Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 11.03.2015 Situation der Substitutionsärzte in Nürnberg und Bayern Substitutionsärzte stehen in einem Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des Betäubungsmittelgesetzes und den Erfordernissen einer guten medizinischen Therapie im Interesse des Patienten und entsprechend der ärztlichen Richtlinien . Dies führt dazu, dass einige Suchtmediziner, gerade auch in Nürnberg, überlegen, dies Tätigkeitsfeld aufzugeben . Nürnberg ist besonders betroffen, weil nach Angaben der Bundesdrogenbeauftragten dort die Anzahl der Menschen , die nach dem Konsum von Drogen sterben, auffällig hoch ist. 6,1 Drogentote kommen dort auf 100.000 Einwohner , mehr als in allen anderen deutschen Städten. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Substitutionsärzte sind in Bayern tätig? Wie viele Fälle sind bekannt, in denen Substitutionsärzte mit Sanktionen nach dem Betäubungsmittelgesetz wie Geldoder Haftstrafen und/oder einem Berufsverbot belegt wurden, oder in wie vielen Fällen sind noch Verfahren anhängig? 2. Ist die Anzahl der bayerischen Substitutionsärzte aus- reichend, um eine gute medizinische Versorgung suchtkranker Menschen zu gewährleisten? Gibt es stationäre Behandlungsmöglichkeiten für akute Krankheitsfälle und ggf. wo? 3. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bislang er- griffen, um Substitutionsärzten Rechtssicherheit zu verschaffen , wenn sie sich entsprechend der Vorgaben der Bundesärztekammer und therapeutischen Bedürfnissen ihrer Patienten verhalten? 4. Sind weitere Maßnahmen geplant, um das erläuterte Spannungsverhältnis für Ärzte, die suchtkranke Menschen behandeln, aufzulösen und Rechtssicherheit zu schaffen? 5. Wie soll die medizinische Versorgung der suchtkranken Menschen in Bayern sichergestellt werden, wenn Substitutionsärzte diese Tätigkeit nicht mehr ausüben möchten und sich aufgrund der schwierigen Nachwuchssituation auch keine Nachfolger finden? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 30.04.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Substitutionsärzte sind in Bayern tätig? Wie viele Fälle sind bekannt, in denen Substitutionsärzte mit Sanktionen nach dem Betäubungsmittelgesetz wie Geld- oder Haftstrafen und/oder einem Berufsverbot belegt wurden, oder in wie vielen Fällen sind noch Verfahren anhängig? Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, zu der auch die Methadonsubstitution zählt, ist gesetzliche Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), die diese als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts in eigener Zuständigkeit und Verantwortung erfüllt. Wie die KVB hierzu mitteilt, dürfen nach Anlage I Nr. 2 der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ des Gemeinsamen Bundesausschusses („Substitutionsrichtlinien“) Substitutionen nur von solchen Ärzten durchgeführt werden, die gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ihre fachliche Befähigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) oder die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 3 BtMVV nachgewiesen haben und denen die KV eine Genehmigung zur Substitution erteilt hat. Hierzu müssen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 3 BtMVV nachgewiesen werden. Dabei ist zwischen der Basis- und der Konsiliargenehmigung zu unterscheiden. Die Basisgenehmigung zur „Substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger“ erhält ein Arzt, der über die Zusatzbezeichnung „Suchtmedizinische Grundversorgung“ verfügt. Eine sog. Konsiliargenehmigung berechtigt einen Arzt, bis zu 3 Patienten in enger Absprache mit dem Konsiliarius, der über o. g. Genehmigung verfügt, zu substituieren. Überblick über die Behandlung Opiatabhängiger in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung in Bayern: Ärzte mit Genehmigung Ärzte mit Genehmigung, die substituieren Basisgenehmigung 273 173 Konsiliargenehmigung 162 73 KVB; Stand: 30.09.2014 Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) durch substituierende Ärzte werden in der Strafverfolgungsstatistik grundsätzlich nicht gesondert erfasst. Diese differenziert nur nach den einzelnen relevanten Straftatbeständen des § 29 BtMG, nicht jedoch nach den der jeweiligen Verurteilung zugrunde liegenden Tätern bzw. Sachverhalten. Auch hinsichtlich der Ermittlungsverfahren gegen Ärzte, die eine Methadonsubstitution durchführen, Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.06.2015 17/6554 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6554 werden von den Staatsanwaltschaften daher keine eigenen statistischen Erhebungen durchgeführt. Im Übrigen wurde im Rahmen der Beantwortung des Berichtsantrags zur Methadonsubstitution in Bayern (LT-Drucksache 16/15170) zu den Ermittlungsverfahren und Verurteilungen von substituierenden Ärzten bereits – soweit möglich – berichtet. Weitergehende Angaben zu dieser Frage könnten nur mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand durch Einzelfallauswertungen von Akten bei allen Staatsanwaltschaften und Gerichten in Bayern ermittelt werden. 