Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.03.2015 Freiwillige Ausreise hat Vorrang vor Abschiebung – auch für abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Balkanstaaten Der Bayerische Innenminister sagte am 23.02.15 in der Fernsehsendung: „hart, aber fair“, dass die abgelehnten Asylbewerber vom Balkan bei freiwilliger Rückkehr ein kostenloses Rückfahrticket erhalten würden. Wenn Flüchtlinge freiwillig heimkehren wollen, müssten sie derzeit dazu innerhalb einer Woche nach rechtskräftiger Antragsablehnung nach Zirndorf fahren, um ihre Bereitschaft der freiwilligen Ausreise anzukündigen. Dazu müssten sie – da sie dezentral untergebracht sind – innerhalb einer Woche einen Dolmetscher aufsuchen, sofern sie nicht sehr gut Deutsch können, und eine Fahrtmöglichkeit nach Zirndorf finden. Bei ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und der Asylsozialberatung herrscht zudem darüber Unklarheit , ob die freiwillige Rückkehrbereitschaft an die ZAB (bislang ZRS) Zirndorf oder an das regionale Ausländeramt gemeldet werden muss und welches der beiden Ämter nun die Abschiebung einleitet. Nicht alle Flüchtlinge – auch nicht alle Familien – erhalten derzeit eine faire Chance, in Würde zurückzukehren. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist die ZAB für die Schnell-Abschiebungen verantwortlich (auch für die dezentral durch die Landkreise untergebrachten ) oder sind es in bestimmten Fällen nach wie vor die Ausländerbehörden? 2. Erhalten die Asylbewerberinnen und Asylbewerber ihre Ablehnungsbescheide mit Information über die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise auch in ihrer Landessprache , wenn nein, warum nicht? 3. Erhalten die regionalen Ausländerbehörden und erhält die regionale Asylsozialarbeit die Listen der Flüchtlinge , die in Kürze abgeschoben werden sollen, damit sie diese über die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise informieren können? 4.1 Genügt die Erklärung zur freiwilligen Rückkehr beim Landratsamt? 4.2 Sind die Landratsämter angewiesen, diese Informationen weiterzuleiten? 4.3 Werden diese Informationen bei der ZAB berücksichtigt ? 5. Kann zukünftig ausgeschlossen werden, dass auch Familien, die von den regionalen Ausländerbehörden eine gewisse Duldungsfrist eingeräumt bekommen haben , innerhalb von dieser Frist abgeschoben werden? 6. Warum wurde den Asylsozialberatern bislang nicht mitgeteilt, dass für jene Fälle vom Balkan, die u. a. aus „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen, die ZAB in Zirndorf für Abschiebungen zuständig ist? 7. Was kostet eine Abschiebung per Flugzeug in den Kosovo und was kostet ein Flugticket? 8. In wie vielen Fällen werden Asylbewerber aus dem Kosovo nicht in ihr Herkunftsland, sondern in einen Drittstaat , über den sie hergekommen sind, abgeschoben? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.05.2015 Vorbemerkung: Die Staatsregierung hat in ihrer Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Christine Kamm, vom 23.02.2015 Drs. 17/6587 den wesentlichen, rechtlichen Rahmen dargestellt, welcher seitens der zuständigen Behörden bei Abschiebungen zu beachten ist. Darauf wird Bezug genommen. 1. Ist die ZAB für die Schnell-Abschiebungen verantwortlich (auch für die dezentral durch die Landkreise untergebrachten) oder sind es in bestimmten Fällen nach wie vor die Ausländerbehörden? Welche Behörde für Abschiebungen im konkreten Einzelfall zuständig ist, beurteilt sich nach der Verordnung über die Zuständigkeit zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen (ZustVAuslR – veröffentlicht in GVBl. 2005, 306 letzte Änderung GVBl. 2014, 571). Grundsätzlich sind die örtlichen Kreisverwaltungsbehörden für alle ausländerrechtlichen Aufgaben zuständig, vgl. §§ 1 Nr. 1 i. V. m. 2 ZustVAuslR. Die Zentrale Ausländerbehörde ist nach § 3 Abs. 1 ZustVAuslR zuständig: • Nr. 1 – für Ausländer, die verpflichtet sind, in Aufnahme- einrichtungen oder in Ausreiseeinrichtungen zu wohnen; • Nr. 2 – für Ausländer, die nicht mehr verpflichtet sind, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen. Dabei können die Zentralen Ausländerbehörden die Zuständigkeit vorü- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.06.2015 17/6609 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6609 bergehend auf die örtlich zuständige Kreisverwaltungsbehörde übertragen. Ihre Zuständigkeit endet mit der Erklärung gegenüber der Kreisverwaltungsbehörde, dass weitere Maßnahmen zur Feststellung und Sicherung von Identität oder Staatsangehörigkeit nicht veranlasst werden ; • Nr. 3 – für Ausländer, die einen Asylantrag gestellt hatten und nicht verpflichtet waren, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn die Zentrale Ausländerbehörde die Zuständigkeit von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde übernimmt. Im Bereich der danach begründeten Zuständigkeiten obliegen den Zentralen Ausländerbehörden alle Aufgaben der Ausländerbehörde, insbesondere der Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Für Abschiebungen von in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral untergebrachten, ausreisepflichtigen Ausländern ist in der Regel die örtliche Ausländerbehörde gemäß § 2 ZustVAuslR zuständig, da die Zentralen Ausländerbehörden derzeit in der Regel von der Möglichkeit der Zuständigkeitsübertragung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ZustVAuslR Gebrauch machen. 