Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm, Claudia Stamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.11.2014 Homophobe Demonstration des Netzwerkes „Besorgte Eltern“ und dem Jugendverein TZT „Träume Ziele Taten “ am 25.10.2014 mit dem erklärten Ziel: „Stoppt die Frühsexualisierung der Kinder!“ Eine homophobe Demonstration hat am 25.10.2014 in Augsburg stattgefunden. Dabei haben die Organisator(inn)en weitere Demos in Bayern angekündigt. Im letzten Jahr konnte aufgrund von massivem Protest eine Demo in München verhindert werden. Sie erinnerte an die homophoben Demonstrationen gegen den Bildungsplan der Landesregierung von Baden-Württemberg. Wir fragen die Staatsregierung: 1.1 Wo haben in Bayern entsprechende Demonstrationen stattgefunden (bitte einzeln unter Angabe des Datums auflisten)? 1.2 Wie viele Personen haben an diesen Demonstrationen jeweils teilgenommen? 1.3 Welches konkrete Thema lag den Versammlungsanmeldungen jeweils zugrunde? 2.1 Welche Organisationen bzw. Vereine traten jeweils als Veranstalter der Demonstrationen auf? 2.2 Welche Auflagen waren jeweils mit den Demonstrationen verbunden? 2.3 Bei wie vielen dieser beziehungsweise ähnlicher Demonstrationen ist M. E., die bei „Besorgte Eltern“ als Ansprechpartner aufgeführte Person, Veranstalter? 3.1 Bei welchen Demonstrationen kam es im Rahmen der Demonstrationen – nach Kenntnissen der Staatsregierung – zu homophoben Vorfällen (damit sind gemeint: abwertende Äußerungen über Homosexualität bzw. Schwule/Lesben, Beleidigung und andere verbale Angriffe gegenüber anwesenden oder öffentlich bekannten Schwulen/Lesben, körperliche Übergriffe gegen anwesende Schwule/Lesben – bitte einzeln unter Angabe der jeweiligen Versammlung auflisten)? 3.2 Welche dieser Vorfälle ziehen aufgrund einer möglichen strafrechtlichen Relevanz entsprechende Ermittlungsverfahren nach sich? 4.1 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über die Mobilisierung durch die rechtsextreme Szene für die jeweiligen Demonstrationen (bitte detailliert nach den einzelnen Gruppierungen und Demonstrationen auflisten )? 4.2 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über die Unterwanderung bzw. Teilnahme der rechtsextremen Szene an den jeweiligen Demonstrationen (bitte detailliert nach den einzelnen Gruppierungen und Versammlungen auflisten)? 4.3 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über Demonstrationen , Versammlungen oder sonstige Aktionen der rechtsextremen Szene, in denen Bezug auf den beschriebenen Themenkomplex genommen wurde ? 5.1 Sind der Staatsregierung seit Beginn der jüngsten Zunahme von homophoben Tendenzen in der Russischen Föderation, Osteuropa oder Afrika Übergriffe auf Homosexuelle sowie auf entsprechende Einrichtungen oder sonstige homophobe Vorfälle jenseits der Demonstrationszüge bayernweit bekannt (bitte detailliert unter Angabe von Datum/Ort auflisten)? 6.1 Wie hat sich die Zahl homophob motivierter Straf- und Gewalttaten seit 2008 in Bayern entwickelt? 6.2 In wie vielen Fällen kam es zur Erhebung einer Anklage , Verurteilung oder Einstellung der Ermittlungen? 6.3 Wie viele der homophob motivierten Straf- und Gewalttaten seit 2008 können dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität“ zugeordnet werden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 29.01.2015 1.1 Wo haben in Bayern entsprechende Demonstrationen stattgefunden (bitte einzeln unter Angabe des Datums auflisten)? 1.2 Wie viele Personen haben an diesen Demonstrationen jeweils teilgenommen? 