Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.04.2015 LfL-Ratgeber Unkrautmanagement Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele und welche der im Praxisratgeber 2012 „Umweltmanagement auf Wiesen und Weiden“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) als „Giftpflanzen “, „minderwertige Platzräuber“ oder „fakultative Unkräuter und Ungräser“ genannten Arten sind Bestandteil der Roten Liste gefährdeter Pflanzen in Bayern (bitte Angaben zu allen Arten der Gattungen, insbesondere Allium sp., Juncus sp., Senecio sp., Geranium sp. und „Sträucher, verholzte Unkräuter und Brombeeren“)? 2. Wie wird durch die Landesanstalt für Landwirtschaft oder den einzelnen Bewirtschafter sichergestellt, dass durch den Einsatz chemischer Mittel nicht auch Pflanzen in Mitleidenschaft gezogen werden, die Bestandteil der Roten Liste gefährdeter Pflanzen in Bayern sind? 3. Wie ist die Umsetzung des Ratgebers, der Binsen (Juncus sp.) als „minderwärtige Platzräuber“ bezeichnet, mit § 30 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in Einklang zu bringen, der ein Verbot von Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung von binsenreichen Nasswiesen führen, vorsieht? 4. Inwiefern trägt die Umsetzung des Ratgebers zur Erreichung des Zieles der Bayerischen Biodiversitätsstrategie bei, welches vorsieht, bis 2020 die Gefährdungssituation von mehr als der Hälfte der Rote-Liste-Arten zu verbessern ? 5. Wie passt die Umsetzung des Ratgebers zur Wiesenmeisterschaft der Landesanstalt für Landwirtschaft, bei welcher „arten- und blütenreiche Wiesen gesucht“ werden und insbesondere der Artenreichtum bewertet wird? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 08.06.2015 1. Wie viele und welche der im Praxisratgeber 2012 „Umweltmanagement auf Wiesen und Weiden“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) als „Giftpflanzen“, „minderwertige Platzräuber“ oder „fakultative Unkräuter und Ungräser“ genannten Arten sind Bestandteil der Roten Liste gefährdeter Pflanzen in Bayern (bitte Angaben zu allen Arten der Gattungen, insbesondere Allium sp., Juncus sp., Senecio sp., Geranium sp. und „Sträucher, verholzte Unkräuter und Brombeeren“)? Bei dem angegebenen Ratgeber handelt es sich um eine Gemeinschaftsproduktion der österreichischen und bayerischen Offizialberatung mit dem Ziel, Hinweise für eine standort- und nutzungsgerechte Pflege von Wirtschaftsgrünland zu geben. Herausgeber sind das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI) in Linz und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Mit dem Ratgeber sollen Hinweise für eine standort- und nutzungsgerechte Pflege von Wirtschaftsgrünland gegeben werden. Wesentliche Zielsetzung bei der Bewirtschaftung von Dauergrünland ist es, für eine artenreiche und stabile Narbenzusammensetzung aus wertvollen Gräsern, Leguminosen und Kräutern Sorge zu tragen. Gleichwohl kann sich aber die Narbenzusammensetzung bei Wirtschaftsgrünland im Verlauf eines längeren Prozesses dahingehend verändern , dass sich durch ein übermäßiges Auftreten einzelner Arten die Verwertungsqualität des Aufwuchses signifikant verschlechtert oder beim vermehrten Auftreten von Giftpflanzen eine Futternutzung sogar unmöglich wird. In dem Ratgeber werden daher Pflege- und Regulierungsmöglichkeiten aufgezeigt, um die Ausbreitung unerwünschter Pflanzen im Wirtschaftsgrünland zu vermeiden. Der in Einzelfällen notwendige, gezielte Herbizideinsatz ist dabei als „letzter Schritt“ im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes zu verstehen. In dem Ratgeber werden für keine Pflanzenart, die auf der Roten Liste für seltene und gefährdete Pflanzen in Bayern aufgeführt ist, Maßnahmen zur Regulierung oder gezielten Bekämpfung empfohlen. Unabhängig davon sind jedoch in dem Ratgeber verschiedene Gattungen genannt, ohne dass eine weitere Differenzierung in Arten vorgenommen wurde . Es handelt sich hierbei um die Listung der Gattungen Senecio sp., Allium sp., Geranium sp., Juncus sp., Galium sp. und Rubus sp.. Zur Vermeidung von Fehlinterpretationen durch die Praxis wurde daher bereits in der überarbeiteten Auflage im Jahr 2013 im Vorwort ein Hinweis zum Naturschutz mit aufgenommen , dass geschützte Pflanzenarten und -bestände durch Pflegemaßnahmen nicht geschädigt werden dürfen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.07.2015 17/6954 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6954 2. Wie wird durch die Landesanstalt für Landwirtschaft oder den einzelnen Bewirtschafter sichergestellt, dass durch den Einsatz chemischer Mittel nicht auch Pflanzen in Mitleidenschaft gezogen werden, die Bestandteil der Roten Liste gefährdeter Pflanzen in Bayern sind? Pflanzenarten der Roten Liste Bayern unterliegen je nach Art einem rechtlichen Schutzstatus als besonders oder streng geschützte Arten. Eine Beeinträchtigung dieser Arten ist somit nicht zulässig. Auf diese Grundlage, dass geschützte Pflanzenarten und Pflanzenbestände nicht geschädigt werden dürfen, wird im Vorwort der aktuellen Auflage 2013 des Ratgebers ausdrücklich hingewiesen (s. auch Antwort zu Frage 1). 