Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Johann Häusler FREIE WÄHLER vom 19.03.2015 Rechtsaufsichtliche Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen auf dem Energiesektor Im Zuge der aktuellen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Energiewende beabsichtigen mehr und mehr Kommunen, selbst Verantwortung zu übernehmen und einen aktiven Beitrag zu einer dezentralen Umsetzung dieses Mammutprojektes zu leisten. Hierzu erwägen einige Städte, Landkreise und Gemeinden, seit geraumer Zeit als Energieerzeuger aufzutreten und die erzeugte Leistung anschließend unternehmerisch zu vermarkten. Im Zuge dessen wurden in der Vergangenheit immer wieder rechtsaufsichtliche Bedenken geäußert, welche ein solches Engagement von Kommunen auf die Energieversorgung öffentlicher Liegenschaften beschränken wollen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Gibt es rechtliche Bedenken, die eine energiewirtschaftliche Betätigung der kommunalen, öffentlichen Hand unmöglich machen oder einschränken? 2. Müssen sich Kommunen bei der eigenwirtschaftlichen Energieerzeugung tatsächlich auf die Versorgung ihrer öffentlichen Liegenschaften beschränken? 3. Welche rechtlichen Strukturen sollten begründet werden, um ein öffentlich-rechtliches Engagement auf dem Energiesektor abzubilden? 4. Bestehen rechtliche Bedenken gegenüber einer Beteiligung von Kommunen an Projektgesellschaften, die auf dem Energiemarkt tätig sind? 5. Welche Aspekte (Anteilsstruktur, Risikomanagement usw.) sind im Zuge einer unter 4. beschriebenen Beteiligung zu beachten? 6. Wie beurteilt die Staatsregierung das Ansinnen von Kommunen , sich eigenwirtschaftlich an den Aufgaben der Energiewende zu beteiligen, grundsätzlich? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.04.2015 1. Gibt es rechtliche Bedenken, die eine energiewirtschaftliche Betätigung der kommunalen, öffentlichen Hand unmöglich machen oder einschränken? 2. Müssen sich Kommunen bei der eigenwirtschaftlichen Energieerzeugung tatsächlich auf die Versorgung ihrer öffentlichen Liegenschaften beschränken ? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Staatsministerium des Innern hat bereits mit einem Rundschreiben vom 31.07.2012 umfangreiche Hinweise zu kommunalrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Erzeugung regenerativer Energien gegeben. Es ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Eine energiewirtschaftliche Betätigung der Kommune ist möglich, wenn und soweit es sich um eine kommunale Aufgabe handelt. Für Gemeinden gewährleisten Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV das Recht, dass diese alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bzw. ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung regeln. Die Energieversorgung der Bevölkerung fällt nach Art. 83 Abs. 1 BV in diesen eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. Auf der Grundlage des geltenden Landesrechts ist die Versorgung mit Energie eine Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge. Art. 6 GO bestimmt aber allgemein, dass der allseitige Wirkungskreis den Gemeinden „in ihrem Gebiet“ zusteht. Damit ist die gemeindliche Aufgabe der Energieversorgung grundsätzlich auf den im Gemeindegebiet bestehenden Bedarf begrenzt. Auch für wirtschaftliche Tätigkeiten einer Gemeinde ist eine demokratische Legitimation erforderlich, die die Gemeindeorgane von den Gemeindebürgern bezogen auf örtliche Angelegenheiten herleiten. Es wäre bedenklich, eine Gemeinde Finanzierungs - und Haftungsrisiken für Energieprojekte auszusetzen , deren Umfang den örtlichen Bedarf übersteigt. Im Übrigen bestünde dann auch die Gefahr eines unerwünschten Verdrängungswettbewerbs zwischen den Gemeinden. Die für die Erfüllung der gemeindlichen Versorgungsaufgabe maßgebliche Energiemenge bestimmt sich dabei nicht nach der tatsächlichen Abnahme vom kommunalen Energieerzeuger durch Kunden im Gemeindegebiet, sondern errechnet sich nach dem im Gemeindegebiet bestehenden Gesamtenergiebedarf unter Einschluss von Privathaushalten , Industrie, Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen etc. Eine Begrenzung auf die Versorgung der öffentlichen Liegenschaften der Gemeinde findet nicht statt. Eine Aufgabe der Landkreise oder der Bezirke liegt bei der Versorgung der Bevölkerung mit Energie dagegen grundsätzlich nicht vor. Würde man den Landkreisen ebenfalls eine Aufgabe der Energieversorgung zuweisen, würden Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.05.2015 17/6371 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6371 diese neben gemeindliche Energieversorgungsunternehmen treten oder gar in Konkurrenz zu diesen tätig werden. Da sich die Landkreise im Wesentlichen durch Kreisumlagen bei den kreisangehörigen Gemeinden finanzieren, würde sich das wirtschaftliche Risiko, das mit dem Betrieb eines Energieversorgungsunternehmens verbunden ist und das nicht unterschätzt werden darf, bei den kreisangehörigen Gemeinden kumulieren. Sie müssten im Zweifel mit ihrem Beitrag zur Kreisumlage für Defizite landkreiseigener Energieversorgungsunternehmen einstehen. Im Hinblick auf Art. 141 Abs. 1 Satz 4 BV, Art. 51 Abs. 1 Halbsatz 2 LKrO und den im EEG zum Ausdruck gebrachten bundesgesetzgeberischen Willen, erneuerbare Energien zu fördern, erscheint es jedoch vertretbar, eine derartige Energieerzeugung bis zur Höhe des