Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11.02.2015 Durchsuchungsaktion bei rechtsextremem Onlineshop II 1. Nachdem es in der Antwort auf Frage 6.1 der Schriftlichen Anfrage vom 24.11.14 (Drs. 17/4887) betreffend Durchsuchungsaktion bei rechtsextremem Onlineshop heißt, der Tatverdächtige sei „bereits einmal aufgrund rechtsextrem motivierter Straftaten verurteilt worden“, frage ich die Staatsregierung, um welche Straftaten es sich handelte, wann diese begangen wurden und wie das Urteil lautete? 2. In der Antwort auf Frage 7 (Drs. 17/4887) heißt es, die 13 weiteren Verfahren richteten sich „weder gegen Kunden noch gegen Mitarbeiter des Tatverdächtigen“ – in welcher Beziehung standen bzw. stehen die Personen , gegen die nun Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, zum Tatverdächtigen und welche konkreten Straftaten werden ihnen vorgeworfen? 3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen des durchsuchten Onlineshops zu dem Unternehmen „Workit24“ aus Böhmenkirch sowie zu dessen jeweiligen Betreibern? 3.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung grundsätzlich über Verbindungen des Unternehmens zur rechtsextremen Szene? 4. Welche als rechtsextrem einzustufenden Gruppierungen sind der Staatsregierung im Regierungsbezirk Schwaben bekannt? 4.1 Welche rechtsextremen Gruppierungen aus Schwaben haben sich seit 1990 aufgelöst oder wurden verboten (Auflösungsgrund und -zeitpunkt bitte jeweils angeben)? 4.2 Welche Verbindungen und personellen Überschneidungen bestehen nach den Erkenntnissen der Staatsregierung zwischen den rechtsextremen Gruppierungen in Schwaben, einschließlich verbotener oder aufgelöster Strukturen beziehungsweise ihren ehemaligen Mitgliedern? 5. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über eine Verbindung zwischen den Gruppierungen „Voice of Anger“ und „Skinheads Schwaben“ vor? 6. In der Antwort auf Frage 3.1 (Drs. 17/4887) wird erwähnt , dass es drei Sektionen von „Voice of Anger“ gebe – wo sind diese verortet, welches Gebiet decken sie jeweils ab und wie viele Mitglieder und Sympathisanten sind ihnen jeweils zuzuordnen? 7. Nachdem in der Antwort auf Frage 3.2 (Drs. 17/4887) von Verbindungen des Versandhandels bzw. der Gruppierung „Voice of Anger“ „zu bundesweiten (...), europaweiten (...) und vereinzelt weltweiten (...) Einzelpersonen und Gruppierungen der rechten Szene“ die Rede ist, frage ich die Staatsregierung, um welche konkreten rechtsextremen Gruppierungen es sich dabei handelt bzw. welchen Gruppierungen die erwähnten Einzelpersonen zuzurechnen sind? 8. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen des Versandhandels bzw. von „Voice of Anger“ zu rechtsextremen Parteien (insbesondere zur Partei „Der Dritte Weg“)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 20.03.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Nachdem es in der Antwort auf Frage 6.1 der Schriftlichen Anfrage vom 24.11.14 (Drs. 17/4887) betreffend Durchsuchungsaktion bei rechtsextremem Onlineshop heißt, der Tatverdächtige sei „bereits einmal aufgrund rechtsextrem motivierter Straftaten verurteilt worden“, frage ich die Staatsregierung , um welche Straftaten es sich handelte, wann diese begangen wurden und wie das Urteil lautete? Mit Urteil vom 20.07.2011 des AG Augsburg wurde gegen den Beschuldigten eine Gesamtgeldstrafe i. H. v. 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verhängt. Die zur Last gelegten Taten waren strafbar als Volksverhetzung in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Hiebwaffen in Tatmehrheit mit Volksverhetzung. Tatzeiten waren der 25.10.2008 und der 28.01.2009. 