Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl SPD vom 10.12.2014 Ausbildungsbereiche für Berufschullehrer und Durchlässigkeit der Beamtenlaufbahnen In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Berufsbilder entstanden . Dazu haben sich auch bei den Ausbildungsberufen große Verschiebungen von dem einen Beruf zu einem anderen ergeben. Darauf wurde mit Reformen der Berufsschulstandorte und deren Ausbildungsberufen reagiert, sodass keine oder kaum noch Minderklassen oder Kleinstklassen gebildet werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es nach der Änderung der Berufsschulsprengel für die Ausbildungsberufe und der damit verbunden teilweise deutlich längeren Fahrwegen für einige Auszubildende eine überproportionale Abnahme von Berufsschülern in diesen Berufen im Vergleich zu der Entwicklung vor der Umsprengelung? 2. Wurden bei den Studiengängen für das Lehramt der beruflichen Schulen entsprechende Änderungen und Neugewichtungen analog zu den Verschiebungen bei den Ausbildungsberufen vorgenommen? 3. Ist daran gedacht, in den Bereichen der berufspädagogischen Fachrichtungen im Studium auf die geänderten spezialisierten Anforderungen einzugehen und z. B. die Bautechnik in Hoch- und Tiefbau, Elektro- und Informationstechnologie in Elektrotechnik, Programmierung von Computerprogrammen und Anwendung von Computerprogrammen vorzunehmen, oder ist eine ausreichende Tiefe in den Studiengängen für die Ausbildungsberufe gegeben? 4. Gibt es Unterrichtsfächer, wie z. B. Deutsch, Wirtschaft, Informatik, Technik, Sozialwesen, Gesundheit, an den beruflichen Schulen, für welche nicht genügend Lehrkräfte zur Verbeamtung zur Verfügung stehen, obwohl der Bedarf durch Neugründungen von FOS/BOS, Berufsschulen Plus und anderer Fachschulen gestiegen ist? 5. Ist es für Lehrkräfte aus anderen schulischen Laufbahnen möglich, in die Laufbahn der beruflichen Schulen zu wechseln? 6. Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 13.04.2015 Vorbemerkung: Die bestehenden Berufsbilder unterliegen stetigen Anpassungen . Infolgedessen wurden in den letzten fünf Jahren mehr als 100 Ausbildungsberufe neu geordnet und alleine in den Jahren 2013/2014 für 23 Ausbildungsberufe neue Rahmenlehrpläne in Kraft gesetzt. Die Neuordnung führt in vielen Fällen zu einer Modernisierung bestehender Berufe. Damit die Berufsschulen den Anforderungen gerecht werden, wurden im Rahmen der Kompetenzzentrenbildung fachliche Schwerpunkte festgelegt. Diese Organisationsform hatte zur Folge, dass dadurch Kleinstklassen bzw. Minderklassen vermieden werden können und die fachliche Qualität des Unterrichts gesichert ist. 1. Gibt es nach der Änderung der Berufsschulsprengel für die Ausbildungsberufe und der damit verbunden teilweise deutlich längeren Fahrwegen für einige Auszubildende eine überproportionale Abnahme von Berufsschülern in diesen Berufen im Vergleich zu der Entwicklung vor der Umsprengelung? Die Schulverwaltung reagiert mit Veränderungen der Berufsschulsprengel zum einen auf die gestiegenen fachlichen Anforderungen der Ausbildungsberufe, die durch eine immer größere Spezialisierung seitens der Wirtschaft erforderlich sind. Zum anderen ist die Sprengeländerung eine Folge der Veränderung der Zahl an Auszubildenden in einzelnen Berufen. Im Schuljahr 2009/10 gab es z. B. in Bayern mit rd. 30.000 Auszubildenden im Berufsfeld Ernährung ein dichtes , flächendeckendes Netz an Berufsschulstandorten mit den jeweiligen Fachklassen. Im Schuljahr 2013/14 hatte sich die Zahl der Auszubildenden auf rd. 19.000 verringert. Diese Abnahme um mehr als ein Drittel hat dazu geführt, dass sich die Zahl der Berufsschulstandorte mit den jeweiligen Fachklassen verringert hat. Im Gegensatz dazu hat sich z. B. die Zahl der auszubildenden Fachinformatiker im selben Zeitraum von rd. 12.000 auf rd. 28.000 Auszubildende erhöht, obwohl die begrenzte Zahl der Berufsschulstandorte für die jeweiligen Fachklassen nicht erhöht wurde. Die Wahl des Ausbildungsberufs erfolgt in erster Linie nach dem Interesse des Jugendlichen und dem regionalen Angebot an Ausbildungsplätzen. Der Berufsschulstandort spielt i. d. R. keine maßgebliche Rolle. 