Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 24.04.2015 Überwachungsmöglichkeiten in Kinderspielzeug Die Süddeutsche Zeitung schreibt in ihrem Artikel „Ich will eure Stimme hören“, dass immer mehr Spielzeug entwickelt wird, das es den Herstellern ermöglicht, personenbezogene Daten von Kindern zu sammeln. Da dies ein massiver Eingriff in die Rechte einer besonders schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppe ist, frage ich die Staatsregierung: 1. Sieht die Staatsregierung die Notwendigkeit, dieser Entwicklung entgegenzutreten? 2. a) Wird die Staatsregierung eine Bundesratsinitiative ergreifen , die das Sammeln von personenbezogenen Daten von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren verbietet? b) Wenn ja, wann wird dies passieren? c) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 15.06.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Sieht die Staatsregierung die Notwendigkeit, dieser Entwicklung entgegenzutreten? Die Staatsregierung beobachtet aufmerksam die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung von Verbraucherprodukten . Der Artikel der Süddeutschen Zeitung „Ich will eure Stimme hören“ vom 18. April 2015 beschreibt eine Entwicklung im Bereich des sogenannten „Internets der Dinge“, die die Staatsregierung sehr ernst nimmt. Die Erfassung und Übermittlung personenbezogener Daten von Kindern durch Spielzeug wie beispielsweise einer Barbie-Puppe wirft erhebliche Fragen auf. Ob das geltende Datenschutzrecht die Grundlage für Beschränkungen bietet, muss im konkreten Einzelfall der Bewertung durch die zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden – in Bayern dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht – vorbehalten bleiben, die diese Aufgabe nach Vorgaben des Unionsrechts in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen. Aus rechtspolitischer Sicht sollte bei dieser sehr sensiblen Form der Datenverarbeitung neben dem Prinzip der Datensparsamkeit vor allem das Ziel größtmöglicher Transparenz des Angebots und der Nutzung der erfassten Daten in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Staatsregierung ist der Auffassung, dass eine Datenerfassung und -übermittlung durch interaktives Kinderspielzeug von einer Einwilligung der gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Kindes abhängen dürfte, soweit die Datennutzung über das zur Funktion des Spielzeugs Erforderliche hinausgeht. Soweit es um Daten und Verarbeitungszwecke geht, die nicht notwendig für die Funktion des Spielzeugs sind bzw. mit dieser zusammenhängen, dürfte eine einwilligungsfreie Datenerfassung und -übermittlung zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke dagegen wegen der besonders schutzwürdigen Belange der betroffenen Kinder, die insbesondere ein etwaiges Interesse des Herstellers an einer Vermarktung der Daten und einer Profilbildung überwiegen, nicht möglich sein. Da die betroffenen Kinder mangels Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit nicht selbst einwilligen können, ist die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erforderlich. Grundsätzlich können die Eltern eine Einwilligung für die Verarbeitung und Nutzung von Daten ihrer Kinder erteilen. Allerdings kann mit der Datenverarbeitung ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte des Minderjährigen verbunden sein, ohne dass für diesen Eingriff eine unabweisbare Notwendigkeit besteht. Außerdem ist im Zeitpunkt der Einwilligung nur schwer vorhersehbar, welche Daten das Kind preisgibt, die in der Folge erfasst und an den Hersteller übermittelt werden. Ob sich aus den Aspekten der erheblichen Grundrechtsbetroffenheit und der eingeschränkten Vorhersehbarkeit Einschränkungen für die Wirksamkeit einer elterlichen Einwilligung ergeben könnten, ist allerdings fraglich und rechtlich nicht geklärt. In jedem Fall müsste eine datenschutzrechtliche Einwilligung auf einer freien Entscheidung beruhen, was eine ausreichende Information über den Zweck der Datenerhebung und -nutzung voraussetzt. Soll die Einwilligung durch Zustimmung zu vorformulierten Erklärungen erteilt werden, dürfen diese im Kontext der gesamten Vertragsbedingungen nicht überraschend sein (§ 305 c BGB) und müssen den Anforderungen an Transparenz sowie Verständlichkeit genügen. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, ist die Datennutzung unzulässig mit der Folge, dass die Datenschutzbehörden die notwendigen Anordnungen treffen können . Das geltende Datenschutzrecht in Deutschland bietet damit nur in bestimmten Grenzen die Möglichkeit, einer Datenerfassung durch Kinderspielzeug entgegenzuwirken. Die Staatsregierung hält daher weitergehende gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz Minderjähriger für sinnvoll und notwendig. Aufgrund der zu erwartenden EuropäisieDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.07.2015 17/7135 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7135 rung des Datenschutzrechts sind gesetzgeberische Maßnahmen dabei vorrangig in der Europäischen DatenschutzGrundverordnung zu treffen, über die seit 2012 verhandelt wird. 2. a) Wird die Staatsregierung eine Bundesratsinitiative ergreifen, die das Sammeln von personenbezogenen Daten von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren verbietet? b) Wenn ja, wann wird dies passieren? c) Wenn nein, warum nicht? Die Staatsregierung hat sich bereits mehrfach für einen stärkeren Schutz der Daten Minderjähriger vor einer Profilbildung und Nutzung zu kommerziellen Zwecken eingesetzt. So geht die Forderung des Bundesrats vom 30. März 2012, in der EU-Datenschutz-Grundverordnung den Minderjährigenschutz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu stärken, auf eine Initiative Bayerns zurück (BRDrs . 