Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 29.04.2015 Freihandelsabkommen Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche bayerischen Gemeinden, Städte und Land- kreise haben sich zwischenzeitlich (Stand April 2015) per Beschluss kritisch zu Freihandelsabkommen bzw. sogar gegen Freihandelsabkommen wie TTIP ausgesprochen , aufgeschlüsselt nach: a) den einzelnen Kommunen, die Freihandelsabkommen grundsätzlich ablehnen, und b) den einzelnen Kommunen, die sich kritisch äußerten? 2. Welche Vertreterinnen und Vertreter der Staatsregie- rung einschließlich der Ebene der Abteilungsleiter in den einzelnen Ministerien haben in den Jahren seit 2012 Gespräche mit Interessenvertretern der Befürworter von Freihandelsabkommen wie TTIP geführt? 3. Welche Vertreterinnen und Vertreter der Staatsregie- rung einschließlich der Ebene der Abteilungsleiter in den einzelnen Ministerien haben in den Jahren seit 2012 Gespräche mit Interessenvertretern der Gegner von Freihandelsabkommen wie TTIP geführt? 4. In welchen Bereichen sieht die Staatsregierung noch konkreten Verbesserungsbedarf bei Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP, um negative Folgen für Bayerns Wirtschaft, Handwerk, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Bevölkerung zu verhindern? 5. In welcher Weise hat die Staatsregierung die unter Nr. 4 umrissenen Problemfelder bei den Freihandelsabkommen bislang zur Grundlage genommen, um auf Ebene des Bundes bzw. auf europäischer Ebene auf entsprechende Korrekturen der Abkommen zu dringen , aufgeschlüsselt nach: a) einzelne politische Initiativen auf Bundesebene und b) einzelne politische Initiativen auf Europaebene? Antwort der Staatsministerin für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen in der Staatskanzlei vom 12.06.2015 Die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Welche bayerischen Gemeinden, Städte und Landkreise haben sich zwischenzeitlich (Stand April 2015) per Beschluss kritisch zu Freihandelsabkommen bzw. sogar gegen Freihandelsabkommen wie TTIP ausgesprochen, aufgeschlüsselt nach: a) den einzelnen Kommunen, die Freihandelsabkommen grundsätzlich ablehnen, und b) den einzelnen Kommunen, die sich kritisch äußerten ? Wegen des engen Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 a und 1 b zusammen beantwortet. Der Staatsregierung liegt keine Übersicht vor, welche bayerischen Gemeinden, Städte und Landkreise zu Freihandelsabkommen wie der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) einen Beschluss gefasst haben. Die Beschlussfassung ist eine Angelegenheit im eigenen Wirkungskreis der Gemeinden, Städte und Landkreise und wird der Staatsregierung nicht notwendigerweise mitgeteilt. Rund 70 bayerische Gemeinden, Städte und Landkreise haben sich in den letzten Monaten zu den Freihandelsabkommen TTIP (USA), CETA (Kanada) und dem plurilateralen Dienstleistungsabkommen TiSA an die Staatsregierung gewandt. Eine überwiegende Anzahl davon hat sich einer Resolution der kommunalen Spitzenverbände und dem Verband kommunaler Unternehmen auf Bundesebene angeschlossen oder eigene Resolutionen übermittelt und dabei insbesondere Sorgen im Bereich der Organisation der Daseinsvorsorge auf der örtlichen Ebene in Zusammenhang mit den geplanten Abkommen zum Ausdruck gebracht und die Wahrung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gefordert. Die Staatsregierung hat mit entsprechenden Informationen zum Sachstand der Verhandlungen allgemein und im Besonderen bezüglich der Daseinsvorsorge zu den genannten Abkommen die vorgetragenen Fragen und Anliegen beantwortet. Die Resolution der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene, auf die zahlreiche bayerische Gemeinden, Städte und Landkreise in ihren Schreiben verwiesen haben , befürwortet grundsätzlich die Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen TTIP (USA) und CETA (Kanada). Sie unterstützt das mit den Abkommen verfolgte Ziel, durch Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.07.2015 17/6993 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/6993 den Abbau von Handelshemmnissen und die Verbesserung der Investitionsbedingungen die Schaffung von Arbeitsplätzen zu befördern. Gleichzeitig weist sie auf die Sorgen der Spitzenverbände hin, dass die Abkommen auch Risiken für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die durch die Kommunen und ihre Unternehmen verantwortet und erbracht werden, bergen könnten, und fordert dazu auf, diese Risiken