2. Wurden bei den Studiengängen für das Lehramt der beruflichen Schulen entsprechende Änderungen und Neugewichtungen analog zu den Verschiebungen bei den Ausbildungsberufen vorgenommen? Nein, da das Studium des Lehramts für berufliche Schulen so konzipiert ist, dass es für einen unterrichtlichen Einsatz Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.04.2015 17/6178 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6178 in allen Berufen einer beruflichen Fachrichtung qualifiziert. Laut Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe II (berufliche Fächer ) oder für die beruflichen Schulen (Lehramtstyp 5), Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.05.1995 i. d. F. vom 07.03.2013, sind die Studiengänge an Hochschulen so anzulegen, dass sie den wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie der beruflichen Praxis Rechnung tragen und zu einer fachlich und pädagogisch professionellen Handlungskompetenz führen. 3. Ist daran gedacht, in den Bereichen der berufspädagogischen Fachrichtungen im Studium auf die geänderten spezialisierten Anforderungen einzugehen und z. B. die Bautechnik in Hoch- und Tiefbau, Elektro- und Informationstechnologie in Elektrotechnik , Programmierung von Computerprogrammen und Anwendung von Computerprogrammen vorzunehmen , oder ist eine ausreichende Tiefe in den Studiengängen für die Ausbildungsberufe gegeben? Aus Sicht des Staatsministeriums ist eine ausreichende Tiefe in den Studiengängen für die Ausbildungsberufe gewährleistet , da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass insbesondere in den fachwissenschaftlichen Bereichen des Studiums aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden (vgl. o. die Antwort zu Frage 2). Während der universitären Ausbildung findet außerdem eine weitere vertiefte Auseinandersetzung mit fachwissenschaftlichen und fachpraktischen Inhalten der beruflichen Fachrichtung im Rahmen diverser Schulpraktika statt. Darüber hinaus ist zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst (Referendariat) an beruflichen Schulen der Nachweis eines mindestens zwölfmonatigen einschlägigen Berufspraktikums oder der Nachweis einer einschlägigen Berufsausbildung eine Zulassungsvoraussetzung. Das Berufspraktikum soll • Einblick in Strukturen, Funktionen, Arbeitsweisen und fachtheoretische Grundlagen der Berufsfelder und Berufe der jeweiligen Fachrichtungen, • Fähigkeiten in den Grundtechniken der jeweiligen Fachrichtung , • Einsicht in die Arbeitswelt der Auszubildenden und in Fragen innerbetrieblicher Kommunikation und Kooperation • sowie Verständnis für didaktisch-methodische Gedankengänge der Ausbildung vermitteln. Nach § 9 a Abs. 2 der Lehrerdienstordnung (LDO) sind Lehrkräfte an beruflichen Schulen verpflichtet, sich fortzubilden und an dienstlichen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen . Die staatliche Lehrerfortbildung in Bayern gliedert sich nach Reichweite und Trägerschaft in die zentrale, regionale und schulinterne Lehrerfortbildung. Hinzu kommen noch Fortbildungsangebote einzelner Kommunen (z. B. die Pädagogischen Institute in München und Nürnberg). Vor allem regionale und schulinterne Lehrerfortbildungen finden häufig in Kooperation mit den dualen Partnern den Ausbildungsbetrieben statt, sodass insbesondere durch diese fachlichen Fortbildungen den speziellen Anforderungen des jeweiligen Ausbildungsberufs in hohem Maße Rechnung getragen wird. 4. Gibt es Unterrichtsfächer, wie z. B. Deutsch, Wirtschaft , Informatik, Technik, Sozialwesen, Gesund- heit, an den beruflichen Schulen, für welche nicht genügend Lehrkräfte zur Verbeamtung zur Verfügung stehen, obwohl der Bedarf durch Neugründungen von FOS/BOS, Berufsschulen Plus und anderer Fachschulen gestiegen ist? Im Bereich der beruflichen Schulen sind in bestimmten beruflichen Fachrichtungen seit Jahren und auch derzeit ausreichend Bewerberinnen und Bewerber mit entsprechender Lehrbefähigung vorhanden (z. B. Agrarwirtschaft, Bautechnik, Wirtschaftswissenschaften, Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie Sozialpädagogik). In anderen Fachrichtungen hingegen, insbesondere in Metall- sowie Elektrotechnik, herrscht seit Längerem ein Bewerbermangel . Um in diesen Bereichen die Bedarfe zu decken, werden vonseiten des Staatsministeriums unterschiedliche Maßnahmen angeboten, in denen Quereinsteigern bzw. Absolventen anderer Lehrämter (vgl. dazu unten die Antwort zu Frage 5 und 6) der Zugang für das Lehramt an beruflichen Schulen ermöglicht wird. Darüber hinaus erhalten Bewerberinnen und Bewerber mit Lehramtsbefähigung für die beruflichen Schulen bei Übernahme in den staatlichen Schuldienst für bestimmte Unterrichtsfächer bzw. Erweiterungen einen Einstellungsbonus . Damit sollen deutliche Anreize zum Studium bestimmter bedarfsrelevanter Unterrichtsfächer geschaffen werden. 