Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 07.01.2014 Verwendungsgebote bei Vereinen Es gibt viele (gemeinnützige) Vereine, die meistens aufgrund Spenden, Schenkungen oder Erbschaften ein größeres Vereinsvermögen in Geld haben. Hierbei wird immer wieder behauptet, dass solche Vereine dieses Geld nicht anlegen oder davon Rücklagen bilden dürfen, sondern es auszugeben („zu verwenden“) hätten. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist dieser Sachverhalt richtig? 2. Bejahendenfalls: a) Gilt das für jeden Geldbetrag gleich welcher Höhe? b) Können dennoch Rücklagen gebildet werden? c) Welche Folgen entstehen, wenn dem Verwendungs- gebot nicht gefolgt wird? Hat dieses insbesondere Einfluss auf die Gemeinnützigkeit eines Vereins? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 30.01.2014 1. Ist dieser Sachverhalt richtig? Das Gemeinnützigkeitsrecht schreibt in § 55 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung (AO) vor, dass ein Verein seine Mittel grundsätzlich zeitnah für seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden hat. Eine zeitnahe Mittelverwendung ist gegeben, wenn die Mittel spätestens in dem zweiten auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahr für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden (Zwei-Jahresfrist für die Mittelverwendung). 2. Bejahendenfalls: a) Gilt das für jeden Geldbetrag gleich welcher Höhe? Dies gilt grundsätzlich für sämtliche Vereinsmittel unabhängig von ihrer Höhe. b) Können dennoch Rücklagen gebildet werden? Ja, die Bildung von einigen Rücklagen ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten gemeinnützigkeitsrechtlich zulässigen Rücklagen (Mittelrücklagen und Vermögensrücklagen ). Rücklagenart Erläuterungen Mittelrücklagen: betreffen die laufenden Mittel der Kör- perschaft: Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen , allgemeinen Spenden und Zuschüssen, Erträge aus Vermögen und Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben. 1 Zwei-Jahresrücklage § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO Die laufenden Mittel sind spätestens bis Ende des übernächsten Jahres satzungsgemäß zu verwenden. 2 Zweckrücklage § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO Die Körperschaft kann für konkret geplante Vorhaben Rücklagen bilden, vorausgesetzt, die satzungsmäßigen Zwecke könnten sonst nicht nachhaltig erfüllt werden. 3 Betriebsmittelrücklage § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO Die Körperschaft kann für periodisch wiederkehrende Ausgaben (z. B. Löhne, Gehälter, Mieten) in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitspanne (für maximal 12 Monate) Rücklagen bilden. 4 Wiederbeschaffungsrücklage § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO Die Körperschaft kann für Ersatzinves- titionen mindestens einen Betrag in Höhe der Abschreibung für Abnutzung des zu ersetzenden Wirtschaftsguts der Rücklage zuführen. 5 Freie Rücklagen § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO Die Körperschaft kann – von ihrem Überschuss aus Ver- mögensverwaltung bis zu einem Drittel frei zurücklegen und – von den sonstigen zeitnah zu verwendenden Mitteln bis zu 10 % frei zurücklegen und § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO – von allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln so viel zurücklegen, wie für eine verhältniswahrende Kapitalerhöhung einer Kapitalgesellschaft erforderlich ist, an der die Körperschaft beteiligt ist. Vermögensrücklagen: betreffen das Sach- und Geldvermögen der Körperschaft 6 Zuwendungen aus Erbschaft, Vermächtnis § 62 Abs. 3 Nr. 1 AO Die Körperschaft kann daraus Vermögen bilden, wenn – der Erblasser den Verbrauch der Zu- wendung für den laufenden Aufwand nicht vorgeschrieben hat (Nr. 1), zur Kapitalausstattung § 62 Abs. 3 Nr. 2 AO – der Zuwendende die Zuwendung ausdrücklich zur Ausstattung/Erhöhung des Vermögens der Körperschaft bestimmt hat (Nr. 2), zur Kapitalausstattung § 62 Abs. 3 Nr. 3 AO – die Körperschaft dazu aufgerufen hat, zur Aufstockung des Vermögens zu spenden (Nr. 3), von Sachwerten § 62 Abs. 3 Nr. 4 AO – die Sachzuwendungen ihrer Natur nach zum Vermögen gehören und ihrer Art nach als Wirtschaftsgüter im ideellen Bereich, im Rahmen der Vermögensverwaltung oder im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb genutzt werden können (Nr. 4). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.02.2014 17/635 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/635 c) Welche Folgen entstehen, wenn dem Verwendungsgebot nicht gefolgt wird? Hat dieses insbesondere Einfluss auf die Gemeinnützigkeit eines Vereins? Hat ein Verein Mittel angesammelt, ohne dass die Voraussetzung einer gemeinnützigkeitsrechtlich zulässigen Rücklage vorliegt, kann das Finanzamt eine Frist für die Verwendung der Mittel setzen (§ 63 Abs. 4 AO). Hält sich der Verein nicht daran, kann ggf. die Anerkennung der Gemeinnützigkeit gefährdet sein.