Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11.05.2015 Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (BRAStV) Nach dem ORH-Bericht von 2008 haben „einige Versorgungswerke in ihren Grundannahmen die gesunkene Vermögensverzinsung und die gestiegene Lebenserwartung nicht ausreichend nachvollzogen. Sie laufen Gefahr, ihre Leistungsversprechen nicht einhalten zu können“. Bezüglich der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (BRAStV) frage ich die Staatsregierung: 1. Gibt es nach Meinung der Staatsregierung eine gleiche Verteilung von Gewinnen, Verlusten, stillen Reserven und Risiken auf die Mitglieder der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung oder gilt der Grundsatz „Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst “, weil je früher man Mitglied der BRAStV wurde, man umso höhere laufende Erträge (aus den Anwartschaftsgruppen ) bekommt, bzw. je später man Mitglied der BRAStV wird, umso mehr Zins- und Entwicklungsrisiken (z. B. geänderte Zins- oder Biometrieannahmen und Kürzung des Rentenbemessungsfaktors für die Beiträge ab 2015) tragen muss? 2. Wie hoch ist der Rechnungszins, den die Staatsregierung nach § 7 DVVersoG für die Bilanz der BRAStV per 31.12.2014 als zulässig erachtet? Welchen Zins meint die BRAStV in Zukunft erzielen zu können, bis die angelegten Gelder als Rente ausbezahlt werden? 3. Wie hoch ist der Rückstellungsbedarf der BRAStV, der noch nicht in der Bilanz per 31.12.2013 und – sobald vorliegend – per 31.12.2014 ausgewiesen ist, legt man die versprochenen Leistungen lt. Satzung der BRAStV zugrunde und kalkuliert diese a) hinsichtlich der Zinsen dem nach Meinung der Staatsregierung zulässigen Zins (siehe Frage 2)? b) hinsichtlich der Biometrieannahmen einzig und allein nach den Sterbetafeln der „Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke“ ohne irgendwelche „eigene Beobachtungen“ wie dies lt. den Geschäftsberichten der BRAStV per 31.12.2013 und – sobald vorliegend – per 31.12.2014, der Fall war? 4. Wie hoch ist für drei herausgegriffene Geburtsjahre der Mitglieder der BRAStV per 31.12.2013 und 31.12.2014 (sobald vorliegend) a) das am Bilanzstichtag angesparte Kapital? b) der aus dem angesparten Kapital voraussichtlich entstehende Zins mit dem nach Meinung der Staatsregierung zulässigen Zins (Frage 2)? c) der Anteil an der Deckungsrückstellung (kalkuliert nach Frage 3 b)? 5. Wenn bei Frage 4 ein negativer Wert für einzelne Jahrgänge entstehen sollte [Wert a) + Wert b) – Wert c)], wie kann und soll das Problem gelöst werden? Erachtet die Staatsregierung das Kürzen von Leistungen als möglich, erforderlich, notwendig und zulässig? Vertritt die Staatsregierung die Auffassung, dass eine Generationengerechtigkeit auch in der Niedrigzinsphase und gleiche Chancen der langfristigen Entwicklung bestehen müssen? Durch welche Maßnahmen stellt die Staatsregierung dies ggf. sicher? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.06.2015 1. Gibt es nach Meinung der Staatsregierung eine gleiche Verteilung von Gewinnen, Verlusten, stillen Reserven und Risiken auf die Mitglieder der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung oder gilt der Grundsatz „Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst“, weil je früher man Mitglied der BRAStV wurde, man umso höhere laufende Erträge (aus den Anwartschaftsgruppen) bekommt, bzw. je später man Mitglied der BRAStV wird, umso mehr Zins- und Entwicklungsrisiken (z. B. geänderte Zins- oder Biometrieannahmen und Kürzung des Rentenbemessungsfaktors für die Beiträge ab 2015) tragen muss? Eine unterschiedliche Verzinsung von in früheren Jahren und heute eingezahlten Beiträgen spiegelt zunächst die allgemeine Situation am Kapitalmarkt wider, die sich auch in Anlagen bei anderen Institutionen niederschlägt (z. B. Bankeinlagen oder Lebensversicherungen). Bei längerfristigem Anhalten der derzeitigen Niedrigzinsphase ist daher mit einem Rückgang des Leistungsniveaus für Mitglieder, die jetzt ins Versorgungswerk eintreten, gegenüber den heutigen Rentnern zu rechnen. Die Rechtsanwaltsversorgung hat in den letzten Jahren bereits eine Reihe wichtiger Schritte zur Sicherung der Rechnungsgrundlagen getan. Zuletzt hat sie die Einführung eines offenen Deckungsplanverfahrens für ab 01.01.2015 erworbene Anwartschaften beschlossen. Damit wird insbesondere durch die Einbeziehung von Umlageelementen eine Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 24.07.2015 17/7169 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7169 