Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 03.03.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Welcher Arbeitsaufwand entsteht bei Justiz wie Polizei durch die Verfolgung von Drogenverfahren bezüglich Cannabis? Eine statistische Erhebung im Sinne der Fragestellung wird bei der Bayerischen Polizei nicht geführt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist für das Jahr 2013 in Bayern im Bereich der Rauschgiftkriminalität insgesamt 20.919* Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Cannabis aus, darunter knapp 5.000 Fälle des illegalen Handels und Schmuggels, des illegalen Handels nicht geringer Mengen und der illegalen Einfuhr. Eine zeitliche und/oder personelle Hochrechnung dieser Fälle ist nicht möglich, da der Ermittlungsaufwand der einzelnen Fälle sehr stark variiert. Er bemisst sich u. a. nach der Intensität des jeweiligen Tatverdachts/des jeweiligen Tatvorwurfs, der Hinweis-/Beweislage zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens, den jeweiligen Tatörtlichkeiten, einem eventuellen internationalen Bezug, der Anzahl der Tatverdächtigen sowie dem konspirativen, zum Teil abgeschotteten Täterverhalten, nicht zuletzt bei erkannten Handelsstrukturen. *Die Zahlen für das Jahr 2014 sind noch nicht veröffentlicht, lassen aber eine Steigerung im hohen einstelligen Prozentbereich erwarten. Zur Zahl der Strafverfahren und Verurteilungen in Bezug auf Cannabis werden keine statistischen Daten erhoben, und es liegen auch sonst keine konkreten Erhebungen dazu vor. Die Strafverfahren und Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz werden grundsätzlich nur einheitlich für alle Delikte in der Strafverfolgungsstatistik erfasst. Diese differenziert nur nach den einzelnen relevanten Straftatbeständen, nicht jedoch nach der den jeweiligen Verurteilungen zugrunde liegenden illegalen Substanz. In den Jahren 2010 bis 2014 ergeben sich in Bayern insgesamt folgende Zahlen für Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz : 2010 2011 2012 2013 2014 Sachgebiet 60 (Verbrechen) 3.189 3.532 3.912 3.761 3.673 Sachgebiet 61 (Vergehen) 31.021 30.636 32.962 35.956 39.220 Die Verfahrenszahlen in Strafsachen bei den bayerischen Amtsgerichten und Landgerichten 1. Instanz und Berufungsinstanz für die Jahre 2010 bis 2014 stellen sich wie folgt dar: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.04.2015 17/5601 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 29.01.2015 Liberalisierung der Drogenpolitik bei CannabisProdukten Das BVerfG hat 1994 entschieden, dass das Cannabisverbot nicht gegen die Verfassung verstößt, solange bei geringen Mengen keine Strafverfolgung stattfindet. In den Bundesländern gibt es inzwischen drei Grenzwerte: 15 Gramm (3 Länder ), 5 Gramm (1 Land), 6 Gramm (restliche Bundesländer mit Bayern). Außerdem wird das Absehen von Strafverfolgung in den Bundesländern sehr unterschiedlich praktiziert. Im vergangenen Jahr entfielen von 250.000 Drogendelikten 145.000 auf Cannabis. 95 % der deswegen eingeleiteten Verfahren wurden als Bagatelldelikte eingestellt. Der Schildower Kreis, unterstützt von 122 Strafrechtlern, kommt zum Ergebnis, dass die „strafrechtliche Drogenprohibition gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch ist. Jedes Jahr werden Milliardenbeträge für die Strafverfolgung aufgewendet , welche sinnvoller für Prävention und Gesundheitsfürsorge eingesetzt werden können“. Nach vorsichtiger Schätzung sind es jährlich etwa 4 Milliarden Euro. Vorstellbar wäre eine Freigabe von Cannabisprodukten, wenn der Staat selber oder von ihm lizensierte Unternehmen den Verkauf übernehmen würden und das unter strengen Voraussetzungen (wie: nicht an Minderjährige (strafbewehrt ), keine Reklame bzw. Aufklärung wie bei Tabakwerbung ). Ein staatlich regulierter Markt könnte zu mehr Jugend - und Verbraucherschutz sowie außerdem zu nicht unerheblichen Steuereinnahmen führen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welcher Arbeitsaufwand entsteht bei Justiz wie Polizei durch die Verfolgung von Drogenverfahren bezüglich Cannabis? 2. Sind Cannabisprodukte als Einstiegsdroge zu bewerten? 3. Welche Unterschiede gibt es zwischen Cannabis und Alkohol ? 4. Welche Erfahrungen gibt es bezüglich einer liberalen Drogenpolitik in 23 US-Bundesstaaten? 