Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Thomas Goppel, Hermann Imhof CSU vom 19.02.2015 Patientenfürsorge Nachdem die bayerische Bevölkerung wiederholt mit dem Problem befasst war, das in jüngster Zeit viele Kliniken in seinen Grundfesten erschütterte, fragen wir die sich mit der Thematik einer sachgerechten Patientenfürsorge, v. a. auch für die Senioren in unserer Bevölkerung, verantwortliche Bayerische Staatsregierung vorsorglich: 1. Sind die Vorfälle an der Uniklinik Kiel inzwischen (nach den eigenen hiesigen Erfahrungen aus 2008 ff.) an den fünf bayerischen Uniklinken für die Zukunft (gemessen am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin ) ausgeschlossen? Wie schätzt die Staatsregierung die Hygienesituation allgemein ein? Wie viele Patienten sterben hierzulande noch an MRSA-Erregern (im Verhältnis zu an den Folgen medizinischer Behandlung verstorbenen Patienten insgesamt)? 2. Wie ist die augenblickliche Hygienesituation? 3. Sind in allen Krankenhäusern Hygiene-Fachärzte bzw. verantwortungskompetente Hygienebeauftragte installiert ? Existieren einschlägige Notfallpläne? Welche Wirkung hat die BayHygieneVO von 2012 ausgelöst? 4. Sind auch die bayerischen Reha- und Pflegeeinrichtungen mit dem Thema MRSA-Erreger vertraut? Gibt es Bekämpfungs - und Umsetzungsrichtlinien/-maßnahmen? 5. Kann das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege schon Auskunft geben über die tatsächliche Hygienesituation in Arztpraxen? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 31.03.2015 1. Sind die Vorfälle an der Uniklinik Kiel inzwischen (nach den eigenen hiesigen Erfahrungen aus 2008 ff.) an den fünf bayerischen Uniklinken für die Zukunft (gemessen am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin) ausgeschlossen? Wie schätzt die Staatsregierung die Hygienesituation allgemein ein? Wie viele Patienten sterben hierzulande noch an MRSA-Erregern (im Verhältnis zu an den Folgen medizinischer Behandlung verstorbenen Patienten insgesamt)? Im Januar 2015 wurde in den Medien über ein gehäuftes Auftreten von multiresistentem Acinetobacter baumannii im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel berichtet. Acinetobacter baumannii und andere Acinetobacter -Arten sind nosokomiale Erreger, die zunehmend an klinischer Bedeutung gewinnen, vor allem als Erreger von Lungenentzündungen (Pneumo nien), Sepsis und Wundinfektionen . Besonders problematisch sind vor allem Keime, die gegen vier Antibiotikagruppen (4 MRGN) resistent sind, da Infektionen durch diese Erreger extrem schwierig zu behandeln sind. Jedes Jahr werden in Deutschland nosokomiale Ausbrüche mit multiresistenten Acinetobacter baumannii registriert. Die Übertragung dieser Erreger erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt (Hände des Personals, medizinische Materialien ), auch eine aerogene Übertragung scheint möglich zu sein. Daher ist ein gehäuftes Auftreten von Acinetobacter baumannii auch in bayerischen Krankenhäusern Bayern grundsätzlich nicht auszuschließen. Nosokomiale Infektionen können nicht vollständig vermieden werden. Grundsätzlich ist das Risiko für eine nosokomiale Infektion und damit auch die Wahl der zur Infektionsprävention erforderlichen Maßnahmen primär abhängig von der Grunderkrankung der Patientin oder des Patienten. Nosokomiale Infektionen und insbesondere das Auftreten multiresistenter Erreger sind konsequent zu bekämpfen. Nach den Aussagen des Nationalen Referenzzentrums für die Surveillance von nosokomialen Infektionen lassen sich durch ein adäquates Hygienemanagement und Einleitung geeigneter Interventionsmaßnahmen im Mittel 20–30 % der nosokomialen Infektionen vermeiden. Für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) ist Hygiene oberstes Gebot. Deshalb wurden bereits seit 2008 vielfältige Aktivitäten zur Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen im humanmedizinischen Bereich unternommen . Neben dem Erlass der Bayerischen Medizinhygieneverordnung (MedHyGV) sind insbesondere die Gründung der Spezialeinheit Infektionshygiene (SEI) am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und der LandesArbeitsgemeinschaft MultiResistente Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.04.2015 17/6020 