Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Müller FREIE WÄHLER vom 16.12.2013 Hochwasserschutz in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. In welcher Höhe (Gesamtsumme) wurden von staatlicher Seite Beihilfen zur Bewältigung von Hochwasserschäden seit dem Jahr 1998 an Bürger in Bayern ausbezahlt? 2. Bis zu welcher Höhe (Prozentanteil vom Gesamtschaden ) wurde der einzelne Bürger bei den wesentlichen Hochwasserereignissen in Bayern durch die öffentliche Hand auf Antrag unterstützt? (Bitte aufgeschlüsselt nach Hochwasserereignis und jeweiliger Verfahrensweise .) 3. Wie hoch schätzt die Staatsregierung die Gesamtschäden durch Hochwasserereignisse in Bayern seit dem Jahr 1998 ein? (Bitte aufgegliedert nach Schäden an Wohngebäuden, Infrastruktur und land- und forstwirtschaftlichen Flächen.) 4. Nachdem zur Erstellung des „Informationsdienst Überschwemmungsgefährdete Gebiete“ (IÜG) umfangreiche Informationen über historische Hochwasserereignisse und zukünftige Hochwasserrisiken zusammengeführt wurden, frage ich, in welchem Umfang auf der Basis dieser Auswertungen in den letzten 25 Jahren Wohn- und Gewerbegebiete in hochwassergefährdeten Bereichen ausgewiesen und bebaut (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen) wurden? 5. In welcher Weise wurde und wird die Öffentlichkeit über die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten nach § 76 Wasserhaushaltsgesetz informiert und wie wurden und werden eingegangene Stellungnahmen im Verfahren berücksichtigt? 6. Welche Nutzungseinschränkungen ergeben sich durch die Festsetzung einer Fläche als Überschwemmungsgebiet per Rechtsverordnung? 7. Beabsichtigt die Staatsregierung, betroffenen Grundeigentümern in festgesetzten Überschwemmungsgebieten bei erhöhten Kosten und Auflagen (z. B. im Zuge betrieblicher Erweiterungen von Gewerbe- und Landwirtschaftsbetrieben) einen angemessenen Ausgleich dieser zusätzlichen Belastungen zu gewähren? 8. In welchem Umfang wurden von der Staatsregierung Maßnahmen zum Rückbau von Gewerbe- und Wohnbebauung in Überschwemmungsgebieten unternommen ? (Bitte aufgegliedert nach Landkreisen, Hektar und prozentualem Anteil der in Überschwemmungsgebieten liegenden Gesamtbebauung.) Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 30.01.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: 1. In welcher Höhe (Gesamtsumme) wurden von staatlicher Seite Beihilfen zur Bewältigung von Hochwasserschäden seit dem Jahr 1998 an Bürger in Bayern ausbezahlt? Die nach Hochwasserereignissen an bayerische Bürger ausgezahlten staatlichen finanziellen Hilfen sind – soweit die Daten ohne zusätzlichen Aufwand ermittelt werden konnten – in der Anlage 1 zusammengestellt. 2. Bis zu welcher Höhe (Prozentanteil vom Gesamtschaden ) wurde der einzelne Bürger bei den wesentlichen Hochwasserereignissen in Bayern durch die öffentliche Hand auf Antrag unterstützt? (Bitte aufgeschlüsselt nach Hochwasserereignis und jeweiliger Verfahrensweise.) Die zur finanziellen Unterstützung der Geschädigten der Hochwasserereignisse 1998 bis 2012 beschlossenen Programme sehen grundsätzlich keine nach festen Quoten vom Gesamtschaden berechneten Zuschüsse vor. Erstmals nach dem Hochwasser im Mai/Juni 2013 wurde in der zwischen den Ländern und dem Bund geschlossenen Verwaltungsvereinbarung zur Abwicklung des Aufbauhilfefonds Quoten festgelegt. Der Zuschuss beträgt grundsätzlich 80 % des Schadens. Er kann in Härtefällen auf bis zu 100 % erhöht werden. Bei Infrastrukturschäden können bis zu 100 % des Schadens ersetzt werden. 