2. Erhalten die Asylbewerberinnen und Asylbewerber ihre Ablehnungsbescheide mit Information über die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise auch in ihrer Landessprache, wenn nein, warum nicht? Über Asylanträge entscheiden nicht Behörden des Freistaats Bayern, sondern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, auf das zur Beantwortung der Frage verwiesen wird. 3. Erhalten die regionalen Ausländerbehörden und erhält die regionale Asylsozialarbeit die Listen der Flüchtlinge, die in Kürze abgeschoben werden sollen , damit sie diese über die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise informieren können? Zunächst wird darauf hingewiesen, dass anerkannte Flüchtlinge nicht abgeschoben werden, sondern eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Im Übrigen lässt sich der Frage nicht entnehmen, welche „Listen der Flüchtlinge“ gemeint sind. Die Ausländerbehörden wurden angewiesen, abschiebbare Ausländer aus den Westbalkanstaaten der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern zu melden. Bei diesen Personen ist die Ausreisefrist bereits abgelaufen, innerhalb der sie hätten freiwillig ausreisen können. Die in der ablehnenden Asylentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gesetzte Ausreisefrist enthält bereits die Information darüber, dass innerhalb dieser Frist die freiwillige Ausreise möglich ist. Ab diesem Zeitpunkt können die betreffenden Personen Beratung in Anspruch nehmen oder gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise erklären. Nach Ablauf der Ausreisefrist hat nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich die Abschiebung zu erfolgen. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 4.1 Genügt die Erklärung zur freiwilligen Rückkehr beim Landratsamt? 4.2 Sind die Landratsämter angewiesen, diese Informationen weiterzuleiten? 4.3 Werden diese Informationen bei der ZAB berücksichtigt ? Die Fragen werden wegen ihres sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Hinblick darauf, dass eine etwaige „Erklärung zur freiwilligen Rückkehr“ bzw. ein Antrag auf Rückkehrhilfen nach den GARP-/REAGProgrammen einer Abschiebung dann nicht entgegensteht, wenn die eingeräumte Frist für die freiwillige Ausreise bereits abgelaufen ist, wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Eine Erklärung zur freiwilligen Rückkehr kann bei der örtlichen Ausländerbehörde abgegeben werden, wenn diese nach Maßgabe der ZustVAuslR zuständig ist. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Ist die örtliche Ausländerbehörde unzuständig, wird sie die betreffenden Unterlagen bzw. Erklärungsvermerke in der Regel von Amts wegen an die zuständige Behörde weiterleiten bzw. die die Erklärung abgebenden Personen auf ihre Unzuständigkeit hinweisen. Die Zentralen Ausländerbehörden berücksichtigen alle Informationen, sofern sie nach der ZustVAuslR zuständige Ausländerbehörde sind. 5. Kann zukünftig ausgeschlossen werden, dass auch Familien, die von den regionalen Ausländerbehörden eine gewisse Duldungsfrist eingeräumt bekommen haben, innerhalb von dieser Frist abgeschoben werden? Ist eine Abschiebung eines Ausländers aus vorübergehenden Gründen nicht möglich, so wird die Abschiebung des Ausländers ausgesetzt (vgl. § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Davon bleibt die Ausreisepflicht des Ausländers allerdings unberührt (vgl. § 60 a Abs. 3 AufenthG), d. h. der Ausländer ist nach wie vor ausreisepflichtig. Über die Aussetzung der Abschiebung wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt (§ 60 a Abs. 4 AufenthG). Ist die Abschiebung eines Ausländers ausgesetzt, so darf dieser Ausländer in der Regel nicht abgeschoben werden. In diesem Fall darf die Abschiebung erst dann erfolgen, wenn die Aussetzung aufgrund des nachträglichen Wegfalls der Duldungsgründe bzw. aufgrund ihrer ursprünglichen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde (vgl. § 60 a Abs. 5 AufenthG) oder aus sonstigen Gründen erloschen ist. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Staatsregierung verwiesen. 6. Warum wurde den Asylsozialberatern bislang nicht mitgeteilt, dass für jene Fälle vom Balkan, die u. a. aus „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen, die ZAB in Zirndorf für Abschiebungen zuständig ist? Auf die Antwort zu Frage Nr. 1 wird verwiesen. Daraus ergibt sich, dass die Zentralen Ausländerbehörden derzeit in der Regel nur für Ausländer zuständig sind, die in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind. Eine zentrale Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde Mittelfranken in Zirndorf für Abschiebungen in den „Balkan“ besteht nicht. 7. Was kostet eine Abschiebung per Flugzeug in den Kosovo und was kostet ein Flugticket? Die Kosten einer Abschiebung per Flugzeug in den Kosovo lassen sich nicht allgemein beziffern, da sie je nach den im Einzelfall vorherrschenden Umständen variieren können. Im Übrigen wird auf aktuelle Preisangaben privater Anbieter von Flugtickets verwiesen, die beispielsweise im Internet auffindbar sind. Drucksache 17/6609 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 8. In wie vielen Fällen werden Asylbewerber aus dem Kosovo nicht in ihr Herkunftsland, sondern in einen Drittstaat, über den sie hergekommen sind, abgeschoben? Der Frage lässt sich nicht entnehmen, welche Fälle für welchen konkreten Zeitraum abgefragt werden. Sollte mit der Frage die Anzahl der Fälle erfragt worden sein, in denen Asylbewerber aus dem Kosovo nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) in einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt wurden, so wird darauf hingewiesen , dass für den Vollzug der „Dublin-III-VO“ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist. Soweit bekannt, bearbeitet das Bundesamt derzeit alle Asylverfahren von Asylbewerbern aus dem Kosovo im nationalen Verfahren, um die Rückführung zu beschleunigen.