Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm, Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.04.2015 Versicherungen von Asylbewerberunterkünften Wir fragen die Staatsregierung: 1. Welche Versicherungen, die Wohngebäude gegen Brandschäden versichern, verweigern die Versicherung von Asylbewerberunterkünften gegen solche Brandschäden? 2. Anhand welcher Kriterien gestalten Versicherungen die Prämienhöhe bei der Feuerversicherung einer Asylbewerberunterkunft? 3. Wie oft und in welchen Schadenshöhen wurden Wohngebäudeversicherungen und Brandschutzversicherungen bei Asylbewerberunterkünften in Bayern in den Jahren 2013, 2014 und 2015 in Anspruch genommen ? 4.1 Kann die Staatsregierung bestätigen, dass die Versicherungsprämien bei der Brandschutzversicherung einer neu etablierten Asylbewerberunterkunft in der Verwaltungsgemeinschaft Thannhausen im Landkreis Günzburg bei der Neuversicherung um mehr als das Zehnfache teurer waren, als im Vergleich mit der Versicherungsprämie desselben Gebäudes, als es noch keine Asylbewerberunterkunft war? 4.2 Kann die Staatsregierung bestätigen, dass für ein Mietshaus des Landkreises Neustadt/WN in Weiden statt wie bisher etwa 1.200 Euro im Jahr der Brandschutzversicherer nun eine Prämie von rund 10.500 Euro jährlich verlangt? 4.3 Wenn ja, war diese Erhöhung um mehr als das Zehnfache zulässig? 5. Vertritt die Staatsregierung die Meinung, dass hohe Versicherungsprämienkosten bei der derzeitigen Notlage moralisch fragwürdig sind? 6. Liegen der Staatsregierung Erkentnisse vor, wonach Asylbewerberunterkünfte ein höheres Feuerrisiko (versicherte Gefahren: Brand, Blitzschlag, Explosion & Implosion ) haben als vergleichbare Gebäude, wie Hotels oder große Mehrfamilienhäuser? 7. Wie viele Versicherungen in Bayern haben ihre Versicherungsprämien bei Wohngebäudeversicherungen bzw. Brandschutzversicherungen bei der Versicherung von Asylbewerberunterkünften um mehr als 50 und 100 Prozent seit 2010 erhöht? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 26.05.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Welche Versicherungen, die Wohngebäude gegen Brandschäden versichern, verweigern die Versicherung von Asylbewerberunterkünften gegen solche Brandschäden? Namentlich sind derzeit keine Versicherungsunternehmen bekannt, die eine Versicherung von Asylbewerberunterkünften gegen Brandschäden kategorisch verweigern. Es ist bislang auch kein Fall bekannt, in dem eine Asylbewerberunterkunft abschließend nicht gegen Brandschäden versichert werden konnte. 2. Anhand welcher Kriterien gestalten Versicherungen die Prämienhöhe bei der Feuerversicherung einer Asylbewerberunterkunft? Die Versicherer legen bei der Bestimmung der Prämienhöhe eines Gebäudes zahlreiche Kriterien an. Wesentliche Faktoren in der Feuerversicherung sind dabei die private oder gewerbliche Nutzung, die abzudeckende Versicherungssumme , die Betriebsart (Art der Gebäudenutzung), der bauliche Brandschutz (z. B. Bauausführung, Brandwände) und der abwehrende Brandschutz (z. B. Brandmeldeanlage, Sprinkleranlagen). Diese Kriterien gelten für alle Arten der Nutzung, auch für Unterkünfte von Asylbewerbern. 3. Wie oft und in welchen Schadenshöhen wurden Wohngebäudeversicherungen und Brandschutzversicherungen bei Asylbewerberunterkünften in Bayern in den Jahren 2013, 2014 und 2015 in Anspruch genommen? Eine Abfrage bei den Regierungen hat folgende Ergebnisse gebracht: Regierungsbezirk Jahr Ort Schadensbeschreibung Schadenshöhe in EUR Oberbayern 2013 LK Freising (dezentrale Unterkunft) Brandschaden n.b. GU KarlSchmidt - Straße in München Brandschaden Ca. EUR 25.000 2014 LK Tölz (dezentrale Unterkunft) Wasserschaden Unter EUR 10.000 2015 LK Erding (dezentrale Unterkunft) Wasserschaden Ca. EUR 1.500 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.06.2015 17/6780 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6780 n.b. LK Miesbach (dezentrale Unterkunft) Wasserschaden EUR 1.100 Niederbayern 2013 GU Breiten-berg Brandschaden EUR 512.546,03 2014 Unbekannt Brandschaden EUR 4.613,91 2015 - Oberpfalz - Schwaben 2014 GU Nördlin-gen Wasserschaden n.b. n.b. GU Lindau Wasserscha-den EUR 1.500 Unterfranken n.b. Staatl. GU Brandschaden Zwischen EUR 5.000 und EUR 10.000 Oberfranken - Mittelfranken - Es ist zu beachten, dass bei Schäden an Liegenschaften des Freistaats Bayern eine Abwicklung über eine Versicherung nicht erfolgt, da der Freistaat Bayern in diesen Fällen als Selbstversicherer auftritt. 