Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.03.2015 Eternitfassaden in Bayern In den 70er-Jahren wurden in großem Umfang vorgehängte Fassaden aus „Weiß-Eternit” in Bayern verbaut. Bei WeißEternit handelt es sich um unbeschichtete Asbestzementplatten mit hohem Anteil an krebserzeugendem ChrysotilAsbest . Nach über 40 Jahren ist inzwischen die technische Nutzungsdauer der Asbestzementplatten abgelaufen. Durch Verwitterung und Materialermüdung können nun größere Mengen Asbestfasern freigesetzt werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie schätzt die Staatsregierung diesen Sachverhalt ein und sieht sie Handlungsbedarf bei der Entfernung der Eternitfassaden? 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die rechtliche Situation , nachdem die REACH-Verordnung eine generelle Verwendungsbeschränkung für Asbest vorsieht und die technische Nutzungsdauer für die Eternitfassaden abgelaufen ist? 3. Wen sieht die Staatsregierung in der Pflicht, die Eigentümer über den rechtlichen Sachverhalt bezüglich der Eternitfassaden aufzuklären? 4. Wie will die Staatsregierung sicherstellen, dass gefährliche Eternitfassaden möglichst kurzfristig entfernt und entsorgt werden? 5. Ist der Staatsregierung bekannt, dass Firmen eine nach REACH-Verordnung nicht zulässige Reinigung und Beschichtung alter Eternitplatten anbieten, und welche Behörde ist zuständig, dies zu unterbinden? 6. Wie viele Anzeigen gingen in den letzten drei Jahren in Bayern ein und wie viele Bußgelder oder Strafen wurden jeweils verhängt, bei denen eine illegale Behandlung (Schleifen, Reinigen oder Beschichten) von Eternitplatten ursächlich war? 7. Wie will die Staatsregierung einem EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichtumsetzung der REACHVerordnung bei Asbestzementfassaden entgegenwirken? 8. Gibt es eine Bestandsaufnahme der Eternitfassaden bei staatlichen Gebäuden, wenn ja, welche Gebäude in wel- chen Landkreisen sind betroffen und wie sieht der Zeitplan für die Entsorgung aus? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 17.04.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Wie schätzt die Staatsregierung diesen Sachverhalt ein und sieht sie Handlungsbedarf bei der Entfernung der Eternitfassaden? Nach Einschätzung der Staatsregierung kann der Ablauf der technischen Nutzungsdauer einer asbesthaltigen Fassadenverkleidung nicht zwangsläufig an einem Zeitrahmen von 40 Jahren festgemacht werden. Die Verkleidung kann ihren Verwendungszweck in Abhängigkeit von vielen individuellen Faktoren auch noch länger erfüllen. Beispielsweise können sich bei der Herstellung verwendete besondere Härtungs - oder Beschichtungsverfahren, eine Fassadenanbringung geschützt vor Witterungseinflüssen, z. B. abseits der Wetterseite, unter größeren Dachüberständen o. ä., sowie eine gute Wartung mit regelmäßig durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen verlängernd auf die Nutzungsdauer der Fassadenverkleidung auswirken. Ein besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine generelle Beseitigungspflicht von asbesthaltigen Fassadenverkleidungen wird daher nicht gesehen. 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die rechtliche Situation , nachdem die REACH-Verordnung eine generelle Verwendungsbeschränkung für Asbest vorsieht und die technische Nutzungsdauer für die Eternitfassaden abgelaufen ist? Die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Asbestfasern sowie von Erzeugnissen und Gemischen, denen diese Fasern absichtlich zugesetzt sind, ist nach Art. 67 in Verbindung mit Anhang XVII Nr. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-VO) verboten. Von diesem Verbot ausgenommen sind Erzeugnisse, die vor dem 01.01.2005 installiert bzw. in Betrieb waren, bis sie beseitigt werden oder ihre Nutzungsdauer abgelaufen ist. Die Nutzungsdauer einer asbesthaltigen Fassadenverkleidung ist jedoch nicht zwangsläufig nach 40 Jahren abgelaufen (siehe Antwort zu Frage 1). Eine generelle Beseitigungspflicht für 40 Jahre alte asbesthaltige Fassadenverkleidungen ist aus der REACH -Verordnung daher nicht abzuleiten. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.05.2015 17/6229 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6229 3. Wen sieht die Staatsregierung in der Pflicht, die Eigentümer über den rechtlichen Sachverhalt bezüglich der Eternitfassaden aufzuklären? Da für den Eigentümer keine generelle Verpflichtung zur Beseitigung von asbesthaltigen Fassadenverkleidungen besteht , sieht die Staatsregierung keine Verpflichtung für eine entsprechende Aufklärung. 