Verbot der Verschleuderung von kommunalem Vermögen (Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO)? 7. Inwieweit hat das Landratsamt München als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde bei der Ermittlung des Verkehrswertes der beiden Grundstücke auf Grundlage des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO geprüft? a) Welche rechtlichen Konsequenzen hätte ein Verstoß gegen Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO für den Kaufvertrag sowie für die handelnden Mandatsträger? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 11.02.2015 Vorbemerkung: Die Angaben in der Schriftlichen Anfrage zur Größe der im Eigentum der Gemeinde Oberhaching stehenden Grundstücke Flurnummern 14 und 17 der Gemarkung Oberhaching sind nicht zutreffend. Das Grundstück mit der Fl.-Nr. 14 ist 2.054 m², nicht 798 m² groß, das Grundstück mit der Fl.-Nr. 17 ist 789 m², nicht 2.045 m² groß. Unzutreffend ist weiterhin die Aussage, dass die Gemeinde im Jahr 2006 das Grundstück mit der Fl.-Nr. 14 gekauft habe; erworben wurde in diesem Jahr das Grundstück mit der Fl.-Nr. 17. 1. Werden die Grundstücke mit den Flur-Nrn. 14 und 17 öffentlich zum Verkauf ausgeschrieben? Wenn nein, warum nicht? Die Grundstücke Fl.Nrn. 14 und 17 der Gemarkung Oberhaching wurden nicht öffentlich ausgeschrieben. Eine Verpflichtung zur Ausschreibung bestand nicht. Weder macht die vor einer Veräußerung der Grundstücke notwendige Wertermittlung ein Ausschreibungsverfahren zwingend erforderlich (siehe hierzu Antwort auf Frage 6) noch liegt ein ausschreibungspflichtiger Bauauftrag vor. Ein ausschreibungspflichtiger Bauauftrag läge nur dann vor, wenn eine von der Gemeinde einklagbare Bauverpflichtung vereinbart würde und sie dafür als Gegenleistung ein Entgelt zu leisten verpflichtet wäre. Dabei könnte dieses Entgelt auch ein verbilligter Grundstückspreis sein. Zur Umsetzung der Bauverpflichtung vereinbarte Rückkaufs- oder Rücktrittsrechte sind einer einklagbaren – und damit ausschreibungspflichtigen – Bauverpflichtung nicht gleichzustellen. Ferner müsste die Gemeinde für die Annahme eines ausschreibungspflichtigen Bauauftrags einen entscheidenden Einfluss auf das bauliche Konzept nehmen. Dabei müsste sie bauliche Erfordernisse festlegen, die über die Festlegungen in der Bauleitplanung und damit über die bloße Ausübung städtebaulicher Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.04.2015 17/5365 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazolo FREIE WÄHLER vom 22.12.2014 Verschleuderung von Gemeindevermögen in Oberhaching ? Verkauf zweier gemeindeeigener Grundstücke in Oberhaching (Bebauungsplan der Gemeinde Oberhaching „Sondergebiet Lebensmittelvollsortimenter und Hofstelle ,Ertl‛ südlich Kybergstraße und Kirchplatz“) Die Gemeinde Oberhaching plant den Verkauf zweier Innenbereichsgrundstücke mit den Flurnummern 14 (798 m²) und Flurnummer 17 (2.045 m²) der Gemarkung Oberhaching an einen privaten Investor. Es soll dort ein Einzelhandelsgroßprojekt entstehen. Die Gemeinde hatte im Jahre 2006 das Grundstück Flur-Nr. 14 für € 850.000,00 gekauft. Nun sollen beide Grundstücke zu einem Preis von lediglich € 770.000,00 an einen privaten Investor verkauft werden. Die Gemeindeverwaltung behauptet, dass das Einzelhandelsgroßprojekt mit einer Kauffläche von 1.700 m² in der Ortsmitte von Oberhaching alternativlos sei. Man müsse die Grundstücke an den Investor verkaufen, denn die angrenzenden Flächen seien in dessen Eigentum und diese seien für die Errichtung des Einzelhandelsgroßprojektes notwendig. Ich frage die Staatsregierung: 1. Werden die Grundstücke mit den Flur-Nrn. 14 und 17 öffentlich zum Verkauf ausgeschrieben? Wenn nein, warum nicht? 