Eigenbedarfs der landkreiseigenen Einrichtungen als Landkreisaufgabe anzusehen. Das insoweit generierbare Erzeugungsvolumen sollte generell nicht unterschätzt werden, da der Energiebedarf aller landkreiseigener Einrichtungen (vor allem Krankenhäuser und Schulen) durchaus eine beträchtliche Höhe annehmen und das Erzeugungsvolumen jedenfalls kleinerer Gemeinden möglicherweise auch übersteigen kann. Ein weiterer Ansatzpunkt für die Landkreise, an der Erzeugung regenerativer Energie mitzuwirken, können z. B. Photovoltaikanlagen auf landkreiseigenen baulichen Anlagen sein, soweit sich dies im Rahmen einer effektiven Vermögensverwaltung hält. Die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien auf landkreiseigenen Grundstücken ohne Bezug zu einer landkreiseigenen baulichen Anlage stellt allerdings keine bloße Vermögensverwaltung (mehr) dar. Für die Bezirke gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend . 3. Welche rechtlichen Strukturen sollten begründet werden, um ein öffentlich-rechtliches Engagement auf dem Energiesektor abzubilden? Die Voraussetzungen für eine unternehmerische Tätigkeit von Gemeinden gemäß Art. 86 ff. GO sind einzuhalten. Insoweit gelten für die energiewirtschaftliche Betätigung im Wesentlichen keine Besonderheiten. Die Gemeinden haben die Möglichkeit, die Erfüllung von Aufgaben in öffentlichrechtlich oder privatrechtlich verfasste Unternehmen auszugliedern . Bei Unternehmen in Privatrechtsform muss die Gemeinde gemäß Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GO einen angemessenen Einfluss im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Gremium erhalten und ihre Haftung muss auf einen bestimmten, ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt werden. Von besonderer Bedeutung ist es stets, den öffentlichen Zweck in der Unternehmenssatzung klar festzuschreiben. Wegen der gesellschaftsrechtlich weitgehenden Verselbständigung und der damit einhergehenden verringerten Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter stellt sich die Rechtsform der Aktiengesellschaft als problematisch dar. Bei einer Beteiligung an einer GmbH &Co. KG, vor allem für eine Beteiligung als Kommanditist, wird insbesondere abhängig von der gesellschaftsvertraglich ins Auge gefassten Gestaltung genau zu prüfen sein, ob der Kommune angemessene Einflussmöglichkeiten eingeräumt werden, ohne andere, nicht hinnehmbare Nachteile auszulösen. Wegen Fehlens einer dem Beteiligungsumfang entsprechenden Einflussnahme ist auch eine kommunale Beteiligung an einer Primärgenossenschaft (einfache Genossenschaft) grundsätzlich kritisch zu sehen, da jeder Beteiligte dabei – unabhängig von der Höhe seiner Einlage – das gleiche Stimmrecht hat. Etwaige Konstruktionen von Sekundärgenossenschaften dürften ebenfalls problematische Fragestellungen aufwerfen und wären in jedem Einzelfall erst näher zu prüfen. Gemeinden, Landkreise und Bezirke können im Übrigen Kooperationen in privatrechtlichen, insbesondere gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen eingehen, was die Beteiligung Privater („Bürgeranlagen“) ermöglicht. Im Umfang der Beteiligung privater Gesellschafter an dem Unternehmen gelten die für Kommunen anzuwendenden Anforderungen an einen ortsbezogenen öffentlichen Zweck nicht. Bei der Rechtsformwahl empfiehlt es sich stets, eine intensive Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und rechtlichen Vorgaben sowie eine sorgfältige Abwägung der Möglichkeiten, Vor- und Nachteile im Einzelfall anhand der konkreten Umstände durchzuführen und die Rechtsaufsichtsbehörden , die beratend tätig werden, frühzeitig einzubinden . 4. Bestehen rechtliche Bedenken gegenüber einer Beteiligung von Kommunen an Projektgesellschaften, die auf dem Energiemarkt tätig sind? Für eine Beteiligung von Kommunen gelten die Ausführungen zu den Fragen 1 bis 3. Das kommunale Engagement muss von einem öffentlichen Zweck gedeckt sein. Generell gilt, dass Tätigkeiten, mit denen Gemeinden oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, keinem öffentlichen Zweck entsprechen (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Wahrnehmung einer gemeindlichen Aufgabe der Energieversorgung wird jedenfalls dann nicht begründbar sein, wenn die gemeindliche Betätigung nur auf den Bau der Energieversorgungsanlage gerichtet ist und die Anlage verkauft werden soll. 5. Welche Aspekte (Anteilsstruktur, Risikomanagement usw.) sind im Zuge einer unter 4. beschriebenen Beteiligung zu beachten? Eine abstrakte Beurteilung aller möglichen Konstellationen ist nicht möglich. Erforderlich ist eine an den Umständen des konkreten Projekts orientierte intensive Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und rechtlichen Vorgaben sowie eine sorgfältige Abwägung der Möglichkeiten, Vorund Nachteile im Einzelfall. Fragen des Vergaberechts, des Beihilferechts, des Kartell- und Wettbewerbsrechts, der Pros pektpflicht, des Steuerrechts können zum Beispiel im Einzelfall relevant sein. 6. Wie beuerteilt die Staatsregierung das Ansinnen von Kommunen, sich eigenwirtschaftlich an den Aufgaben der Energiewende zu beteiligen, grundsätzlich? Die Wahrnehmung von Klimaschutzmaßnahmen ist den in Art. 141 Abs. 1 Satz 4 BV genannten Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben aufgegeben. Die Kommunen leisten zugleich einen unverzichtbaren Beitrag zur Umsetzung der Energiewende.