Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Klaus Adelt SPD vom 18.05.2015 Grenzüberschreitende Notfallrettung Eine Untersuchung des Instituts für empirische Wirtschaftsund Sozialforschung (INWISO) hat im Auftrag der Euregio Egrensis 2011 eine Studie zur grenzüberschreitenden Notfallrettung vorgelegt. Darin wurde auf Komplikationen bezüglich des Ausbaus einer deutsch-tschechischen Zusammenarbeit hingewiesen. Ich frage daher die Staatsregierung: 1.1 Wie ist die grenzüberschreitende Kooperation in der Notfallrettung zwischen der Tschechischen Republik und dem Freistaat Bayern vertraglich geregelt? 1.2 Erachtet die Staatsregierung die existierenden vertraglichen Regelungen im Hinblick auf eine funktionierende grenzüberschreitende Zusammenarbeit als ausreichend? 1.3 Anders formuliert: Besteht seitens der Staatsregierung der Wunsch, bestehende Kooperationen diesbezüglich zu intensivieren? 2.1 Wie ist der normale Krankentransport zwischen Bayern und Tschechien geregelt? 2.2 Wie viele Einsätze fanden in den letzten fünf Jahren beiderseits statt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren sowie Einsätze bayerischer Rettungskräfte in Tschechien und umgekehrt)? 2.3 Wie viele davon waren sogenannte „blutige Übergaben “? 3. Wie gestaltet sich die gegenseitige Hilfestellung bei Großgefahrenlagen? 4. Wie ist die Kostenübernahme bei grenzüberschreitenden Einsätzen geregelt? 5.1 Existiert gegenwärtig bereits eine deutsch-tschechische „Task Force“ im Bereich des Rettungswesens bzw. der Notfallrettung als grenzüberschreitender Pilotversuch ? 5.2 Falls nein, welche Komplikationen oder fachliche, finanzielle oder juristische Probleme bzw. sonstige Einwände würden einem solchen Pilotprojekt entgegenstehen ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.06.2015 1.1 Wie ist die grenzüberschreitende Kooperation in der Notfallrettung zwischen der Tschechischen Republik und dem Freistaat Bayern vertraglich geregelt ? 1.2 Erachtet die Staatsregierung die existierenden vertraglichen Regelungen im Hinblick auf eine funktionierende grenzüberschreitende Zusammenarbeit als ausreichend? Die Fragen 1.1 und 1.2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik wurde nach langjährigen Verhandlungen , an denen die Freistaaten Bayern und Sachsen beteiligt waren, am 4. April 2013 ein Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst vom Bundesgesundheitsminister und seinem tschechischen Amtskollegen in Pilsen unterzeichnet. Inzwischen ist auch das innerstaatliche Ratifikationsverfahren in der Tschechischen Republik abgeschlossen, sodass das Rahmenabkommen am 18. Juli 2014 in Kraft getreten ist. Gegenstand des Abkommens sind u. a. Regelungen über den Grenzübertritt, die Nutzung von Sonderrechten, die Ausstattung der Rettungsfahrzeuge, den Einsatz von Rettungskräften und die Möglichkeit, Kooperationsvereinbarungen auf regionaler Ebene zu schließen. Zum Regelungsinhalt der Kooperationsvereinbarungen, die von dem jeweiligen deutschen Bundesland mit den angrenzenden Kraje (Bezirken) auf tschechischer Seite geschlossen werden sollen, gehören die Organisation des Rettungsdienstes, Vorgaben zur Durchführung eines Einsatzes , Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitskriterien, Einzelheiten zur Haftpflichtversicherung, Kostentragung und Kommunikationsmethoden (vgl. Art. 4 Abs. 4 des Rahmenabkommens ). In Bayern ist das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr zum Abschluss der Kooperationsvereinbarungen mit den an Bayern angrenzenden Bezirken Karlsbad (Karlovarský kraj), Pilsen (Plzeňský kraj) und Südböhmen (Jihočeský kraj) im Einvernehmen mit den kommunalen Aufgabenträgern und den Kostenträgern des Rettungsdienstes sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns befugt (vgl. Art. 4 Abs. 2 des Rahmenabkommens). Die einzelnen, komplexen Fragen zur Umsetzung des Rahmenabkommens durch Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Freistaat Bayern und den an Bayern angrenzenden Bezirken der Tschechischen Republik werden derzeit auf Arbeitsebene diskutiert. Die künftig existierenden vertraglichen Regelungen im Rahmenabkommen und in der Kooperationsvereinbarung werden als ausreichend erachtet . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.07.2015 17/7140 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7140 1.3 Anders formuliert: Besteht seitens der Staatsregierung der Wunsch, bestehende Kooperationen diesbezüglich zu intensivieren? Der Bayerischen Staatsregierung ist es ein sehr wichtiges Anliegen, die Beziehungen zwischen dem Freistaat Bayern und der Tschechischen Republik insbesondere im Bereich des Rettungsdienstes weiterzuentwickeln und die Bedingungen und Regeln der Zusammenarbeit gemeinsam zu gestalten. Der Freistaat Bayern kann jedoch nur die Rahmenbedingungen gestalten. Die Umsetzung erfolgt entsprechend der Zuständigkeit für den öffentlichen Rettungsdienst durch die Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (Art. 4 Bayerisches Rettungsdienstgesetz – BayRDG). Vor Ort bestehen bereits vielfältige Kontakte zu den tschechischen Nachbarn. 