Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.12.2013 Münchner Kunstfund: Aufklärung und Konsequenzen Das Handeln bayerischer Behörden bzw. der Staatsregierung im Fall Gurlitt hat im In- und Ausland zu heftiger Kritik geführt und das Ansehen Bayerns beschädigt. Die Ausschussberichte der zuständigen Minister und die Diskussion im Plenum des Bayerischen Landtags haben die Kritik leider nicht umfassend widerlegt. Mehrere Fragen wurden nicht beantwortet, Konsequenzen in Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen oder die Stärkung der Provenienzforschung blieben aus. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. Wurde von der Staatsanwaltschaft vor dem Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Gurlitt der Versuch unternommen, außer Meike Hoffmann noch weitere Expert/-innen für die Provenienzrecherche der sichergestellten Bilder zu gewinnen, um die Ermittlungen in einer vertretbaren Zeit zum Abschluss zu bringen? 1.1 Wenn nein, bis wann rechnete die Staatsanwaltschaft, dass sie die Herkunft der Bilder im bisherigen Tempo hätte klären können? 1.2 Wäre die Zeitspanne zu rechtfertigen gewesen in Hinblick auf Ansprüche auf Rückgabe der Kunstwerke von Gurlitt einerseits und möglicher ursprünglicher Eigentümer der Bilder bzw. deren Nachkommen andererseits ? 1.3 Hätte die Staatsanwaltschaft für Gurlitt die Bestellung einer Verteidigung beantragen müssen, wie es § 141, Abs. 3 StPO vorsieht? 2. Wann hat die Staatsanwaltschaft die aufgefundenen Bilder erstmals mit den auf www.lostart.de gesuchten verglichen? 2.1 Wann hat man entdeckt, dass das Bild „Zwei Reiter am Strande“ von Max Liebermann gesucht wird? 3. Wurde bei der Tagung mit Beamten der bayerischen Justiz und Polizei in Fischbachau am 25. und 26. Juli 2013 zur Organisierten Kriminalität von der Staatsanwaltschaft über den Fall Gurlitt berichtet? 3.1 Wenn ja, gibt es über den Bericht ein Protokoll? 3.2 Wurden die zuständigen Minister bzw. die zuständige Ministerin über die Tagung und ihre Inhalte schriftlich oder mündlich informiert? 4. Wer im Justiz- und im Wissenschaftsministerium ist verantwortlich für die unterbliebene Information der zuständigen Kabinettsmitglieder? 4.1 Werden gegen sie Verfahren wegen Dienstvergehen oder Amtspflichtverletzungen eingeleitet? 4.2 Wenn nein, welche Konsequenzen wird ihr Fehlverhalten haben? 4.3 An wen gingen und wie lauten die jeweiligen Vermerke , die offenbar nicht weitergeleitet wurden? 5. Welche Hinweise hat die Staatsregierung, um die Vermutung von Experten zu bewerten, dass viele Werke in den Sammlungen der staatlichen Museen, Amtsstellen und staatlichen Einrichtungen zur NS-Raubkunst oder beschlagnahmten „Entarteten Kunst“ zählen? 5.1 Wie viele Kunstgegenstände aus staatlichen Museen wurden bisher restituiert? 5.2 Wie viele davon aufgrund eigener Recherchen? 6. Hat die Staatsregierung Kenntnis von Kunstwerken in privatem oder öffentlichem Besitz, die im Krieg aus besetzten Ländern geraubt und nach Bayern verbracht wurden? 6.1 In wie vielen Fällen und aufgrund welcher Rechtslage wurden in der Vergangenheit solche Kunstwerke zurückgegeben ? 7. Hält die Staatsregierung die Unterstützung der Provenienzforschung in Bayern insbesondere nach dem Vorfall um die Entdeckung des Münchener Kunstfunds und im Vergleich zu Nachbarländern, wie z.B. Österreich , für ausreichend? 7.1 Wird sie zusätzliche Forschungsstellen bzw. Projekte fördern, die sich neben der Erforschung der Staatsgemäldesammlungen auch mit der Rolle des Kunsthandels beim Kauf und der Weiterveräußerung von NSRaubkunst und der „Entarteten Kunst“ beschäftigen? 7.2 Wird sie die Provenienzforschung in Bayern auch im nichtstaatlichen Bereich, z.B. durch die Landestelle für die nichtstaatlichen Museen, stärker als bisher unterstützen ? 