Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 04.02.2015 Recht auf Dolmetschleistungen bei polizeilichen Vernehmungen In der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.10.2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren heißt es in Art. 2 Abs. 1, dass sicherzustellen ist, dass Verdächtigen oder beschuldigten Personen, die die Sprache des betreffenden Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen , unverzüglich Dolmetschleistungen auch während polizeilicher Vernehmungen zur Verfügung gestellt werden. Nach Art. 2 Abs. 8 müssen die zur Verfügung gestellten Dolmetschleistungen eine für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens ausreichende Qualität aufweisen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Hat die Staatsregierung konkrete Maßnahmen ergriffen , um sicherzustellen, dass Dolmetschleistungen und Übersetzungen der vorgenannten Qualität entsprechen ? 2. Sind die bei polizeilichen Vernehmungen zugezoge- nen Übersetzer in Bayern angemessen qualifiziert? a) Wie wird dieses festgestellt? 3. Ist es richtig, dass entgegen den gesetzlichen Grund- lagen (DolmG, DolmGABek, DolmVollzBek) Polizeibehörden in Bayern aus Kostengründen immer häufiger unqualifizierte Laien als Dolmetscher heranziehen? 4. Unter welchen Voraussetzungen werden Dolmetscher in der Datenbank beim Bayerischen Landeskriminalamt aufgenommen? 5. Ist es richtig, dass die Heranziehung eines unbeeidigten , unqualifizierten Laiendolmetschers bei der Beschuldigtenvernehmung ein Revisionsgrund sein kann? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 02.04.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Hat die Staatsregierung konkrete Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass Dolmetschleistungen und Übersetzungen der vorgenannten Qualität entsprechen? Das Staatsministerium der Justiz und das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr haben Verwaltungsvorschriften erlassen, die die Heranziehung von Dolmetschern näher regeln. Mit Bekanntmachung vom 5. Mai 2000 wurde für den Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr bestimmt, dass für gerichtliche und behördliche Zwecke grundsätzlich nur Dolmetscher und Übersetzer beauftragt werden sollen, die in den Listen der Landgerichte eingetragen sind. Diese Bekanntmachung wird vom Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr derzeit überarbeitet und an die Dolmetschergesetzausführungsbekanntmachung (DolmGABek) vom 11. März 2010 angepasst. Für den Justizbereich ist in Art. 8.1 der Dolmetschergesetzausführungsbekanntmachung vom 11. März 2010 geregelt , dass Sprachübertragungen für gerichtliche und behördliche Zwecke grundsätzlich nur Dolmetscher und Übersetzer vornehmen sollen, die in der länderübergreifenden Dolmetscher - und Übersetzerdatenbank eingetragen sind. 2. Sind die bei polizeilichen Vernehmungen zugezo- genen Übersetzer in Bayern angemessen qualifiziert ? a) Wie wird dieses festgestellt? Aufgrund des bayerischen Dolmetschergesetzes werden in Bayern für gerichtliche und behördliche Zwecke Dolmetscher und Übersetzer von den Präsidenten der Landgerichte öffentlich bestellt und allgemein beeidigt. Die Landgerichte nehmen für ihre Bezirke die Eintragung in der Dolmetscherund Übersetzerdatenbank vor. Die Bayer. Polizei greift auf diese justizielle Dolmetscherund Übersetzerdatenbank zu. Allerdings besteht aufgrund von Besonderheiten bei der polizeilichen Aufgabenstellung die Notwendigkeit, über weitere Beauftragungsmöglichkeiten zu verfügen. Als Grundsatz bei der Bayer. Polizei gilt, dass die Beauftragung eines nicht in der Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank eingetragenen Dolmetschers oder Übersetzers nur dann erfolgt, wenn die notwendige Qualifikation und die uneingeschränkte Zuverlässigkeit nachgewiesen bzw. überprüft wurde. Daraus resultierend hat das Staatsministerium des Innern , für Bau und Verkehr dafür Sorge getragen, dass Polizeidienststellen in Bayern keine eigenen Listen mehr führen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.05.2015 17/6036 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6036 Beim Bayerischen Landeskriminalamt wird seit dem Jahr 2010 zentral für die gesamte Bayer. Polizei eine polizeieigene Datenbank mit verpflichteten Dolmetschern und Übersetzern geführt, auf die alle Polizeidienststellen in Bayern Zugriff haben. Vor Aufnahme in die Datenbank müssen die Antragsteller grundsätzlich ihre Fähigkeiten anhand von Zeugnissen, Urkunden etc. nachweisen. Ggf. werden die Fähigkeiten des Antragstellers von der Polizei zusätzlich mit vorbereiteten Mustertexten überprüft. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung erfolgt vor der Aufnahme in die Datenbank sowie in Form von Folgeüberprüfungen. 3. Ist es richtig, dass entgegen den gesetzlichen Grundlagen (DolmG, DolmGABek, DolmVollzBek) Polizeibehörden in Bayern aus Kostengründen immer häufiger unqualifizierte Laien als Dolmetscher heranziehen? Mit der Einrichtung der zusätzlichen polizeieigenen Dolmetscherdatenbank beim Bayer. Landeskriminalamt ist gewährleistet , dass für die Bayer. Polizei ausreichend Dolmetscher und Übersetzer zur Verfügung stehen. Gleichzeitig kann grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass unqualifizierte oder unzuverlässige Dolmetscher und Übersetzer für die Bayer. Polizei tätig werden. 