Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 23.03.2015 Schäden durch den Bau des Erkundungsstollens für den Kramertunnel Presseberichten zufolge sind beim Bau des Erkundungsstollens für den Kramertunnel bei Garmisch-Partenkirchen erhebliche Schäden an Natur und Umwelt entstanden. Quellen seien versiegt, wertvolle Hangquellenmoore vom Austrocknen bedroht und geschützte Lebensraumtypen bereits geschädigt. Eine „Reparatur“ dieser Schäden sei angeblich zu teuer. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. a) Welche negativen Folgen für Natur und Umwelt sind durch diese Bauarbeiten im Einzelnen entstanden? b) Welche Lebensraumtypen der Fauna-Flora-HabitatRichtlinie (FFH-RL) sind mit welcher Fläche bedroht und welche Quellen sind bisher versiegt oder in ihrer Wasserschüttung beeinträchtigt? c) Welche Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind jeweils in welchem Umfang beeinträchtigt? 2. Wurde vor Beginn der Bauarbeiten untersucht, welche schädlichen Folgen sich ergeben könnten, wenn ja, welche Ergebnisse erbrachten diese Untersuchungen und stimmen diese mit den tatsächlichen Folgen überein ? 3. Weshalb wurden bisher keine geeigneten Maßnahmen getroffen, diese Schäden zu verhindern? 4. Welche Maßnahmen sind im Planfeststellungsbeschluss zum Bau des Kramertunnels festgelegt, um etwaige Schädigungen des Wasserhaushalts zu verhindern bzw. zu beheben, und warum werden diese nicht durchgeführt? 5. Wie soll verhindert werden, dass weitere Schäden entstehen ? 6. Welche Kosten werden für die „Reparatur“ dieser Schäden geschätzt? 7. Welche Kosten sind insgesamt für den Erkundungsstollen veranschlagt? 8. Welche Kosten sind insgesamt für den Kramertunnel veranschlagt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 04.05.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wie folgt beantwortet: 1. a) Welche negativen Folgen für Natur und Umwelt sind durch diese Bauarbeiten im Einzelnen entstanden ? In der gesamtheitlichen Betrachtung der beweisgesicherten 32 Quellen ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der Veränderungen im Wasserhaushalt mittelfristig das floristische und faunistische Artenspektrum an drei Quellstandorten verschieben wird: Arten frischer – trockener Standorte werden gegenüber den bisher dominierenden Arten der nassen Standorte an Konkurrenzkraft gewinnen. b) Welche Lebensraumtypen der Fauna-Flora-Habitat -Richtlinie (FFH-RL) sind mit welcher Fläche bedroht und welche Quellen sind bisher versiegt oder in ihrer Wasserschüttung beeinträchtigt? Vom Vorhaben ist der Lebensraumtyp Kalkreiche Niedermoore nach Anhang I FFH-RL mit einer Fläche von 0,30 ha betroffen. Eine vorhabenbedingte Beeinflussung ist an den Quellen – GAPS107 (natürlicher Quellbereich) – GAPS124 (gefasste Quelle) – GAPS019 (nicht gefasster Wasseraustritt) nachgewiesen bzw. kann nicht ausgeschlossen werden. c) Welche Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind jeweils in welchem Umfang beeinträchtigt? Vom Vorhaben ist die Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior ) gem. Anhang II FFH-RL mit einer Fläche von ca. 0,28 ha betroffen. 2. Wurde vor Beginn der Bauarbeiten untersucht, welche schädlichen Folgen sich ergeben könnten, wenn ja, welche Ergebnisse erbrachten diese Untersuchungen und stimmen diese mit den tatsächlichen Folgen überein? Im Vorfeld der Planungen und der Baudurchführung wurden umfangreiche Bodenerkundungen, soweit sie in Rücksichtnahme auf die wertvollen Natur- und Landschaftsbestandteile möglich sind, von ober Tage aus durchgeführt. Zusätzlich wurden hydrogeologische Kartierungen an der Oberfläche vorgenommen. Aus den daraus gewonnenen Informationen wurde ein entsprechendes geologisches bzw. hydrogeologisches Gutachten erstellt und die Risiken einer Beeinträchtigung ober Tage bewertet. Außerdem wurden im Planungsgebiet, d. h. auch im weiteren Umfeld des geplanten Kramertunnels, für die Unterla- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.06.2015 17/6549 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6549 ge zur FFH-Verträglichkeitsprüfung für das gemeldete FFHGebiet DE 8431-371 „Ammergebirge“ und für die Unterlage zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) eingehende Erhebungen hinsichtlich der für seine Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile sowie zu Vorkommen und Lebensräumen streng und europarechtlich geschützter Tierund Pflanzenarten durchgeführt. Alle Untersuchungen in