2.1 Wie ist der normale Krankentransport zwischen Bayern und Tschechien geregelt? Das o. g. Rahmenabkommen gilt grundsätzlich auch für den Krankentransport. Da grenzüberschreitende Krankentransporte grundsätzlich als Rücktransporte i. S. v. § 60 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu werten und daher keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind, soll hierzu keine Regelung in der abzuschließenden Kooperationsvereinbarung getroffen werden. Auslandsrückholungen fallen nicht in den Geltungsbereich des BayRDG. Sie werden in der Regel über eine Rückholversicherung organisiert und finanziert. 2.2 Wie viele Einsätze fanden in den letzten fünf Jahren beiderseits statt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren sowie Einsätze bayerischer Rettungskräfte in Tschechien und umgekehrt)? Transporte von & nach CZ 2010–2014 Transporte VON CZ Nationalität Patient: CZ Anzahl Krankentransport Notarzt NF/NHD/ ITW* Gesamt 2010 0 0 1 1 2011 2 2 0 4 2012 0 1 0 1 2013 1 1 0 2 2014 1 0 0 1 Transporte VON CZ Nationalität Patient: D Anzahl Krankentransport Notarzt NF/NHD/ ITW* Gesamt 2010 93 47 8 148 2011 82 53 12 147 2012 44 36 3 83 2013 1 1 0 2 2014 5 4 6 15 Transporte VON CZ Nationalität Patient: sonstige Nationalität Anzahl Krankentransport Notarzt NF/NHD/ ITW* Gesamt 2010 0 0 0 0 2011 0 2 0 2 2012 0 0 0 0 2013 0 0 0 0 2014 0 0 0 0 Transporte NACH CZ Nationalität Patient: CZ Anzahl Krankentransport Notarzt NF/NHD/ ITW* Gesamt 2010 3 1 0 4 2011 0 1 0 1 2012 1 2 0 3 2013 7 4 3 14 2014 5 2 0 7 Transporte NACH CZ Nationalität Patient: D Anzahl Krankentransport Notarzt NF/NHD/ ITW* Gesamt 2010 0 0 0 0 2011 0 0 0 0 2012 1 0 0 1 2013 0 0 0 0 2014 0 0 0 0 *NF = Notfälle; NHD = Neugeborenenabholdienst; ITW = Intensivtransportwagen 2.3 Wie viele davon waren sogenannte „blutige Übergaben “? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Wie gestaltet sich die gegenseitige Hilfestellung bei Großgefahrenlagen? Die gegenseitige Hilfestellung bei Großgefahrenlagen soll in der Kooperationsvereinbarung geregelt werden. 4. Wie ist die Kostenübernahme bei grenzüberschreitenden Einsätzen geregelt? Bei der Notfallrettung erfolgt die Kostenabrechnung in den vorwiegenden Fallkonstellationen wie folgt: Fallkonstellation 1: Deutscher Rettungswagen transportiert Patient (i. d. R. Staatsangehörigkeit deutsch) von der Tschechischen Republik nach Deutschland Die Kostenerstattung erfolgt in diesen Fällen grundsätzlich durch die deutsche, gesetzliche Krankenversicherung des Patienten oder durch den Patienten selbst. Bei ganz wenigen Fällen, bei denen der Wohnsitz des Patienten in der Tschechischen Republik angegeben wurde, wurden die Kosten von einer deutschen, gesetzlichen Krankenversicherung erstattet; es scheint sich bei näherer Betrachtung (z. B. aufgrund des Namens) bei diesen Fällen um Patienten mit deutscher Staatsangehörigkeit zu handeln, die (im grenznahen Gebiet) in der Tschechischen Republik leben und bei einer deutschen, gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Fallkonstellation 2: Deutscher Rettungswagen transportiert Patient (i. d. R. Staatsangehörigkeit tschechisch) von Deutschland in die Tschechische Republik Die Kostenerstattung erfolgt in der Regel basierend auf dem Sozialversicherungsabkommen über eine deutsche Krankenversicherung, oft durch die Wahl der AOK Bayern (als eine der großen Krankenkassen) nach deutschem Leis- Drucksache 17/7140 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 tungsrecht für alle EU-Bürger, wenn alle Dokumente (E-Card oder provisorische Ersatzbescheinigung der Heimatkrankenkasse ) vorliegen. Falls der Patient im Heimatland nicht versichert ist, muss er die Rettungsdienstleistung selbst bezahlen (hier greift kein Sozialversicherungsabkommen). Im Falle von tschechischen Patienten wickelt die deutsche Krankenkasse im Hintergrund die Rückerstattung mit der tschechischen Krankenversicherung des Patienten ab. Auch hier gibt es ganz vereinzelte Fälle, bei denen die Kostenerstattung direkt über die deutsche, gesetzliche Krankenversicherung erfolgt ist. Ein möglicher Grund ist auch hier, dass es sich um Patienten mit Staatsangehörigkeit deutsch handelt , welche in der Tschechischen Republik leben. 5.1 Existiert gegenwärtig bereits eine deutsch-tschechische „Task Force“ im Bereich des Rettungswesens bzw. der Notfallrettung als grenzüberschreitender Pilotversuch? 5.2 Falls nein, welche Komplikationen oder fachliche, finanzielle oder juristische Probleme bzw. sonstige Einwände würden einem solchen Pilotprojekt entgegenstehen? In Art. 13 des Rahmenabkommens ist vorgesehen, dass eine aus Vertretern der beiden Vertragsparteien zusammengesetzte Gemeinsame Kommission eingerichtet wird, die die Durchführung des Rahmenabkommens begleitet und eventuelle Streitfragen klärt, die im Zusammenhang mit dessen Auslegung und Durchführung entstehen. Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Gemeinsamen Kommission werden derzeit vom Bundesministerium für Gesundheit und dem tschechischen Gesundheitsministerium vorbereitet.