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6020 Erreger (LARE) aber auch das Bayerische Aktionsbündnis Antibiotikaresistenz (BAKT) hervorzuheben. Im Jahr 2010 wurde die infektionshygienische Überwachung zur prioritären Dienstaufgabe der Gesundheitsämter erklärt und neu konzipiert. Eine wesentliche Säule dieses Konzepts einer verstärkten Hygieneüberwachung sind die Schwerpunktüberwachungsprojekte, die seit 2011 von der SEI in Abstimmung mit dem StMGP jeweils jährlich festgelegt werden. Diese dienen der vertieften Bearbeitung und Auswertung spezifischer und hygienesensibler Problemfelder durch die Gesundheitsämter. Im Rahmen des Schwerpunktüberwachungsprojekts 2012 wurden unter anderem die Daten zur Surveillance von nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen und zum MRSA-Aufnahmescreening in den Krankenhäusern des bayerischen Krankenhausplans erfasst. Daten zu Todesfällen infolge einer MRSA-Infektion liegen nicht vor, auch nicht im Datenerfassungssystem des Nationalen Referenzzentrums für die Surveillance von nosokomialen Infektionen für MRSA-Infektionen (MRSA-KISS) für stationäre Patienten. Hierzu ist anzumerken, dass sich die betroffenen Patienten aufgrund schwerwiegender Grunderkrankungen in stationärer Behandlung befinden. Eine sichere Abgrenzung zwischen einer MRSA-Infektion und der Grunderkrankung als Todesursache ist daher schwierig. 2. Wie ist die augenblickliche Hygienesituation? ln den bayerischen Krankenhäusern besteht ein hoher Hygienestandard. Alle Krankenhäuser unterliegen gemäß Infektionsschutzgesetz (lfSG) der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter. Durch intensive Beratung und Überwachung der Krankenhäuser durch die Gesundheitsämter zusammen mit den Fachleuten der Regierungen und der SEI wird kontinuierlich an einer weiteren Verbesserung des Hygienemanagements der Krankenhäuser gearbeitet, um der Entstehung und Verbreitung nosokomialer Erkrankungen vorzubeugen. Die Begehungen werden generell von den betroffenen Einrichtungen ernst genommen. Die Ansprachpartner in den Einrichtungen stehen den Gesundheitsämtern, Regierungen und der SEI sehr kooperativ und aufgeschlossen gegenüber. Empfehlungen und im Bedarfsfall Anordnungen zur Verbesserung des Hygienemanagements werden in der Regel umgehend umgesetzt . Grundsätzlich lassen sich auch bei bestem Hygienemanagement nosokomiale In fektionen und das Auftreten von MRE nicht gänzlich vermeiden. Ein gutes Hygienemanagement ist aber eine wichtige Voraussetzung zur zielführenden Bekämpfung dieser Infektionen. Die Überwachung von Kliniken durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ist ein wichtiger Beitrag, die hygienische Situation zu verbessern. Während die Qualität der Prozesse zur Einhaltung der Hygienestandards im Einzelnen eher durch das hauseigene Hygienefachpersonal beeinflusst werden kann, kann durch die Begehungen des ÖGD vor allem die Strukturqualität zum Teil deutlich optimiert werden. 3. Sind in allen Krankenhäusern Hygiene-Fachärzte bzw. verantwortungskompetente Hygienebeauftragte installiert? Existieren einschlägige Notfallpläne? Welche Wirkung hat die BayHygieneVO von 2012 ausgelöst? Wie bereits im Bericht vom 28.05.2013 zum Beschluss des Bayerischen Landtags vom 05.03.2013 (Drs. 16/15906) dargestellt , wurde in Bayern mit dem Erlass der zum 01.01.2011 in Kraft getretenen MedHygV erstmals in Deutschland eine normative Verpflichtung zur Einhaltung der allgemein anerkannten einrichtungs- und tätigkeitsspezifischen Hygienestandards geschaffen. Die MedHygV wurde zum 01.09.2012 in Anpassung an das zum 04.08.2011 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des lfSG (lfSG-ÄndG) mit noch umfassenderen Vorgaben zu den personell-fachlichen, betrieblichorganisatorischen und baulich-funktionellen Pflichten der Einrichtungen, inbesondere auch von Krankenhäusern, zur Einhaltung der Infektionshygiene neu gefasst. Im o. g. Bericht zur Situation der Krankenhaushygiene wurde die Umsetzung der Vorgaben der MedHygV umfassend dargestellt. Im Jahr 2011 wurde mittels eines von der SEI erstellten Erfassungstools eine standardisierte Risikoprofilerfassung in den Krankenhäusern des bayerischen Krankenhausplans (Piankrankenhäuser, Uni-Kliniken und Vertragskrankenhäuser ) mit