3. Wie hoch schätzt die Staatsregierung die Gesamtschäden durch Hochwasserereignisse in Bayern seit dem Jahr 1998 ein? (Bitte aufgegliedert nach Schäden an Wohngebäuden, Infrastruktur und land- und forstwirtschaftlichen Flächen.) Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.02.2014 17/568 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/568 Ein volkswirtschaftlicher „Gesamtschaden“ wird nicht ermittelt . Die den ersten Meldungen an die Regierungen und dann an das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zugrunde gelegten Angaben beruhen zunächst auf Schätzungen. Für die Gewährung finanzieller Hilfen sind die Schäden nur insoweit relevant, als sie in einem Antrag beziffert werden . Dadurch ergibt sich im Zuge des Bewilligungsverfahrens ein genaueres Schadensbild. In den Fällen, in denen staatliche Zuschüsse nicht in Betracht kommen oder von Betroffenen nicht beantragt werden, verbleibt es bei den ursprünglichen Schätzungen. Soweit zu den einzelnen Hochwasserereignissen der Jahre 1998 bis 2013 entsprechende Zahlen vorliegen, sind diese in der Anlage 2 dargestellt. 4. Nachdem zur Erstellung des „Informationsdienst Überschwemmungsgefährdete Gebiete“ (IÜG) umfangreiche Informationen über historische Hochwasserereignisse und zukünftige Hochwasserrisiken zusammengeführt wurden, frage ich, in welchem Umfang auf der Basis dieser Auswertungen in den letzten 25 Jahren Wohn- und Gewerbegebiete in hochwassergefährdeten Bereichen ausgewiesen und bebaut (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen) wurden? Der „Informationsdienst Überschwemmungsgefährdete Gebiete “ (IÜG) ist eine Plattform zur Information über Hochwassergefahren und -risiken sowie zur Veröffentlichung von amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten. Es werden die Gebiete zusammengestellt, die in Bayern von Hochwasser betroffen sein können. Dieser Informationsdienst sammelt jedoch nicht, in welchen hochwassergefährdeten Bereichen bayerische Gemeinden Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen haben und wo gebaut worden ist. Diese Daten wurden auch nicht anderweitig statistisch erfasst und sind damit nicht verfügbar. Eine Erhebung der Daten durch die Behörden und Kommunen in den betroffenen Gebieten ist ferner mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand nicht möglich. Zu den in vorläufig gesicherten oder festgesetzten Überschwemmungsgebieten geltenden Einschränkungen bei der Bautätigkeit wird auf Frage 6 verwiesen. 5. In welcher Weise wurde und wird die Öffentlichkeit über die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten nach § 76 Wasserhaushaltsgesetz informiert und wie wurden und werden eingegangene Stellungnahmen im Verfahren berücksichtigt? Überschwemmungsgebiete werden durch die Kreisverwaltungsbehörden mittels Rechtsverordnung festgesetzt. Die amtliche Bekanntmachung der Überschwemmungsgebietsverordnung erfolgt grundsätzlich im Amtsblatt des Landkreises oder Landratsamtes. Daneben werden festgesetzte Überschwemmungsgebiete auch im Internet in den Informationsdienst zu überschwemmungsgefährdeten Gebieten (IÜG) eingestellt. In diesen Informationsdienst werden auch bereits alle ermittelten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete eingestellt. Vor dem Erlass der Rechtsverordnung ist ein Anhörungsverfahren durchzuführen (Art. 73 Abs. 3 Satz 1 BayWG i. V. m. Art. 73 Abs. 2 bis 8 BayVwVfG). Jeder, dessen Belange durch den Inhalt des Verordnungsentwurfs berührt werden , kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der Gemeinde Bedenken und Anregungen gegen den Verordnungsentwurf erheben. In einem Erörterungstermin sind die rechtzeitig erhobenen Anregungen und Bedenken zum Verordnungsentwurf zu erörtern. Vor Erlass der Rechtsverordnung muss sich die Behörde mit den vorgebrachten Bedenken und Anregungen auseinandersetzen. Werden Bedenken oder Anregungen bei Erlass der Rechtsverordnung nicht berücksichtigt, so ist der Betroffenen über die Gründe zu unterrichten. 6. Welche Nutzungseinschränkungen ergeben sich durch die Festsetzung einer Fläche als Überschwemmungsgebiet per Rechtsverordnung? Die Rechtsfolgen bei festgesetzten Überschwemmungsgebieten sind in § 78 WHG festgelegt. Dieser beinhaltet gesetzlich unmittelbar geltende Verbote (§ 78 Abs. 1 WHG), wie insbesondere die Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuches . Ausnahmen von diesen Verboten können im Einzelfall unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen zugelassen werden. Zudem können in der Überschwemmungsgebietsverordnung , soweit erforderlich, weitere dem Schutz vor Hochwassergefahren dienende Maßnahmen oder Vorschriften aufgenommen werden (§ 78 Abs. 5 WHG), wie etwa zum hochwasserangepassten Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, einschließlich der hochwassersicheren Errichtung neuer und Nachrüstung vorhandener Heizölverbraucheranlagen sowie des Verbots der Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen. 7. Beabsichtigt die Staatsregierung, betroffenen Grundeigentümern in festgesetzten Überschwemmungsgebieten bei erhöhten Kosten und Auflagen (z. B. im Zuge betrieblicher Erweiterungen von Gewerbe- und Landwirtschaftsbetrieben) einen angemessenen Ausgleich dieser zusätzlichen Belastungen zu gewähren? Für Einschränkungen oder Beeinträchtigungen des Eigentums , die sich aus der Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets ergeben, insbesondere durch den Verbotskatalog in § 78 Abs. 1 WHG und die Festsetzungen in der Überschwemmungsgebietsverordnung, bestehen weder spezialgesetzliche, wasserrechtliche Anspruchsgrundlagen noch ergibt sich ein Anspruch aus Art. 14 GG. Die Lage im Überschwemmungsgebiet ist eine mess- und modelltechnisch ermittelte Tatsache. Die sich daraus ergebenden Einschränkungen des Eigentums sind Ausdruck der Situationsgebundenheit und Sozialpflichtigkeit des Eigentums und als solche vom Eigentümer hinzunehmen. Eine Entschädigung oder ein Ausgleich für höhere Kosten z. B. bei der Nachrüstung von auftriebssicheren Öltanks wird grundsätzlich nicht gezahlt. Lediglich für den Fall, dass bei der Rückgewinnung von Rückhalteflächen Anordnungen getroffen werden, die erhöhte Anforderungen an die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks festsetzen, hat der Gesetzgeber eine Ausgleichsregelung vorgesehen. 8. In welchem Umfang wurden von der Staatsregierung Maßnahmen zum Rückbau von Gewerbe- und Wohnbebauung in Überschwemmungsgebieten unternommen? (Bitte aufgegliedert nach Landkreisen , Hektar und prozentualem Anteil der in Über- Drucksache 17/568 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 schwemmungsgebieten liegenden Gesamtbebauung .) Mit Landtagsbeschluss vom 09.07.2003 (Drs. 14/13256) wurde die Staatsregierung aufgefordert, bei Projekten des Hochwasserschutzes das Umsiedeln der vom Hochwasser betroffenen Grundbesitzer in Abstimmung mit ihnen und den Eigentümern als Alternative intensiv zu prüfen. Grundsätzlich werden Absiedlungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen vorgenommen. Flächen können zur Umsetzung wasserwirtschaftlicher Planungen beansprucht werden und daher eine Absiedlung erforderlich machen. Absiedlungen werden in bestimmten Fällen jedoch auch anstelle einer Realisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen für bebaute Gebiete wie Deichen und Mauern durchgeführt. Für die Absiedlung erhalten Eigentümer der Anwesen nach den derzeitigen Regelungen freiwillige finanzielle Unterstützung aus Mitteln des staatlichen Wasserbaues in Höhe von 65 % des Gebäudewertes . Die Abbruchkosten übernimmt der Freistaat zu 100 %. Die Grundstücke verbleiben im bisherigen Eigentum. Beispiele für größere Absiedlungsprojekte sind: – Ilzvorstadt Passau – Gemeinde Neuhaus a. Inn mit den Gemeindeteilen Mit- tich, Reding und Afham (Landkreis Passau) – Triebenbach/Salzach, Laufen, Tittmoning (Landkreis Berchtesgadener Land) – Stadt Kelheim, Ortsteil Stausacker, Teile von Weltenburg (Landkreis Kelheim) – Markt Burgheim, Ortsteil Moos (Landkreis Neuburg- Schrobenhausen) – Ortsteile Isarmünd und Anwesen im Bereich Forstern, Gemeinde Moos (Landkreis Deggendorf) – mehrere Anwesen im Markt Winzer (Landkreis Deggen- dorf) Bisher aufgewendet: 1965–2013: über 32 Mio. €. Flächenmäßige Auswertungen liegen nicht vor. Anlage 1 Hochwasser Hilfemaßnahme Haushaltsmittel in T€ Hochwasser 1998 Notstandsbeihilfen nach den Finanzhilferichtlinien vom 16.12.1994 22 Pfingsthochwasser 1999 Soforthilfen „Haushalt/Hausrat“ und „Ölschäden an Gebäuden“ 6.800 Notstandsbeihilfen nach den Finanzhilferichtlinien vom 16.12.1994 12.220 Augusthochwasser 2002 Soforthilfen „Haushalt/Hausrat“ und „Ölschäden an Gebäuden“ 2.949 Notstandsbeihilfen nach den Finanzhilferichtlinien vom 16.12.1994 223 Zuschuss zur Beseitigung und Behebung von Hochwasserschäden an Wohngebäuden 3.453 Übergangshilfe 97 Augusthochwasser 2005 Soforthilfen „Haushalt/Hausrat“ und „Ölschäden an Gebäuden“ 916 Notstandsbeihilfen nach den Finanzhilferichtlinien vom 16.12.1994 3.472 Hochwasser Mai/Juni 2013 Zuschussprogramm für private Haushalte und Wohnungsunternehmen 34.309 Sofortgeld 34.042 Soforthilfen „Haushalt/Hausrat“ und „Ölschäden an Gebäuden“ 20.357 Notstandsbeihilfen nach den Härtefondsrichtlinien vom 06.09.2011 1.303 Anlage 2 1. Hochwasser 1998: Keine Angaben möglich, da kein Zahlenmaterial vorliegt. 2. Pfingsthochwasser 1999: Schäden Schadenshöhe in TDM Betriebsvermögen, private Gebäude und sonstiges privates Vermögen (z. B. Hausrat) 393.328 landwirtschaftliche Flächen 21.700 Wald und Forstwege 8.000 Gewässer und Wasserbauten 200.000 öffentliche Bauten 23.700 Straßen und Wege 30.700 Summe: 677.428 3. Augusthochwasser 2002: Schäden Schadenshöhe in T€ Privathaushalte 56.000 gewerbliche Wirtschaft 34.000 Landwirtschaft 16.000 staatliche Infrastruktur 93.000 kulturelle Einrichtungen 0 Sonstiges 10.000 Summe: 209.000 Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/568 4. Augusthochwasser 2005: Schäden Schadenshöhe in T€ Privathaushalte und Gewerbebetrieb bzw. freiberuflich Tätige 61.000 Land- und Forstwirtschaft (einschl. Alm-, Forst- und Wirtschaftswege) 28.900 Kommunen 35.000 Staatliche Gewässer und Wasserbauten 47.000 Summe: 171.900 5. Hochwasser Mai/Juni 2013: Schäden in Auswirkung auf Schadenshöhe in T€ Privathaushalte 453.885 Gewerbliche Wirtschaft 426.668 Landwirtschaft 143.255 Staatliche Infrastruktur 199.531 Kulturelle Einrichtungen 6.383 Sonstiges (Schäden, die sich nicht eindeutig einem Sammelbegriff zuordnen lassen) 77.793 Summe: 1.307.515