gewisse Flexibilisierung in schwachen Kapitalmarktphasen erreicht. Der verantwortliche Aktuar gemäß Art. 16 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) hat in einer gutachterlichen Stellungnahme zur Umstellung des Finanzierungssystems die langfristige Finanzierbarkeit der Rechtsanwaltsversorgung unter Aufrechterhaltung eines angemessenen Versorgungsniveaus bestätigt. Ebenso hat der verantwortliche Aktuar durch Modellberechnungen gezeigt, dass ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen verschiedener Jahrgänge von Versicherten nicht aus sich heraus , sondern nur durch fehlerhafte Steuerung insbesondere in einer anhaltenden Niedrigzinsphase auftreten können. Die Satzung der Rechtsanwaltsversorgung enthält Vorkehrungen , um mögliche Fehlsteuerungen auszuschließen. Gemäß § 32 Abs. 7 der Satzung wurde der Rentenbemessungsfaktor für das Jahr 2015 auf 1 festgesetzt. Solange der Punktwert nicht abgesenkt wird, ergeben sich für die Mitglieder dieselben Leistungen wie bisher, seit der letzten Absenkung des Rechnungszinses. Hält die Niedrigzinsphase weiter an, ist bei der Auswahl und Ausgestaltung der ggf. zu treffenden Maßnahmen (sowohl mögliche Absenkung des Punktwertes als auch Eingriffe in bestehende Anwartschaften ) darauf zu achten, dass keine ungerechtfertigten Verschiebungen von Lasten aus bestehenden Anwartschaften auf zukünftige Beitragszahler erfolgten (Näheres zur Frage der Generationengerechtigkeit in der Niedrigzinsphase siehe Antwort auf Frage 5). 2. Wie hoch ist der Rechnungszins, den die Staatsregierung nach § 7 DVVersoG für die Bilanz der BRAStV per 31.12.2014 als zulässig erachtet? Welchen Zins meint die BRAStV in Zukunft erzielen zu können, bis die angelegten Gelder als Rente ausbezahlt werden? Gemäß Art. 12 Abs. 2 VersoG und § 7 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (DVVersoG) sollen zur Berechnung der Deckungsrückstellung in der Bilanz alle versicherungsmathematischen Rechnungsgrundlagen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Finanzierungssystems vorsichtig gewählt werden. Ziel ist es dabei, die dauernde Erfüllbarkeit der sich aus den Versorgungsverhältnissen ergebenden Verpflichtungen sicherzustellen. Wegen der Langfristigkeit der Versorgungsverhältnisse und der starken Schwankungen am Kapitalmarkt ist zur Beurteilung der dauernden Erfüllbarkeit auch bezüglich der Frage eines angemessenen Rechnungszinses eine kurzfristige Betrachtung der Zinssätze zu einzelnen Stichtagen nicht zielführend. Zudem ist im offenen Deckungsplanverfahren auch eine Gesamtbetrachtung der Rechnungsgrundlagen notwendig. Zusätzlich zu den Annahmen über den Rechnungszins und die Lebenserwartung werden auch Rechnungsgrundlagen zur Entwicklung der zukünftigen Versichertenzahlen und Beitragseinnahmen verwendet. Der aktuelle Rechnungszins, mit dem die Deckungsrückstellung in der Bilanz berechnet wird, beträgt 2,5 % für Anwartschaften, die aktuell erworben werden, 4 % für Anwartschaften , die bis 31.12.2004 erworben wurden, und 3,25 % für Anwartschaften, die zwischen dem 01.01.2005 und dem 31.12.2009 erworben wurden. Hieraus ergibt sich eine schrittweise absinkende Zinsanforderung für den Gesamtbestand . Rechnungsgrundlagen sind gemäß § 5 Abs. 1 DVVersoG Bestandteil des versicherungsmathematischen Geschäftsplans. Dieser bedarf nach Art. 11 Abs. 2 VersoG der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Im Hinblick auf die aktuelle Zinssituation sind in diesem Rahmen auch die bereits in Reaktion auf die Niedrigzinsphase getroffenen Maßnahmen zu berücksichtigen. Diese sind neben der Absenkung des Rechnungszinses zur Berechnung der Anwartschaften der Aufbau einer Rückstellung für Zins sowie die Einführung des offenen Deckungsplanverfahrens, das eine gewisse Flexibilisierung in schwachen Kapitalmarktphasen bietet. Aus diesen Gründen konnte der verwendete Rechnungszins derzeit noch akzeptiert werden. Derzeit liegen die Vermögenserträge der Rechtsanwaltsversorgung über der Anforderung zur Bedeckung der Bilanz . Angesichts der historisch einmaligen Situation ist eine konkrete Prognose zur Zinsentwicklung derzeit nur schwer möglich. Bei einem längeren Andauern der aktuellen Niedrigzinsphase kann jedoch die Rechnungsgrundlage Zins anpassungsbedürftig werden. Sie wird daher laufend im Rahmen des Risikomanagements mithilfe von Modellberechnungen für mittel- und langfristige Zeiträume überprüft. 