5. Ist es für Lehrkräfte aus anderen schulischen Laufbahnen möglich, in die Laufbahn der beruflichen Schulen zu wechseln? 6. Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Das bayerische Schulsystem setzt auf ein differenziertes Schulsystem, um jeder Schülerin und jedem Schüler einen begabungsgerechten individuellen Bildungsweg zu ermöglichen . Um diesem Anspruch bestmöglich gerecht zu werden, erfolgt die bayerische Lehrerausbildung schulartspezifisch (Art. 7 BayLBG). Ein Wechsel von Lehrkräften zwischen unterschiedlichen Schularten ist damit grundsätzlich nur in Ausnahmefällen möglich. Hierzu zählen folgende Fälle (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 BayLBG): • Entsprechende Lehrkräfte stehen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. • Für die vorgesehene Verwendung ist keine entspre- chende Ausbildung vorhanden. • Durch den schulartfremden Einsatz soll die Durchlässig- keit zwischen den Schularten erhöht werden. Voraussetzung eines schulartfremden Einsatzes ist, dass hierdurch das zu erreichende (Aus)Bildungsziel der Schülerinnen und Schüler nicht gefährdet wird. Ist dies zu befürchten , werden solche Ausnahmeregelungen von Sondermaßnahmen begleitet, mit denen Lehrkräfte anderer Lehramtsbefähigungen gezielt auf eine Tätigkeit an beruflichen Schulen/Berufsschulen vorbereitet werden. Derzeit ist in einigen Fächerkombinationen an beruflichen Schulen ein Lehrermangel zu verzeichnen. Folgende gezielten Maßnahmen werden aktuell umgesetzt: • Übernahme von Realschullehrkräften im Bereich der be- ruflichen Schulen: Aufgrund des erhöhten Bedarfs an Lehrkräften für den Unterrichtseinsatz in der Fächerverbindung Mathematik/ Physik wurden an Beruflichen Oberschulen, staatlichen Fachoberschulen und Berufsoberschulen 12 ausgewählte Realschullehrkräfte zu einer am 15. September 2014 begonnenen Sondermaßnahme zugelassen. Drucksache 17/6178 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 • Übernahme von Gymnasiallehrkräften im Bereich der beruflichen Schulen: Seit vielen Jahren werden ausgebildete Gymnasiallehrkräfte an den Beruflichen Oberschulen (FOS/BOS) sowie an den Wirtschaftsschulen zur Abdeckung des Pflichtunterrichts in den allgemeinbildenden Fächern eingestellt. Die Verwendung dieser Lehrkräfte ist insbesondere im Hinblick auf die dort steigenden Schülerzahlen unerlässlich . Zum Schuljahr 2014/2015 wurden z. B. im Bereich der staatlichen Beruflichen Oberschulen und staatlichen Wirtschaftsschulen insgesamt 72 gut qualifizierte Gymnasiallehrkräfte auf Planstelle in den staatlichen Schuldienst übernommen. • Seit dem Schuljahr 2011/2012 wird eine begrenzten Anzahl an Absolventen des Lehramts Gymnasium mit 1. Staatsprüfung in ausgewählten Fächern für den Vorbereitungsdienst an beruflichen Schulen zugelassen. Diese Absolventen erwerben mit erfolgreichem Abschluss dieses Vorbereitungsdienstes die Qualifikation für das Lehramt an beruflichen Schulen und können somit an beruflichen Schulen, insbesondere an Berufsschulen zur Abdeckung der Unterrichtsfächer Deutsch und Englisch, eine Einstellungsmöglichkeit erhalten. Zum Schuljahr 2015/2016 wird diese Möglichkeit voraussichtlich letztmalig bestehen. • Wenn sich vorübergehende Bedarfe ergeben, werden teilweise auch Aushilfsverträge für Gymnasiallehrkräfte angeboten, z. B. aktuell im Rahmen der Asylbewerberund Flüchtlingsbeschulung an staatlichen Berufsschulen (insbesondere für Lehrkräfte mit einer Zusatzqualifikation wie Deutsch als Zweitsprache oder Deutsch als Fremdsprache ). • Zum Schuljahr 2014/2015 wurden maximal 15 Gymnasiallehrkräfte mit Erster und Zweiter Staatsprüfung im Fach Deutsch und/oder Englisch sowie in einem weiteren für die Berufsschule relevanten Fach (katholische oder evangelische Religion, Sozialkunde, Sport) oder alternativ einer Zusatzqualifikation in der Didaktik des Deutschen als Zweitsprache bzw. Deutsch als Fremdsprache zu einer einmaligen einjährigen Sondermaßnahme zum Erwerb der Lehrbefähigung für berufliche Schulen. Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass diese Lehrkräfte mindestens seit dem Schuljahr 2013/2014 auf Basis eines Aushilfsvertrages mit einem überhälftigen Unterrichtseinsatz (12 oder mehr Wochenstunden) an einer staatlichen Berufsschule unterrichten.