auszuschließen. Auch die bayerischen kommunalen Spitzenverbände haben sich dieser Position der kommunalen Spitzenverbände und des Verbands kommunaler Unternehmen auf Bundesebene angeschlossen. Der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge ist aus Sicht der Staatsregierung ganz zu Recht ein zentrales Petitum der Bürgerinnen und Bürger, der Kommunen sowie der kommunalen Spitzenverbände. Die Bayerische Staatsregierung steht deshalb seit Ende 2013 zu den geplanten Abkommen in regelmäßigem Austausch mit den bayerischen kommunalen Spitzenverbänden. Die Bayerische Staatsregierung wird – ebenso wie die Bundesregierung – in den Verhandlungen darauf achten, dass Freihandelsabkommen wie TTIP die Entscheidungs- und Regelungsbefugnis der Kommunen nicht infrage stellen und dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht Rechnung tragen. Bereits Anfang 2014 hat die EU-Kommission der Staatsregierung mitgeteilt, dass eine Ausnahme – in der rechtlichen Form sogenannter Vorbehalte – für den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge, also auch der Trinkwasserversorgung , für TTIP vorgesehen wird. Am 20. März 2015 haben EU-Handelskommissarin Malmström und US-Handelsbeauftragter Froman nochmals in einer gemeinsamen Erklärung bestätigt, dass die öffentliche Daseinsvorsorge durch TTIP nicht angetastet wird. Dort unterstreichen die beiden für die Verhandlungen verantwortlichen Politiker, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in allen Bereichen (Wasser, Bildung, Gesundheit, Sozialdienstleistungen etc.) uneingeschränkt geschützt bleibt. Sie betonen unmissverständlich, dass TTIP weder einen Zwang zur Privatisierung beinhalten werde, noch die Möglichkeiten der Rekommunalisierung von privaten Dienstleistungen der Daseinsvorsorge einschränke . Auch sei die Regulierungshoheit der Regierungen für die Aufrechterhaltung hoher Qualitätsstandards in der öffentlichen Daseinsvorsorge im Sinne von Gemeinwohlzielen wie Gesundheit, Sicherheit oder Umwelt von TTIP nicht berührt. Die gemeinsame Erklärung ist zu finden unter dem folgenden Link: http://europa.eu/rapid/press-release_STATEMENT- 15-4646_de.htm Im bereits vorliegenden Text zum CETA-Abkommen sind neue Marktöffnungsverpflichtungen für den Bereich der Daseinsvorsorge ausgeschlossen. CETA enthält den in anderen Freihandelsabkommen sowie im WTO-Dienstleistungsübereinkommen GATS (General Agreement on Trade in Service) üblichen allgemeinen Vorbehalt für die sog. public utilities (Daseinsvorsorge). Diese seit 20 Jahren bewährte Ausnahmeregel deckt alle Bereiche ab, die in Deutschland unter „Daseinsvorsorge“ verstanden werden. Zusätzlich zu dieser allgemeinen, umfassenden Ausnahmeregel wurden weitere ausdrückliche Vorbehalte z. B. zum Bereich Trinkwasserversorgung , Abwasser oder auch zu den öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen getroffen. Im Bereich der Daseinsvorsorge ist bei CETA auch der Politikspielraum für die Zukunft sichergestellt, indem dort auch Rekommunalisierungen möglich sind. Für TTIP plant die EU-Kommission entsprechende Regelungen. 2. Welche Vertreterinnen und Vertreter der Staatsregierung einschließlich der Ebene der Abteilungsleiter in den einzelnen Ministerien haben in den Jahren seit 2012 Gespräche mit Interessenvertretern der Befürworter von Freihandelsabkommen wie TTIP geführt? 3. Welche Vertreterinnen und Vertreter der Staatsregierung einschließlich der Ebene der Abteilungsleiter in den einzelnen Ministerien haben in den Jahren seit 2012 Gespräche mit Interessenvertretern der Gegner von Freihandelsabkommen wie TTIP geführt? Die Fragen 2 und 3 werden wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Seit Mitte 2013 ist das Abkommen TTIP ein erheblicher Bestandteil der täglichen Verwaltungsarbeit der im Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie in der Bayerischen Staatskanzlei federführend zuständigen Referate. Aber auch in allen anderen betroffenen Ministerien begleiten die zuständigen Fachreferate die Verhandlungen zu den geplanten Abkommen zu ihren Fachthemen kontinuierlich. Regelmäßig werden bei Gesprächen auf politischer Ebene wie auch auf Arbeitsebene die geplanten Abkommen von den Interessensvertretern (bspw. Bund Naturschutz, kommunale Spitzenverbände, Bayerischer Bauernverband, Industrie - und Handelskammern, Handwerkskammern, Unternehmensvertreter etc.) angesprochen. Auch darüber hinaus findet im Rahmen der Ressortzuständigkeit und der Verwaltungsarbeit ein kontinuierlicher Austausch mit Interessensvertretern , unabhängig von ihrer Haltung, zu den Abkommen statt. Die Staatsregierung befasst sich mit den Anliegen der Befürworter wie Gegner gleichermaßen und nimmt die Anliegen von Kammern, Verbandsvertretern, NGOs, ebenso wie von Landkreisen, Städten, Gemeinden und Bürgern auf. Eine Auflistung dieses sehr vielfältigen und umfassenden Austausches kann nicht erstellt werden, da die Abkommen häufig eines von zahlreichen Gesprächsthemen darstellen und regelmäßig auch in Zusammenhang mit anderen Anliegen eingebracht werden. 