2. In der Antwort auf Frage 7 (Drs. 17/4887) heißt es, die 13 weiteren Verfahren richteten sich „weder gegen Kunden noch gegen Mitarbeiter des Tatverdächtigen “ – in welcher Beziehung standen bzw. stehen die Personen, gegen die nun Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, zum Tatverdächtigen und welche konkreten Straftaten werden ihnen vorgeworfen? Die Folgeverfahren resultieren aus der Auswertung der digitalen Medien des Beschuldigten. Hier wurden insbesondere Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 24.04.2015 17/5890 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/5890 bei der Auswertung des Mobiltelefons Nachrichten anderer Personen mit strafbaren Inhalten festgestellt. Diese sind strafbar als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86 a StGB. In welcher Beziehung sich diese anderen Personen zum Beschuldigten befinden , kann nicht beurteilt werden. 3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen des durchsuchten Onlineshops zu dem Unternehmen „Workit24“ aus Böhmenkirch sowie zu dessen jeweiligen Betreibern? Aufgrund des noch laufenden Hauptverfahrens können derzeit keine Angaben zu Verbindungen zu einzelnen Personen und Unternehmen getätigt werden. 3.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung grundsätzlich über Verbindungen des Unternehmens zur rechtsextremen Szene? Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz liegen keine Erkenntnisse über derartige Verbindungen vor. 4. Welche als rechtsextrem einzustufenden Gruppie- rungen sind der Staatsregierung im Regierungsbezirk Schwaben bekannt? Im Regierungsbezirk Schwaben sind folgende rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen aktiv: Rechtsextremistische Parteien Die rechtsextremistischen Parteien Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) wie auch die relativ junge Partei Der Dritte Weg (III. Weg) sind organisatorisch im Regierungsbezirk Schwaben vertreten. Die NPD besteht dort aus dem Bezirksverband Schwaben sowie den fünf Kreisverbänden: – Neu-Ulm/Günzburg – Augsburg – Kaufbeuren/Ostallgäu – Memmingen/Unterallgäu – Dillingen/Donau-Ries Die Partei III. Weg ist mit einem eigenen „Stützpunkt“ im Regierungsbezirk Schwaben vertreten. Dieser erstreckt sich allerdings nicht nur auf den bayerischen Teil Schwabens, sondern bis nach Baden-Württemberg. Dies ist der besonderen Parteistruktur des III. Weg geschuldet, die sich nicht klassisch an den Bundesländern orientiert, sondern sich in Regionalverbände und dort jeweils in kleinere Stützpunkte gliedert. So gehören z. B. zum Regionalverband Süd die Länder Baden-Württemberg und Bayern. Rechtsextremistische Gruppierungen Neben den Parteien bestehen bzw. bestanden in den letzten Jahren folgende rechtsextremistischen Gruppierungen im Regierungsbezirk Schwaben, die sich zum Teil bereits wieder aufgelöst haben: In Augsburg gibt es eine „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA); entsprechende Bürgerinitiativen existieren auch in München und Nürnberg. Diese sind als kommunale Tarnlisten der NPD anzusehen. Bei der Kommunalwahl 2014 scheiterte die BIA Augsburg allerdings an den benötigten Unterstützerunterschriften und konnte somit erst gar nicht an der Wahl teilnehmen. Die Skinheadgruppierung „Voice of Anger“ ist die größte aktive Skinheadgruppierung in Bayern. Ihre etwa 80 Mitglieder teilen sich auf die Sektionen Schwaben, Memmingen und Nomads auf. Im Mittelpunkt der Aktivitäten der Gruppierung stehen vor allem die gemeinsame Freizeitgestaltung, interne Veranstaltungen und Feiern sowie die Veranstaltung und der Besuch von rechtsextremen Skinhead-Konzerten. Der Schwerpunkt der Gruppierung liegt im Großraum Memmingen /Kempten. Aus dem Umfeld der Gruppierung ging die rechtsextreme Skinheadband „Codex Frei“ hervor. Ebenfalls dem Bereich der rechtsextremen