Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.02.2015 Vermeintliche Konkurrenz zwischen Fernlinienbussen und SPNV Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Auf welchen Linien in Bayern fahren nach Information der Staatsregierung bzw. der BEG Fernlinienbusse parallel zum von der BEG bestellten SPNV? b) Wie werden auf den Fernbuslinien die Vorgaben hinsichtlich Reisezeiten und Entfernung zwischen den Stationen eingehalten? c) Wie setzen sich nach Information der Staatsregierung die Fahrgäste in Fernbussen zusammen? 2. a) Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf diesen Linien im SPNV in den letzten 10 Jahren entwickelt (Angaben bitte für die einzelnen Jahre)? b) Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf den Fernbuslinien , welche parallel zum SPNV fahren, entwickelt? 3. a) Welche Einnahmeverluste sind den einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) auf den einzelnen Linien durch die Konkurrenz mit Fernlinienbussen in den einzelnen Jahren entstanden? b) Wie genau lassen sich diese berechnen? c) Ist die Konkurrenz für den SPNV (und den SPFV) durch den Gelegenheitsverkehr nicht um ein Zigfaches größer als der vermeintliche durch den Fernlinienbusverkehr ? 4. a) Ist nach Ansicht der Staatsregierung die Aussage der DB Regio Bayern in der Pressemitteilung vom 27.01.15 der DB zutreffend, wonach es bei der Bahn deutliche Zuwächse bei den Fahrgastzahlen im Werdenfels gab? b) Ist es nach Ansicht der Staatsregierung möglich, einen Fahrgastverlust aufgrund der Konkurrenz durch den Fernlinienbus zu verbuchen und gleichzeitig deutliche Fahrgastgewinne festzustellen? c) Lassen sich demnach überhaupt reale Verluste ernsthaft berechnen? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung Verkehrsunternehmen , deren EVUs einerseits SPNV im Auftrag der BEG fahren, deren Omnibussparte andererseits Fernlinienbusverkehre in Bayern anbieten und gleichzeitig öffentlich über die Konkurrenz von Fernlinienbussen anderer Anbieter für den SPNV klagen? 6. a) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, um mögliche Wettbewerbsnachteile für die EVU zu beseitigen ? b) Wie bewertet die Staatsregierung die einzelnen folgenden konkreten Überlegungen wie Befreiung der EVUs von der EEG-Umlage, Entwicklung der Trassenentgelte oder die Einführung einer Maut für Fernbusse (Linien- und Gelegenheitsverkehr!)? c) Wie ist nach Ansicht der Staatsregierung die Umsetzung der Barrierefreiheit in Fernlinienbussen konkret zu realisieren? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.04.2015 1. a) Auf welchen Linien in Bayern fahren nach Information der Staatsregierung bzw. der BEG Fernlinienbusse parallel zum von der BEG bestellten SPNV? Zum Stichtag 31.12.2014 bestanden nach Auskunft des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Genehmigungen für 285 Linien im innerdeutschen Personenfernlinienverkehr . Im Zeitablauf stellt sich die bisherige Entwicklung der Liniengenehmigungen wie folgt dar: Stichtag Linien Stichtag Linien 31.12.2012 86 31.03.2014 247 15.02.2013 109 30.06.2014 271 30.06.2013 158 30.09.2014 301 30.09.2013 194 31.12.2014 285 31.12.2013 221 Auf Basis der von den Regierungen mitgeteilten Liniengenehmigungen ergibt sich Parallelverkehr von Fernlinienbussen zum bayerischen SPNV insbesondere auf den Relationen – München – Ingolstadt – Nürnberg – München – Augsburg – Günzburg – Ulm – München (München-Flughafen) – Regensburg – München – Prien – München – Memmingen – Kempten – Nürnberg – Erlangen – Würzburg – Nürnberg – Bamberg – Coburg – Nürnberg – Bayreuth – Münchberg/Kulmbach – Würzburg – Aschaffenburg – Frankfurt b) Wie werden auf den Fernbuslinien die Vorgaben hinsichtlich Reisezeiten und Entfernung zwischen den Stationen eingehalten? Beim Fernbuslinienverkehr ist die Bedienung von Halteorten , deren Abstand unter 50 km beträgt oder zwischen denen Schienenpersonennahverkehr mit einer Reisezeit von unter einer Stunde betrieben wird, grundsätzlich unzulässig. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.05.2015 17/6336 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6336 Diese Regelung wurde zum Schutz der von den Ländern finanzierten Schienenpersonennahverkehrsangebote in das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) aufgenommen. Durch diese Schutzklausel ist eine Konkurrenz der vom Freistaat verantworteten Schienenpersonennahverkehrsangebote im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayÖPNVG grundsätzlich ausgeschlossen. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durch die Bezirksregierungen zu prüfen. Anträge auf Einrichtung von Bedienungen unter Nichteinhaltung der Vorgaben zu Mindestabstand bzw. Mindestreisezeit sind grundsätzlich abzulehnen. Ausnahmsweise können auf Antrag für einzelne Teilstrecken Ausnahmen gewährt werden, wenn kein ausreichendes Nahverkehrsangebot besteht oder das Fahrgastpotenzial der vorhandenen Verkehrsangebote nur unerheblich beeinträchtigt wird. c) Wie setzen sich nach Information der Staatsregierung die Fahrgäste in Fernbussen zusammen? Der Staatsregierung liegen hinsichtlich der Zusammensetzung der Fahrgäste des liberalisierten Fernbusverkehrs keine eigenen Erkenntnisse vor. Das Bundesamt für Güterverkehr stellt in seiner Untersuchung „Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs – Zwischenbericht 2014“ zu der Frage , mit welchen Verkehrsmitteln die Fernbuskunden vor der Liberalisierung des Fernbusmarktes ihre Reise durchgeführt haben, fest, dass nach Auswertung unterschiedlicher Quellen hierzu keine abschließenden Aussagen getroffen werden können. Der Anteil der Umsteiger vom motorisierten Individualverkehr auf den Fernbus bewege sich in einem Bereich von 30 % und 41 % der Fernbusnutzer. Fernbuskunden, die zuvor mit der Bahn gefahren sind, machten einen Anteil von 30 % bis 44 % an der Gesamtheit der Fernbuskunden aus. Davon entfielen auf Fahrgäste des Schienenpersonennahverkehrs 14 % bis 33 %. Weitere bis zu 10 % der Fahrgäste entfielen auf Personen, die bereits vor der Liberalisierung mit dem Bus gereist seien. Zur Höhe möglicher Umsteiger vom Luftverkehr auf den Fernbus liege ein Wert von 4 % vor. Weiter führt die Marktanalyse aus, dass die Kundengruppe der Fernbusreisenden insbesondere das Preisbewusstsein verbinde. So handele es sich überwiegend um Privatreisende , darunter vor allem Studenten und Senioren. Als überproportional hoch werde seitens der Marktteilnehmer der Anteil der weiblichen Fahrgäste beschrieben. Ebenfalls gelte für den Fernbusbereich ein hoher Prozentsatz alleinreisender Personen als charakteristisches Merkmal, wobei zunehmend auch Familien als Kunden wahrgenommen würden. 2. a) Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf diesen Linien im SPNV in den letzten 10 Jahren entwickelt (Angaben bitte für die einzelnen Jahre)? Die Nachfrageentwicklung von 2003 bis 2013 für einen durchschnittlichen Werktag ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Streckenabschnitt Nachfragezuwachs 2003 bis 2014 in % München – Ingolstadt 49 Ingolstadt – Nürnberg 225 München – Augsburg 68 (Augsburg)-Oberhausen – Günzburg 123 Augsburg – Günzburg 54 Günzburg – Ulm 74 München – München-Flughafen 59 Landshut – Regensburg 76 München – Landshut 44 M-Flughafen – Regensburg Keine direkte SPNV-Verbindung München – Prien 42 München – Memmingen 47 Memmingen – Kempten 26 Nürnberg – Fürth 55 Fürth – Erlangen 120 Erlangen – Würzburg 120 Nürnberg(Fürth) – Bamberg 120 Bamberg – Coburg 42 Nürnberg – Bayreuth 39 Hersbruck – Bayreuth 19 Bayreuth – Münchberg/Kulmbach 45 Würzburg – Aschaffenburg 52 Aschaffenburg – (Kahl)Frankfurt 45 b) Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf den Fernbuslinien , welche parallel zum SPNV fahren, entwickelt ? Der Staatsregierung liegen hinsichtlich der Fahrgastzahlen des liberalisierten Fernbusverkehrs keine eigenen Erkenntnisse vor. Das Bundesamt für Güterverkehr stellt in seiner Untersuchung „Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs – Zwischenbericht 2014“ fest, dass nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2013 von deutschen Unternehmen im Bereich des Fernlinienverkehrs im Inland 6,7 Mio. Fahrgäste befördert wurden. Im Rahmen der im April 2014 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) veröffentlichten Verkehrsverflechtungsprognose 2030 werde langfristig mit einem Anhalten des Wachstums im Fernlinienbusmarkt gerechnet. Neben dem künftig weiter zunehmenden Bekanntheitsgrad der Angebote würden die bisher seitens der Mehrzahl der Kunden gemachten positiven Erfahrungen für ein weiteres Wachstum des Fernbusmarktes sprechen. 3. a) Welche Einnahmeverluste sind den einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) auf den einzelnen Linien durch die Konkurrenz mit Fernlinienbussen in den einzelnen Jahren entstanden? Zu möglicherweise entstandenen Einnahmeverlusten der im Freistaat verkehrenden EVU durch die Konkurrenz mit Fernbuslinien liegen der Staatsregierung derzeit keine Informationen vor. b) Wie genau lassen sich diese berechnen? Entfällt. c) Ist die Konkurrenz für den SPNV (und den SPFV) durch den Gelegenheitsverkehr nicht um ein Zigfaches größer als der vermeintliche durch den Fernlinienbusverkehr ? Bei der Beantwortung dieser Frage wird unterstellt, dass mit „Gelegenheitsverkehr“ Charter- und Ausflugsbusse gemeint sind. Zu solchen Busverkehren liegen der Staatsregierung keine Zahlen vor. Verfügbar sind Fahrgastzahlen (Ein-/Aussteiger und Besetzungszahlen) im Schienenpersonennahverkehr , aus denen jedoch keine Rückschlüsse über den Fahrtzweck (z. B. Ausflugsverkehr) oder alternative Verkehrsmitteloptionen (z.B. Ausflugsbusse) gezogen werden können. Drucksache 17/6336 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. a) Ist nach Ansicht der Staatsregierung die Aussage der DB Regio Bayern in der Pressemitteilung vom 27.01.15 der DB zutreffend, wonach es bei der Bahn deutliche Zuwächse bei den Fahrgastzahlen im Werdenfels gab? Die Aussage der DB Regio Bayern in der Pressemitteilung vom 27. Januar 2015 kann anhand der vorliegenden Fahrgastzahlen nicht überprüft werden, da die DB Regio die erwähnte Nachfrageentwicklung mit Fahrgastzahlen für das Gesamtnetz, also auch den österreichischen Teil, berechnet hat. b) Ist es nach Ansicht der Staatsregierung möglich, einen Fahrgastverlust auf Grund der Konkurrenz durch den Fernlinienbus zu verbuchen und gleichzeitig deutliche Fahrgastgewinne fest zu stellen? Ja. Es gibt sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen, durch die die Fahrgastentwicklung im SPNV beeinflusst werden kann. So kann ggf. eine negative Nachfrageentwicklung im Wettbewerb der Verkehrsmittel durch Fahrgastzuwächse durch die Verbesserung des Angebotes (kürzere Fahrzeiten, Taktverdichtung, attraktive Tarifangebote) ausgeglichen werden. c) Lassen sich demnach überhaupt reale Verluste ernsthaft berechnen? Nein. 5. Wie beurteilt die Staatsregierung Verkehrsunternehmen , deren EVUs einerseits SPNV im Auftrag der BEG fahren, deren Omnibussparte andererseits Fernlinienbusverkehre in Bayern anbieten und gleichzeitig öffentlich über die Konkurrenz von Fernlinienbussen anderer Anbieter für den SPNV klagen? Der Staatsregierung steht es fern, die Meinungsfreiheit von Unternehmen beschränken zu wollen, die in Bayern ein legales Gewerbe ausüben. 