Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.11.2013 NS-Vergangenheit des Jagd- und Fischereimuseums Dem Deutschen Jagd- und Fischereimuseum in München werfen anlässlich seines 75. Eröffnungstages Kritiker vor, Exponate aus der NS-Zeit unkommentiert zu zeigen und zu seiner Gründungsgeschichte im Dritten Reich zu schweigen, obwohl bereits 2005 in Medien bemängelt wurde, dass das Museum Jagdtrophäen von Hermann Göring präsentiere, ohne auf ihren ursprünglichen Besitzer hinzuweisen. In den Folgejahren wurden weitere Vorwürfe laut. Auch Exponate des Kriegsverbrechers Walter Frevert würden ohne Hinweis ausgestellt, das Museum fröne einem unzeitgemäßen „Trophäenkult “. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Wie viele der bisher ausgestellten Exponate der Sammlung sind Relikte aus den Jahren des Nationalsozialismus ? 1.1 Um was für Exponate handelt es sich im Einzelnen? 1.2 Welche dieser Museumsstücke werden voraussicht- lich auch in der neuen Ausstellung gezeigt werden? 1.3 Werden sie mit Hinweisen auf die ursprünglichen Be- sitzer versehen? 2. Wie wird die vom Museumsleiter Manuel Pretzl angekündigte kritische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Museums und der Exponate konkret umgesetzt? 2.1 Wird das Museum in der Zwischenzeit im Museum und z. B. auf seiner Homepage auf die NS-Belastung hinweisen ? 2.2 Wenn ja, bis wann und in welcher Form? 3. Wird zukünftig in einer ständigen Ausstellung die Entstehungsgeschichte des Museums in der Nazizeit und des Umgangs mit ihr in den Jahrzehnten danach thematisiert , wie es z. B. der Historiker Hans Günter Hockerts (SZ 16.10.13) fordert? 3.1 Wenn ja, in welcher Form wird das geschehen? 4. Warum wurde nicht schon nach Ausstrahlung eines Beitrags des BR-Politmagazins „Zeitspiegel“ zu den ausgestellten Göring-Hirschtrophäen im Jahr 2005 reagiert ? 4.1 Gab es seitens des (Fach-)Publikums, von Wissenschaftler(-inne)n oder aus dem Haus selbst in den Jahren davor kritische Äußerungen zur Sammlungspräsentation oder der Selbstdarstellung des Museums ? 4.2 Wenn ja, wie wurde damit umgegangen? 5. Wann wird die Ausstellung im Weißen Saal neu gestaltet ? 5.1 Sind die Aufwendungen dafür in den 1,26 Millionen € enthalten, die – wie zu lesen war – der Umbau des Museums kosten soll? 5.2 Wird die Museumsleitung in der Zwischenzeit im Weißen Saal eine historisch-kritische Kommentierung anbieten ? 6. Wurden die Aufträge zur inhaltlichen Neugestaltung der Sammlung ausgeschrieben? 6.1 Welche Personen bzw. Gremien waren mit der Auftragsvergabe betraut? 6.2 Welche konzeptionellen Änderungen sieht die neu konzipierte Ausstellung im Vergleich zur bisherigen vor? 7. Wird die neue ständige Ausstellung eine historischkritische Aufarbeitung des „Trophäenkults“ und seiner besonderen Rolle in der NS-Zeit bieten? 7.1 Wird sie sich auch die gesellschaftliche und historische Kontextualisierung der Jagd und ihrer Darstellung im Museum zum Thema machen? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 05.01.2014 Beim Deutschen Jagd- und Fischereimuseum handelt es sich nicht um eine staatliche Einrichtung, sondern eine Stiftung bürgerlichen Rechts. In der Anlage wird Ihnen die eingehende Stellungnahme des Vorsitzenden der Stiftung Deutsches Jagd- und Fischereimuseum übermittelt, aus der die Antworten hervorgehen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.02.2014 17/634 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/634 Stellungnahme des Deuschen Jagd- und Fischereimuseums Grundsätzlich ist es dem DJFM ein hohes Anliegen, die Jagd zeitgemäß und ausgewogen darzustellen, im Rahmen der äußerst eng begrenzten Haushalts- und Personalmittel können die hierfür erforderlichen Modernisierungsmaßnahmen nur langfristig verfolgt werden. 1. Wie viele der bisher ausgestellten Exponate der Sammlung sind Relikte aus den Jahren des Nationalsozialismus ? 1.1 Um was für Exponate handelt es sich im Einzelnen ? Nach dem aktuellen Stand der Inventarisierung und der Provenienzforschung sind im DJFM nur fünf Exponate aus der Zeit des Nationalsozialismus ausgestellt gewesen. Diese sind mittlerweile abgehängt. Im Einzelnen waren dies: – Hirschgeweih „Leutnant“ , Erleger Walter Frevert 1944 – Hirschgeweih „Matador“, Erleger Hermann Göring 1942 Hirschgeweih „Augustus“, Erleger Hermann Göring 1943 – Hirschgeweih „Odin“, Erleger Hermann Göring 1943 – Hirschgeweih „Ameisenhirsch“, Erleger Walter Frevert 1940 1.2 Welche dieser Museumsstücke werden voraussichtlich auch in der neuen Ausstellung gezeigt werden? Keines. 1.3 Werden sie mit Hinweisen auf die ursprünglichen Besitzer versehen? Siehe 1.2. 