8. Kann ein Kunstrückgaberecht, ähnlich dem Österreichs , aber mit Einschluss von Regelungen für kommunale und private Sammlungen und des Kunsthandels , Vorbild für Deutschland sein? 8.1 Welche Verbesserungen im Vergleich zur jetzigen Rechtslage könnten dadurch erzielt werden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.02.2014 17/545 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/545 Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 29.01.2014 Die Schriftliche Anfrage wird – hinsichtlich der Fragen 5 bis 8 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst – wie folgt beantwortet: 1. Wurde von der Staatsanwaltschaft vor dem Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Gurlitt der Versuch unternommen, außer Meike Hoffmann noch weitere Expert/-innen für die Provenienzrecherche der sichergestellten Bilder zu gewinnen, um die Ermittlungen in einer vertretbaren Zeit zum Abschluss zu bringen? Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte die Sachverständige Dr. Hoffmann von der Freien Universität Berlin – „Forschungsstelle entartete Kunst“ – sowie die Koordinierungsstelle Magdeburg, die auch die “Lost Art Datenbank“ betreibt, auf Empfehlung eines Vertreters des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) beauftragt, zu dem die Staatsanwaltschaft nach der Durchsuchung der Schwabinger Wohnung bereits im März 2012 Kontakt aufgenommen hatte. Frau Dr. Hoffmann von der Freien Universität Berlin und auch die zuständige Expertin der Koordinierungsstelle Magdeburg haben sich bei der Begutachtung weiterer Hilfskräfte bedient und insoweit von Anfang an in einem Team gearbeitet . Die Staatsanwaltschaft sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Sachverständigen den Begutachtungsauftrag nicht in vertretbarer Zeit abschließend bearbeiten könnten. 1.1 Wenn nein, bis wann rechnete die Staatsanwaltschaft , dass sie die Herkunft der Bilder im bisherigen Tempo hätte klären können? Die Staatsanwaltschaft ging im Januar 2013 davon aus, dass die Sachverständige Dr. Hoffmann bereits an ihrem Abschlussbericht arbeitete (siehe hierzu näher der Bericht der Staatsanwaltschaft vom 24. Januar 2014 bei Frage 4). Als die Sachverständige dann einen weiteren Zwischenbericht vorlegte, vereinbarte die Staatsanwaltschaft mit der Sachverständigen in der 31. KW – d.h. Ende Juli/Anfang August – eine Besprechung mit dem Ziel, die gutachterliche Überprüfung der rund 1400 Objekte für eine angestrebte baldige Verfahrenserledigung möglichst zügig abzuschließen (siehe hierzu näher der Bericht der Staatsanwaltschaft vom 23. Juli 2014 bei Frage 4). 1.2 Wäre die Zeitspanne zu rechtfertigen gewesen in Hinblick auf Ansprüche auf Rückgabe der Kunstwerke von Gurlitt einerseits und möglicher ursprünglicher Eigentümer der Bilder bzw. deren Nachkommen andererseits? Aus heutiger Sicht wären zur Identifizierung und Herkunftsermittlung der Kunstwerke deutlich größere Ressourcen erforderlich gewesen, da sich der Rechercheprozess als äußerst zeit- und arbeitsintensiv erwies. Dies hätte frühzeitiger erkannt werden müssen. 1.3 Hätte die Staatsanwaltschaft für Gurlitt die Bestellung einer Verteidigung beantragen müssen, wie es § 141 Abs. 3 StPO vorsieht? Die Staatsanwaltschaft Augsburg sah für die Bestellung eines Pflichtverteidigers keine Veranlassung. Herr Gurlitt hatte auch keinen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers gestellt. Am 23. Dezember 2013 ordnete das zuständige Amtsgericht München aufgrund der aktuellen körperlichen Verfassung des Beschuldigten die vorläufige Betreuung an. Da diese vorläufige Betreuung auch die „Vertretung in Strafsachen “ umfasst und ein Rechtsanwalt als Betreuer bestellt wurde, besteht nach derzeitiger Sachlage keine Veranlassung , dem Beschuldigten einen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen. Unabhängig davon haben sich für den Beschuldigten mittlerweile auch bereits drei anwaltliche Vertreter bestellt. 