Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrich Leiner und Thomas Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.01.2015 Kommunaler Finanzausgleich/Schlüsselzuweisung/ Zweitwohnsitz Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Welche Grundlagen (sachliche/rechnerische) führten zu der Planung der vollständigen Rückführung der Nebenwohnsitze ab 2019? b) Wie (in welcher Form ausgedrückt in Prozentsätzen und absoluten Zahlen) soll die jährliche Reduzierung ab 2015 gestaffelt durchgeführt werden? 2. a) Welche Daten und Berechnungen zur Entwicklung der Zweitwohnsitze in Bayern liegen der Staatsregierung vor? b) Durch wen wurden diese bewertet? 3. Wie wirkt sich ein Wegfall der Nebenwohnsitze bei der neuen Berechnung der Schlüsselzuweisungen ab 2019 für die Kommunen aus? 4. a) Wie entwickelt sich der Grundbetrag der Schlüsselzuweisung im Zuge dieser Veränderungen? b) Welche Auswirkungen auf kleine, insbesondere touristische geprägten Kommunen hat dies? 5. a) Finden die spezifischen Voraussetzungen der touristisch geprägten Kommunen bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung Berücksichtigung? b) Wenn nein, mit welcher Begründung wird darauf verzichtet ? c) Wenn ja, in welcher Form? 6. a) Wurden die Kommunen von den Ergebnissen dieser Berechnungen bzw. Beispielberechnungen informiert? b) Wann und wo kann das Datenmaterial von den jeweiligen Kommunen eingesehen und überprüft werden? 7. Macht sich die Staatsregierung die Meinung des Abgeordneten Martin Bachhuber zu eigen, der sich in der Landtagsdebatte vom 11. Dezember 2014 dahingehend geäußert hat, dass beim Thema Nebenwohnsitze das letzte Wort noch nicht gesprochen sei? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 19.03.2015 Die Schriftliche Anfrage der Herren Abgeordneten Ulrich Leiner, MdL, und Thomas Gehring, MdL, vom 21. Januar 2015 betreffend „Kommunaler Finanzausgleich/Schlüsselzuweisung /Zweitwohnsitz“ wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, Frage 5 auch im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie und dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1. a) Welche Grundlagen (sachliche/rechnerische) führten zu der Planung der vollständigen Rückführung der Nebenwohnsitze ab 2019? Die bisher verwendeten Zahlen für die Personen mit Nebenwohnung beruhen auf der Volkszählung 1987, welche als „Vollerhebung“ durchgeführt wurde. Bei der Volkszählung zum 9. Mai 2011 wurde die Zahl der Personen mit Nebenwohnung nicht erhoben. Eine Fortschreibung der Zahlen von 1987 scheitert an dem teilweise unzureichenden Meldeverhalten der Inhaber von Zweitwohnungen und der fehlenden Möglichkeit eines Melderegisterabgleichs. Der der Volkszählung vorgeschaltete Zensustest ergab vor allem bei den Nebenwohnsitzen eine hohe Fehlerquote in den kommunalen Melderegistern. Mangels aktueller und belastbarer Zahlen sollten bei der Berechnung der Gemeindeschlüsselzuweisungen die Zahl der Personen mit Nebenwohnung in ihrer bisherigen Form künftig nicht mehr berücksichtigt werden. Gegen die bisherige Regelung, also die Berücksichtigung der Nebenwohnsitze , sind bereits Popularklagen von drei bayerischen Gemeinden anhängig. Die Regelung wurde daher im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden mit dem Finanzausgleichsänderungsgesetz 2015 aufgehoben. b) Wie (in welcher Form ausgedrückt in Prozentsätzen und absoluten Zahlen) soll die jährliche Reduzierung ab 2015 gestaffelt durchgeführt werden? Das vom Bayerischen Landtag beschlossene FAG-Änderungsgesetz 2015 sieht vor, dass die Nebenwohnsitze nach der aktuellen Regelung für eine Übergangszeit von fünf Jahren noch in gleichmäßig sinkenden Anteilen berücksichtigt werden, um den Gemeinden den Übergang zu erleichtern, vgl. Art. 3 Abs. 4 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden. Die Rückführung in fünf Jahresschritten (jedes Jahr um 20 Prozent bzw. um 89.474 Einwohner) wurde mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 24.04.2015 17/5820 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5820 2. a) Welche Daten und Berechnungen zur Entwicklung der Zweitwohnsitze in Bayern Liegen der Staatsregierung vor? b) Durch wen wurden diese bewertet? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Wie wirkt sich ein Wegfall der Nebenwohnsitze bei der neuen Berechnung der Schlüsselzuweisungen ab 2019 für die Kommunen aus? Der Berechnungslogik der Schlüsselzuweisungen folgend können die Schlüsselzuweisungen nicht auf die einzelnen Berechnungsparameter aufgeteilt werden, da das Ergebnis der Schlüsselzuweisung an eine einzelne Gemeinde immer von der Steuerkraft und den Bedarfsparametern aller 2.056 Gemeinden in Bayern abhängig ist und somit immer ein Gesamtergebnis aller Berechnungselemente darstellt. Wie hoch die Berechnungsgrundlagen (Einwohner, Arbeitslose , Steuerkraft, usw.) aller 2.056 bayerischen Gemeinden in fünf Jahren sein werden, kann daher nicht prognostiziert werden. 4. a) Wie entwickelt sich der Grundbetrag der Schlüsselzuweisung im Zuge dieser Veränderungen? b) Welche Auswirkungen auf kleine, insbesondere touristische geprägten Kommunen hat dies? Der Grundbetrag ist eine reine Rechengröße, um das jeweils zur Verfügung stehende Gesamtvolumen der Schlüsselzuweisungen auf der Basis aller Berechnungsparameter aller 2.056 Gemeinden aufzuteilen. Die Entwicklung des Grundbetrages oder die Entwicklung für eine einzelne Gemeinde kann nicht vorhergesagt werden. 5. a) Finden die spezifischen Voraussetzungen der touristisch geprägten Kommunen bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung Berücksichtigung? b) Wenn nein, mit welcher Begründung wird darauf verzichtet? c) Wenn ja, in welcher Form? Die Berechnung der Schlüsselzuweisungen stellt auf abstrahierte Bedarfsparameter ab. Für die Berücksichtigung „touristisch geprägter“ Bedarfe müssten geeignete und zugleich neutrale Parameter vorliegen, die auch einen statistischen Zusammenhang mit entsprechenden Verwaltungsmehrausgaben einer Gemeinde erklären bzw. belegen, damit sie bei den Schlüsselzuweisungen Berücksichtigung finden könnten. Unabhängig davon schlägt sich die Situation der touristisch geprägten Gemeinden aber in den allgemein geltenden Berechnungsparametern nieder. Das – ggf. in den touristisch geprägten Gemeinden geringere – Gewerbesteueraufkommen fließt über die Steuerkraft in die Berechnung der Schlüsselzuweisungen ein. Touristisch stark geprägte Gemeinden sind in der Regel berechtigt, Kurbeiträge und – bei entsprechend hohen Über- nachtungszahlen – Fremdenverkehrsbeiträge nach dem bayerischen Kommunalabgabengesetz zu erheben. Diese Beiträge dienen zur Deckung des Aufwands, der den Gemeinden zur Förderung des Fremdenverkehrs oder für Kurund Erholungseinrichtungen und Veranstaltungen entsteht. Die Einnahmen aus den Kur- und Fremdenverkehrsabgaben verbleiben den sie erhebenden Kommunen als im Finanzausgleich unangerechnete „freie Spitze“. Gleiches gilt für ein eventuelles Aufkommen aus einer Zweitwohnungssteuer . Hinzu kommen zahlreiche spezielle Hilfen außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs: In Bayern erfolgt u. a. eine projektbezogene Förderung von Maßnahmen zur regionalen Entwicklung. Investitionen der Kommunen im Bereich des Tourismus werden durch Fördermittel des Landes, des Bundes und der Europäischen Union unterstützt. Der Freistaat Bayern unterstützt die Kommunen bei Investitionen in die touristische Infrastruktur im Rahmen der Regionalen Wirtschaftsförderung. Zudem hat der Bayerische Landtag im Haushalt 2015 11 Mio. € für die Tourismuswerbung und 1,8 Mio. € für das Förderprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zur Steigerung der medizinischen Qualität in den bayerischen hochprädikatisierten Kurorten und Heilbädern bereitgestellt. 6. a) Wurden die Kommunen von den Ergebnissen dieser Berechnungen bzw. Beispielberechnungen informiert ? b) Wann und wo kann das Datenmaterial von den jeweiligen Kommunen eingesehen und überprüft werden? Die Anzahl der berücksichtigten Personen mit Nebenwohnung ist der eigenen Gemeinde bekannt. Sie wird in den Bescheiden über die Schlüsselzuweisungen ausgewiesen. 7. Macht sich die Staatsregierung die Meinung des Abgeordneten Martin Bachhuber zu eigen, der sich in der Landtagsdebatte vom 11. Dezember 2014 dahingehend geäußert hat, dass beim Thema Nebenwohnsitze das letzte Wort noch nicht gesprochen sei? Die künftige Ausgestaltung der Gemeindeschlüsselzuweisungen und ihrer Berechnungsparameter hängt aktuell von der Reform ab, die gegenwärtig in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden entwickelt wird und mit dem FAG 2016 verabschiedet werden soll. Das letzte Wort hat dann der Bayerische Landtag als Landesgesetzgeber. Die Staatsregierung wird das System der Gemeindeschlüsselzuweisungen in seinen Auswirkungen auf die bayerischen Gemeinden weiterhin aufmerksam verfolgen und im Bedarfsfall auch reagieren.