2. Ist die Anzahl der bayerischen Substitutionsärzte ausreichend, um eine gute medizinische Versorgung suchtkranker Menschen zu gewährleisten? Gibt es stationäre Behandlungsmöglichkeiten für akute Krankheitsfälle und ggf. wo? Nach § 13 Abs. 3 BtMG in Verbindung mit § 5 a der BtMVV führt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die Länder das Substitutionsregister. Die 16 obersten Landesgesundheitsbehörden erhalten regelmäßig anonymisierte Daten aus dem Substitutionsregister. Dem ist zu entnehmen, dass die Anzahl der gemeldeten Substitutionspatienten am Stichtag 01.07.2014 in Bayern 7.870 betrug und in 2014 die Zahl aller, beispielsweise auch in Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) substituierenden Ärzte 313. Demnach behandelt in Bayern jeder substituierende Arzt im Durchschnitt rund 25 Patienten. Bundesweit beträgt die durchschnittliche Anzahl der gemeldeten Substitutionspatienten pro substituierendem Arzt 29. Nach Angaben der KVB werden in zunehmendem Maße Versorgungsdefizite gemeldet, die aber bisher regional gelöst werden konnten. Die Fortführung einer Substitutionsbehandlung im Rahmen eines vorübergehenden stationären Krankenhausaufenthalts , z. B. wegen einer interkurrenten somatischen Erkrankung , ist grundsätzlich möglich. Allerdings muss dann im konkreten Einzelfall eine individuelle Lösung gefunden werden. 3. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bislang ergriffen, um Substitutionsärzten Rechtssicherheit zu verschaffen, wenn sie sich entsprechend der Vorgaben der Bundesärztekammer und therapeutischen Bedürfnissen ihrer Patienten verhalten? 4. Sind weitere Maßnahmen geplant, um das erläuterte Spannungsverhältnis für Ärzte, die suchtkranke Menschen behandeln, aufzulösen und Rechtssicherheit zu schaffen? Wegen des Sachzusammenhangs werden diese Fragen gemeinsam behandelt. Bezüglich der Antwort wird verwiesen auf die Antwort zu Frage 9 im abschließenden Bericht vom 18.01.2015 zum Beschluss des Landtags vom 15.07.2014 „Weiterentwicklung der Suchtkrankenhilfe und Suchtprävention“ (Drs. 17/2711). 5. Wie soll die medizinische Versorgung der suchtkranken Menschen in Bayern sichergestellt werden, wenn Substitutionsärzte diese Tätigkeit nicht mehr ausüben möchten und sich aufgrund der schwierigen Nachwuchssituation auch keine Nachfolger finden? Die Staatsregierung legt großen Wert auf eine flächendeckende Versorgung mit Substitutionsangeboten in Bayern. Sie unterstützt deshalb die KVB bei der Wahrnehmung ihres gesetzlichen Sicherstellungsauftrags und ist bestrebt, gemeinsam mit der KVB sowie weiteren Beteiligten die Rahmenbedingungen für die substituierenden Arztinnen und Ärzte im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit zu verbessern . Die KVB unternimmt alles, um ihrem Sicherstellungsauftrag gerecht zu werden. Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen für Ärzte im Bereich der Methadonsubstitution ist es aber nur sehr schwer möglich, weitere Ärzte für diese schwierige, mit großen Risiken behaftete Tätigkeit zu finden. Die KVB hat keine Möglichkeit, Ärzte zur Methadonsubstitution zu verpflichten. Vielmehr können sich Ärzte selbstständig dafür entscheiden, die notwendige Zusatzqualifikation „Suchtmedizinische Grundversorgung“ zu erwerben und diese Tätigkeit entsprechend auszuüben. Die KVB hat in eigener Zuständigkeit wichtige Schritte eingeleitet. Beispielhaft erwähnt sei die Einführung einer bayerischen Zuschlagsziffer zur Substitution. Darüber hinaus hat sich die KVB in diversen Schreiben für eine Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen der Behandlung Opiatabhängiger auf Bundesebene eingesetzt. Davon unabhängig besteht die Möglichkeit, PIA verstärkt in die Substitution einzubinden. Aber auch insoweit gilt, dass die Übernahme der Substitutionsbehandlung für die Träger einer PIA – genau wie für niedergelassene Ärzte – eine freiwillige Entscheidung darstellt, zu der sie grundsätzlich nicht gezwungen werden können. Denkbar wäre darüber hinaus grundsätzlich auch die Etablierung von Eigeneinrichtungen der KVB. Die Übernahme der Substitutionsbehandlung in einer solchen Einrichtung durch einen dort angestellten Arzt würde aber wiederum voraussetzen, dass dieser die Tätigkeit freiwillig übernehmen müsste. Die Staatsregierung beobachtet die Entwicklung bei der Zahl substituierender Ärzte genau. Sie geht derzeit davon aus, dass vor allem die angestrebte Novellierung der BtMVV die, von den Ärzten erwünschte, erhöhte Rechtssicherheit bringen und damit zu einem Anstieg der Substitutionsbereitschaft führen wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 verwiesen.