2. Wie wird die vom Museumsleiter Manuel Pretzl angekündigte kritische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Museums und der Exponate konkret umgesetzt? Die Geschichte des DJFM und hier insbesondere die NSZeit wird seit dem Jahr 2010 von der Historikerin Dr. Cornelia Oelwein im Auftrag des Museums wissenschaftlich untersucht und dokumentiert. Hierzu hat Frau Dr. Oelwein dem Museum Ende des Jahres 2011 eine umfangreiche Stoffsammlung zukommen lassen. Im Jahr 2012 hat der Stiftungsvorstand beschlossen, aus dieser Stoffsammlung eine Publikation erstellen zu lassen. Für diese wurde wiederum Frau Dr. Oelwein beauftragt. Aufgrund der Bedeutung dieser Publikation für das Haus wurde im Jahr 2013 entschieden, zwei Varianten zu erstellen. Einmal eine ca. 80-seitige Kurzfassung sowie eine ca. 250-seitige Langfassung. Beide Varianten befinden sich in der Endfassung und sollen im ersten Halbjahr 2014 vorliegen. 2.1 Wird das Museum in der Zwischenzeit im Museum und z. B. auf seiner Homepage auf die NS-Belastung hinweisen? Sobald die Kurzfassung der Geschichte des Hauses endgültig vorliegt, werden Auszüge daraus auf der Homepage unter Quellenbezug veröffentlicht werden. 2.2 Wenn ja, bis wann und in welcher Form? Siehe 2.1. 3. Wird zukünftig in einer ständigen Ausstellung die Entstehungsgeschichte des Museums in der Nazizeit und des Umgangs mit ihr in den Jahrzehnten danach thematisiert, wie es z. B. der Historiker Hans Günter Hockerts (SZ 16.10.13) fordert? 3.1 Wenn ja, in welcher Form wird das geschehen? Es wird derzeit geprüft, wie diese Erkenntnisse umgesetzt werden können, insbesondere auch die Form der Veröffentlichung . Es bestehen Überlegungen, eine entsprechende historische Ausstellung zu konzipieren. 4. Warum wurde nicht schon nach Ausstrahlung eines Beitrags des BR-Politmagazins „Zeitspiegel“ zu den ausgestellten Göring-Hirschtrophäen im Jahr 2005 reagiert? Nach Ausscheiden des früheren Museumsdirektors und seiner Nachfolgerin während der Probezeit war das Museum bis ins das Jahr 2007 hinein ohne fachliche Leitung; zudem ist die generelle extrem enge finanzielle und personelle Ausstattung zu berücksichtigen. Dieser Situation entsprechend musste auch die Prioritätenfestlegung erfolgen. 4.1 Gab es seitens des (Fach-)Publikums, von Wissenschaftler(inne)n oder aus dem Haus selbst in den Jahren davor kritische Äußerungen zur Sammlungspräsentation oder der Selbstdarstellung des Museums? Ja, vereinzelt. 4.2 Wenn ja, wie wurde damit umgegangen? Siehe 4. 5. Wann wird die Ausstellung im Weißen Saal neu gestaltet ? Angesichts des hohen Kostenvolumens gibt es derzeit keine konkreten Pläne zur Neugestaltung des Weißen Saals. 5.1 Sind die Aufwendungen dafür in den 1,26 Millionen € enthalten, die – wie zu lesen war – der Umbau des Museums kosten soll? Nein. 5.2 Wird die Museumsleitung in der Zwischenzeit im Weißen Saal eine historisch-kritische Kommentierung anbieten? Siehe Frage 1. 6. Wurden die Aufträge zur inhaltlichen Neugestaltung der Sammlung ausgeschrieben? 6.1 Welche Personen bzw. Gremien waren mit der Auftragsvergabe betraut? Die bisher genehmigten Mittel sind ausschließlich für die Erneuerung des Dioramenrundgangs im Erdgeschoss sowie für die Modernisierung der Lüftung des Hauses vorgesehen. Bei der Auftragsvergabe waren angesichts der Vielgestaltigkeit der Aufträge der Stiftungsvorstand, der Vorsitzende des Verwaltungsrats, die Immobilien Bayern, die Oberste Baubehörde , das staatliche Bauamt sowie der Architekt beteiligt. 6.2 Welche konzeptionellen Änderungen sieht die neu konzipierte Ausstellung im Vergleich zur bisherigen vor? Im Bereich des bisherigen Dioramenrundgangs wird ein völlig neues Konzept realisiert. Der Raum wird vollstän- Drucksache 17/634 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 dig entkernt und die Dioramen werden verteilt im Raum angeordnet. Dadurch fällt der enge, schlauchartige Rundgang weg und es entsteht ein erlebbarer Raum. Das museumspädagogische Grundkonzept sieht vor, den Eindruck eines Spaziergangs durch verschiedene Landschaften zu erwecken. Dazu werden die Dioramen nicht mehr wie bisher nach Tierarten gegliedert sein, sondern nach den verschiedenen Lebensräumen. In der vorliegenden Planung sind dies: Feld, Wald, Wasser, Hochgebirge und Stadt. Ergänzt werden die Dioramen durch verschiedene interaktive Spielmöglichkeiten für Kinder. Besonderes Highlight ist die Möglichkeit, sich einen speziellen „Begleiter“ auszuwählen. Je nach persönlicher Vorliebe und Wissensstand kann dies z. B. ein Rehkitz, ein Jagdhund oder ein Jäger sein. Dieser Begleiter vermittelt dann an den einzelnen Stationen das jeweils angepasste Wissen zu den einzelnen Tieren. 7. Wird die neue ständige Ausstellung eine historisch -kritische Aufarbeitung des „Trophäenkults“ und seiner besonderen Rolle in der NS-Zeit bieten ? Die jetzigen Umbaupläne betreffen ausschließlich den wildbiologischen Ausstellungsteil. 7.1 Wird sie sich auch die gesellschaftliche und historische Kontextualisierung der Jagd und ihrer Darstellung im Museum zum Thema machen? Siehe Antwort zu Frage 3.