2. Wann hat die Staatsanwaltschaft die aufgefundenen Bilder erstmals mit den auf www.lostart.de gesuchten verglichen? Die Koordinierungsstelle Magdeburg war ab Mai 2012 in die Recherchen eingebunden und hat ab diesem Zeitpunkt auch Abgleiche vorgenommen. 2.1 Wann hat man entdeckt, dass das Bild „Zwei Reiter am Strande“ von Max Liebermann gesucht wird? Dass ein von Liebermann mehrfach gemaltes Motiv „Reiter am Strand“ in der „Lost Art Datenbank“ als Suchanfrage enthalten ist, war ab 22. März 2012 bekannt. Ob es sich bei dem beschlagnahmten Bild um das gesuchte handelt, konnte noch nicht abgeklärt werden. 3. Wurde bei der Tagung mit Beamten der bayerischen Justiz und Polizei in Fischbachau am 25. und 26. Juli 2013 zur Organisierten Kriminalität von der Staatsanwaltschaft über den Fall Gurlitt berichtet? Bei der gemeinsamen Besprechung zur Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität handelt es sich um eine im zweijährigen Turnus auf der Grundlage von Ziffer 5 der Anlage E der Richtlinien über das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) stattfindende, interne dienstliche Veranstaltung des Generalstaatsanwalts in München für dessen Bezirk. Üblicherweise stellen die teilnehmenden Behörden hierbei auch interessante Verfahren vor, aus denen sich gegebenenfalls auch für andere einschlägige Verfahren oder die übergreifende Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden relevante Erkenntnisse gewinnen lassen. Im konkreten Fall wurde das Thema durch das Zollfahndungsamt München angemeldet und unter Tagesordnungspunkt 9 „OK-Lage im Bereich des Zollfahndungsamtes München“ behandelt. Ziel des Zollfahndungsamtes war es, darzustellen, dass der konkrete Fahndungserfolg letztlich auf der konsequenten Umsetzung der Regelungen über die Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs und der sich daran anschließenden Kontrollmitteilungen beruht. Vortragender war der Leiter des Zollfahndungsamts München. Da die Thematik nicht nur aus ermittlungstaktischer Sicht, sondern auch im Hinblick auf die in der staatsanwaltschaftlichen Praxis nicht alltägliche Problematik einer Provenienzrecherche von Interesse war, lud die Generalstaatsanwaltschaft München zu dieser Veranstaltung auch die im Ermittlungsverfahren betraute Sachverständige Frau Dr. Hoffmann von der Freien Universität Berlin ein. Unter Tagesordnungspunkt 10 „Entartete Kunst“ hielt diese einen Gastvortrag zu ihrer Arbeit im Zusammen- Drucksache 17/545 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 hang mit der Thematik „Entartete Kunst“ beziehungsweise „Raubkunst“. Von der Staatsanwaltschaft Augsburg nahm Herr Leitender Oberstaatsanwalt Nemetz an der Tagung teil, ohne jedoch zum Thema „Schwabinger Kunstfund“ zu referieren. 3.1 Wenn ja, gibt es über den Bericht ein Protokoll? Über diese Dienstbesprechung wurde von der Generalstaatsanwaltschaft München ein Ergebnisprotokoll gefertigt, das zum Thema „Schwabinger Kunstfund“ folgende Einträge enthält: „Zu TOP 9: OK-Lage im Bereich des Zollfahndungsamtes München RD K. zeigt anhand der Regelungen über die Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs und den dadurch ausgelösten Kontrollmitteilungen auf, wie Ermittlungen zur Auffindung von sehr wertvollen Bildern geführt haben. Zu TOP 10: Entartete Kunst Frau Hoffmann vom Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin referiert über die sichergestellten Bilder. Sie zeigt anhand von Originalurkunden und verschiedener Listen die Herkunft und den Verbleib der Bilder der sog. „entarteten Kunst“ bzw. „der Raubkunst“.“ 3.2 Wurden die zuständigen Minister bzw. die zustän- dige Ministerin über die Tagung und ihre Inhalte schriftlich oder mündlich informiert? An der Dienstbesprechung hat ein Mitarbeiter des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz teilgenommen. Darüber hinaus wurde das Protokoll der Tagung nachrichtlich an das Bayerische Staatsministerium der Justiz übermittelt. Eine hausinterne Mitteilung an den Amtschef oder das Büro der Frau Staatsministerin erfolgte nicht, da es sich bei dem auf der Dienstbesprechung referierten Fall um eine laufende Berichtssache handelte, die der Leitungsebene bereits zur Kenntnis gebracht worden war. 4. Wer im Justiz- und im Wissenschaftsministerium ist verantwortlich für die unterbliebene Information der zuständigen Kabinettsmitglieder? 