Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13.04.2015 Todesfall in der JVA Straubing am 22. Januar 2015 Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zur Klärung der Umstände des Todesfalls in der JVA Straubing am 22. Januar 2015 inzwischen abgeschlossen worden ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, bis wann ist damit zu rechnen? 2. Liegen die Ergebnisse der Obduktion vor? Wenn ja, hat diese Hinweise ergeben, die auf ein Fremdverschulden hindeuten? 3. Welche Schlussfolgerungen wurden aus diesem Todesfall gezogen? Was unternimmt die Staatsregierung, um künftig derartige Fälle zu verhindern? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 1.06.2015 Zu 1.: Das Verfahren 131 UJs 110238/15 der Staatsanwaltschaft Regensburg – Zweigstelle Straubing – wurde mit Verfügung vom 2. März 2015 eingestellt, da ein Fremdverschulden nicht feststellbar war. Zu 2.: Das Institut für Rechtsmedizin der Universität ErlangenNürnberg führte am 22. Januar 2015 die Obduktion durch. Zu ihrem Ergebnis führt das Sektionsprotokoll vom 9. Februar 2015 zusammenfassend aus: „Nach den Ergebnissen der rechtsmedizinischen Leichenöffnung verstarb Herr M. U. letztlich durch zentrale Lähmung aufgrund atypischen Erhängens auf nicht natürliche Weise. Hinweise auf eine Gewalteinwirkung durch fremde Hand, die in ursächlichem Zusammenhang mit dem Todeseintritt zu sehen wäre, fanden sich bei der Sektion nicht.“ Zu 3.: Der Suizid des Strafgefangenen U. am 22. Januar 2015 wurde in der Justizvollzugsanstalt Straubing – wie in solchen Fällen üblich – intern intensiv aufgearbeitet. Eine Befragung des für den Verstorbenen zuständigen Betreuungspersonals hat ergeben, dass es keinerlei Anzeichen für eine Suizidalität gab. Es handelt sich offenbar um einen sogenannten Bilanzsuizid, der „im Verborgenen“ geplant worden ist. In der Justizvollzugsanstalt Straubing wird weiterhin – wie im gesamten bayerischen Justizvollzug – ein besonderes Augenmerk auf das Thema Suizidprophylaxe gelegt werden. Der bayerische Justizvollzug misst der Suizidprävention eine sehr hohe Bedeutung bei, um das ihm anvertraute Rechtsgut des Lebens bestmöglich zu schützen. Die bayerischen Justizvollzugsanstalten unternehmen alles ihnen Mögliche, um bei Gefangenen eine etwaige Suizidgefahr zu erkennen und ihr gegebenenfalls schon im Ansatz entgegenzuwirken . Bereits beim Zugang der Gefangenen wird sowohl im Rahmen einer obligatorischen ärztlichen Untersuchung als auch im Rahmen eines Zugangsgesprächs ein besonderes Augenmerk auf das Erkennen einer Suizidgefahr gelegt. Beim Zugang suizidgefährdeter Gefangener erfolgen zudem häufig Hinweise von dritter Seite an die Anstalten, etwa von Angehörigen, von der Polizei, von dem die Inhaftierung anordnenden Gericht oder von anwaltlichen Vertretern der Betroffenen. Gefangene, bei denen eine Suizidgefahr erkannt wird, erfahren umgehend psychologische oder psychiatrische Betreuung durch die Fachdienste der Anstalten oder durch externe Psychologen und Psychiater. Daneben können im Einzelfall besondere Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Gefangenen angeordnet werden. Die Maßnahmen werden dabei jeweils auf den konkreten Einzelfall abgestimmt und können beispielsweise eine gemeinschaftliche Unterbringung mit besonders zuverlässigen Mitgefangenen, eine verstärkte Aufsicht durch Bedienstete, eine Unterbringung in einem Raum mit Videoüberwachung oder in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährliche Gegenstände umfassen. Ist eine psychiatrische oder neurologische Behandlung erforderlich, werden die Gefangenen für die Dauer der Behandlungsbedürftigkeit in die Justizvollzugsanstalten Straubing oder Würzburg überstellt, wo jeweils eine akut-psychiatrische Abteilung eingerichtet ist. Darüber hinaus ist auch das übergreifend positiv bewertete und 2013 mit dem Suizidpräventionspreis der Bundesarbeitsgruppe „Suizidprävention im Justizvollzug“ im Nationalen Suizid-Präventionsprogramm ausgezeichnete „Listener-Projekt“ in der Justizvollzugsanstalt München ein wichtiger Baustein zur effektiven Suizidvorsorge. Seit Februar 2011 besteht in der Justizvollzugsanstalt München die Möglichkeit, einem als latent suizidgefährdet eingestuften Neuzugang einen besonders geschulten Mitgefangenen aus der sozialtherapeutischen Abteilung als sogenannten „Listener“ – als Zuhörer und Ansprechpartner – für die erste Nacht zuzuteilen. Neben der Entlastung, in den ersten Stunden nicht alleine zu sein und einen Ansprechpartner zu haben , sind darüber hinaus auch konkrete Informationen zum möglichen Verfahrensablauf und zur Haft in der Justizvollzugsanstalt für den Neuzugang hilfreich, um die akute Belastungssituation zu entschärfen. Nach dem peer-to-peer- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.06.2015 17/6792 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6792 Prinzip erfolgt das Engagement der „Listener“ ehrenamtlich ohne Bezahlung. Sie werden im Rahmen von Schulungen in den Grundprinzipien der Krisenintervention auf ihre Tätigkeit vorbereitet und in regelmäßigen Gesprächen sowie in Einzel- und Gruppenbetreuung bei ihrer Aufgabe unterstützt . Die Auswertung des Listener-Projekts zeigt, dass von den betreuten Gefangenen der Listener-Einsatz ganz überwiegend positiv gesehen wird. Insbesondere wird geschätzt , dass auf „Augenhöhe“ Probleme besprochen und Gefangenen die Ängste vor der Haft genommen werden können. Im Laufe des letzten Jahres ist es gelungen, das Listener-Konzept auch auf die Justizvollzugsanstalten St. Georgen-Bayreuth und Bernau auszuweiten. Eine Ausweitung auf weitere Justizvollzugsanstalten wird derzeit geprüft. Um die Vollzugsbediensteten dafür zu sensibilisieren, Anzeichen für Suizidgedanken bei Gefangenen zu erkennen, ist das Thema Suizidprophylaxe ein wichtiger Gegenstand der Aus- und Fortbildung. So vermitteln beispielsweise erfahrene Anstaltspsychologen regelmäßig an der Bayerischen Justizvollzugsschule in Straubing im Rahmen von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen die neuesten Erkenntnisse zum Thema Suizidprophylaxe. Ferner wird den Justizvollzugsbediensteten ein Informationsblatt „Suizide und Suizidversuche im Justizvollzug“ an die Hand gegeben, in dem den Mitarbeitern nochmals die Problematik verdeutlicht wird und vorbeugende Maßnahmen im Umgang mit den Gefangenen aufgezeigt werden. Daneben ist der Initiator des Listener-Projekts in der Justizvollzugsanstalt München, Herr Regierungsdirektor Dr. Pecher, Mitglied in der Bundesarbeitsgruppe „Suizidprävention im Justizvollzug“, sodass neue Erkenntnisse im Bereich der Suizidprävention regelmäßig in die Vollzugsgestaltung in den bayerischen Justizvollzugsanstalten einfließen.