4. In welchen Bereichen sieht die Bayerische Staats- regierung noch konkreten Verbesserungsbedarf bei Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP, um negative Folgen für Bayerns Wirtschaft, Handwerk , Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Bevölkerung zu verhindern? Die Staatsregierung setzt sich auf allen Ebenen kontinuierlich für die Anliegen Bayerns bei den genannten Freihandelsabkommen ein. Zur vorläufigen Bewertung des veröffentlichen Vertragsentwurfes zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) wird verwiesen auf den Bericht der Bayerischen Staatsministerinnen für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen an den Landtag vom März 2015. Beim Freihandelsabkommen der EU mit den USA laufen die Verhandlungen noch. Es gibt noch in keinem einzigen Kapitel ausverhandelte Texte, sondern nur Verhandlungsangebote der EU auf der einen und der USA auf der anderen Seite. Zur Positionierung der Staatsregierung und dem aktuellen Handlungsbedarf, der gesehen wird, wird im Detail verwiesen auf die drei Berichte der Bayerischen Staatsministerinnen für Wirtschaft und Medien, Energie und Tech- Drucksache 17/6993 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nologie sowie für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen an den Landtag vom 31. Januar 2014, vom 3. Juni 2014 sowie vom 13. Oktober 2014. Im Juni 2015 wird voraussichtlich der vierte Bericht zu TTIP an den Landtag übermittelt werden, der ebenfalls auf die Haltung der Staatsregierung zu aktuellen Themen in TTIP eingeht und zum aktuellen Verhandlungsstand informiert. 5. In welcher Weise hat die Staatsregierung die unter Nr. 4 umrissenen Problemfelder bei den Freihandelsabkommen bislang zur Grundlage genommen, um auf Ebene des Bundes bzw. auf europäischer Ebene auf entsprechende Korrekturen der Abkommen zu dringen, aufgeschlüsselt nach: a) einzelne politische Initiativen auf Bundesebene und b) einzelne politische Initiativen auf Europaebene? Wegen des engen Sachzusammenhangs werden die Fragen a und b zusammen beantwortet. Die Staatsregierung setzt sich auf allen Ebenen gegenüber der Bundesregierung, der EU-Kommission aber auch gegenüber den Verhandlungspartnern direkt für die Anliegen Bayerns bei den genannten Freihandelsabkommen ein. Beispiele hierfür sind: – Regelmäßige Schreiben der beiden federführend zustän- digen Bayerischen Staatsministerinnen für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen an die Bundesregierung und an die EU-Kommission zu aktuellen Anliegen Bayerns. – Delegationsreise von Staatsministerin Dr. Beate Merk im April 2014 zu TTIP nach Washington D. C. mit Vertretern des Landtags, des Bund Naturschutz, des Bayerischen Bauernverbands, der Industrie- und Handelskammern, des Verbands der Maschinen- und Anlagenbauer, der Arbeitsgemeinschaft Bayerische Ernährungswirtschaft e.V. sowie weiteren Experten. – Weitere Reise von Staatsministerin Dr. Beate Merk im April 2015 nach Washington D. C., u. a. Gespräche mit stellvertretendem US-Handelsbeauftragten Michael Punke , mit Kongressvertretern sowie dem US-Außenministerium . – Diverse politische Gespräche, z. B. von Staatsministerin Dr. Beate Merk mit EU-Handelskommissarin Malmström oder dem kanadischen Handelsminister Ed Fast; von Staatsministerin Ilse Aigner mit der US-Wirtschaftsministerin Penny Pritzker. – Diverse Veranstaltungen zu TTIP in Bayern und in der Bayerischen Vertretung in Brüssel. – Enge Begleitung des Themas seitens der Staatsregierung in den entsprechenden Fachministerkonferenzen sowie dem Ausschuss der Regionen. – Teilnahme der Staatsregierung an der Konsultation der EU-Kommission zum Investitionsschutz. – Kontinuierlicher Austausch auf Arbeitsebene zwischen Mitarbeitern der obersten Landesbehörden und den entsprechenden Stellen der Bundesregierung (bspw. BundLänder -Besprechungen) und der EU-Kommission zu den aktuellen Anliegen Bayerns.