4. Wie will die Staatsregierung sicherstellen, dass gefährliche Eternitfassaden möglichst kurzfristig entfernt und entsorgt werden? Eine Veranlassung zur kurzfristigen generellen Beseitigung von asbesthaltigen Eternitfassaden ist aus der Sicht der Staatsregierung nicht gegeben (siehe Antworten zu den Fragen 1 und 2). 5. Ist der Staatsregierung bekannt, dass Firmen eine nach REACH-Verordnung nicht zulässige Reinigung und Beschichtung alter Eternitplatten anbieten und welche Behörde ist zuständig, dies zu unterbinden? Die Gewerbeaufsichtsämter der Regierungen erhielten in den vergangenen Jahren mehrfach Anzeigen im Zusammenhang mit unzulässigen Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an Asbestprodukten. Die betreffenden Arbeiten werden sowohl von Privatpersonen als auch von Gewerbebetrieben durchgeführt. Die Durchsetzung der genannten Verwendungsverbote obliegt den Gewerbeaufsichtsämtern. Diese gehen den Anzeigen nach und beteiligen gegebenenfalls weitere Behörden. Bekannt gewordene verbotene Tätigkeiten werden in der Regel im Verwaltungsverfahren vor Ort sofort eingestellt und die Anzeige gegebenenfalls an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet. In einzelnen Fällen sind den Gewerbeaufsichtsämtern der Regierungen auch Fälle von aktiver Werbung für verbotene Instandsetzungsarbeiten bekannt geworden. Nach den Erfahrungen der Gewerbeaufsicht handelt es sich in der Mehrzahl dieser Fälle nicht um öffentliche Werbung, sondern um bilaterale Abreden bzw. Vereinbarungen. Zuständig für den Vollzug der REACH-Verordnung sowie der Gefahrstoffverordnung hinsichtlich der Regelungen zu Asbest ist in Bayern die Gewerbeaufsicht. 6. Wie viele Anzeigen gingen in den letzten drei Jahren in Bayern ein und wie viele Bußgelder oder Strafen wurden jeweils verhängt, bei denen eine illegale Behandlung (Schleifen, Reinigen oder Beschichten) von Eternitplatten ursächlich war? Die bayerischen Gewerbeaufsichtsämter erhalten jährlich insgesamt etwa 4.000–5.000 gesetzlich vorgeschriebene Anzeigen von Gewerbebetrieben zu Asbestabbruch-, -sanierungs - und -instandhaltungsarbeiten (ASI-Arbeiten). Die Firmen zeigen dem Amt hierdurch Ort, Zeitdauer, Asbestsachkunde sowie Arbeitsverfahren geplanter ASI-Arbeiten an. Darüber hinaus erhalten die Gewerbeaufsichtsämter Anzeigen von Anwohnern, die aufgrund entsprechender Beobachtungen unzulässige Tätigkeiten mit Asbest vermuten. Kontrollen der Gewerbeaufsicht vor Ort führen in Einzelfällen immer wieder zu Beanstandungen. Die daraus gegebenenfalls resultierenden Bußgelder oder Abgaben an die Staatsanwaltschaft werden jedoch nicht gesondert erfasst. Angaben zur Anzahl der in diesem Zusammenhang erlassenen Geldstrafen oder Urteile liegen daher nicht vor. 7. Wie will die Staatsregierung einem EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichtumsetzung der REACH-Verordnung bei Asbestzementfassaden entgegenwirken ? Aus der Sicht der Staatsregierung besteht kein Grund zur Annahme, die REACH-Verordnung würde in Bezug auf Asbestzementfassaden nicht umgesetzt. 8. Gibt es eine Bestandsaufnahme der Eternitfassaden bei staatlichen Gebäuden, wenn ja, welche Gebäude in welchen Landkreisen sind betroffen und wie sieht der Zeitplan für die Entsorgung aus? Die Staatliche Bauverwaltung ist seit langem auf das mögliche Vorhandensein von asbesthaltigen Baustoffen und Bauprodukten im Gebäudebestand hin sensibilisiert. Der Ansatz der Betrachtung erfolgt diesem Selbstverständnis nach grundsätzlich für die gesamte bauliche Anlage. Aufgrund der möglichen Gesundheitsgefährdung und Umweltbelastungen , die von betroffenen Gebäuden ausgehen können, wird auch dem Ersatz und der fachgerechten Entsorgung von Asbestzementplatten im Rahmen der fortlaufenden Bauunterhaltung und im Rahmen von Um- und Erweiterungsmaßnahmen eine besondere Bedeutung beigemessen . Darüber hinaus werden eigens für die Asbestsanierung von Gebäuden oder relevanten Gebäudeteilen gesonderte Baumaßnahmen initiiert und ausgewiesen. Im Verdachtsfall richtet sich das jeweils weitere Vorgehen unter Einhaltung aller öffentlich rechtlichen Vorgaben und im fachlichen Ermessen stets bedarfsweise und objektbezogen aus. Eine Bestandsaufnahme zur Erfassung von Gebäuden, an denen Eternitfassaden verbaut wurden, war vor dem Hintergrund der gesamtheitlichen Betrachtung, die auch andere Schadstoffe beinhaltet, und des kontinuierlichen Vorgehens im Staatlichen Hochbau über einen sehr langen Zeitraum hinweg bisher nicht veranlasst. Hinweis: Die Beantwortung bezieht sich ausschließlich auf den Staatlichen Gebäudebestand, da der Bauverwaltung keine Erkenntnisse über öffentliche Gebäude in kommunaler Zuständigkeit in den Landkreisen vorliegen.