1. Staatsministerium der Justiz Die Staatsanwaltschaft Augsburg berichtete gegen- über der Generalstaatsanwaltschaft München und dem Staatsministerium der Justiz bis zum öffentlichen Bekanntwerden des Verfahrens in insgesamt fünf Berichten über den Verfahrensgang. Der erste Bericht vom 07. November 2011, Eingang im Justizministerium am 22. November 2011, schilderte den bestehenden Anfangsverdacht und kündigte die beabsichtigte Durchsuchung bei Herrn Gurlitt an. Der Bericht wurde in der Fachabteilung des Justizministeriums vom zuständigen Referenten dem Abteilungsleiter zur Kenntnis gegeben. Der Abteilungsleiter Strafrecht bemerkte, dass es sich um einen „eher schwachen Anfangsverdacht “ handle. Die Leitungsebene wurde über diesen Bericht nicht informiert. Nach der Durchsuchung der Schwabinger Wohnung Ende Februar/Anfang März 2012 folgte der zweite Bericht der Staatsanwaltschaft vom 26. März 2012, der über den Generalstaatsanwalt am 4. April 2012 im Justizmi- nisterium einging. Der Bericht schilderte die Beschlagnahme einer Vielzahl von Gegenständen, insbesondere Kunstgegenständen. Es handele sich u. a. um 121 gerahmte Gemälde und Zeichnungen sowie 60 Packstücke mit einer bis dahin nicht genauer bekannten Anzahl von Zeichnungen, Aquarellen und Stichen. Die Staatsanwaltschaft berichtete weiter, dass sie bei der Durchsuchung Anfang März eine Vertreterin der Bayerischen Staatsgemäldesammlung hinzugezogen habe. Diese habe den Wert der Sammlung überschlägig auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt und die Beschlagnahme als historischen Fund von größtem wissenschaftlichen Wert bezeichnet. Ferner legt die Staatsanwaltschaft dar, dass man das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen über den Fund in Kenntnis gesetzt habe, nachdem der Verdacht aufgekommen sei, dass es sich bei der beschlagnahmten Bildersammlung jedenfalls zum Teil um das Eigentum Dritter handeln könne. Dort habe man auf den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien verwiesen. In Amtshilfe werde nun das dort zuständige Referat für Schutz, Erhalt und Rückführung von Kulturgut der Staatsanwaltschaft Augsburg bei einer möglichst raschen und kostengünstigen Aufklärung der Eigentumsverhältnisse der Kunstwerke behilflich sein. Dies sei angesichts der Rolle des Vaters des Beschuldigten im Dritten Reich geboten. Die Strafrechtsabteilung des Justizministeriums vermerkte, es bestehe der Verdacht, dass zumindest einzelne der sichergestellten Kunstwerke in der NS-Zeit dem jüdischen Eigentümer unrechtmäßig weggenommen und dem Vater des Beschuldigten ursprünglich zum Weiterverkauf übergeben worden seien. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse erfolge zeitnah durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt. Dieser Vermerk wurde abgezeichnet durch den Amtschef und im Ministerbüro durch den Persönlichen Referenten von Frau Staatsministerin Dr. Merk. Der dritte Bericht vom 25. Juli 2012 ging über den Generalstaatsanwalt in München am 7. August 2012 im Ministerium ein. Die Staatsanwaltschaft berichtet unter anderem, dass zwischenzeitlich sämtliche Kunstwerke erfasst worden seien, darunter solche von hochrangigen Künstlern wie Liebermann, Kokoschka, Picasso, Chagall bis Spitzweg und Dürer. Berichtet wurde ferner, dass sich – veranlasst durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien – die Forschungsstelle für entartete Kunst an der Universität Berlin und die Koordinierungsstelle Magdeburg „Lost Art Datenbank“ mit der Aufklärung der Eigentumsverhältnisse