2. Wurde geprüft, ob nach § 176 BauGB (Baugebot) der Grundeigentümer des angrenzenden Grundstückes zur Mitwirkung verpflichtet wird? Wenn nein, warum nicht? 3. Sollen die genannten gemeindeeigenen Grundstücke an ein Gemeinderatsmitglied verkauft werden? Wenn ja, welche Funktion hat das Gemeinderatsmitglied? 4. Inwieweit wurde bei den Verkauf betreffenden Gemeinderatsbeschlüssen der Art. 49 GO beachtet? a) Liegt ggf. ein Verstoß gegen diesen Artikel vor? b) Wenn nein, wer hat das Wertermittlungsgutachten be- zahlt? c) Wenn nein, hat sich der Gutachter an Vorgaben des Investors zur Wertermittlung orientiert? 5. Wie hoch ist der Bodenrichtwert für die Flur-Nrn. 14 und 17 der Gemarkung Oberhaching? 6. Inwieweit ist der abzuschließende Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von € 770.000,00 vereinbar mit dem Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5365 Regelungskompetenzen der Gemeinde hinausgehen. Diese Voraussetzungen liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht vor. 2. Wurde geprüft, ob nach § 176 BauGB (Baugebot) der Grundeigentümer des angrenzenden Grundstückes zur Mitwirkung verpflichtet wird? Wenn nein, warum nicht? Die Gemeinde hat ein Baugebot nach § 176 BauGB nicht in Erwägung gezogen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Ein Baugebot begründet eine grundstücksbezogene Handlungspflicht des jeweiligen Eigentümers . Es setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung daher voraus, dass das Grundstück für sich entsprechend den vorhandenen baurechtlichen Vorschriften bebaubar ist. Für die Realisierung des Projekts sind aber nach Auskunft der Gemeinde Oberhaching neben dem bereits im Eigentum des Investors stehenden Grundstück (Fl.-Nr. 18 der Gemarkung Oberhaching) auch die beiden Grundstücke der Gemeinde (Fl.-Nr. 14 und 17 der Gemarkung Oberhaching) erforderlich . Ein Baugebot ist nach dem Willen des Gesetzgebers außerdem „Ultima Ratio“. Es würde voraussetzen, dass die alsbaldige Durchführung der Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist (§ 175 Abs. 2 BauGB). Diese Gründe müssen in ihrem Gewicht und in ihrer Dringlichkeit über die Gründe, die einen Bebauungsplan tragen, noch deutlich hinausgehen . Solche Gründe liegen hier nicht vor. Zudem wäre auch die Durchsetzung eines Baugebots nicht möglich; insbesondere liegen hier die Voraussetzungen für eine Enteignung (§§ 85 ff. BauGB) nicht vor. 3. Sollen die genannten gemeindeeigenen Grundstücke an ein Gemeinderatsmitglied verkauft werden? Wenn ja, welche Funktion hat das Gemeinderatsmitglied ? Die Grundstücke sollen an ein Gemeinderatsmitglied verkauft werden. Das Gemeinderatsmitglied ist Sprecher seiner Fraktion im Gemeinderat. 4. Inwieweit wurde bei den Verkauf betreffenden Gemeinderatsbeschlüssen der Art. 49 GO beachtet? a) Liegt ggf. ein Verstoß gegen diesen Artikel vor? Bei den Gemeinderatsbeschlüssen, die den Verkauf betreffen , wurde Art. 49 GO beachtet. Persönlich beteiligte Gemeinderatsmitglieder wurden bei den Gemeinderatssitzungen von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen. Ein Verstoß gegen Art. 49 GO liegt nicht vor. b) Wenn nein, wer hat das Wertermittlungsgutachten bezahlt? Der Gutachter wurde von der Gemeinde beauftragt und bezahlt . c) Wenn nein, hat sich der Gutachter an den Vorgaben des Investors zur Wertermittlung orientiert? Das Wertermittlungsgutachten wird von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken erstellt und fortgeschrieben . Die Staatsregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass Vorgaben des Investors in die Wertermittlung eingegangen wären. 