1.3 Welches konkrete Thema lag den Versammlungsanmeldungen jeweils zugrunde? Die Fragen 1.1 bis 1.3 werden zusammenfassend beantwortet . Am 25.10.2014 fand in Augsburg eine entsprechende Veranstaltung unter dem Thema „Demonstration gegen Frühsexualisierung “ statt. An dieser nahmen ca. 100 Personen teil. Eine weitere Versammlung in Augsburg am 17.01.2015 fand unter dem Thema „Gegen Frühsexualisierung“ statt. An dieser Versammlung nahmen ca. 80 Personen teil. Der Staatsregierung liegen zudem Erkenntnisse über eine bei der Landeshauptstadt München für den 10.05.2014 angezeigten Versammlung unter dem Thema „Gegen Früh- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.03.2014 17/5184 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5184 sexualisierung an Schulen und Kindergärten, gegen Pädophilie , gegen Gender Mainstreaming, gegen Heterophobie, gegen Zerstörung der traditionellen Familie“ vor. Die Veranstaltung wurde jedoch vom Veranstalter am 08.05.2014 abgesagt . Als Gründe hierfür wurden der von der Öffentlichkeit und den Medien aufgebaute Druck gegen die Versammlung sowie die Initiierung von Gegendemonstrationen angegeben . 2.1 Welche Organisationen bzw. Vereine traten jeweils als Veranstalter der Demonstrationen auf? Die Versammlungen am 25.10.2014 und 17.01.2015 in Augsburg wurden von einer Privatperson angezeigt, ohne dass hierbei eine Organisation oder ein Verein in Erscheinung getreten ist. Die für 10.05.2014 in München angezeigte , jedoch nicht durchgeführte Versammlung wurde im Namen der „Interessengemeinschaft: Besorgte Eltern Bayern “ angezeigt. 2.2 Welche Auflagen waren jeweils mit den Demonstrationen verbunden? Für die am 25.10.2014 und 17.01.2015 in Augsburg stattgefundenen Veranstaltungen wurden seitens der Stadt Augsburg zahlreiche Beschränkungen angeordnet, darunter unter Ziffer 2.9, dass alle Reden und auch von Ton-/Bildträgern abgespielte Texte, Videos und Musikstücke den öffentlichen Frieden zu wahren haben und nicht zum Hass gegen Bevölkerungsteile aufgestachelt oder zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen aufgerufen werden dürfe. Die Menschenwürde anderer dürfe nicht verletzt werden, indem Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Die übrigen Beschränkungen betrafen im Wesentlichen die Benutzung von Lautsprechern und Megaphonen , das Mitführen von Gegenständen und Tieren und die Veranstaltungsörtlichkeit. Für die Versammlung, die am 10.05.2014 in München hätte stattfinden sollen, wurde seitens der Landeshauptstadt München mit Bescheid vom 08.05.2014 verfügt, dass alle Äußerungen zu unterbleiben haben, die das NS-Regime sowie deren Organisationen und Folgeorganisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich Nachfolgeund Ersatzorganisationen glorifizieren, verharmlosen oder sonst wiederbeleben. Untersagt wurden insbesondere auch die Parolen „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, „Wir sind wieder da!“, „Wir kriegen euch (alle)“ sowie die Parole „Zionisten – Mörder und Faschisten“. Gleiches galt für Druckwerke und musikalische Darbietungen. Weiterhin wurden Parolen und Sprechchöre verboten, die Assoziationen zu verbotenen Organisationen und Vereinigungen hervorrufen können. Daneben wurde das Tragen von Bekleidung und Bekleidungsstücken verboten, aus denen sich (auch durch teilweises Überdecken) Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen wie „NS“, „NSD“, „NSDAP“, „SS“, „SA“, „14“, „18“, „88“ oder die Abkürzung bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien ergeben können. Zudem wurde das Mitführen von Fahnen mit Gestaltungen bzw. Symbolen, die als Ersatzsymbole für nationalsozialistische Vereinigungen bzw. Identifikationsmerkmale der rechtsextremistischen Szene gelten (z. B. Reichskriegsflagge, Keltenkreuzfahnen und Fahnen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“) auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus und auf dem Odeonsplatz (einschließlich des Platzes vor der Feldherrnhalle) untersagt. Ferner wurde das offene Mitführen von Parteifahnen der NPD und Kameradschaftsfahnen sowie deren Un- ter- und Jugendorganisationen auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus und auf dem Odeonsplatz (einschließlich des Platzes vor der Feldherrnhalle) untersagt. 