Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 10.12.2014 Fluglärm am Bayerischen Untermain Vorbemerkung: Zur Verdeutlichung des Sachverhalts wird auf Unterlagen der „Bürgerinitiative Bayerischer Untermain – Ein Himmel ohne Höllenlärm – verwiesen. Die entsprechende Präsentation findet sich unter: http://www.bi-hoellenlaerm .de/news/items/treffen-mit-der-dfs-in-langen-36.html unter „Anhang Folien Stellungnahme zu der Präsentation der DFS am 27.01.2014.pdf (1,3 MB)“. Auf die jeweiligen Foliennummern wird verwiesen. Für die Inbetriebnahme der Nord-West-Landebahn am 20.11.2011 hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) die Flugverfahren am Flughafen Frankfurt neu geordnet. Dabei wurde der südliche Gegenanflug nicht nur in Richtung Süden in bayerisches Gebiet verschoben, sondern gleichzeitig auf 4.000 Fuß (1.219 m) über NN abgesenkt, sodass die Höhenorte im Spessart in 800–900 m überflogen werden. Diese Absenkung des südlichen Gegenanfluges um 1.000 Fuß (305 m) hat zu einer Verdoppelung des Fluglärms geführt. Bei den bisherigen Maßnahmen der DFS zur Reduzierung des Fluglärms wurde Bayern stets ausgespart. Bei der Anhebung des südlichen Gegenanflugs ab dem 18.10.2012 wird von der DFS verschwiegen, dass diese Anhebung nur über Hessen erfolgte. Über dem Bayerischen Untermain wird weiterhin in 4.000 Fuß über NN geflogen, wie in Folie 25 der o. g. Präsentation dargestellt ist. Wenn man bedenkt, dass durch den international praktizierten und in ICOA Doc 9931 (Folie 32) definierten, kontinuierlichen Sinkflug CDO/CDA der Fluglärm über dem Bayerischen Untermain deutlich reduziert werden könnte, ohne andere Regionen zu belasten, stellen sich einige Fragen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Warum führt die DFS das kontinuierliche Sinkflugverfah- ren nicht so ein, dass dieses ohne Tiefflug über dem Bayerischen Untermain direkt in den Endanflug mündet, wie es in ICAO Doc 9931 (Folie 32) beschrieben ist? 2. Warum hat die DFS den südlichen Gegenanflug am 18.10.2012 nur über Hessen und nicht auch über Bayern angehoben? 3. Nachdem über dem Bachgau der Anflug aus Sicherheits- gründen neu organisiert werden musste und dabei die DFS die Radarführungsstrecke PSA 25S-1 (rot) wählte, wodurch eine permanente Lärmbelastung bei beiden Betriebsrichtungen auf der Achse PSA – CHA entsteht (Folien 19 und 20), frage ich die Staatsregierung, welche zwingenden Gründe gegen die Wahl der Radarführungsstrecke PSA 25S-3 (grün) sprechen, wodurch die permanente Lärmbelastung bei beiden Betriebsrichtungen auf der Achse PSA – CHA vermeidbar wäre, zumal sich die Anzahl der Betroffenen nur geringfügig unterscheidet? 4. Warum wird über dem Bachgau bei Betriebsrichtung BR 25 West in einem Anflugfächer und bei Betriebsrichtung BR 07 Ost nur auf der Achse PSA – CHA geflogen? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Annahme, dass der als Steeper Approach bekannte, steilere Anflugwinkel für Bayern keine Entlastung bringen kann, da Anflug und Endanflug, nach dem Eindrehen aus dem Gegenanflug über Bayern, über Hessen stattfinden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 30.01.2015 Die Schriftliche Anfrage wird unter Berücksichtigung einer Stellungnahme der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH nimmt Aufgaben der Flugsicherung im Auftrag des Bundes wahr (§ 27c Absatz 2 Luftverkehrsgesetz – LuftVG; § 1 Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens – FSAuftrV). Nationale Aufsichtsbehörde für den Bereich der Flugsicherung ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (§ 1 Gesetz über die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung – BAFG). Das BAF ist gemäß § 27a Abs. 1 Satz 1 Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) ermächtigt, Flugverfahren (einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte) durch Rechtsverordnung festzulegen. Grundlage dafür sind die Flugverfahrensplanungen der DFS. Die zuständige Flugsicherungsorganisation hat den Luftverkehr zu jeder Zeit sicher, geordnet und flüssig abzuwickeln. Die Flugsicherungsorganisation kann – aus anderen als Flugsicherungsgründen – den zulässigen Luftverkehr nicht beschränken. Der zulässige Betriebsumfang eines Flughafens ist im jeweiligen Planfeststellungsbeschluss und in der luftrechtlichen Genehmigung geregelt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.03.2015 17/5167 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5167 1. Warum führt die DFS das kontinuierliche Sinkflugverfahren nicht so ein, dass dieses ohne Tiefflug über dem Bayerischen Untermain direkt in den Endanflug mündet, wie es in ICAO Doc 9931 (Folie 32) beschrieben ist? 2. Warum hat die DFS den südlichen Gegenanflug am 18.10.2012 nur über Hessen und nicht auch über Bayern angehoben? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die DFS hat dazu Folgendes mitgeteilt: Ein Continuous Descent Approach (CDO) endet – in der Anwendung weltweit identisch – an jenem Punkt, an dem das Flugzeug seine vorgegebene Höhe einnehmen muss bzw. eingenommen hat, die zur sicheren Staffelung bzw. zum Eindrehen in den Endanflug notwendig ist. Eine Vorgabe der ICAO führt zu dem Umstand, dass sich Anflüge auf die Südbahn am Flughafen Frankfurt im betreffenden Bereich bereits in einer Höhe von 4.000 Fuß (ca. 1.220 m üNN) bewegen müssen, bevor sie auf den Endanflug eingedreht werden. Dieses Verfahren dient der sicheren und flüssigen Verkehrsführung und der Einhaltung der Staffelungskriterien , die einen Abstand zweier Flugzeuge zueinander von 1.000 Fuß (ca. 300 m) in der Vertikalen, oder mindestens drei Seemeilen (ca. 5,5 km) in der Horizontalen vorschreiben. Letzteres kann während des zeitgleichen Eindrehvorganges aus dem Norden (5.000 Fuß Höhe) und dem Süden (simultaner unabhängiger Parallelbetrieb auf zwei Landebahnen) nicht erfüllt werden, sodass eine Höhenstaffelung von 1.000 Fuß sichergestellt werden muss. Die Staffelungskriterien (Höhenstaffelung) können erst dann aufgehoben werden – so schreibt es die ICAO vor – sobald sich beide Flugzeuge auf dem Instrumenten-Landesystem (ILS – bestehend aus einem Gleitpfadsender und einem Landekurssender) befinden. Da der Gleitwegsender einen festen Sinkwinkel von 3° bzw. 3,2° aussendet und eine maximal zugelassene und zertifizierte Reichweite von ca. 15 Nautischen Meilen (entspricht ca. 28 km) besitzt, lässt sich ein Eindrehen in größeren Höhen nicht umsetzen, da dies auch eine größere Entfernung zum Gleitwegsender zur Folge hat. Außerhalb dieser Entfernung sind die Abweichungen des Signals zu groß, sodass keine sichere Staffelung gewährleistet werden kann. Eine mögliche Abhilfe, die bereits im Rahmen der Allianz für Lärmschutz von der DFS eingebracht und diskutiert wurde , ist die Anhebung der Endanflughöhen durch Verlängerung des ILS. Diese Maßnahme befindet sich noch in der Prüfung, da hier sowohl technische Rahmenbedingungen (ILS-Zulassungskriterien) als auch betriebliche Aspekte (u. a. laterale Verlagerung und Verlängerung der Endanflüge) untersucht werden müssen. Die DFS ist hier in einer Pionierrolle , da derartige Maßnahmen bislang weder dem weltweiten Standard für An- und Abflugverfahren entsprechen noch in der Praxis erprobt wurden. Der Zeithorizont von der wissenschaftlichen Begleitung, der technischen Entwicklung, wie der Entwicklung neuartiger Verfahren, bis hin zur Genehmigung der Abweichung ist derzeit nicht vorhersehbar. Über den Fortgang dieser Aktivitäten hält die DFS die Öffentlichkeit und insbesondere die Fluglärmkommission Frankfurt ständig auf dem Laufenden. 3. Nachdem über dem Bachgau der Anflug aus Sicherheitsgründen neu organisiert werden musste und dabei die DFS die Radarführungsstrecke PSA 25S-1 (rot) wählte, wodurch eine permanente Lärmbelastung bei beiden Betriebsrichtungen auf der Achse PSA – CHA entsteht (Folien 19 und 20), frage ich die Staatsregierung, welche zwingenden Gründe gegen die Wahl der Radarführungsstrecke PSA 25S-3 (grün) sprechen, wodurch die permanente Lärmbelastung bei beiden Betriebsrichtungen auf der Achse PSA – CHA vermeidbar wäre, zumal sich die Anzahl der Betroffenen nur geringfügig unterscheidet? Die DFS hat dazu Folgendes mitgeteilt: Das mit der zum August 2014 durchgeführten Änderung der Transitions (Radarführungsstrecken) verfolgte Ziel war es, „Überschießer“ beim Eindrehen in den Gegenanflug möglichst umfassend zu verhindern. Da im Übrigen die anzubindenden Anfangsanflugpunkte, die Lage des Gegenanfluges und des Endanfluges sowie das Layout des Flughafens nicht zur Disposition standen, hat die DFS drei Varianten ausgearbeitet , die diese Punkte