Skinheadsubkultur ist die „Allgäu Schwäbische Kameradschaft“ aus der Region Mindelheim zuzurechnen. Diese setzt sich aus dem Umfeld der rechtsextremen Skinhead-Band „Faustrecht“ zusammen . Neben den Skinheadbands „Faustrecht“ aus Mindelheim und „Codex Frei“ aus Kempten stammt aus der Region NeuUlm die Band „National Born Haters“, die aber seit ihrem letzten Auftritt 2011 inaktiv ist. Das „Infoportal Schwaben“ war bis zu seiner Abschaltung im August 2014 eine rechtsextreme Internetplattform, hinter der auch eine lokale Gruppierung stand. Diese stand dem verbotenen „Freies Netz Süd“ (FNS) nahe und beteiligte sich an dessen Aktionen. Der Schwerpunkt der Aktionen des Infoportals lag in der Region Augsburg. Die „Legion Werwolf Schwaben“ trat in der Vergangenheit im Habitus eines Rockerclubs auf, ohne allerdings selbst ein solcher zu sein. Seit der Inhaftierung ihres Gründers und führender Aktivisten im Jahr 2013 entfaltet sie aber keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten mehr. Örtlich war die Gruppierung nicht verhaftet. Auch das „Augsburger Bündnis – Nationale Opposition e.V.“ (AB-NO) aus Augsburg ist seit 2013 inaktiv. Gegründet wurde es mit dem Ziel, an der Stadtratswahl 2002 mit einem kommunalen Wahlbündnis rechtsextremer Parteien teilnehmen zu können. Rechtsextremistische Vertriebsdienste Im Regierungsbezirk Schwaben sind drei rechtsextreme Vertriebsdienste aktiv. Bei diesen handelt es sich um den „Schwarze-Sonne-Versand“ aus Rain a.Lech, den „Tradition und Moderne“-Vertrieb aus Augsburg und den subkulturell geprägten Versand „Oldschool Records“ aus dem Unterallgäu . Darüber hinaus wird auf die Internetseite der Bayerischen Informationsstelle gegen Rechtsextremismus (BIGE) verwiesen . Auf dieser finden sich nach Regierungsbezirken aufgeschlüsselte Lagebilder und Darstellungen der einzelnen lokalen rechtsextremistischen Szenen. 4.1 Welche rechtsextremen Gruppierungen aus Schwa- ben haben sich seit 1990 aufgelöst oder wurden verboten (Auflösungsgrund und -zeitpunkt bitte jeweils angeben)? Grundsätzlich ist festzustellen, dass die rechtsextremistische Szene, vor allem jenseits der Parteistrukturen, typischerweise einer ständigen Fluktuation und Veränderung unterworfen ist. Dies führt vor allem in dem Bereich des Neonazismus bzw. der Skinheadsubkultur zu einem ständigen Wandel der handelnden Gruppierungen. Langjährige festere Skinheadgruppierungen wie etwa Voice of Anger bilden daher in diesem Phänomenbereich eher die Ausnahme. Oftmals besitzen die Gruppierungen darüber hinaus nur einen relativ kleinen Mitgliederstamm, sodass schon der Wegfall von wenigen Aktivisten für diese Gruppen existenzbedrohend ist. Daneben hängen das Bestehen und die Aktionsfähigkeit von rechtsextremistischen Gruppierungen Drucksache 17/5890 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 oftmals von ihren Führungspersönlichkeiten ab. So ließ sich auch am Beispiel der „Legion Werwolf Schwaben“ beobachten , dass der Wegfall der Führungspersönlichkeit kleinere Gruppierungen lähmt oder deren faktische Auflösung bedeutet . Aufgrund der hohen Fluktuation, der teils kurzen Bestehensdauer und Umbenennungen von rechtsextremistischen Gruppierungen ist die Aufzählung der Gruppierungen als nur beispielhaft anzusehen. Nicht berücksichtigt werden zudem lokale Skinheadszenen, die ebenfalls einer hohen Fluktuation unterliegen und meist nur einen geringen Organisationsgrad aufweisen. Exemplarische Gruppen, die sich in den letzten Jahren selbst auflösten, sind: – 2007 Musikgruppe Pride´n Pain – 2009 rechtsextremistische Skinheadgruppierung Hate Crew Schwaben – 2010 Autonome Nationalisten Mering – 2011 Musikgruppe Southern White Punks – 2012 Nationales Augsburg (ehemals Kameradschaft Augsburg) – 2014 Infoportal Schwaben Darüber hinaus wurde am 23.07.1996 die schwäbische Gruppierung Skinheads Allgäu verboten. 