befassen würden. Auch dieser Bericht wurde von der Strafrechtsabteilung über den dortigen Abteilungsleiter an die Leitungsebene gegeben und dort durch den Amtschef und den Persönlichen Referenten von Frau Staatsministerin Dr. Merk abgezeichnet . Im vierten Bericht vom 24. Januar 2013, eingegangen am 1. Februar 2013, wurde mitgeteilt, dass die mit großem Aufwand betriebenen Ermittlungen nach den mitgeteilten Zwischenergebnissen durch die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der Universität Berlin mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hinauslaufen würden, dass von den rund 1400 Werken ca. 400 Werke der „Entarteten Kunst“ zuzurechnen seien, ca. 900 Werke der Kategorie „Raubkunst“ und bei 100 Werken die Eigentumsvermutung zugunsten des Beschuldigten nicht zu erschüttern Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/545 sei. Die Universität Berlin arbeite derzeit schon an einem Abschlussbericht. Der Bericht der Staatsanwaltschaft wurde in der Strafrechtsabteilung dem Abteilungsleiter zur Kenntnis gegeben. Die Leitungsebene des Ministeriums wurde in Erwartung des baldigen Abschlussberichts von diesem Zwischenbericht nicht informiert. Im fünften Bericht am 23. Juli 2013 berichtete die Staatsanwaltschaft, dass die Sachverständige zwischenzeitlich einen weiteren Zwischenbericht vorgelegt habe, zu einigen Werken, deren Herkunft nicht den Kategorien „Entartete Kunst“ und „Raubkunst“ zuzuordnen sei. Es handele sich um eine größere Anzahl hochpreisiger Kunstwerke wie etwa von Henri Matisse und Marc Chagall , deren Herkunft eine Vielzahl weiterer Fragen aufwerfe und deren Zuordnung zum Beschuldigten noch abgeklärt werden müsse. Die Staatsanwaltschaft berichtete, dass mit der Sachverständigen in der 31. KW – d.h. Ende Juli/Anfang August – eine Besprechung vereinbart sei mit dem Ziel, die gutachterliche Überprüfung der rund 1400 Objekte für eine angestrebte baldige Verfahrenserledigung möglichst zügig abzuschließen. Parallel habe man die zuständige Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes München beauftragt, weitere steuerrechtliche Fragen zu klären. Auch dieser Zwischenbericht wurde nicht an die Leitungsebene des Ministeriums weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft Augsburg berichtet auch weiterhin laufend zu dem Ermittlungsverfahren. 2. Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissen- schaft und Kunst lagen zu keinem Zeitpunkt Informationen über den Münchner Kunstfund vor. Das Staatsministerium wurde erstmals durch die Presseveröffentlichung im November 2013 über den Sachverhalt informiert. 4.1 Werden gegen sie Verfahren wegen Dienstvergehen oder Amtspflichtverletzungen eingeleitet? 1. Staatsministerium der Justiz Nein, weil ein Dienstvergehen nicht festgestellt werden kann. 2. Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst siehe 4. 4.2 Wenn nein, welche Konsequenzen wird ihr Fehlverhalten haben? 1. Staatsministerium der Justiz siehe 4.1. Der Staatsminister hat inzwischen hausinterne Maßnah- men ergriffen, um seine persönliche Information über bedeutsame Verfahren sicherzustellen. Berichte über derartige Verfahren müssen ihm nunmehr persönlich zugeleitet werden. Ferner lässt er sich in einem Jour Fixe monatlich über bedeutsame neue Verfahren unterrichten. Darüber hinaus hat sich eine aus Vertretern des Ministeriums und der staatsanwaltlichen Praxis bestehende Arbeitsgruppe mit einer verbesserten Strukturierung von Berichtsinhalten befasst. Das Ergebnis wird gegenwärtig unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaften mit den Behördenleitern und Abteilungsleitern der Staatsanwaltschaften im Rahmen von Regionalbesprechungen erör- tert und sodann umgesetzt. 2. Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst siehe 4. 4.3 An wen gingen und wie lauten die jeweiligen Vermerke , die offenbar nicht weitergeleitet wurden? 1. Staatsministerium der Justiz siehe 4. 2. Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst siehe 4. 5. Welche Hinweise hat die Staatsregierung, um die Vermutung von Experten zu bewerten, dass viele Werke in den Sammlungen der staatlichen Museen , Amtsstellen und staatlichen Einrichtungen zur NS-Raubkunst oder beschlagnahmten „Entarteten Kunst“ zählen? Grundsätzlich ist seit langem bekannt, welche Werke aus der Aktion „Entartete Kunst“ sich in den staatlichen Museen, insbesondere den Staatsgemäldesammlungen befinden. Die Werke waren wiederholt Thema von Ausstellungen, z. B. „Die Kunststadt München 1937. Nationalsozialismus und entartete Kunst“ (Haus der Kunst, 1987) oder „Der Berliner Skulpturenfund. Entartete Kunst im Bombenschutt“ (Neue Pinakothek und Pinakothek der Moderne, 2012). Auf der Website der Forschungsstelle Entartete Kunst sind alle Werke der Staatsgemäldesammlungen, die 1937 beschlagnahmt wurden, verzeichnet und die Werke, die sich aus anderen Herkunftsmuseen dort befinden (http://www. geschkult.fu-berlin.de/e/db_entart_kunst/index.html). Die staatlichen Museen prüfen im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel und Stellen, ob sich in ihren Beständen NS-Raubkunst befindet. Sofern entsprechende Werke identifiziert werden und die Eigentümer nicht bekannt sind, werden diese auf der Internetseite www.lostart.de veröffentlicht . Bislang haben allein die Staatsgemäldesammlungen dort über 200 Werke gemeldet. Diese Zahl vergrößert sich sukzessive mit dem Fortschreiten der Recherchen. 5.1 Wie viele Kunstgegenstände aus staatlichen Mu- seen wurden bisher restituiert? Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Kunstwerke restituiert. So hat allein das Bayerische Nationalmuseum bis in die 1960’er Jahre 859 Objekte abgegeben. In den letzten Jahren, insbesondere nach der Washingtoner Erklärung, hat das Nationalmuseum weitere neun Objekte restituiert. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben seit 1998 zwölf Werke aus jüdischen Sammlungen restituiert . Die Staatliche Graphische Sammlung hat ein Werk restituiert. Weitere Restitutionsfälle werden geprüft. 5.2 Wie viele davon aufgrund eigener Recherchen? Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und das Nationalmuseum haben jeweils fünf Werke aufgrund eigener Recherchen restituiert. 6. Hat die Staatsregierung Kenntnis von Kunstwerken in privatem oder öffentlichem Besitz, die im Krieg aus besetzten Ländern geraubt und nach Bayern verbracht wurden? Drucksache 17/545 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 6.1 In wie vielen Fällen und aufgrund welcher Rechtslage wurden in der Vergangenheit solche Kunstwerke zurückgegeben? Kunstwerke, die aus Raubzügen aus besetzten Ländern stammen und sich 1945 im Bestand der staatlichen Museen in Bayern befanden, wurden unmittelbar nach dem Krieg restituiert. Die Kunstwerke wurden nach 1945 von den Amerikanern in den Collecting Points zur Rückführung in die jeweiligen Länder vorgesehen. Der größte Teil der aufgefundenen Werke befand sich nach Kriegsende in Bayern und damit in der US-Zone. Die Westalliierten gaben über die Collecting Points in München und Wiesbaden von den Nationalsozialisten geraubte Kunstwerke an die Herkunftsländer zurück. Von August 1945 bis Mai 1951 konnten vom Münchner Collecting Point am Königsplatz 250.000 der aufgefundenen Kunstwerke herausgegeben werden. Insgesamt wurden 463.000 Gemälde zurückgegeben. Nach Auflösung der Collecting Points wurden diese Aufgaben dem Deutschen Restitutionsausschuss übertragen. 1952 wurde dieser von der Deutschen Treuhandverwaltung für Kulturgut , die dem Auswärtigen Amt angegliedert war, abgelöst. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituierten in dieser Zeit 29 Werke im Wesentlichen an Frankreich und Österreich. Im Bayerischen Nationalmuseum konnten im Rahmen eines laufenden Forschungsprojekts zur Provenienzrecherche drei Werke identifiziert werden, die offenbar in Frankreich und Belgien nach der Besetzung durch NS-Deutschland erworben wurden. Zur Situation in privaten Sammlungen verfügt die Staatsregierung über keine Informationen. 7. Hält die Staatsregierung die Unterstützung der Provenienzforschung in Bayern insbesondere nach dem Vorfall um die Entdeckung des Münchener Kunstfunds und im Vergleich zu Nachbarländern , wie z. B. Österreich, für ausreichend? Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben 1998 als einziges deutsches Museum an der Washingtoner Konferenz teilgenommen und anschließend die erste Stelle zur Provenienzforschung eingerichtet. Im Jahr 2013 wurden den Staatsgemäldesammlungen Sondermittel zur Finanzierung einer weiteren befristeten Stelle zur Provenienzforschung zur Verfügung gestellt, die teilweise auch aus Drittmitteln gefördert wird. Auch an den anderen staatlichen Museen und Sammlungen werden Projekte zur Provenienzrecherche durchgeführt. Die nichtstaatlichen Museen werden durch die Landesstelle für nichtstaatliche Museen bei der Provenienzrecherche unterstützt. Diese hat hierzu u.a. die Publikation „Kulturgutverluste, Provenienzforschung, Restitution. Sammlungsgut mit belasteter Herkunft in Museen, Bibliotheken und Archiven“ herausgegeben (2007). Auch in der Zeitschrift „Museum heute“ wurden mehrere Artikel zur Pro- venienzforschung veröffentlicht. Im Rahmen der Task Force zum Münchner Kunstfund wird die Staatsregierung eine weitere befristete Stelle zur Provenienzrecherche schaffen. Darüber hinaus stehen den staatlichen und nichtstaatlichen Museen Projektfördermittel der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin zur Verfügung, die von Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird. Vor dem Hintergrund der haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen hält die Staatsregierung diese Ausstattung für grundsätzlich angemessen. 7.1 Wird sie zusätzliche Forschungsstellen bzw. Projekte fördern, die sich neben der Erforschung der Staatsgemäldesammlungen auch mit der Rolle des Kunsthandels beim Kauf und der Weiterveräußerung von NS-Raubkunst und der „Entarteten Kunst“ beschäftigen? Die Erforschung der Rolle des Kunsthandels bei Kauf und Weiterveräußerung von NS-Raubkunst und „Entarteter Kunst“ ist grundsätzlich Sache des Kunsthandels selbst sowie ggf. der universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen ihrer Forschungsfreiheit. 7.2 Wird sie die Provenienzforschung in Bayern auch im nichtstaatlichen Bereich, z. B. durch die Landestelle für die nichtstaatlichen Museen, stärker als bisher unterstützen? Die der Landesstelle zur Verfügung stehenden Mittel wurden im Rahmen des Bayerischen Kulturkonzepts um nahezu 1,5 Mio. € erhöht, so dass auch für den Bereich der Provenienzrecherche entsprechend mehr Mittel zur Verfügung stehen. 8. Kann ein Kunstrückgaberecht, ähnlich dem Österreichs , aber mit Einschluss von Regelungen für kommunale und private Sammlungen und des Kunsthandels, Vorbild für Deutschland sein? 8.1 Welche Verbesserungen im Vergleich zur jetzigen Rechtslage könnten dadurch erzielt werden? Sofern die Frage auf das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen und sonstigem beweglichen Kulturgut aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und aus dem sonstigen Bundeseigentum (Kunstrückgabegesetz-KRG) Bezug nimmt, sieht die Staatsregierung keine wesentliche Abweichung von der Rechtslage in Bayern. Das KRG enthält eine Ermächtigung für Bundesministerien zur unentgeltlichen Übereignung. § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes stellt klar, dass durch die Bestimmungen dieses Gesetzes keinerlei Anspruch auf Übereignung begründet wird. Diese Regelungen sind vergleichbar mit den in Art. 8 Abs. 10 getroffenen Regelungen des Gesetzes über die Feststellungen des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 (Haushaltsgesetz -HG-2011/2012).