Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 22.12.2014 Rettungsdienstliche Versorgung und Notarztdienste im Landkreis Aschaffenburg Im Rahmen einer Anfrage zum Plenum am 8. Dezember 2014 (Drs. 17/4728) habe ich nach den verschiedenen Hilfsfristen am Untermain gefragt, aber aufgrund der Kürze der Zeit nicht alle Antworten erhalten. Die in der Schriftlichen Anfrage genannten Werte stammen aus der entsprechenden Anfrage zum Plenum (Drs. 17/4728). Ich frage die Staatsregierung: 1. Was sind die jeweiligen Gründe für das Versagen der statistischen Erfassung, nachdem es von Januar 2013 bis Oktober 2014 im Landkreis Aschaffenburg 2.601 Notfälle (= 16,1 %) gab, die laut Statistik nicht auswertbar waren? 2. Welche Möglichkeit gibt es, diese „nicht auswertbaren Notfälle“ in Zukunft dennoch zu erfassen (z. B. durch eine technische Aufrüstung)? 3. Nachdem die sog. 12-Minuten-Frist in Bayern als Orien- tierungsgröße für den Rettungszweckverband gilt, die noch um 20 % überschritten werden darf, der Zweckverband bei einer Überschreitung über geeignete Maßnahmen zur Verbesserung zu entscheiden hat und in der Zeit vom Januar 2013–Oktober 2014 in folgenden Gemeinden der 20 % Wert überschritten war: Dammbach: 38,1 %; Geiselbach: 21,9 %; Heigenbrücken: 85,5 %; Heimbuchenthal: 35,2 %; Heinrichsthal: 76,8 %; Johannisberg : 21,3 %; Krombach: 22,2 %; Laufbach: 36,1 %; Mespelbrunn: 22,9 %; Mömbris: 26,2 %; Rothenbuch: 30,1 %; Schöllkrippen: 20,1 %; Waldaschaff: 34 %; Weibersbrunn : 20,4 %; Wiesen: 88,5 %, frage ich die Staatsregierung , ob in den genannten Orten Verbesserungen vorgenommen werden müssen? Wenn ja, welche und in welchem Zeitraum? 4. Welche Verbesserungen sind möglich, damit zumindest diese „20 %-Frist“ eingehalten werden kann? 5. Ist es richtig, dass es in anderen Bundesländern (z. B. Baden-Württemberg) eine 12-Minuten-Regelung als gesetzliche Mussregelung gibt, und welche Konsequenzen gibt es dort bei Überschreitung dieser Frist? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 10.02.2015 1. Was sind die jeweiligen Gründe für das Versagen der statistischen Erfassung, nachdem es von Januar 2013 bis Oktober 2014 im Landkreis Aschaffenburg 2.601 Notfälle (= 16,1 %) gab, die laut Statistik nicht auswertbar waren? Maßgeblich für die Einhaltung der 12-Minuten-Frist ist die Fahrzeit des ersteintreffenden qualifizierten Rettungsmittels am Einsatzort. Damit diese Fahrzeit auswertbar ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: – Es muss möglich sein zu bestimmen, welches Rettungs- mittel als erstes am Einsatzort eintraf. Dazu muss bei Notfallereignissen mit mehreren beteiligten qualifizierten Rettungsmitteln die Ankunftszeit aller dieser Rettungsmittel dokumentiert sein, also der Zeitpunkt des Erreichens des Einsatzortes (sog. Status 4 – die Besatzung meldet diesen Status der Integrierten Leitstelle über Funk durch Drücken des entsprechenden Knopfes im Fahrzeug). – Für das erste qualifizierte Rettungsmittel am Einsatzort muss weiterhin die Ausrückzeit dokumentiert sein, also der Zeitpunkt der Einsatzübernahme (sog. Status 3 – die Besatzung meldet diesen Status der Integrierten Leitstelle über Funk durch Drücken des entsprechenden Knopfes im Fahrzeug). Mögliche Gründe für die fehlende Dokumentation der Ankunfts - bzw. der Ausrückzeit sind: – Bei Einsätzen auf bayerischem