Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Markus Ganserer, Christine Kamm, Verena Osgyan vom 28.04.2015 Tod eines 45-Jährigen nach Polizeigewahrsam in Nürnberg Am 21. April 2015 ist ein Mann nach seinem Zusammenbruch in einer Polizeihaftzelle in Nürnberg anschließend im Krankenhaus verstorben. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Wie kam es zu diesem Todesfall und welche Todesursache ist festgestellt worden? 2. Wie kam es dazu, dass sich der Mann zum Zeitpunkt seines Zusammenbruchs im polizeilichen Gewahrsam befand ? 3. Weshalb wurde gegen den Mann Pfefferspray eingesetzt und ist der Einsatz des Pfeffersprays als adäquat kausal bzw. kausal für dessen Tod anzusehen? 4. Stand der Mann zum Zeitpunkt der Festnahme unter Alkohol - oder Drogeneinfluss? 5. Wenn ja, weshalb wurde keine medizinische Hilfe hinzugezogen ? 6. Welche Schlüsse zieht die Staatsregierung aus diesem Todesfall für die Zukunft? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 09.06.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Einleitend darf ich darauf hinweisen, dass der Todesfall vom 22. April 2015 nach einer Gewahrsamnahme bei der Polizeiinspektion Nürnberg-Süd derzeit von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth unter Gz. 822 Js11637/15 überprüft wird. Die polizeilichen Ermittlungen führt das Bayer. Landeskriminalamt und sind noch nicht abgeschlossen. 1. Wie kam es zu diesem Todesfall und welche Todesursache ist festgestellt worden? Bezüglich der Umstände, die zum Todesfall am 22. April 2015 im Klinikum Nürnberg-Süd führten, darf ich auf die nachfolgende Antwort zu Frage 2 verweisen. Der schriftliche Bericht zu der am 23. April 2015 durchgeführten Obduktion wurde in der 21. Kalenderwoche über die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth dem Bayer. Landeskriminalamt zugeleitet. Dem Bericht ist zu entnehmen: „Demnach konnte bei der Sektion die in der von der Klinik erstellten Todesbescheinigung geäußerten Todesursache eines zentralen Regulationsversagens bestätigt werden. Es fanden sich die Zeichen einer allgemeinen, irreversiblen Sauerstoffmangelschädigung des Gehirnes. Die vorbestehenden Erkrankungen repräsentieren in ihrer Gesamtheit den Zustand einer erheblichen, kritisch verminderten Belastbarkeit des Körpers des Verstorbenen. Aus rechtsmedizinischer Sicht kann bei der Bewertung der bisher vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen werden , dass es im Rahmen der aus dem Ermittlungsergebnis bekannt gewordenen Verhaltensauffälligkeit des Verstorbenen zu erheblichen körperlichen Belastungen und dadurch zu einem Herzstillstand gekommen sein kann. Es fanden sich keine Zeichen einer todesursächlichen oder wesentlich mitverursachenden Gewalteinwirkung auf den Körper des Verstorbenen. Die vorgefundenen Verletzungen sind als Bagatellverletzungen zu interpretieren und können einer körperlichen Auseinandersetzung im Rahmen des geschilderten Vorganges zugeordnet werden. Durch die vorliegenden Mitteilungen der Klinikbefunde einschließlich der Laborbefunde wird die Annahme einer Intoxikation, zum Beispiel durch Reizgasverwendung, aber auch im Rahmen einer allergischen Reaktion in keiner Weise nahegelegt. Insgesamt gesehen kann derzeit aufgrund der bisherigen Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass infolge der erheblichen organischen Vorschäden (…) und der dadurch eingeschränkten kardiopulmonalen Belastbarkeit im Rahmen der körperlichen Auseinandersetzung ein Kreislaufversagen hervorgerufen wurde, das über die irreversible Schädigung des Gehirns den Todeseintritt herbeigeführt hat. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.07.2015 17/7012 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7012 2. Wie kam es dazu, dass sich der Mann zum Zeitpunkt seines Zusammenbruchs im polizeilichen Gewahrsam befand? Am 21. April 2015, 15.26 Uhr, wurde der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Mittelfranken über Notruf mitgeteilt, dass in einer Asylbewerberunterkunft am Nürnberger Hafen ein Mann eine Türe einschlagen wolle. Eine Streifenbesatzung der Polizeiinspektion NürnbergSüd fuhr zum Einsatzort. Ein 45-jähriger Mann versuchte in ein Zimmer einzudringen, in dem sich seine 32-jährige von ihm geschiedene georgische Ehefrau mit dem gemeinsamen 9-jährigen Sohn befand. Nach Darstellung des Polizeipräsidiums Mittelfranken zeigte der Mann gegenüber den Polizeibeamten ein aggressives und uneinsichtiges Verhalten. Nachdem ihm die Gewahrsamnahme erklärt wurde, leistete er nach Angaben der eingesetzten Beamten Widerstand, sodass die Anwendung von unmittelbarem Zwang, auch unter Einsatz von Pfefferspray erfolgte. Der Mann wurde dann (aus Eigensicherungsgründen gefesselt) zur Polizeiinspektion Nürnberg-Süd gebracht, wo er in unmittelbarer Begleitung der Polizeibeamten selbstständig in den Zellentrakt ging. Zur Durchsuchung wurde der an den Händen gefesselte Festgenommene auf die in der Haftzelle vorhandene Liege gelegt und dort seitlich fixiert. Im Anschluss kollabierte er. Nach sofortiger Wiederbelebung durch Polizeibeamte und Behandlung durch einen wenig später eintreffenden Notarzt waren die Vitalfunktionen wieder vorhanden. Daraufhin ordnete der Notarzt die Einlieferung ins Krankenhaus Nürnberg-Süd an, wo er am 22. April 2015 verstarb. Vorangegangen war am 21. April 2015 ein Polizeieinsatz in der Asylbewerberunterkunft um 13.15 Uhr. Der 45-Jährige hatte auch hier in aufgebrachtem Zustand versucht, zu seiner von ihm geschiedenen Frau und dem Sohn zu gelangen , die sich vor ihm in einem Zimmer versteckt hatten. Die Beamten sprachen dem 45-Jährigen mehrfach einen Platzverweis aus. Eine Verständigung war nur durch eine in der Asylbewerberunterkunft wohnhafte dritte Person möglich. Letztendlich entfernte sich der Mann mit einem herbeigerufenen Taxi von der Asylbewerberunterkunft. Eine Zwangsanwendung war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich. Bereits am 20.04.2015 war es zu einem ähnlich gelagerten Polizeieinsatz gekommen, der mit einem Platzverweis des 45-Jährigen aus der Asylbewerberunterkunft endete. 3. Weshalb wurde gegen den Mann Pfefferspray eingesetzt und ist der Einsatz des Pfeffersprays als adäquat kausal bzw. kausal für dessen Tod anzusehen? Die Fragestellung ist Gegenstand des bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geführten Ermittlungsverfahrens. Eine Beantwortung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Hinsichtlich der Frage zur Kausalität des Pfeffersprayeinsatzes mit dem Todeseintritt darf auf das unter Antwort 1 dargelegte Obduktionsergebnis hingewiesen werden. 4. Stand der Mann zum Zeitpunkt der Festnahme unter Alkohol- oder Drogeneinfluss? Der Bericht zur chemisch-toxikologischen Untersuchung und das Gutachten zur Blutalkoholbestimmung liegen inzwischen vor. Demnach bestand zum Zeitpunkt der Blutentnahme keine Alkoholisierung. Es wurde THC-Carbonsäure nachgewiesen. THC selbst wurde nicht nachgewiesen. Damit belegt der erhobene Befund den Konsum von Cannabisprodukten. Anhand des Untersuchungsergebnisses lässt sich keine akute zentral nervöse Beeinflussung des Betroffenen durch Cannabisprodukte nachweisen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Aufnahme weiterer Betäubungsmittel oder für die Einnahme von zentral wirksamen Medikamenten in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Blutentnahme. 5. Wenn ja, weshalb wurde keine medizinische Hilfe hinzugezogen ? Wie unter Ziffer 2 bereits dargestellt, kollabierte der Mann in der Gewahrsamszelle bei der Polizeiinspektion NürnbergSüd . Daraufhin wurde nach Darstellung des Polizeipräsidiums Mittelfranken sofort ein Notarzt hinzugezogen, während die beteiligten Polizeibeamten, bis zu dessen Eintreffen, Erste Hilfe leisteten. 6. Welche Schlüsse zieht die Staatsregierung aus diesem Todesfall für die Zukunft? Das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ist zunächst abzuwarten. Darauf aufbauend wird im Anschluss zu prüfen sein, ob aus diesem Todesfall Schlüsse für das polizeiliche Einschreiten zu ziehen sind.