Bezug auf mögliche naturschutzfachliche Auswirkungen an der Oberfläche mit Beeinflussungen an Mooren gingen nach damaliger Einschätzung davon aus, dass Auswirkungen wie in Frage 1 dargestellt, ausgeschlossen werden können. Da aufgrund des ermittelten Berg-/Kluftwasserspiegels von bis zu 190 m über der Tunnelröhre im Bereich des Hauptdolomits das Bauwerk mit einem dauerhaft wirkenden Drainagesystem auszubilden ist, war zwar von einer Absenkung des Berg-/Kluftwasserspiegels im Nahbereich des Bauwerks auszugehen. Eine Auswirkung an der Oberfläche wurde jedoch als nicht wahrscheinlich angenommen, da man den Bergwasserspiegel über der Tunnelröhre bei den durchgeführten Erkundungen erst bis zu 50 m unterhalb des Geländes angetroffen hat und keine Verbindung zu dem/den die Quellen speisenden Wasserkörper(n) angenommen wurde. Die aufgetretenen Auswirkungen an den Quellen wurden deshalb weder in der Planfeststellung noch im Gerichtsverfahren vermutet und angesprochen. Beim Bau des Erkundungsstollens hat sich gezeigt, dass bei einer Größe des gesamten Untersuchungsraums im Umgriff des Tunnels von 425 ha Beeinflussungen von Quellaustritten an der Oberfläche auf einer Fläche von insgesamt 0,36 ha stattfinden. 3. Weshalb wurden bisher keine geeigneten Maßnahmen getroffen, diese Schäden zu verhindern? 4. Welche Maßnahmen sind im Planfeststellungsbeschluss zum Bau des Kramertunnels festgelegt, um etwaige Schädigungen des Wasserhaushalts zu verhindern bzw. zu beheben, und warum werden diese nicht durchgeführt? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Planfeststellungsbeschluss 2007 ist für den Bereich des Hauptdolomits ein Risikomanagement mit zwei Maßnahmen M1 und M2 vorgesehen. Im Zuge des Tunnelvortriebes kam es auf einer Länge von ca. 600 m zu Wasserzutritten , die in der gemäß dem hydrogeologischen Gutachten aus dem Jahr 2007 angegebenen Größenordnung liegen. Da der Fels jedoch sehr stark zerklüftet ist, tritt das Wasser in der Tunnelröhre flächig aus dem Gestein aus und nicht wie prognostiziert nur an einzelnen Stellen. Mit Beginn der Wasserzutritte wurde die wasserwirtschaftliche Beweissicherung intensiviert (Maßnahme M1) und die Wasserzutrit- te im Erkundungsstollen sowie die vorhandenen Pegel und Quellen verstärkt beobachtet. Der Versuch, die Wassereintritte durch diskretes oder flächenhaftes Injizieren der Wasserwegigkeiten abzudichten (Maßnahme M2), hat ergeben, dass weitere Injektionen nicht Erfolg versprechend sind, um die Wasserzutritte zu minimieren. Die Injektion eines Teilbereichs des Tunnels führte dazu, dass sich das Wasser aufgrund des enormen Wasserdruckes und der unerwartet hohen Klüftigkeit des Gebirges andere Wege gesucht hat und an anderer Stelle des Tunnels ausgetreten ist. Aufgrund der nun durchgehend erkundeten Geologie sowie aus den Erkenntnissen der durchgeführten Abdichtung von Teilbereichen des Tunnels ist davon auszugehen, dass kein dichter Zustand erreicht werden kann, der zu einer Anhebung des Bergwasserspiegels mit einer Umkehr der in der Antwort zu Frage 1 genannten Auswirkungen führt. 5. Wie soll verhindert werden, dass weitere Schäden entstehen? Aus den Aufzeichnungen der weiterhin laufend durchgeführten wasserwirtschaftlichen Beweissicherung ist zu erkennen, dass die Pegelstände mit Ausnahme der niederschlagsstarken Sommermonate im Wesentlichen seit zweieinhalb Jahren konstant sind. Hieraus folgt, dass sich der Grundwasserhaushalt auf einem niedrigeren Niveau eingependelt hat. Ein weiteres Absinken lässt sich den Daten nicht entnehmen. Vielmehr belegen sie die Stabilität des derzeitigen Zustandes. 6. Welche Kosten werden für die „Reparatur“ dieser Schäden geschätzt? Wie bereits in der Antwort zu Frage 4 ausgeführt, ist ein dichter Zustand des Tunnels nicht zu erreichen. Eine Angabe von Kosten ist deshalb nicht möglich. 7. Welche Kosten sind insgesamt für den Erkundungsstollen veranschlagt? Die bisher für alle Arbeiten im Zuge des Erkundungsstollens einschließlich der Zulaufstrecken aufgewendeten Mittel betragen ca. 38 Mio. €. 8. Welche Kosten sind insgesamt für den Kramertunnel veranschlagt? Die derzeit vom Bund genehmigten Gesamtkosten für das Projekt „B 23 Ortsumfahrung Garmisch mit Kramertunnel“ stammen aus dem Jahr 2007 und belaufen sich auf 133,4 Mio. €. Aktuelle Berechnungen der Bayerischen Straßenbauverwaltung gehen zwischenzeitlich von Gesamtkosten in Höhe von 189,2 Mio. € aus. Diese werden zurzeit dem Bund zur Zustimmung vorgelegt.