Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13.04.2015 Haftentschädigung nach Freispruch (Bericht in DIE ZEIT vom 27. November 2014) Da in der ZEIT vom 27. November 2014 im Artikel „Von allen guten Richtern verlassen“ geschildert wird, dass Herrn G. eine Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft zugesprochen worden ist, die Auszahlung dieser Entschädigung aber seit Mai 2014 von der Staatsanwaltschaft Kempten verschleppt werde, frage ich die Staatsregierung: 1. Haben sich die im genannten Artikel der ZEIT geschilderten Vorgänge so ereignet? Trifft es insbesondere zu, dass die Staatsanwaltschaft Kempten die Auszahlung der Herrn G. zugesprochenen Entschädigung verzögert hat? 2. Ist die Entschädigung inzwischen ausgezahlt worden? Wenn nein, warum nicht? 3. Was wird die Staatsregierung unternehmen, um künftig sicherzustellen, dass Entschädigungszahlen ohne Verzögerungen ausgezahlt werden? 4. Wie lange dauert es in Bayern üblicherweise, bis Entschädigungen für zu Unrecht erlittene Haft ausgezahlt werden? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 15.06.2015 1. Haben sich die im genannten Artikel der ZEIT geschilderten Vorgänge so ereignet? Trifft es insbesondere zu, dass die Staatsanwaltschaft Kempten die Auszahlung der Herrn G. zugesprochenen Entschädigung verzögert hat? Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Voraussetzung ist zunächst eine rechtskräftige Feststellung der Entschädigungspflicht der Staatskasse durch das jeweilige erkennende Gericht (sog. Grundentscheidung), in der jedoch noch keine konkrete Höhe der Entschädigungszahlung festgelegt wird. Hierüber wird erst in dem auf Antrag des Betroffenen einzuleitenden Betragsverfahren entschieden , in welchem von der zuständigen Staatsanwaltschaft geprüft wird, in welcher Höhe der Anspruch des Berechtigten begründet ist. Dieses Betragsverfahren war seinerzeit noch nicht abgeschlossen, sodass Herrn G. eine Entschädigung der Höhe nach noch nicht zugesprochen worden war. Die Grundentscheidung ist seit dem 29. Oktober 2013 rechtskräftig. Der Antrag des Herrn G. auf Entschädigung nach dem StrEG ging bei der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) am 2. Juni 2014 ein und damit am letzten Tag der Frist zur Anspruchsanmeldung nach § 10 Abs. 1 StrEG. Herr G. machte über seinen anwaltlichen Vertreter Entschädigung nach dem StrEG in Höhe von insgesamt 727.734,99 € geltend (davon 63.900 € immaterieller Schaden, 657.680,43 € materieller Schaden ohne Anwaltskosten und 6.154,56 € Anwaltskosten für das Entschädigungsverfahren). Daraufhin wurde mit Verfügung vom 3. Juni 2014 das Entschädigungsverfahren eingeleitet und eine Eingangsbestätigung an den anwaltlichen Vertreter übersandt. Der sachbearbeitende Staatsanwalt verfügte am 16. Juli 2014 die Anlage eines Zweit-Sonderheftes, um die Generalstaatsanwaltschaft München vorab hinsichtlich des beantragten Ersatzes zu dem erlittenen immateriellen Schaden zu informieren und insoweit die Auszahlung eines Vorschusses zu veranlassen. Diese Verfügung wurde aufgrund eines Büroversehens bedauerlicherweise nicht ausgeführt. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2014, eingegangen am 20. Oktober 2014, wandte sich der anwaltliche Vertreter des Herrn G. an Herrn Staatsminister und beantragte, die Generalstaatsanwaltschaft München anzuweisen, die unverzügliche Bescheidung des Entschädigungsantrags sicherzustellen. Die Eingabe wurde am 30. Oktober 2014 an die Generalstaatsanwaltschaft München weitergeleitet. Diese wandte sich daraufhin am 14. November 2014 an die Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu), bei der nunmehr die unterbliebene Ausführung der Verfügung vom 16. Juli 2014 bekannt wurde. Mit Schreiben vom 18. November 2014 wurde dem anwaltlichen Vertreter vonseiten der Staatsanwaltschaft das Büroversehen mitgeteilt und die hierdurch eingetretene Verzögerung bedauert. Gleichzeitig wies der sachbearbeitende Staatsanwalt auf das Fehlen einer besonderen Vollmacht des anwaltlichen Vertreters für das Entschädigungsverfahren sowie deren Erforderlichkeit für eine Auszahlung der Vorschussleistung hin. Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft München am 1. Dezember 2014 um Nachreichung der Vollmacht gebeten hatte, erklärte sich der anwaltliche Vertreter hierzu bereit, wenngleich er diese auch weiterhin nicht für erforderlich hielt. Die Auszahlung eines Vorschusses hinsichtlich der von Herrn G. beantragten immateriellen Entschädigung in Höhe von 63.900 € wurde am 11. Dezember 2014, eine Woche nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen durch den anwaltlichen Vertreter des Antragstellers, veranlasst. Die bei der Bearbeitung des Antrags eingetretenen Verzögerungen werden sowohl seitens der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) als auch vonseiten des Staatsministeriums der Justiz ausdrücklich bedauert. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.07.2015 17/7059 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7059 2. Ist die Entschädigung inzwischen ausgezahlt worden ? Wenn nein, warum nicht? Der Umfang des Entschädigungsanspruchs setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Nach § 7 Abs. 1 StrEG wird eine Entschädigung für den erlittenen Vermögensschaden geleistet, nach § 7 Abs. 3 StrEG ein Ersatz für den erlittenen immateriellen Schaden. Der zu ersetzende Vermögensschaden unterliegt einem aufwendigen Prüfverfahren, da hinsichtlich des Ersatzes für Vermögensschäden grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Zivilrechts und des Zivilverfahrensrechts maßgeblich sind und der Antragsteller sämtliche Tatsachen und Umstände, auf die er seinen materiellen Entschädigungsanspruch stützt, darlegen und beweisen muss. Die Bemessung der immateriellen Entschädigung hat der Bundesgesetzgeber hingegen durch Pauschalierung nach Tagessätzen gelöst. Die Entschädigung beträgt derzeit 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung. Der immaterielle Schaden wurde bereits vollständig in Höhe von 63.900 € entschädigt. Bezüglich des geltend gemachten materiellen Schadens wurde mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft München vom 8. Januar 2015 dem anwaltlichen Vertreter von Herrn G. mitgeteilt, dass nach vorläufiger Prüfung ein erstattungspflichtiger materieller Schaden (ohne Anwaltskosten) in Höhe von 170.989,24 € abzüglich Haftkostenbeiträge in Höhe von 21.021,46 € vorliege , und ihm darüber hinaus Gelegenheit gegeben, den geltend gemachten weitergehenden Entschädigungsanspruch schlüssig darzustellen, substantiiert zu begründen und durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen. Die hierzu gesetzte Frist wurde auf Antrag des anwaltlichen Vertreters wiederholt verlängert. Mit Schreiben vom 4. Mai 2015 trug der anwaltliche Vertreter ergänzend vor. Die weitere Prüfung der Angelegenheit durch die Generalstaatsanwaltschaft München erfolgt derzeit und wird ehestmöglich abgeschlossen. 3. Was wird die Staatsregierung unternehmen, um künftig sicherzustellen, dass Entschädigungszahlen ohne Verzögerungen ausgezahlt werden? Entschädigungsverfahren nach dem StrEG werden aufgrund der Bedeutung für die Betroffenen sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch im Staatsministerium der Justiz mit der gebotenen Eile bearbeitet. Dabei liegt es in der Natur der Sache und ist auch vom Gesetzgeber so angelegt, dass die Prüfung in Einzelfällen aufgrund der Komplexität der zu klärenden schadensrechtlichen Haftungsfragen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen kann oder es aufgrund sonstiger besonderer Umstände zu Verzögerungen kommen kann. Die Thematik wurde mit den Leiterinnen und Leitern der bayerischen Staatsanwaltschaften auf einer gemeinsamen Dienstbesprechung im März 2015 nochmals eingehend erörtert. Dabei wurde insbesondere auf die Notwendigkeit einer möglichst zügigen Bearbeitung von Entschädigungsanträgen hingewiesen. 4. Wie lange dauert es in Bayern üblicherweise, bis Entschädigungen für zu Unrecht erlittene Haft ausgezahlt werden? Statistische Daten hierzu liegen dem Staatsministerium der Justiz nicht vor. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Bearbeitungsdauer entscheidend von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Komplexität des Verfahrens abhängt und daher grundsätzlich keine allgemeingültigen Aussagen zur üblichen Verfahrensdauer getroffen werden können.