4.1 Kann die Staatsregierung bestätigen, dass die Versicherungsprämien bei der Brandschutzversicherung einer neu etablierten Asylbewerberunterkunft in der Verwaltungsgemeinschaft Thannhausen im Landkreis Günzburg bei der Neuversicherung um mehr als das Zehnfache teurer waren, als im Vergleich mit der Versicherungsprämie desselben Gebäudes , als es noch keine Asylbewerberunterkunft war? Nein, bzgl. der Asylbewerberunterkunft in Thannhausen sind nach Auskunft der Regierung von Schwaben die Versicherungsprämien nicht um das Zehnfache angestiegen. Vor der Nutzung als Asylbewerberunterkunft wurde das Gebäude als Speiselokal mit 3 Wohnungen genutzt; die Versicherungsprämie lag bei ca. EUR 500 pro Jahr. Aktuell beträgt die Versicherungsprämie für die Feuerversicherung EUR 2.221 pro Jahr. 4.2 Kann die Staatsregierung bestätigen, dass für ein Mietshaus des Landkreises Neustadt/WN in Weiden statt wie bisher etwa 1.200 Euro im Jahr der Brandschutzversicherer nun eine Prämie von rund 10.500 Euro jährlich verlangt? Der Landkreis Neustadt an der Waldnaab besitzt in der (kreisfreien) Stadt Weiden kein Mietshaus. Auf Basis der in der Frage genannten Versicherungsprämie i. H. v. EUR 1.200 pro Jahr ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gebäude in Vohenstrauß unweit der Stadt Weiden gemeint. Hier lag die Versicherungsprämie ursprünglich bei EUR 1.200 pro Jahr; genutzt wurde das Gebäude für das Landratsamt (Zulassungswesen), Volkshochschule und Privatwohnungen . Aktuell wird für dieses Gebäude nach Nutzungsänderung als Asylbewerberunterkunft eine Versicherungsprämie von EUR 1.260 pro Jahr bezahlt, mithin keine jährliche Zahlung von EUR 10.500. 4.3 Wenn ja, war diese Erhöhung um mehr als das Zehnfache zulässig? Im Speziellen wird auf die Antworten zu den Ziffern 4.1 und 4.2 verwiesen. Der Markt für Versicherungen ist seit Juli 1994 durch die 3. EU-Richtlinie zur Schadenversicherung dereguliert. Es gibt keine staatlich verordneten Prämien, Prämienobergrenzen etc. Der Versicherungsnehmer hat bei Prämienerhöhungen jedoch ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 40 Versicherungsvertragsgesetz . Die Antwort auf die Frage nach einer Prämienerhöhung hängt immer von der jeweiligen individuellen Ausgangslage ab. Ändert sich die Nutzung des Gebäudes, kann dies zu einer Vervielfachung der Prämie führen. 5. Vertritt die Staatsregierung die Meinung, dass hohe Versicherungsprämienkosten bei der derzeitigen Notlage moralisch fragwürdig sind? Die Kalkulation von Versicherungsprämien unterliegt den im Versicherungsaufsichtsgesetz enthaltenen Mindestanforderungen . Diese hat der Versicherer einzuhalten, hierfür wird er von der Versicherungsaufsicht (BaFin) geprüft. Stehen übernommenes Risiko und Prämie nicht in einem auskömmlichen Verhältnis, läuft der Versicherer Gefahr, seinen Verpflichtungen im Schadensfall nicht nachkommen zu können. Damit verstößt er gegen die im Versicherungsaufsichtsgesetz enthaltenen Kriterien zur Erhaltung der Finanzmarktstabilität , welche zuletzt durch das Aufsichtsregime Solvency II deutlich verschärft wurden. 6. Liegen der Staatsregierung Erkentnisse vor, wonach Asylbewerberunterkünfte ein höheres Feuerrisiko (versicherte Gefahren: Brand, Blitzschlag, Explosion & Implosion) haben als vergleichbare Gebäude, wie Hotels oder große Mehrfamilienhäuser? Der Staatsregierung liegen keine verwertbaren Daten vor, um zum statistischen Feuerrisiko bei Flüchtlingsheimen eine Aussage treffen zu können. Aufgrund der Deregulierung bei der Prämiengestaltung wäre eine solche Aussage ohnehin nur unverbindlich. Jeder Versicherer muss immer eine eigene , unternehmensspezifische Kalkulation durchführen. Versicherer fassen die Nutzungsarten von Gebäuden in Gruppen gleichgelagerter Risiken zusammen, z. B. Wohngebäude , Hotel, Büroflächen oder Schulen. Innerhalb dieser Nutzungsarten werden die Feuerschäden gemessen, in Zeitreihen erfasst und mit statistischen Methoden ausgewertet . Der Versicherer erhält so je Nutzungsart eine Aussage über die Höhe der im langjährigen Mittel pro Jahr auftretenden Schäden. Diese Aussage zu den Schäden ist eine wesentliche Grundlage der unternehmensindividuellen Prämienkalkulation. Zwischen allen gängigen Nutzungsarten bestehen deutliche Unterschiede in den gemessenen Schadenbedarfen für die Feuergefahr. Dies trifft selbst auf vermeintlich vergleichbare Nutzungsarten wie Büroflächen und Gebäude der öffentlichen Verwaltung zu. 7. Wie viele Versicherungen in Bayern haben ihre Versicherungsprämien bei Wohngebäudeversicherungen bzw. Brandschutzversicherungen bei der Versicherung von Asylbewerberunterkünften um mehr als 50 und 100 Prozent seit 2010 erhöht? Diese Frage kann nicht beantwortet werden, da es sich nicht um eine pauschale Erhöhung der Versicherungsprämien handelt, sondern um eine Risikobewertung im Einzelfall. Ein abschließender Überblick über sämtliche Versicherungsunternehmen ist nicht möglich, da hierfür alle national und international agierenden Versicherungsunternehmen erfasst werden müssten.