5. Welche Gründe sprechen gegen eine liberale Drogenpolitik bei Cannabisprodukten im Sinne des Schildower Kreises unter staatlicher Aufsicht? 6. Welche Voraussetzungen müssten im Falle einer Liberalisierung der Drogenpolitik hinsichtlich Cannabisprodukten geschaffen werden? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5601 2010 2011 2012 2013 2014 Amtsgerichte Sachgebiet 60 1.379 1.481 1.673 1.633 1.654 Sachgebiet 61 7.900 7.662 7.603 8.025 8.839 Landgerichte 1. Instanz Sachgebiet 60 489 434 506 555 508 Sachgebiet 61 29 54 28 35 36 Landgerichte Berufungsinstanz Sachgebiet 60 276 271 342 317 296 Sachgebiet 61 720 679 696 632 623 Angaben zu der Frage, bei welchen der vorgenannten Verfahren (auch) Cannabis eine Rolle spielte, sind nicht möglich , da die notwendigen Daten nur mit nicht vertretbarem Verwaltungsaufwand durch Einzelauswertungen von Akten bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten ermittelt werden könnten. Arbeitsstunden bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften für einzelne Ermittlungsverfahren oder für einzelne Ermittlungsmaßnahmen werden ebenfalls nicht gesondert erfasst, sodass nähere Angaben dazu nicht gemacht werden können. 2. Sind Cannabisprodukte als Einstiegsdroge zu bewerten ? Nach Feststellung des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zeigen Studien, dass vor allem der frühe Einstieg (vor dem 18. Lebensjahr) in den Cannabiskonsum das Risiko für den späteren Konsum anderer Drogen erhöht. Dieser Haltung schließt sich das StMGP an. 3. Welche Unterschiede gibt es zwischen Cannabis und Alkohol? Die Langzeitfolgen übermäßigen Alkoholkonsums sind hinreichend bekannt und reichen von körperlichen Schädigungen (wie z. B. erhöhtem Krebsrisiko) über psychische Beeinträchtigungen bis hin zu sozialen Konsequenzen, die das gesamte soziale Umfeld betreffen können. Dauerhafter Cannabiskonsum hat eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zur Folge. Ebenso kann der langfristige Konsum eine psychische und eine körperliche Abhängigkeit nach sich ziehen. Zu den dauerhaften Folgeschäden pubertären Cannabiskonsums zählen neben der Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung auch langfristige kognitive Beeinträchtigungen und die Erhöhung des Risikos für die Entwicklung einer schizophrenen Psychose sowie weiterer psychiatrischer Erkrankungen. • Thomasius, R. & Petersen, K. U. (2008). Aktuelle Ergebnisse der Cannabisforschung: Verbreitung des Konsums – Wirkstoffgehalte – Gesundheitsrisiken. Konturen: Fachzeitschrift zu Sucht und sozialen Fragen, 29 (3), 32-35. • Schneider, M. 2004, Langfristige Folgen des chronischen Cannabiskonsums , in SUCHT 50 (5), S. 309–319. 4. Welche Erfahrungen gibt es bezüglich einer liberalen Drogenpolitik in 23 US-Bundesstaaten? Die Auswirkungen der Legalisierung in den Staaten der USA können zum jetzigen Zeitpunkt, wenige Monate nach Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze, aufgrund fehlender Daten nicht beurteilt werden. Auf die LT-Drs. 17/2711, Frage 5, wird verwiesen. 5. Welche Gründe sprechen gegen eine liberale Drogenpolitik bei Cannabisprodukten im Sinne des Schildower Kreises unter staatlicher Aufsicht? Der Dreiklang der Bayerischen Suchtpolitik mit den Elementen Prävention – Suchthilfe – Repression zeigt eine nachhaltig positive Wirkung. Die vom Schildower Kreis* geforderte Liberalisierung von Cannabis unter staatlicher Aufsicht würde diese Bemühungen und Erfolge konterkarieren, weil mit der Liberalisierung von Cannabis ein deutliches Anwachsen der damit verbundenen Probleme zu erwarten wäre. * www.schildower-kreis.de/manifest/ 6. Welche Voraussetzungen müssten im Falle einer Liberalisierung der Drogenpolitik hinsichtlich Cannabisprodukten geschaffen werden? Besonders für die Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wären strikte Abgabe- und Verkaufsverbote unabdingbar. In jedem Falle müsste die Gesamtgesellschaft zusätzliche Finanzmittel in derzeit nicht abschätzbarer Höhe bereitstellen v.a. für die Schadensminimierung und für die Versorgung der dann zu erwartenden stark steigenden Anzahl von Personen, die durch Cannabiskonsum gesundheitlich , teils bleibend, geschädigt sind. Auf die Ausführungen zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen.