Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 08.03.2015 1. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zur Medikation von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen vor? a) Wie hat sich die Verordnungsrate in den letzten fünf Jahren entwickelt? Der Staatsregierung liegen hierzu keine verwertbaren Angaben vor. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung gesetzlich versicherter Patienten auf Anfrage mitgeteilt, dass ihr eine Identifizierung von in Heimen lebenden Patienten nicht generell möglich sei. b) Hat die Staatsregierung Kenntnis, wie viele Anträge auf Genehmigung einer Medikation (§ 1906 Absatz 4 BGB) in den letzten fünf Jahren gestellt wurden? Der Staatsregierung ist nicht bekannt, in wie vielen Fällen Anträge auf Genehmigung unterbringungsähnlicher Maßnahmen (§ 1906 Absatz 4 BGB) den Einsatz von Medikamenten mit freiheitsentziehender Wirkung betreffen. 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Äußerung der Betreuungsgerichte, dass nur sehr wenige Anträge auf eine betreuungsrechtliche Genehmigung gestellt werden? Statistische Daten über die Zahl der Anträge auf Genehmigung des Einsatzes von Medikamenten mit freiheitsbeschränkender Wirkung liegen nicht vor (siehe Antwort zu Frage 1 b). Im Rahmen einer Initiative des Betreuungsgerichts München soll im Zusammenwirken aller Beteiligten geklärt werden, ob es Fälle gibt, in denen Medikamente ohne die erforderliche gerichtliche Genehmigung zu Sedierungszwecken eingesetzt werden, und wie man ggf. eine bessere Kontrolle erreichen kann. Kooperationspartner sind die Staatsministerien der Justiz sowie für Gesundheit und Pflege, die Betreuungsbehörden von Stadt und Landkreis München, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern und der Bayerische Hausärzteverband sowie die Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA). Die Initiative betrifft derzeit den Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts München (Stadt und Landkreis München). Die Auftaktveranstaltung für die gemeinsame Initiative fand im November 2014 statt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.04.2015 17/5751 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner SPD vom 21.08.2014 Gabe von Psychopharmaka in bayerischen Alten- und Pflegeheimen Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zur Medikation von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen vor? a) Wie hat sich die Verordnungsrate in den letzten fünf Jahren entwickelt? b) Hat die Staatsregierung Kenntnis, wie viele Anträge auf Genehmigung einer Medikation (§ 1906 Absatz 4 BGB) in den letzten fünf Jahren gestellt wurden? 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Äußerung der Betreuungsgerichte, dass nur sehr wenige Anträge auf eine betreuungsrechtliche Genehmigung gestellt werden ? 3. Welche Gründe sieht die Staatsregierung für die hohe Zahl an Verordnungen von Psychopharmaka? a) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen , um eine Reduzierung zu erreichen? b) Hat die Staatsregierung Kenntnis von Maßnahmen oder Modellprojekten aus anderen Bundesländern oder Ländern? 4. Welche Alternativen gibt es zur Medikation von Psychopharmaka mit sedierender Wirkung oder Nebenwirkung ? 5. Hat die Staatsregierung Kenntnis, inwieweit bereits bei Heimbezug Medikamentenabhängigkeiten ein Problem darstellen? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5751 3. Welche Gründe sieht die Staatsregierung für die hohe Zahl an Verordnungen von Psychopharmaka ? Psychopharmaka sind zugelassene Arzneimittel, die leitliniengerecht zur Behandlung von Depressionen und anderen psychischen und neurologischen Krankheitsbildern eingesetzt werden. Diese Erkrankungen treten im höheren Lebensalter gehäuft auf und betreffen somit insbesondere Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Die medikamentöse Therapie dieser Erkrankungen stellt die wesentliche Ursache für die Verordnungen von Psychopharmaka in diesen Einrichtungen dar. a) Welche Maßnahmen will die