Staatsgebiet mit Ret- tungsmitteln, die nicht in Bayern stationiert sind, wird der Status 3 grundsätzlich nicht und der Status 4 häufig nicht an die den Einsatz führende bayerische Leitstelle übergeben . – Bei Einsätzen mit bayerischen Rettungsmitteln, die nicht der für den Einsatzort zuständigen Leitstelle zugeordnet sind, wird der Status 3 nicht an die zuständige Leitstelle übergeben. In diesen Fällen versucht man im Zuge der Datenaufbereitung, die Daten der beiden am Einsatz beteiligten Leitstellen zusammenzuführen. Dies gelingt jedoch nicht immer. – Die Besatzung des Rettungsmittels hat versäumt, beim Ausrücken bzw. bei der Ankunft am Einsatzort am Funkgerät den Status zu drücken. – Zum Zeitpunkt des Ausrückens oder der Ankunft bestand keine Funkverbindung zur Leitstelle, sodass trotz Drückens am Funkgerät kein FMS-Status übermittelt wurde. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.03.2015 17/5351 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5351 2. Welche Möglichkeit gibt es, diese „nicht auswertbaren Notfälle“ in Zukunft dennoch zu erfassen (z. B. durch eine technische Aufrüstung)? Eine Verbesserung der Auswertbarkeit könnte durch folgende Maßnahmen erreicht werden: – Ermöglichung einer direkten Übergabe der Einsatzdaten von der Heimatleitstelle zur einsatzführenden Leitstelle in den EDV-Systemen der Leitstellen (rettungsdienstbereichsübergreifend sowie landesübergreifend). – Bereitstellung der Einsatzdaten außerbayerischer Leitstellen für das Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM), welches die Auswertungen vornimmt. – Verbesserung der Dokumentationsdisziplin der Besatzungen der Rettungsmittel. – Verbesserung der Funkabdeckung. 3. Nachdem die sog. 12-Minuten-Frist in Bayern als Orientierungsgröße für den Rettungszweckverband gilt, die noch um 20 % überschritten werden darf, der Zweckverband bei einer Überschreitung über geeignete Maßnahmen zur Verbesserung zu entscheiden hat und in der Zeit vom Januar 2013–Oktober 2014 in folgenden Gemeinden der 20 % Wert überschritten war: Dammbach: 38,1 %; Geiselbach: 21,9 %; Heigenbrücken : 85,5 %; Heimbuchenthal: 35,2 %; Heinrichsthal : 76,8 %; Johannisberg: 21,3 %; Krombach: 22,2 %; Laufbach: 36,1 %; Mespelbrunn: 22,9 %; Mömbris : 26,2 %; Rothenbuch: 30,1 %; Schöllkrippen: 20,1 %; Waldaschaff: 34 %; Weibersbrunn: 20,4 %; Wiesen: 88,5 %, frage ich die Staatsregierung, ob in den genannten Orten Verbesserungen vorgenommen werden müssen? Wenn ja, welche und in welchem Zeitraum? Aufgrund der Vorgaben in der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG) werden Hilfsfristen nicht auf Gemeindeebene ermittelt, sondern auf Versorgungsbereichsebene. Dabei sind jeder Teil eines Gemeindegebiets in Bayern sowie die gemeindefreien Gebiete ausgehend von der planerisch kürzesten Fahrzeit dem festgelegten Versorgungsbereich einer Rettungswache zugeordnet. Zum Versorgungsbereich der Rettungswache Schöllkrippen gehören die Gemeinden Geiselbach, Heinrichsthal, Krombach, Mömbris, Schöllkrippen und Wiesen. Im Versorgungsbereich der Rettungswache Schöllkrippen wird seit Jahren die Fahrzeit zu etwa 75 % eingehalten. Seit der Einrichtung des neuen Stellplatzes Sailauf zu Beginn des Jahres gibt es eine leichte Verbesserung. Die 80 %-Quote wurde gleichwohl nur im 1. Quartal 2014 eingehalten. Hier wird man nach Auskunft des ZRF