4.2 Welche Verbindungen und personellen Über- schneidungen bestehen nach den Erkenntnissen der Staatsregierung zwischen den rechtsextremen Gruppierungen in Schwaben, einschließlich verbotener oder aufgelöster Strukturen beziehungsweise ihren ehemaligen Mitgliedern? Aufgrund der Bedeutung einzelner zentraler Aktivisten ergeben sich immer wieder personelle Überschneidungen und Kontinuitäten bei verschiedenen rechtsextremen Gruppierungen . Als Beispiel kann hier die gewisse personelle Kontinuität zwischen dem verbotenen Freien Netz Süd (FNS) und der neu gegründeten Partei III. Weg angesehen werden. Dieses Beispiel veranschaulicht auch, wie die handelnden Aktivisten versuchen, ihre Aktivitäten nach einem Verbot auf anderem Wege fortzuführen. So spiegeln die Stützpunkte der Partei die Aktivitätsschwerpunkte des verbotenen FNS wider und viele der ehemaligen Akteure des FNS, soweit sie noch in Bayern wohnen, sind jetzt im III. Weg aktiv. Aus schwäbischer Sicht sticht etwa die Gruppierung Nationales Augsburg hervor, die ihre Aktivitäten zugunsten des Infoportals Schwabens einstellte. Das Infoportal arbeitete mehrfach eng mit dem FNS zusammen, gab im Jahr 2014 allerdings ebenfalls die Einstellung seiner Aktivitäten bekannt . 5. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über eine Verbindung zwischen den Gruppierung „Voice of Anger“ und „Skinheads Schwaben“ vor? Dem BayLfV ist keine aktuell bestehende Gruppierung mit dem Namen „Skinheads Schwaben“ bekannt. Dennoch bestehen verschiedene lokale Skinheadszenen, wie z. B. die Sektionen von Voice of Anger (VoA) oder die Skinheadgruppe in Mindelheim belegen. Diese firmieren aber nicht unter der Gruppenbezeichnung „Skinheads Schwaben“. 6. In der Antwort auf Frage 3.1 (Drs. 17/4887) wird er- wähnt, dass es drei Sektionen von „Voice of Anger “ gebe – wo sind diese verortet, welches Gebiet decken sie jeweils ab und wie viele Mitglieder und Sympathisanten sind ihnen jeweils zuzuordnen? Die Gruppierung VoA umfasst insgesamt etwa 80 Personen, die sich auf die drei Untergruppierungen (Sektionen) Schwaben , Memmingen und Nomads verteilen. Teilweise, wie bei der Sektion Memmingen, lässt sich die örtliche Verankerung der Gruppe schon am Namen ablesen. Die Sektion Schwaben ist im Bereich Krumbach zu verorten. Die VoA Nomads waren zumindest in der Vergangenheit im Raum Oberallgäu aktiv. 7. Nachdem in der Antwort auf Frage 3.2 (Drs. 17/4887) von Verbindungen des Versandhandels bzw. der Gruppierung „Voice of Anger“ „zu bundesweiten (...), europaweiten (...) und vereinzelt weltweiten (...) Einzelpersonen und Gruppierungen der rechten Szene“ die Rede ist, frage ich die Staatsregierung, um welche konkreten rechtsextremen Gruppierungen es sich dabei handelt bzw. welchen Gruppierungen die erwähnten Einzelpersonen zuzurechnen sind? Es handelt sich um Informationen aus einem laufenden Verfahren ; auf die Antwort zu Frage 3 wird daher verwiesen. 8. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen des Versandhandels bzw. von „Voice of Anger“ zu rechtsextremen Parteien (insbesondere zur Partei „Der Dritte Weg“)? Einzelkontakte von Mitgliedern der Gruppierungen zu Parteien bzw. Parteimitgliedern können grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Eine strukturelle Verbindung der Gruppierung VoA zu Parteien, wie zur Partei III. Weg, ist dem BayLfV allerdings nicht bekannt. Auch steht die Ausrichtung der Gruppierung VoA auf subkulturelle und erlebnisorientierte Veranstaltungen einer „politischen“ Arbeit, wie es die rechtsextremistischen Parteien versuchen zu betreiben , eher im Wege.