5. Wie hoch ist der Bodenrichtwert für die Flur-Nrn. 14 und 17 der Gemarkung Oberhaching? Die Grundstücke liegen in einer Bodenrichtwertzone, für die zum Stichtag 31.12.2012 ein Bodenrichtwert für Wohnbauflächen von 900 €/qm bei einer GFZ von 0,5 festgelegt wurde . Bodenrichtwerte für die von der Gemeinde ausgewiesene Nutzung (Sondergebiet Lebensmittelvollsortimenter) oder vergleichbare Gebiete liegen nicht vor. 6. Inwieweit ist der abzuschließende Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von € 770.000,00 vereinbar mit dem Verbot der Verschleuderung von kommunalem Vermögen (Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO)? Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO bestimmt, dass Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen. Dabei ist den Kommunen ein bestimmtes Wertermittlungsverfahren nicht vorgeschrieben. Bei Grundstücken empfiehlt die Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 15.05.1992 über die Veräußerung kommunaler Vermögensgegenstände (AllMBl S. 535), den Wert anhand der für Bodenrichtwerte geführten Grundstückskarte oder Liste oder durch ein Gutachten des Gutachterausschusses , eines amtlich bestellten Sachverständigen oder einer mit Grundstücksbewertungen allgemein befassten Stelle der Kommune entsprechend den Vorschriften des Baugesetzbuchs und der zu seiner Ausführung erlassenen Vorschriften zu ermitteln. Die Gemeinde hat zur Ermittlung des Grundstückswertes einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beauftragt, ein Wertgutachten zu erstellen, und damit der Empfehlung Rechnung getragen. Der in der Schriftlichen Anfrage genannte Kaufpreis wird von der Gemeinde nicht bestätigt. Das Wertermittlungsgutachten wird derzeit aktualisiert und im Anschluss daran erneut überprüft. 7. Inwieweit hat das Landratsamt München als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde bei der Ermittlung des Verkehrswertes der beiden Grundstücke auf Grundlage des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO geprüft ? Das Landratsamt München prüft als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde die Einhaltung des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO. Diese Prüfung kann jedoch erst abgeschlossen werden, wenn der Kaufpreis und der Verkehrswert der zu veräußernden Grundstücke der Gemeinde Oberhaching abschließend feststehen. a) Welche rechtlichen Konsequenzen hätte ein Verstoß gegen Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO für den Kaufvertrag sowie für die handelnden Mandatsträger? Das Verbot der Veräußerung unter Wert ist ein gesetzliches Verbot im Sinn von § 134 BGB. Verstöße gegen dieses Verbot machen eine Veräußerung nichtig. Daneben kann die Gemeinde unter Umständen Regressansprüche gegen die verantwortlichen Mandatsträger geltend machen. Bei einem rechtswidrigen Beschluss haften ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder gegenüber der Gemeinde, wenn das Abstimmungsverhalten eine vorsätzliche Pflichtverletzung darstellt (Art. 51 Abs. 2 Satz 2 GO). Kommunale Wahlbeamte haften für Pflichtverletzungen bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (§ 48 BeamtStG); ihnen gegenüber kommen darüber hinaus disziplinarische Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 3, 4 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) in Betracht. Davon unberührt bleibt deren mögliche strafrechtliche Verantwortlichkeit . Eine endgültige Bewertung ist jedoch nur im Einzelfall möglich.