noch etwas beobachten müssen, ob sich eine kontinuierliche Verbesserung ergibt, wenn sich der neue Stellplatz etabliert hat. Zum Versorgungsbereich der Rettungswache Weibersbrunn gehören die Gemeinden Dammbach, Heigenbrücken, Heimbuchenthal, Mespelbrunn, Rothenbuch und Weibersbrunn . Im Versorgungsbereich der Rettungswache Weibersbrunn wurde über Jahre hinweg die Fahrzeit zu etwa 50 % eingehalten. Seit der Einrichtung des neuen Stellplatzes Sailauf zu Beginn des Jahres gibt es eine deutliche Verbesserung auf etwa 70 %. Auch hier wird man nach Auskunft des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralamierung (ZRF) noch etwas beobachten müssen, ob sich eine weitere Verbesserung ergibt, wenn sich der neue Stellplatz etabliert hat. Zum Versorgungsbereich der Rettungswache Aschaffenburg gehören die Gemeinden Johannisberg, Laufach und Waldaschaff. Im Versorgungsbereich der Rettungswachen Aschaffenburg wird die Fahrzeit im Versorgungsbereich kontinuierlich zu mehr als 90 % eingehalten, sodass bezogen auf die genannten beiden Gemeinden zurzeit kein Handlungsbedarf gesehen wird. Dies gilt umso mehr, als zu Beginn des Jahres in Sailauf ein zusätzlicher Stellplatz eingerichtet wurde. 4. Welche Verbesserungen sind möglich, damit zumindest diese „20 %-Frist“ eingehalten werden kann? Wird die Fahrzeit nicht eingehalten, so hat der zuständige ZRF nach pflichtgemäßem Ermessen über geeignete Maßnahmen zur Verbesserung zu entscheiden. Infrage kommen u. a. eine Änderung der Dispositionsstrategie, eine Verlagerung eines Standorts sowie als Ultima Ratio die Errichtung eines neuen Stellplatzes oder einer neuen Rettungswache. Jede Änderung, die sich auf die Betriebskosten der Notfallrettung auswirkt, bedarf der Zustimmung der Sozialversicherungsträger . Der ZRF hat bei jeder Entscheidung auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Vorliegend hat der Zweckverband bereits einen neuen Stellplatz errichtet. Es muss abgewartet werden, ob die 12-Minuten-Frist hierdurch dauerhaft in mehr als 80 % der Fälle eingehalten werden kann. 5. Ist es richtig, dass es in anderen Bundesländern (z. B. Baden-Württemberg) eine 12-Minuten-Regelung als gesetzliche Mussregelung gibt, und welche Konsequenzen gibt es dort bei Überschreitung dieser Frist? Diese Aussage ist nicht zutreffend. Es wurde eine Länderumfrage zu diesem Thema durchgeführt mit dem Ergebnis, dass in allen Bundesländern, die geantwortet haben (14 von 15), die Hilfsfrist eine reine Planungsgröße darstellt und als einzige Konsequenz bei einer dauerhaften Nichteinhaltung der vorgegebenen Zielerreichungsgröße eine Anpassung des rettungsdienstlichen Bedarfs erfolgt. In Baden-Württemberg z. B. regelt das Landesrettungsdienstgesetz in § 3 „Planung“ (Abs. 2 Satz 6) Folgendes: „Die Hilfsfrist soll aus notfallmedizinischen Gründen möglichst nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten betragen.“ Die Gesetzesbegründung sieht als Zielerreichungsgrad 95 % aller Einsätze im Rettungsdienstbereich pro Jahr vor. Die Hilfsfrist bezieht sich auf den bodengebundenen Rettungsdienst und stellt eine reine Planungsgröße dar; es gibt keine unmittelbaren Konsequenzen; auf die Einhaltung der Planungsvorgaben ist ggf. im Wege der Rechtsaufsicht durch die untere Verwaltungsbehörde auf den die Strukturplanung durchführenden Bereichsausschuss einzuwirken.