3. Wie ist die Umsetzung des Ratgebers, der Binsen (Juncus sp.) als „minderwärtige Platzräuber“ bezeichnet , mit § 30 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in Einklang zu bringen, der ein Verbot von Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung von binsenreichen Nasswiesen führen, vorsieht? Die meisten Binsenarten (Juncus sp.) treten bevorzugt auf frischem bis feuchtem Grünland auf und sind Zeigerpflanzen für Bodenverdichtungen, eine eher saure Bodenreaktion und eine mäßige bis geringe Stickstoffversorgung. Die häufigsten auf Wirtschaftsgrünland vorkommenden Binsen sind die Flatter-Binse (J. effusus) und die Glieder-Binse (J. articulatus). Beide heimischen Arten zählen in Bayern aufgrund ihres häufigen Vorkommens nicht zu den gefährdeten Pflanzenarten. Binsen zählen aufgrund des sehr geringen Futterwertes im Wirtschaftsgrünland zu den unerwünschten Pflanzen, die in der Produktionspraxis auch als „minderwertige Platzräuber “ aufgrund ihrer Verdrängung von hochwertigen Futterpflanzen bezeichnet werden. Die vorwiegend auf Wirtschaftsgrünland vorkommenden Binsen J. articulatus und J. effusus sind keine Kennarten für die Klassifizierung bestimmter Wiesentypen bzw. Grünlandpflanzengesellschaften und sind somit auch nicht für die Zuordnung von Grünlandflächen zu einem bestimmten Biotop geeignet. Die in § 30 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG als geschützt angesprochenen seggen- und binsenreichen Nasswiesen sind Biotope, die neben einem hohen Anteil an Sauergräsern aufgrund der spezifischen Standortmerkmale eine hohe Bedeutung für den Arten- und Naturschutz aufweisen. Hinsichtlich der pflanzensoziologischen Charakterisierung handelt es sich bei diesen Biotopen um Mädesüß-HochstaudenFluren , Sumpfpippau-Waldbinsen-Quellwiesen, Klein- und Großseggenriede oder Röhricht-Gesellschaften. Diese Grünlandflächen werden vorwiegend im Rahmen der Landschaftspflege durch extensive Beweidung unterhalten, als einschürige Streuwiesen gepflegt oder unterliegen keiner unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzung. Der Praxisratgeber „Unkrautmanagement auf Wiesen und Weiden“ bezieht sich dagegen auf die Pflege und Bestandsregulierung von ertragreichem Wirtschaftsgrünland, zu dem die genannten seggen- und binsenreichen Nasswiesen nicht gehören. Die Regulierungsempfehlungen bei sporadisch auf intensiv genutztem Wirtschaftsgrünland vorkommenden Binsen als Einzelpflanzen oder Solitärhorsten kann daher nicht als Widerspruch zum Verbot einer Zerstörung oder erheblichen Beeinträchtigung geschützter Biotope nach § 30 Abs. 2 BNatSchG gesehen werden. 4. Inwiefern trägt die Umsetzung des Ratgebers zur Erreichung des Zieles der Bayerischen Biodiversitätsstrategie bei, welches vorsieht, bis 2020 die Gefährdungssituation von mehr als der Hälfte der RoteListe -Arten zu verbessern? Seltene und geschützte Pflanzenarten der Roten Liste der Gefäßpflanzen Bayerns zeichnen sich durch artspezifische Standortansprüche aus, die zu einem Vorkommen dieser Arten im Grünland auf vorwiegend extensiv bewirtschafteten und naturnahen Grünlandflächen führt. Die Bayerische Biodiversitätsstrategie entspricht in der Umsetzung auf dem Grünland vorrangig dem Schutz entsprechend artenreicher Standorte und Wiesentypen. Diese Zielsetzung soll v. a. über die im Rahmen der Förderung angebotenen Agrarumweltmaßnahmen realisiert werden. Der Praxisratgeber dient dagegen vorrangig der Verbesserung und Optimierung der Grundfutterproduktion auf dem Wirtschaftsgrünland. 5. Wie passt die Umsetzung des Ratgebers zur Wiesenmeisterschaft der Landesanstalt für Landwirtschaft, bei welcher „arten- und blütenreiche Wiesen gesucht “ werden und insbesondere der Artenreichtum bewertet wird? Grünland zeichnet sich nicht nur durch eine vielfältig zusammengesetzte Pflanzengesellschaft mit durchschnittlich rund 20 verschiedenen Pflanzenarten aus, sondern besitzt auch sehr unterschiedliche Nutzungsschwerpunkte. Neben dem intensiv bewirtschafteten Wirtschaftsgrünland, auf dessen Pflege und Bestandsregulierung der Praxisratgeber primär abzielt, gibt es in Bayern erhebliche Flächenanteile von standortspezifisch extensiv bewirtschaftetem Grünland und Biotopgrünland, bei dem der Natur- und Artenschutz im Vordergrund steht. Die Existenz eines Ratgebers für das Unkrautmanagement auf ertragsorientiert bewirtschafteten Flächen und die gleichzeitig bestehenden Aktivitäten der LfL zur Förderung artenreicher Wiesen und Weiden stellen daher keinen Widerspruch dar. Vielmehr wird hier den unterschiedlichen Nutzungsformen der Grünlandbewirtschaftung in Bayern Rechnung getragen.