Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Johann Häusler FREIE WÄHLER vom 17.03.2015 Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf das mittelständische Metzgereihandwerk Seit 1. Januar des Jahres 2015 ist das vom Deutschen Bundestag beschlossene Mindestlohngesetz in Kraft. Von dessen Regelungsgehalt erfasst sind auch zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittelständischer Metzgereien, die in den ländlichen Regionen des Freistaats noch immer einen festen Bestandteil unserer bayerischen Ernährungsund Lebenskultur ausmachen. Vor diesem Hintergrund wurde mir von hiervon betroffenen, selbstständigen Metzgermeistern von deren Dilemma berichtet. Ihren Aussagen zufolge würde das branchenspezifische Gehaltsspektrum ihrer Mitarbeiter ohnehin seit Jahren über dem festgesetzten Mindestlohntarif liegen. Durch die neue Gesetzgebung würden deshalb grundlos aufwendige Doumentationspflichten entstehen, die unnötig Arbeitskraft für den hiermit verbundenen Verwaltungsvorgang binden. Ferner entstünden durch kalendarisch bedingte Spitzenbelastungsphasen Situationen , in denen punktuell eine hohe Arbeitsbelastung auftreten kann, die mit Blick auf den Mindestlohn jedoch in kürzester Zeit überkompensiert würde. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Wie stellt sich das branchenspezifische Gehaltsniveau für Angestellte von Metzgereien (in Produktion und Verkauf ) im Verhältnis zum Mindestlohn dar? 2. Welche faktischen Dokumentationspflichten resultieren aus dem Mindestlohngesetz für die Arbeitgeber im Fleischerhandwerk ? 3. Wie können Gleitzeitregelungen und Arbeitszeitausgleich für punktuelle Spitzenbelastungsphasen der Mindestlohnsystematik gerecht werden, ohne die notwendige Flexibilität im Betriebsablauf zu gefährden? 4. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um den bürokratischen Aufwand der mit dem Mindestlohn verbundenen Dokumentationspflichten abzumildern? 5. Wie soll die Einhaltung der betreffenden Gesetzgebung künftig kontrolliert werden? 6. Welche Kosten erwartet die Staatsregierung für die Kont- rolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes auf welcher politischen Ebene? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 18.05.2015 1. Wie stellt sich das branchenspezifische Gehaltsniveau für Angestellte von Metzgereien (in Produktion und Verkauf) im Verhältnis zum Mindestlohn dar? Für das Fleischerhandwerk in Bayern bestehen Tarifverträge zwischen dem Landesinnungsverband des bayerischen Fleischerhandwerks und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss -Gaststätten. Die Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Tarifvertrag über eine Jahressonderzahlung, Tarifvertrag Altersvorsorge, Entgelttarifvertrag) sind nicht allgemeinverbindlich . Sie gelten deshalb dann, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte tarifgebunden (also Mitglied in Arbeitgeberverband und Gewerkschaft) sind oder im Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag Bezug genommen wird. Zum Verbreitungsgrad ist nichts bekannt. Die Eingruppierung in die verschiedenen Entgeltgruppen (A–K) richtet sich nach der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit. In der untersten Entgeltgruppe A (einfache Tätigkeit mit vorwiegend sich wiederholenden Arbeitsvorgängen , die nach kurzer Einweisung unter Aufsicht ausgeführt werden) beträgt die monatliche Grundvergütung seit dem 1. Mai 2014 1.647,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden. In acht verschiedenen Leistungsstufen kann sich das Entgelt auf bis zu 1.845,00 Euro erhöhen. Die Spanne der Stundenlöhne von 9,75 Euro bis 10,92 Euro in der untersten Entgeltgruppe liegt somit deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Die Tarifvertragsparteien haben sich verpflichtet, im April 2015 Verhandlungen über den Neuabschluss des Entgelttarifvertrages aufzunehmen. 2. Welche faktischen Dokumentationspflichten resultieren aus dem Mindestlohngesetz für die Arbeitgeber im Fleischerhandwerk? Gemäß § 17 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) ist ein Arbeitgeber , der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 8 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (geringfügige Beschäftigung im gewerblichen Bereich) oder in den in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigt, verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Dies gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer oder mehrere Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in einem der in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirt- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.06.2015 17/6751 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6751 schaftszweige überlässt. (Beschäftigungsverhältnisse nach § 8 a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (Minijobs in Privathaushalten ) sind von den Pflichten ausgenommen.) Nach § 1 der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV) werden die Pflicht zur Abgabe einer schriftlichen Anmeldung nach § 16 Absatz 1 oder 3 des MiLoG , die Pflicht zur Abgabe einer Versicherung nach § 16 Absatz 2 oder 4 des MiLoG sowie die Pflicht zum Erstellen und Bereithalten von Dokumenten nach § 17 Absatz 1 und 2 des MiLoG vorbehaltlich des Satzes 3 dahingehend eingeschränkt, dass sie nicht gelten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt brutto 2.958 Euro überschreitet und für die der Arbeitgeber seine nach § 16 Absatz 2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) bestehenden Verpflichtungen zur Aufzeichnung der Arbeitszeit und zur Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen tatsächlich erfüllt. (Die Aufzeichnungspflichten nach § 16 Abs. 2 ArbZG bestehen i. Ü. seit 1994.) Zu den in § 2 a SchwarzArbG genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen gehört die „Fleischwirtschaft “. Nach den Angaben des Deutschen Fleischer-Verbandes (DFV) ist auch das „Fleischerhandwerk“ hierin mit einbezogen. Damit bestehen auch für die Fleischerhandwerksbetriebe die o. g. Dokumentationspflichten. Der DFV hat sich mit Schreiben vom 27. Januar 2015 an Bundesministerin Nahles gewandt und um dringende Klarstellung dahingehend gebeten, dass sich der Begriff „Fleischwirtschaft“ nur auf die „Fleischindustrie“ beziehen solle und nicht die handwerklichen Betriebe der Fleischereien umfassen dürfe. 