4. Unter welchen Voraussetzungen werden Dolmet- scher in der Datenbank beim Bayerischen Landeskriminalamt aufgenommen? Auf die Antwort zu Frage 2 und 2 a wird hingewiesen. 5. st es richtig, dass die Heranziehung eines unbeei- digten, unqualifizierten Laiendolmetschers bei der Beschuldigtenvernehmung ein Revisionsgrund sein kann? Die mangelnde Zuziehung eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung entgegen § 185 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) kann ebenso wie die Heranziehung eines völlig ungeeigneten Dolmetschers einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 der Strafprozessordnung (StPO) darstellen. Darüber hinaus kann die Nichtvornahme der in § 189 Abs. 1 GVG unverzichtbar vorgeschriebenen Vereidigung des Dolmetschers in der Hauptverhandlung zu einem relativen Revisionsgrund führen (vgl. KK-Diemer, StPO, 7. Auflage, § 185 GVG Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 189 Rn. 3). Hiervon zu unterscheiden ist die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung soweit ersichtlich bislang nicht entschiedene Frage, ob auch die unterbliebene bzw. fehlerhaft erfolgte Heranziehung eines Dolmetschers bei der Beschuldigtenvernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Ermittlungsbehörden einen Revisionsgrund darstellen kann. Allgemein gilt, dass Mängel des Vorverfahrens, insbesondere also auch Fehler im Ermittlungs- und Zwischenverfahren die Revision gem. § 337 StPO nur begründen können, wenn das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Das kommt bei einem im Ermittlungsverfahren unterlaufenen Verfahrensfehler in Betracht, wenn dieser ein Verwertungsverbot begründet und das Gericht seiner Entscheidung die unter Verstoß hiergegen unzulässig gewonnenen Beweise zugrunde legt (vgl. KK-Ott, § 261 Rn. 34; KK-Gericke, § 336 Rn. 5). Das als wesentlicher Grundsatz eines rechtsstaatlichen Verfahrens für jedermann geltende Recht auf ein faires Verfahren beinhaltet, dass dem Beschuldigten die Möglichkeit eingeräumt sein muss, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu neh-men. Er muss in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (vgl. BVerfG vom 27.08.2003, BeckRS 2003, 24311). Den bei der Vernehmung des Beschuldigten zu beachtenden Informations - und Anhörungspflichten nach den §§ 136, 163 a Abs. 1 StPO kann daher nur entsprochen werden, wenn der Vernehmende – regelmäßig über einen Dolmetscher – eine sprachliche Verständigung mit dem Beschuldigten herstellt. Zur Sicherstellung der Qualität der Dolmetscherleistung haben das Bayerische Staatsministerium der Justiz und das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Verwaltungsvorschriften erlassen, die die Heranziehung von Dolmetschern näher regeln. Für den Justizbereich ist in Art. 8.1 der Dolmetschergesetzausführungsbekanntmachung (DolmGABek) vom 11. März 2010 geregelt, dass Sprachübertragungen für gerichtliche und behördliche Zwecke grundsätzlich nur Dolmetscher und Übersetzer vornehmen sollen, die in der länderübergreifenden Dolmetscher - und Übersetzerdatenbank eingetragen sind. Die Hinzuziehung eines allgemein beeidigten Dolmetschers bei der staatsanwaltschaftlichen bzw. polizeilichen Beschuldigtenvernehmung ist jedoch weder gesetzlich noch in den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften zwingend vorgeschrieben , so dass allein die Hinzuziehung eines unbeeidigten , aber qualifizierten Dolmetschers noch keinen Verfahrensverstoß begründen dürfte. Im Gegensatz hierzu dürfte die unterbliebene Zuziehung eines Dolmetschers bzw. die Heranziehung eines unqualifizierten Dolmetschers je nach den Umständen des Einzelfalls grundsätzlich einen Verfahrensverstoß begründen können. Allerdings führt nicht jeder Verfahrensverstoß im Ermittlungsverfahren zu einem Verwertungsverbot in Bezug auf die fehlerhaft gewonnenen Beweise (vgl. BVerfG vom 30.06.2005, NwZ 2005, 1175). Von maßgeblicher Bedeutung sind hier vielmehr vor allem die Schwere des Tatvorwurfs und das Gewicht des zugrunde liegenden Verfahrensverstoßes . Letzteres bemisst sich insbesondere nach dem Ausmaß eines etwaigen Verschuldens der anordnenden oder ausführenden Personen, nach dem grundrechtlichen Bezug des Eingriffs sowie danach, ob das Beweismittel auch ohne Gesetzesverstoß hätte erlangt werden können und ob die verletzte Verfahrensvorschrift in erster Linie dem Schutz des Beschuldigten oder sonstigen Zwecken dient (vgl. KG vom 16.02.2005, 1 Ss 406/04). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die fehlerhafte Heranziehung eines Dolmetschers bei der Beschuldigtenvernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens einen Revisionsgrund begründen kann. Dies hängt jedoch maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab und kann daher nicht allgemein beantwortet werden.