2.3 Bei wie vielen dieser beziehungsweise ähnlicher Demonstrationen ist M. E., die bei „Besorgte Eltern “ als Ansprechpartner aufgeführte Person, Veranstalter? M. E. ist in diesem Zusammenhang nicht in Erscheinung getreten. 3.1 Bei welchen Demonstrationen kam es im Rahmen der Demonstrationen – nach Kenntnissen der Staatsregierung – zu homophoben Vorfällen (damit sind gemeint: abwertende Äußerungen über Homosexualität bzw. Schwule/Lesben, Beleidigung und andere verbale Angriffe gegenüber anwesenden oder öffentlich bekannten Schwulen/ Lesben, körperliche Übergriffe gegen anwesende Schwule/Lesben – bitte einzeln unter Angabe der jeweiligen Versammlung auflisten)? Der Staatsregierung liegen über derartige Vorfälle keine Erkenntnisse vor. 3.2 Welche dieser Vorfälle ziehen aufgrund einer möglichen strafrechtlichen Relevanz entsprechende Ermittlungsverfahren nach sich? Der Staatsregierung liegen über derartige Vorfälle keine Erkenntnisse vor. 4.1 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über die Mobilisierung durch die rechtsextreme Szene für die jeweiligen Demonstrationen (bitte detailliert nach den einzelnen Gruppierungen und Demonstrationen auflisten)? Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse über eine breitere Mobilisierung aus der rechtsextremistischen Szene zu derartigen Demonstrationen vor. Auf der Homepage der Partei Der Dritte Weg (III. Weg) wurde lediglich zweimal über die Gruppierung „Besorgte Eltern“ berichtet, so am 08.02.2014 über eine Demonstration in Stuttgart. Des Weiteren wurde am 22.05.2014 über die abgesagte Demonstration vom 10.05.2014 in München berichtet. Aus dem Artikel geht eine Teilnahmeabsicht von Münchner Aktivisten der Partei III. Weg hervor. Auf der Homepage des III. Weges findet sich eine einstellige Zahl an Artikeln, die sich auf die Forderung der Gruppe „Besorgte Eltern“ beziehen. Darüber hinaus berichten weder die einschlägigen Internetseiten der NPD (Bayern, Augsburg) noch das mittlerweile eingestellte Infoportal Schwaben auf seinem Twitter Account über die Demonstration am 25.10.2014. Zwar spielt das Thema „Deutsche Kinder“ in der rechtsextremistischen Szene sehr wohl eine Rolle. Dennoch sind der Staatsregierung keine personellen Verbindungen der rechtsextremistischen Szene zu den benannten Gruppierungen bekannt. Vielmehr steht die Agitation gegen so genannte Kinderschänder und die Förderung deutscher Kinder, um den befürchteten „Volkstod“ zu verhindern, für Rechtsextremisten in diesem Themenfeld im Vordergrund. 4.2 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über die Unterwanderung bzw. Teilnahme der rechtsextremen Szene an den jeweiligen Demonstrationen Drucksache 17/5184 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 (bitte detailliert nach den einzelnen Gruppierungen und Versammlungen auflisten)? Der Staatsregierung liegen weder Erkenntnisse über derartige Unterwanderungsversuche noch über eine Teilnahme von bayerischen Rechtsextremisten an den Veranstaltungen der Gruppe „Besorgte Eltern“ vor. 4.3 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über Demonstrationen, Versammlungen oder sonstige Aktionen der rechtsextremen Szene, in denen Bezug auf den beschriebenen