemeinen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz bzw. der branchenbezogenen Mindestlöhnen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sind alle Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen . Diese Pflicht trifft damit grundsätzlich auch alle Unternehmen, die sich in Deutschland für einen öffentlichen Auftrag bewerben. Öffentliche Aufträge können nur an gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben werden. Im Vergabeverfahren wird daher durch den öffentlichen Auftraggeber geprüft, ob die Bieter einen schwerwiegenden Verstoß gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung des jeweils geltenden Mindestlohns begangen haben. Dies erfolgt durch die Einholung von Eigenerklärungen bzw. durch Anfragen beim Gewerbezentralregister. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.03.2015 17/5153 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5153 Gesetzliche Regelungen dazu befinden sich in § 21 AEntG bzw. in § 19 MiLoG: – Gemäß § 21 Abs. 3 AEntG müssen öffentliche Auftrag- geber im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Gewerbezentralregister Auskünfte über rechtskräftige Bußgeldentscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 23 Abs. 1 oder 2 AEntG anfordern oder von Bewerberinnen oder Bewerbern eine Erklärung verlangen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 21 Abs. 1 AEntG nicht vorliegen. Im Fall einer Eigenerklärung können öffentliche Auftraggeber jederzeit zusätzliche Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister anfordern. Bei Aufträgen ab einer Höhe von 30.000 Euro muss der öffentliche Auftraggeber gemäß § 21 Abs. 4 AEntG für den Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, vor der Zuschlagserteilung eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150 a der Gewerbeordnung anfordern. – Gemäß § 19 Abs. 3 und 4 MiLoG gelten entsprechende Regelungen auch in Bezug auf die Einhaltung des seit 1. Januar 2015 geltenden allgemeinen Mindestlohns. Öffentliche Auftraggeber müssen also im Vergabeverfahren entweder beim Gewerbezentralregister Auskünfte über rechtskräftige Bußgeldbescheide wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 MiLoG anfordern ober von den Bewerbern eine Eigenerklärung verlangen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 19 Abs. 1 MiLoG nicht vorliegen. Bei Aufträgen ab einem Wert von 30.000 Euro fordert der öffentliche Auftraggeber für den Bewerber, der den Zuschlag erhalten soll, vor der Zuschlagserteilung eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister an (§ 19 Abs. 4 MiLoG). Zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien wird der Bund auch die entsprechenden Vorschriften im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) reformieren. Der Bund wird in diesem Zusammenhang u. a. klarstellen, dass auch bei der Ausführung von Aufträgen der bundesweit einheitlich geltende allgemeine Mindestlohn einzuhalten ist. Der Bundesgesetzgeber beabsichtigt damit, die Einhaltung dieser allgemein geltenden Verpflichtung auch über das Vergaberecht nochmals zu flankieren. Die tatsächliche Zahlung von Mindestlöhnen kann erst während der Ausführung von Aufträgen und nicht bereits im Vergabeverfahren überprüft werden. Zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der branchenbezogenen Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie des allgemeinen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz sind gemäß § 16 AEntG und § 14 MiLoG die Behörden der Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit), siehe hierzu Ausführungen zu Frage 6. 3. In wie vielen Fällen (absolut und prozentual) wurden in den vergangenen zehn Jahren jeweils Angebote von Bietern, die die Einhaltung von Tarif- und Mindestlöhnen nicht nachweisen konnten, aus diesem Grund von der Auftragsvergabe ausgeschlossen ? Hierzu liegen keine statistischen Daten vor. 4. Wie wird sichergestellt, dass in den Festpreisangeboten der Bieter der Mindestlohn auch für alle Leistungen und Gewerke gilt, die der Bieter nicht selbst erbringen wird, sondern seinerseits an andere Auftragnehmer vergeben wird? Im Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes gelten die dort geregelten Mindestlöhne kraft Gesetzes auch für alle Leistungen und Gewerke, die der Bieter nicht selbst erbringt, sondern seinerseits an andere Auftragnehmer vergibt . Erscheint der Angebotspreis des Bieters ungewöhnlich niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, verlangen die öffentlichen Auftraggeber vom Bieter Aufklärung über das Angebot (vgl. § 16 Abs. 6 Ziffer 2 VOB/A, § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A). Um zu verhindern, dass sich ein Auftraggeber der eigenen Verpflichtung zur Mindestlohnzahlung dadurch entzieht, indem er zur Erbringung von Werk- und Dienstleistungen andere Unternehmer einschaltet, sehen das ArbeitnehmerEntsendegesetz (§ 14 AEntG) und das Mindestlohngesetz (§ 13 MiLoG i. V. m. § 14 AEntG) eine Haftung des Auftraggebers auch für Mindestlohnansprüche gegen die Nachunternehmerkette vor: Der Auftraggeber haftet wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, hiernach dafür, dass ein von ihm beauftragter Unternehmer, dessen beauftragter Nachunternehmer oder ein von diesen beauftragter Verleiher seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Mindestlohn gemäß Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder Mindestlohngesetz zahlt. Die Haftung bezieht sich auf das Nettoentgelt abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen . Die Zuständigkeit der Behörden der Zollverwaltung für die Prüfung der Einhaltung der geltenden Mindestlöhne gilt auch in diesem Fall. 5. Welche unmittelbaren und dauerhaften Folgen hat der Nachweis für den Bieter, dass er sich durch die Nichteinhaltung geltender Tarif- beziehungsweise Mindestlöhne einen Vorteil im Ausschreibungsverfahren verschaffen wollte? Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AEntG sollen Bewerber für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit von der Teilnahme an Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber ausgeschlossen werden, sofern sie wegen eines Verstoßes gegen das ArbeitnehmerEntsendegesetz nach § 23 AEntG mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro belegt worden sind. Gleiches gilt auch schon vor der Durchführung eines Bußgeldverfahrens, wenn angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel an einer schwerwiegenden Verfehlung nach § 23 AEntG besteht (§ 21 Abs. 1 Satz 2 AEntG). Eine entsprechende Regelung enthält § 19 Abs. 1 MiLoG. Danach sollen Bewerber für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit von der Teilnahme an Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber ausgeschlossen werden, die wegen eines Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz nach § 21 MiLoG mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro belegt worden sind. Die Oberste Baubehörde im Staatsministerium des Innern , für Bau und Verkehr führt gemäß Ziffer 7.1.7 Korruptionsbekämpfungs -Richtlinie (KorruR) für den Bereich der bayerischen Staatsbauverwaltung eine verwaltungsinterne Ausschlussliste. Voraussetzung für die Eintragung ist, dass ein Bieter nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Zuverlässigkeit infrage stellt. Dazu gehören auch Verstöße gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, die mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro geahndet wurden. Drucksache 17/5153 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Um sicherzustellen, dass in Zukunft öffentliche Auftraggeber bundesweit von Wirtschaftsdelikten erfahren und nach den gleichen Regeln vorgehen, will der Bundesgesetzgeber im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien die Einführung eines zentralen bundesweiten Vergabeausschlussregisters und die Vereinheitlichung der inhaltlichen Regelungen prüfen. 6. Wie wird nicht nur im Bieterverfahren bzw. bei der Vergabe, sondern auch bei der Ausführung der staatlichen Aufträge sichergestellt bzw. überprüft , ob die zugesagten Tarif- und Mindestlöhne tatsächlich bezahlt werden, und zwar sowohl beim unmittelbaren Vertragspartner des Freistaats als auch bei durch ihn beauftragten, anderen Unternehmen ? Die Einhaltung der branchenbezogenen Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie des allgemeinen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz wird nach § 16 AEntG und § 14 MiLoG durch die Behörden der Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) kontrolliert. Als Bundesbehörden unterstehen diese dem Bundesministerium der Finanzen. Die Staatsregierung hat keine Einwirkungsmöglichkeiten auf deren Tätigkeit. Die Behörden der Zollverwaltung verfügen über umfangreiche Prüf- und Ermittlungsbefugnisse. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, Prüfungen des Zolls zu dulden und aktiv daran mitzuwirken, insbesondere die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen zur Einsichtnahme vorzulegen und das Betreten der Grundstücke und der Geschäftsräume zu dulden (§§ 3 bis 5 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz). Mindestlohnverstöße können mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden. 7. a) Bei wie vielen staatlichen Vergaben (absolut und prozentual) wurden jeweils in den vergangenen zehn Jahren in Bayern bei der Ausführung der staatlichen Aufträge Verstöße gegen die Bezahlung von Tarif- und Mindestlöhnen festgestellt? b) In welcher Form erfolgte dies? c) Durch wen erfolgte die Überprüfung? 8. Welche Konsequenzen wurden daraus sowohl für den Auftragnehmer als auch für das Bieterverfahren gezogen? Hierzu liegen keine statistischen Daten vor. Zur Frage der Konsequenzen im Falle eines Verstoßes gegen die Zahlung von Mindestlöhnen siehe Ausführungen zu Frage 5.