52/12/II [B], Ziff. 24). In der Folge hat das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz den Schutz von Minderjährigen in der digitalen Welt auf die Tagesordnung der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) des Jahres 2014 gesetzt und dabei unter anderem gefordert, dass Daten von Minderjährigen generell nicht zu Werbezwecken und zur Bildung von Persönlichkeitsprofilen genutzt werden dürfen. Die VSMK hat in ihrem Beschluss vom 16. Mai 2014 diese Forderung übernommen (VSMK 2014, TOP 31). Die Staatsregierung hat bei einer erneuten Befassung des Bundesrats mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung die zuvor in die VSMK eingebrachte Forderung wiederholt und die Bundesregierung gebeten, sich bei den Verhandlungen für ein generelles Verbot der Nutzung von Daten Minderjähriger zu Zwecken der Werbung und Profilbildung einzusetzen (BR-Drs. 550/14 [B], Ziff. 7). Die Bundesregierung hat in der Folge in die Verhandlungen zu Art. 8 der EU-Datenschutz-Grundverordnung gemäß den Forderungen des Bundesrats einen Vorschlag für ein weitgehendes Verbot der kommerziellen Nutzung der Daten Minderjähriger eingebracht. Allerdings konnte sie im Rat hierfür keine Mehrheit gewinnen. Wie der Minderjährigenschutz in der Datenschutz-Grundverordnung künftig gestaltet sein wird und welche Spielräume insoweit gegebenenfalls noch den Mitgliedstaaten verbleiben, hängt von den weiteren Entwicklungen, insbesondere den Trilogverhandlungen ab, die voraussichtlich Ende Juni 2015 beginnen werden. Die Staatsregierung wird auch diese Schlussphase des Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen ihrer Einwirkungsmöglichkeiten begleiten, um für bayerische Anliegen wie den besonderen Schutz von Kindern zu werben. Vor diesem Hintergrund hält die Staatsregierung eine weitere gesonderte Bundesratsinitiative derzeit für nicht geboten , wird aber im Rahmen einer von Bayern beantragten Wiederaufnahme der Beratungen über eine weitere Stellungnahme des Bundesrates zum Stand der Beratungen der Datenschutz-Grundverordnung erneut für einen umfassenderen Schutz von Kinderdaten eintreten. Drucksache 17/7135 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 - 7 - Drucksache 550/14 (Beschluss) a) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich weiterhin für einen effek- 7. Zu weiteren Einzelfragen tiven Schutz der personenbezogenen Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern einzusetzen, der insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an Scoringverfahren, Profilbildungen und die Weitergabe von Kundendaten zu Werbezwecken nicht hinter dem Standard des Bundesdatenschutzgesetzes zurückbleiben soll. b) Er hält es für erstrebenswert, die Möglichkeiten eines gerichtlichen Vorgehens von Verbraucherverbänden gegen verbraucherschutzrelevante Datenschutzverstöße, beispielsweise mittels eines Verbandsklagerechts, in der vorgeschlagenen Datenschutz-Grundverordnung rechtlich sicherzustellen . c) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, den besonderen Schutz der personenbezogenen Daten Minderjähriger vor kommerzieller Nutzung zu berücksichtigen und sich dafür einzusetzen, dass personenbezogene Daten Minderjähriger nicht für Zwecke der Werbung und zur Profilbildung verwendet werden dürfen. d) Er bekräftigt sein Anliegen, das europäische Datenschutzrecht angesichts grundlegender Herausforderungen durch Globalisierung und technologische Entwicklung zu modernisieren und dabei auch den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen zu verringern (vergleiche Ziffer 2 der Stellungnahme des Bundesrates in BR-Drucksache 52/12 (Beschluss) (2)). Die Vorgaben dürfen kleine und mittlere Unternehmen nicht benachteiligen. e) Zur Ermöglichung attraktiver digitaler Angebote könnten in der vorgeschlagenen Verordnung klare Regelungen zu Pseudonymisierung und Anonymisierung von Daten sowie Regelungen zu einer daraus resultierenden Privilegierung im Hinblick auf die Datennutzung vorgenommen werden. f) Der Bundesrat begrüßt, dass auch nichteuropäische Anbieter, die sich mit ihren Diensten an europäische Bürgerinnen und Bürger richten, den zukünftigen europäischen Standards unterstellt werden sollen. Er unterstützt daher die Bundesregierung in ihrer Zielsetzung, in den weiteren Verhandlungen die Vorkehrungen zur Sicherstellung der Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Drittländern fortzuentwickeln. Hier könnte sich Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7135       1.            2.                    3.         g    g                      ☐  ☒  Drucksache 17/7135 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5                           