3. Wie können Gleitzeitregelungen und Arbeitszeitausgleich für punktuelle Spitzenbelastungsphasen der Mindestlohnsystematik gerecht werden, ohne die notwendige Flexibilität im Betriebsablauf zu gefährden ? Die Frage zielt ab auf die Einführung von Arbeitszeitkonten und die Verrechnung von dort eingestellten Plus- und Minusstunden im Vergleich zu der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Die Arbeitszeitregelungen werden durch das MiLoG nicht verändert. Das ArbZG bestimmt dabei eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (48 Stunden) und mittelbar eine weitere Grenze für die Überstunden, die pro Werktag anfallen dürfen (zehn Stunden minus vertraglich vereinbarter täglicher Arbeitszeit; negative Ergebnisse sind dabei in der Regel unzulässig). Die „notwendige Flexibilität im Betriebsablauf“ wird durch § 3 ArbZG eröffnet, nach dem eine höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden auf bis zu zehn Stunden verlängert werden kann. Längere Arbeitszeiten als zehn Stunden können auf Antrag des Arbeitgebers durch die zuständige Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Oberfranken) genehmigt werden, wenn der Antragsteller mit einer Gefährdungsbeurteilung plausibel darlegen kann, dass die längere Arbeitszeit mit der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten vereinbar ist. 4. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um den bürokratischen Aufwand der mit dem Mindestlohn verbundenen Dokumentationspflichten abzumildern ? Die derzeitigen Regelungen des MiLoG sind in vielen Belangen unangemessen und praxisuntauglich, sie belasten und verunsichern insbesondere durch die auch im Zusammenhang mit den vorgeschriebenen Dokumentationspflichten entstehenden überbordenden Bürokratieanforderungen die deutschen Unternehmen in erheblichem Maße. Die Staatsregierung hat sich bereits frühzeitig mit den Vollzugsproblemen des MiLoG befasst. Zu den Umsetzungsproblemen wurde eine Umfrage bei den maßgeblichen Verbänden durchgeführt. Die Auswertung der in der Praxis aufgelaufenen Stellungnahmen zum MiLoG zeigt erheblichen Korrekturbedarf und bestätigt die von der Bayerischen Staatsregierung bereits frühzeitig aufgezeigten Umsetzungsprobleme . Ein überwiegender Anteil der Stellungnahmen enthält Kritik zu den Aufzeichnungspflichten und dem damit verbundenen übermäßigen Bürokratieaufwand. Bei den Regelungen zum gesetzlichen Mindestlohn handelt es sich um Bundesrecht. Auch der Vollzug des MiLoG erfolgt durch Bundesbehörden. Deshalb hat die Bayerische Staatsregierung keine unmittelbaren Möglichkeiten, den übermäßigen bürokratischen Aufwand zu reduzieren. In diesem Zusammenhang hat das StMAS jedoch bereits mit Schreiben vom 16. März 2015 gegenüber dem Bund detailliert die erforderlichen Änderungen aufgezeigt, die Berücksichtigung finden müssen. Die Erörterungen der Vollzugsprobleme des MiLoG auf Bundesebene sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Staatsregierung hält an ihren grundsätzlichen Forderungen weiter fest und fordert entsprechende Änderungen beim Bund ein. Eine der wichtigsten Korrektur- und Klarstellungsforderungen ist die Streichung der Aufzeichnungspflichten für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im gewerblichen Bereich, die Reduzierung der sonstigen Aufzeichnungspflichten insbesondere auch durch Absenkung der o. g. in der MiLoDokV vorgesehenen Gehaltsgrenze von 2.958 € sowie die Streichung der Verknüpfung des MiLoG mit dem ArbZG. 5. Wie soll die Einhaltung der betreffenden Gesetzge- bung künftig kontrolliert werden? Die Einhaltung des allgemeinen Mindestlohns wird nach § 14 MiLoG durch die Behörden der Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) kontrolliert. Als Bundesbehörden unterstehen diese dem Bundesministerium der Finanzen. Die Staatsregierung hat keine direkten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tätigkeit der Behörden der Zollverwaltung. Mit o. g. Schreiben vom 16. März 2015 (vgl. Antwort zu Frage 4) wurde auch auf das Erfordernis einer Anpassung der Kontrollpraxis des Zolls hingewiesen. Ziel muss eine angemessene Prüfpraxis sein, die den Besonderheiten der jeweiligen Branche Rechnung trägt. 6. Welche Kosten erwartet die Staatsregierung für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes auf welcher politischen Ebene? Die Kontrolle der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns (vgl. auch Antwort zu Frage 5) obliegt nach § 14 MiLoG den Bundesbehörden der Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit). Dies ist verbunden mit zusätzlichen Vollzugsaufwendungen in Form höherer Personal- und Sachkosten auf Bundesebene, die nicht quantifiziert werden können . Zusätzliche Kosten für den Freistaat entstehen nicht.