Staatsregierung ergreifen , um eine Reduzierung zu erreichen? Der Staatsregierung liegen keine konkreten Angaben bezüglich der Verordnung bzw. des Einsatzes von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen vor. Aus diesem Grund beabsichtigt das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, gemeinsam mit allen Beteiligten eine Studie in Auftrag zu geben, da es Beschwerden von Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen im Hinblick auf einen zu hohen Einsatz von Psychopharmaka gibt. Diese Studie soll z.B. die Indikationen und die Wege in den Psychopharmakaverbrauch in ausgewählten Einrichtungen erheben. Weiterhin sollen ggf. Lösungsansätze herausgearbeitet werden, um evtl. in der Anwendung von Psychopharmaka bestehende Probleme zu identifizieren. Dabei soll die Sicht der Pflegebedürftigen, der Pflegenden, der Angehörigen, der Betreuer und der beteiligten Hausund Fachärzte im Mittelpunkt der Studie stehen. b) Hat die Staatsregierung Kenntnis von Maßnahmen oder Modellprojekten aus anderen Bundesländern oder Ländern? Eine aktuell bei den Ländern und beim Bundesministerium für Gesundheit durchgeführte Umfrage hat Folgendes ergeben: Der Bund hat eine Vielzahl von Projekten zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit gefördert bzw. fördert diese aktuell. Dazu gehören sowohl Projekte zur Medikation in Alten- und Pflegeheimen als auch zur bedarfsgerechten Verordnung und Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. In Berlin wurde in den letzten drei Jahren ein durch die Universität Heidelberg initiiertes Pilotprojekt „Psychotherapie der Depression im Seniorenheim (PSIS)“ durchgeführt. In Nordrhein-Westfalen wurden fünf Projekte zum Thema Arzneimittelsicherheit in der Altenpflege im Rahmen der „Landesinitiative Gesundes Land Nordrhein-Westfalen“ realisiert. 4. Welche Alternativen gibt es zur Medikation von Psychopharmaka mit sedierender Wirkung oder Nebenwirkung? Folgende Alternativen zur Medikation mit Psychopharmaka mit sedierender Wirkung kommen in Betracht: •   Veränderung der Medikation, •   engmaschige  Überprüfung  der  Indikation  der  aktuellen  Medikation, •   Bereitstellung  von  besonderen  Betreuungsangeboten  z. B. Nachtcafés, •   Fortbildungen des Personals, •   unspezifische Maßnahmen wie beispielsweise die Unter- bringung in Einzelzimmern oder mehr Bewegung tagsüber draußen. Die heute zur Verfügung stehenden Psychopharmaka sind unentbehrliche Hilfsmittel bei der Behandlung psychischer und neurologischer Störungen. Bei gezieltem Einsatz helfen sie, quälende, lebensbehindernde Beschwerden zum Verschwinden zu bringen oder zu lindern. Gerade bei Menschen im hohen Lebensalter, die sehr häufig von einer Depression betroffen sind, tragen sie dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Es bleibt im Ermessen des behandelnden Arztes, im Rahmen eines multimodalen therapeutischen Ansatzes die notwendige medikamentöse Behandlung unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten auszuwählen. Die „PRISCUS-Liste“ (Holt S, Schmiedl S, Thürmann PA 2011, PRISCUS-Liste potenziell inadäquater Medikation für ältere Menschen, Stand 01.02.2011) enthält medikamentöse Alternativen zu einzelnen Arzneistoffen mit sedierender Wirkung. 5. Hat die Staatsregierung Kenntnis, inwieweit bereits bei Heimbezug Medikamentenabhängigkeiten ein Problem darstellen? Mit Ausnahme der Ergebnisse einer Untersuchung im Rahmen des deutsch-österreichischen INTERREG-Projekts „Alter und Sucht“, das 2009–2012 in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein sowie dem Bundesland Salzburg durchgeführt wurde, liegen der Staatsregierung keine weiteren Daten vor. Danach wiesen 1,1 % der 353 befragten Seniorenheimbewohnerinnen und -bewohner bei Eintritt in das Pflegeheim die ärztliche Diagnose von schädlichem Gebrauch bzw. Medikamentenabhängigkeit auf (Quelle: http://interreg.zup-media.com/# : Vortrag von Monika Dreher, Isabella Kunz, Friedrich M. Wurst, Salzburg: Ergebnisse aus dem INTERREG-Projekt „Sucht und Alter“).