berücksichtigten. Dabei versprach die ausgewählte Variante nicht nur die größten Verbesserungen, es drängte sich ihr gegenüber auch unter Fluglärmaspekten keine andere Wegführung als offensichtlich vorzugswürdig auf. Die „Doppelbelastung“ in dem genannten Gebiet wurde bei der Festlegung gesehen und entsprechend in die Abwägung eingestellt. Da in dem betroffenen Bereich die operationelle Flughöhe bei Ostbetrieb jedoch bei Flugfläche 110, d. h. in Höhen um etwa 3.350 m liegt, wurde dieser Aspekt als nicht ausschlaggebend eingestuft. Der Streckenverlauf der zur Festlegung gebrachten Variante bewegt sich in einem Bereich (rechtlich) zumutbaren Fluglärms. Ergänzend ist zu bemerken, dass auch bei Westbetrieb die Überflughöhen in diesem Gebiet in aller Regel deutlich höher liegen, als die von der Bürgerinitiative reklamierten 4.000 Fuß (ca. 1.220 m üNN). So ergab die Betrachtung eines beliebigen Tages bei Stanly Track Flughöhen zwischen 5.500 Fuß (ca. 1.670 m üNN) und 11000 Fuß (ca. 3.350 m üNN), wobei die Flüge über 6.000 Fuß (ca. 1.830 m üNN) deutlich überwogen. Das Thema Verlegung PSA-Transition wurde in der 222. Sitzung der Fluglärmkommission Frankfurt am 11. September 2013 behandelt. Die Mitglieder der Kommission haben die Maßnahme begrüßt. Des Weiteren hat die DFS in der 224. Kommissionssitzung am 19. Februar 2014 zu dem Thema berichtet. Die Sitzungsniederschriften und Präsentationen der DFS sind im Internet unter www.flk-frankfurt.de veröffentlicht. 4. Warum wird über dem Bachgau bei Betriebsrichtung BR 25 West in einem Anflugfächer und bei Betriebsrichtung BR 07 Ost nur auf der Achse PSA – CHA geflogen ? Laut DFS dient die „Auffächerung“ der anfliegenden Flugzeuge über dem Bachgau bei Betriebsrichtung 25 (d. h. Endanflug in Richtung Westen 250°) der Staffelung bzw. dem individuellen Eindrehen der Flugzeuge auf den Gegenbzw . Endanflug, während die Flugzeuge bei Betriebsrichtung 07 (d. h. Endanflug in Richtung Osten 70°) ebenfalls über das Funkfeuer Spessart (PSA) in den betreffenden Gegenanflug geführt werden. Aufgrund eines militärisch genutzten Luftraums über Rheinland-Pfalz (TRA-Lauter) ist eine Westverlagerung des Anflugstroms aus Süden nebst angesprochener „Auffächerung“ nicht möglich. 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Annahme dass der als Steeper Approach bekannte, steilere Anflugwinkel für Bayern keine Entlastung bringen kann, da Anflug und Endanflug, nach dem Eindrehen aus dem Gegenanflug über Bayern, über Hessen stattfinden? Das Thema Steeper Approach betrifft den letzten Teil des Anflugweges (Endanflug). Bei Anflügen zum Flughafen Frankfurt aus Richtung Osten befindet sich dieser Bereich Drucksache 17/5167 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 über dem Land Hessen. Eine eventuelle mittelbare Entlastung für Bayern ist davon abhängig, wie die Flugverfahren außerhalb dieses Bereiches gestaltet werden. Im Hinblick auf das Forschungsprojekt „Steeper Approach“ merkt die DFS zweierlei an: Zum einen handelt es sich hierbei um ein das CDO-Verfahren ergänzendes Verfahren. Zum anderen ist dies kein Flugsicherungsprojekt, sondern es wird aus nachfolgend dargelegten Gründen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vorangetrieben. Während ein CDO-Verfahren vor Erreichen des Instrumentenlandesystems (ILS) wirkt, bleiben die letzten ca. 22 Kilometer des geraden Endanflugs auf dem ILS immer gleich – und damit gleich belastend für die darunter lebenden Menschen. Steeper Approach soll diese Lücke schließen und eine höhenseitige Entlastung liefern, indem die Flugzeuge in diesem letzten Segment steiler anfliegen und damit weniger besiedeltes Gebiet mit Fluglärm belasten. Da es sich hierbei nicht um ein vorrangig flugsicherungstechnisches Problem handelt, sondern vorrangig Fragen der Flugzeugaerodynamik, der Flugzeugsysteme (wie beispielsweise Autopilotfunktionen und -zertifizierungen) und alle damit verbundenen Test- und Zulassungsbedingungen und -verfahren betroffen sind, wird dieses Projekt vom DLR geführt. Die genannten Forschungs- und Entwicklungsgründe sind Ursache dafür, dass man von einer flächendeckenden Anwendung in Deutschland noch weit entfernt ist. Auch besitzen zurzeit gerade einmal zwei Prozent der in Deutschland verkehrenden Luftfahrzeuge eine entsprechende Technik an Bord.