Erfassung der einrichtungs-, maßnahmen- und patientenspezifischen Infektionsrisiken durchgeführt. Aufgrund dieser Daten wurde der Bedarf an Hygienefachpersonal in den Krankenhäusern ermittelt. Eine erneute Abfrage zur Ausstattung mit Hygienefachpersonal erfolgte im April 2013. Die Daten wurden ebenfalls im o. g. Bericht zur Situation der Krankenhaushygiene an den Landtag übermittelt. Das StMGP hat im Rahmen dieses Berichts auch umfassend zu den bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des Angebots an qualifiziertem Hygienefachpersonal Stellung genommen. Das StMGP befindet sich seitdem gemeinsam mit den Experten des LGL im Dialog mit der Bayerischen Landesärztekammer und der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), um die eingeleiteten Maßnahmen ggf. anzupassen. Aktuell werden Daten zur Anzahl des Hygienefachpersonals in den Krankenhäusern im Jahr 2014 erhoben. Die SEI hat dazu eine Checkliste erstellt und wird die Daten in den nächsten Monaten auswerten. Ein Bericht mit verlässlichen Daten zur Anzahl der aktuell in den Krankenhäusern des bayerischen Krankenhausplans tätigen Krankenhaushygienikerinnen und Krankenhaushygieniker, Hygienefachkräften sowie hygienebeauftragten Ärztinnen und hygienebeauftragten Ärzten ist frühestens Ende Mai 2015 zu erwarten. Danach erfolgt ein Bericht an den Lanqtag. Es ist außerdem in Abstimmung mit der Bayerischen Krankenhausgesellschaft vorgesehen, diese Datenerhebung jeweils jährlich durchzuführen. 4. Sind auch die bayerischen Reha- und Pflegeeinrichtungen mit dem Thema MRSA-Erreger vertraut? Gibt es Bekämpfungs- und Umsetzungsrichtlinien/-maßnahmen ? Gemäß § 2 MedHygV haben die Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen nach § 1 Abs. 2 MedHygV, also auch die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare Versorgung erfolgt, zu gewährleisten, dass die dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden personell-fachlichen , betrieblich-organisatorischen sowie baulich-funktionellen Voraussetzungen für die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Hygiene und Infektionsprävention geschaffen und die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Drucksache 17/6020 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Resistanzen, zu vermeiden. Die Einhaltung des Stands der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der nach § 23 Abs. 1 Satz 1 lfSG beim Robert-Koch-Institut eingerichteten Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO ) beachtet worden sind. Die Vorgaben der MedHygV umfassen in der aktuellen Fassung nicht die stationären Einrichtungen der Pflege. Für diese Einrichtungen bestehen aber Empfehlungen zur Einhaltung der Hygienestandards, wie z. B. die Empfehlung „lnfektionsprävention in Heimen“ der KRINKO (veröffentlicht 2005 im Bundesgesundheitsblatt Nr.48) oder der „Bayerische Rahmenhygieneplan für lnfektionsprävention in stationären Einrichtungen für ältere Menschen und pflegebedürftige Volljährige“ des LGL (aktualisiert im Juni 2014). Die LARE am LGL erstellt Empfehlungen zum Umgang mit resistenten Erregern, insbesondere auch mit MRSA. Auch die Gesundheitsämter haben vor Ort seit 2009 flächendeckend entsprechende regionale Netzwerke zur Bekämpfung von MRSA und anderen MRE (z. B. Runder Tisch MRSA und andere antibiotikaresistente Erreger) etabliert. Diese Verpflichtung wurde in Bayern bereits in der Fassung der MedHygV vom 01.01.2011 festgeschrieben und besteht auch in der derzeit geltenden Fassung der MedHygV weiter fort (§ 14 Abs. 3 MedHygV). Im Rahmen dieser regionalen Netzwerke übernehmen die Gesundheitsämter die Koordination und die Weitervermittlung der Hygienestandards auf Landkreisebene an alle relevanten Institutionen, die mit der Diagnostik, Therapie, Pflege, Rehabilitation und dem Transport von Patienten befasst sind. An dieser Netzwerkarbeit nehmen auch die Einrichtungen der Pflege teil. 5. Kann das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege schon Auskunft geben über die tatsächliche Hygienesituation in Arztpraxen? Aktuell liegen dem StMGP hierzu keine Daten vor. Gemäß § 3 Satz 4 MedHygV in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 8 MedHygV sind Arztpraxen zur Erstellung von Hygieneplänen verpflichtet.