6. a) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, um mögliche Wettbewerbsnachteile für die EVU zu beseitigen? Laut der aktuellen Gesetzeslage im PBefG soll der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) geschützt werden, indem Fernbusangebote unter 50 Kilometer und einer Stunde Reisezeit nicht genehmigungsfähig sind. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass dieser Schutz lückenhaft ist. Grund hierfür ist das Preisniveau im Fernbusmarkt, welches auch oberhalb dieser Barriere weit unter dem des SPNV liegt. Hierdurch wird es Fahrgästen ermöglicht, weiterführende Fahrscheine zu lösen und einfach früher auszusteigen oder Bedienungsverbote durch vermeintliche Umsteigeverbindungen zu unterlaufen. Gegenmaßnahmen seitens des Freistaats sind aufgrund der übergeordneten Relevanz der Fernbusproblematik derzeit nicht vorgesehen, zumal der Bund als mittelbarer Verursacher der neuen Konkurrenzsituation hierfür keine Kompensationsmittel bereitstellt. b) Wie bewertet die Staatsregierung die einzelnen folgenden konkreten Überlegungen wie Befreiung der EVUs von der EEG-Umlage, Entwicklung der Trassenentgelte oder die Einführung einer Maut für Fernbusse (Linien- und Gelegenheitsverkehr!)? Schon vor der Liberalisierung des Fernbusmarktes litt der Schienenpersonen(nah)verkehr gegenüber anderen Verkehrsmitteln unter Wettbewerbsnachteilen, da er insbesondere seinen Fahrweg über die stetig steigenden Trassenentgelte selbst finanzieren und überdies einen Teil der EEG-Umlage entrichten muss. Unabhängig von der Fernbusproblematik wäre es somit für das System Bahn begrüßenswert, wenn diese bereits zuvor bestehenden Belastungen vermindert werden würden. Speziell die Entwicklung der Trassenentgelte ist mitentscheidend für die Konkurrenzfähigkeit des SPNV. Bei einem weiteren ungebremsten Anstieg der Infrastrukturgebühren für den SPNV verschlechtert sich die Ausgangslage auf der Schiene. Kompensierbar wäre dieser Nachteil in erster Linie durch entsprechend angepasste Regionalisierungsmittel. Die Einbeziehung des Busverkehrs in die Bemautung würde einen gewissen Beitrag im Hinblick auf eine Chancengleichheit mit dem Schienenverkehr leisten und wird im Rahmen der Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung im Bereich der Straße zu betrachten sein. c) Wie ist nach Ansicht der Staatsregierung die Umsetzung der Barrierefreiheit in Fernlinienbussen konkret zu realisieren? In § 42 b PBefG wurde festgelegt, dass Kraftomnibusse, die im Personenfernverkehr eingesetzt werden, mit mindestens zwei Stellplätzen für Rollstuhlnutzer ausgerüstet sein müssen . Diese Bestimmung gilt nach § 62 Absatz 3 PBefG ab dem 1. Januar 2016 für Neufahrzeuge und ab dem 1. Januar 2020 für alle Fahrzeuge, sodass ab dem 1. Januar 2020 ausschließlich behindertengerechte Fernbusse eingesetzt werden dürfen. Das Bundesamt für Güterverkehr stellt in seiner Untersuchung „Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs – Zwischenbericht 2014“ fest, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Barrierefreiheit von den Marktteilnehmern als Entwicklungshemmnis bei der Einrichtung neuer Linien bzw. Fahrten angesehen werde. Angesichts der nur sehr geringen Margen im nationalen Fernbusgeschäft werde unternehmensseitig die gesetzlich geregelte Frist zur Schaffung eines barrierefreien Zugangs als Herausforderung angesehen, zumal bis zum heutigen Zeitpunkt eine nur sehr zögerliche Nachfrage nach barrierefreien Angeboten zu verzeichnen sei. Den gesetzlichen Vorgaben entsprechend suche man derzeit in gemeinsamen Arbeitskreisen mit Herstellern sowie Vertretern aus Politik und den Interessenvertretern behinderter Menschen nach wirtschaftlich akzeptablen Lösungen.