Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.03.2015 Gewerbesteuer-Hinzurechnung für Reiseunternehmen Seit der Gewerbesteuerreform von 2008 müssen Unternehmen auf Ausgaben für Mieten Gewerbesteuer zahlen. Nach Auffassung der Finanzverwaltungen der Bundesländer zählen zu diesen Mietausgaben auch Ausgaben von Reiseveranstaltern für eingekaufte und weitervermietete Zimmerkontingente . Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Bewertet die bayerische Finanzverwaltung Ausgaben von Reiseveranstaltern für wieder weitervermietete (Hotel-)Zimmer als Mietkosten nach § 8 Gewerbesteuergesetz ? b) Wenn ja, weshalb? c) Ließe das Gesetz aus Sicht der Staatsregierung und der bayerischen Finanzverwaltung auch eine andere Auslegung im Sinne der Nicht-Hinzurechnung zu? 2. Wie viele Reiseunternehmen mit welchem Jahresumsatz insgesamt sind nach Kenntnis der Staatsregierung in Bayern von dieser Regelung betroffen? 3. a) Hält die Staatsregierung die derzeitige Formulierung von § 8 Gewerbesteuergesetz für sinnvoll und angemessen , insbesondere auch im Hinblick auf die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Reiseunternehmen ? b) Wenn nein, befürwortet die Staatsregierung eine Änderung des Gesetzes, um eine Klarstellung dahingehend , dass Ausgaben für weitervermietete Hotelzimmer für Reiseunternehmen keine Mietausgaben im Sinne des Gewerbesteuergesetzes sind, zu erreichen ? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 25.04.2015 1. a) Bewertet die bayerische Finanzverwaltung Ausgaben von Reiseveranstaltern für wieder weitervermietete (Hotel-)Zimmer als Mietkosten nach § 8 Gewerbesteuergesetz? b) Wenn ja, weshalb? Gem. § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) Gewerbesteuergesetz (GewStG) werden 50 % der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens , die im Eigentum eines anderen stehen, zu einem Viertel dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet , soweit sie als Betriebsausgaben abgezogen worden sind. Lt. Ziff. 29 b) der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nummer 1 GewStG vom 12. Juli 2012 sind Mietaufwendungen des Unternehmers für die Anmietung von Unterkünften, die unmittelbar der originären Tätigkeit zuzuordnen sind, wie z. B. Reisedienstleistungen, hinzuzurechnen. Die Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass die Hotelkapazitäten, die Reiseveranstalter als Vorleistung anmieten und ihren Kunden „weiterverkaufen“, zum Anlagevermögen gehören würden, wenn sie in deren Eigentum stünden. Da Reiseleistungen in der Regel ein Bündel von Leistungen umfassen, das die Reiseveranstalter für ihre Kunden anbieten (gemischter Vertrag), sind die Leistungen aufzuteilen. Nur Entgelte, die auf Miet- bzw. Pachtentgelte im zivilrechtlichen Sinn entfallen, unterliegen der Hinzurechnung . An diese bundesweit abgestimmte Auffassung ist auch die bayerische Finanzverwaltung gebunden. c) Ließe das Gesetz aus Sicht der Staatsregierung und der bayerischen Finanzverwaltung auch eine andere Auslegung im Sinne der Nicht-Hinzurechnung zu? Das Für und Wider der betreffenden Auslegung wurde von Bund und Ländern in den einschlägigen Gremien wiederholt und ausführlich abgewogen. Die Stellungnahme des Deutschen Reiseverbandes (DRV) im Rahmen der Verbändeanhörung wurde dabei in die Überlegungen einbezogen. Ausnahmeregelungen von den bestehenden Auslegungsgrundsätzen für Reiseveranstalter sind insofern problematisch , als zum einen der Gleichheitsgrundsatz zu beachten ist und zum anderen nicht absehbare Folgen für die Anwendung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bei anderen Branchen und damit für das Gewerbesteueraufkommen hätten. Es ist daher sinnvoll, den Ausgang eines derzeit beim FG Münster anhängigen Musterverfahrens (AZ 9 K 1472/13 G) abzuwarten, das zu einer Klärung dieser Streitfrage beitragen könnte. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.06.2015 17/6382 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6382 Im Übrigen werden entsprechende Steuerbescheide derzeit auf Antrag von der Vollziehung ausgesetzt, sodass für die betroffenen Unternehmen vorläufig keine Liquiditätsnachteile entstehen. 2. Wie viele Reiseunternehmen mit welchem Jahresumsatz insgesamt sind nach Kenntnis der Staatsregierung in Bayern von dieser Regelung betroffen ? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Zahlen vor. 3. a) Hält die Staatsregierung die derzeitige Formulierung von § 8 Gewerbesteuergesetz für sinnvoll und angemessen, insbesondere auch im Hinblick auf die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Reiseunternehmen? Ohne Zweifel bedeutet die Hinzurechnung von Aufwendungen für Reisevorleistungen eine spürbare Belastung für deutsche Reiseveranstalter, wie im Übrigen jede ertragsunabhängige Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer nicht unproblematisch ist. Auf der anderen Seite tragen die Hinzurechnungen zu einer Stabilisierung der Gewerbesteuereinnahmen der Städte und Gemeinden bei. Bayern hatte sich seinerzeit in der Gemeindefinanzkommission für eine Gewerbesteuer eingesetzt, die stärker am laufenden Ertrag der Unternehmen anknüpft. Diesem Vor- haben haben die Städte und Gemeinden jedoch nicht zugestimmt . Deshalb wurde dieser Vorschlag nicht weiterverfolgt. Die Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer wurden in den zuständigen Fachgremien eingehend geprüft und bundesweit abgestimmt, wobei seinerzeit auch die Stellungnahmen der Branchenverbände in die Überlegungen einbezogen wurden. Bayern hat sich dabei stets für eine moderate Auslegung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände eingesetzt. b) Wenn nein, befürwortet die Staatsregierung eine Änderung des Gesetzes, um eine Klarstellung dahingehend , dass Ausgaben für weitervermietete Hotelzimmer für Reiseunternehmen keine Mietausgaben im Sinne des Gewerbesteuergesetzes sind, zu erreichen? Die Staatsregierung ist bereit, nach dem Ausgang des erwähnten Finanzgerichtsverfahrens, soweit erforderlich, die Problematik auf Bundesebene erneut aufzugreifen. Sie würde sich auch einer Gesetzesänderung nicht verschließen , wenn hier eine konsistente am Gleichheitsgrundsatz orientierte Lösung gefunden werden kann, die den betreffenden Unternehmen hilft, auf der anderen Seite aber auch die Belange der Städte und Gemeinden nicht über Gebühr beeinträchtigt.