Themenkomplex genommen wurde? Der Staatsregierung ist nicht bekannt, dass sich bayerische Rechtsextremisten zu diesem Themenkomplex aktiv engagieren . In den einschlägigen Internetpublikationen findet dieses Themenfeld nur geringfügig Erwähnung (siehe Ausführungen zu Frage 4.1). Dabei beschäftigen sich die Beiträge zum Thema vor allem mit den Gegnern der Demonstrationen , die als politische Gegner betrachtet und in einer für die rechtsextremistische Szene typischen Weise abgewertet werden. Der thematische Schwerpunkt der rechtsextremistischen Szene liegt momentan auf dem Themenkomplex Asyl. Über dieses Thema versuchen Rechtsextremisten momentan Anschluss an breitere Bevölkerungsschichten zu gewinnen. 5.1 Sind der Staatsregierung seit Beginn der jüngsten Zunahme von homophoben Tendenzen in der Russischen Föderation, Osteuropa oder Afrika Übergriffe auf Homosexuelle sowie auf entsprechende Einrichtungen oder sonstige homophobe Vorfälle jenseits der Demonstrationszüge bayernweit bekannt (bitte detailliert unter Angabe von Datum/Ort auflisten)? In den vergangenen drei Jahren wurden nachstehende homophob motivierte Straftaten bei den Polizeipräsidien bekannt, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass bezüglich dieser Straftaten kein polizeilicher Meldedienst besteht (siehe auch Antwort zu Frage 6): Am 01.01.2012 sprühte ein unbekannter Täter in Rettenbach , Lkr. Cham, mit schwarzer Farbe „LUTSCHER“ an das Garagentor des Geschädigten. Es ist zu vermuten, dass es sich hierbei um eine Anspielung auf die homosexuelle Lebensgemeinschaft des Besitzers des Anwesens handelte. Am 23.01.2013 verschickte ein unbekannter Täter in Jandelsbrunn, Lkr. Freyung-Grafenau, einen beleidigenden Brief an ein homosexuelles Paar. Am 02.04.2013 führte ein Beschuldigter in Neureichenau, Lkr. Freyung-Grafenau, in seinem Pkw CDs/USB-Stick mit rechtsextremistischem Liedgut „Hassgesang“ mit. Das Verfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Passau gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Am 18.12.2013 erstattete ein Geschädigter in Regensburg schriftlich Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Regensburg wegen wiederholter Zustellung (erstmals am 07.12.2013) einer Fotomontage mit pornografischen Darstellungen. Diese zeigten den Geschädigten über einem weiblichen Torso bei der Ausübung des Geschlechtsverkehrs. Die Darstellungen waren mit diversen Texten versehen. Der Geschädigte erkannte ohne Zweifel einen Bezug zu seiner Homosexualität, zu der er sich gegenüber der Allgemeinheit bekennt. 6.1 Wie hat sich die Zahl homophob motivierter Strafund Gewalttaten seit 2008 in Bayern entwickelt? 6.2 In wie vielen Fällen kam es zur Erhebung einer Anklage , Verurteilung oder Einstellung der Ermittlungen ? 6.3 Wie viele der homophob motivierten Straf- und Gewalttaten seit 2008 können dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität“ zugeordnet werden? Die Fragen 6.1 bis 6.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach Auskunft des Bayerischen Landeskriminalamts liegen hierzu weder in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) noch im Kriminalpolizeilichen Meldedienst-Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) Erkenntnisse vor. Der Meldedienst zum KPMD-PMK umfasst zwar das Phänomen „Hasskriminalität“ mit dem Unterthema „sexuelle Orientierung “, jedoch ist dort keine weitere Differenzierung möglich, wie etwa nach homophoben Sachverhalten. Eine Erhebung im automatisierten Verfahren ist daher nicht möglich. Zur Beantwortung der Fragen wären umfangreiche manuelle Aktenauswertungen notwendig, die in dieser Form mit einem vertretbaren Aufwand nicht leistbar sind.