3. Wie hoch ist der Rückstellungsbedarf der BRAStV, der noch nicht in der Bilanz per 31.12.2013 und – sobald vorliegend – per 31.12.2014 ausgewiesen ist, legt man die versprochenen Leistungen lt. Satzung der BRAStV zugrunde und kalkuliert diese a) hinsichtlich der Zinsen dem nach Meinung der Staatsregierung zulässigen Zins (siehe Frage 2)? b) hinsichtlich der Biometrieannahmen einzig und allein nach den Sterbetafeln der „Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke“ ohne irgendwelche „eigene Beobachtungen“ wie dies lt. den Geschäftsberichten der BRAStV per 31.12.2013 und – sobald vorliegend – per 31.12.2014 der Fall war? Die zum 31.12.2013 benötigte Deckungsrückstellung wurde vollständig in der Bilanz ausgewiesen. Die zu Frage b) geforderten alternativen Berechnungen bezüglich der Biometrieannahmen liegen nicht vor. Sie wären aus aktuarieller Sicht auch nicht aussagekräftig, da die allgemeinen Richttafeln, die nicht nach Berufen und deren spezifischen Risiken (z. B. Invalidität) differenzieren, Modifikationen auf den jeweiligen konkreten Bestand eines Versorgungswerks erfordern. Dabei erfolgen Anpassungen je nach Gegebenheiten des Bestandes an Versicherten und deren berufsspezifischen Risiken, die gegenüber den nicht justierten Tafeln sowohl eine Erhöhung als auch eine Verminderung der erforderlichen Deckungsrückstellung ergeben können. 4. Wie hoch ist für drei herausgegriffene Geburtsjahre der Mitglieder der BRAStV per 31.12.2013 und 31.12.2014 (sobald vorliegend) a) das am Bilanzstichtag angesparte Kapital? Nach den Berechnungen der Versorgungskammer beträgt für die Mitglieder der Rechtsanwaltsversorgung der Geburtsjahrgänge 1940, 1960 und 1980 das angesparte Deckungskapital (ohne Beitragsrückstände und -überzahlungen , Rückstellung für Biometrie, Rückstellung für Zins und Rückstellung für Aufwand aus Dynamisierung) 9,4 Mio. Euro, 211 Mio. Euro und 31,5 Mio. Euro. Drucksache 17/7169 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) der aus dem angesparten Kapital voraussichtlich entstehende Zins mit dem nach Meinung der Bayerischen Staatsregierung zulässigen Zins (Frage 2)? Der Wert kann nicht ermittelt werden, da die Personen eines Geburtsjahres unterschiedliche Beiträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten entrichtet haben und deshalb unterschiedlich hohe Anwartschaften in den vorhandenen Anwartschaftsverbänden haben. c) der Anteil an der Deckungsrückstellung (kalkuliert nach Frage 3 b)? Entsprechende Berechnungen liegen nicht vor und wären auch nicht zielführend (siehe Ausführungen zu Frage 3 b). 5. Wenn bei Frage 4 ein negativer Wert für einzelne Jahrgänge entstehen sollte [Wert a) + Wert b) – Wert c)], wie kann und soll das Problem gelöst werden? Erachtet die Staatsregierung das Kürzen von Leistungen als möglich, erforderlich, notwendig und zulässig? Vertritt die Staatsregierung die Auffassung, dass eine Generationengerechtigkeit auch in der Niedrigzinsphase und gleiche Chancen der langfristigen Entwicklung bestehen müssen? Durch welche Maßnahmen stellt die Staatsregierung dies ggf. sicher? Zwar kann ein Wert zum ersten Teil der Frage 5 nicht ermittelt werden (vgl. Antwort zu Frage 4). Jedoch muss zur Sicherung der Rechnungsgrundlagen der Prozess der Anpassung an geänderte Verhältnisse fortgeführt werden. Nach dem Wechsel des Finanzierungsverfahrens für zukünftige Beiträge stellt sich die Problematik der Rechnungsgrundlagen Zins und Biometrie für den bereits vorhandenen Bestand weiterhin, insbesondere für denjenigen (bereits geschlossenen ) Anwartschaftsverband, der alle Anwartschaften mit einem Rechnungszins von 4 % zusammenfasst. Die Rechtsanwaltsversorgung hat sich daher auch die Möglichkeit einer Kürzung bestehender Anwartschaften ausdrücklich vorbehalten . Das offene Deckungsplanverfahren soll nicht dazu genutzt werden, bestehende Anwartschaften gegen Risiken aus den verwendeten Rechnungsgrundlagen (z. B. dauerhafte Unterschreitung des Rechnungszinses) abzusichern. Eine dauerhafte Unterschreitung des Rechnungszinses in dem Anwartschaftsverband mit einem Rechnungszins von 4 % würde eine Verlagerung von Verlusten in die Zukunft zulasten zukünftiger Generationen bedeuten und kann abhängig von der Dauer und der Höhe der auftretenden Verluste und abhängig von der Höhe der Auswirkungen auf das zukünftige Leistungsniveau unvereinbar sein mit Art. 32 Abs. 2 VersoG und § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 4 der Satzung der Rechtsanwaltsversorgung. Daher darf eine Änderung des Rentenbemessungsfaktors nach § 32 Abs. 6 Satz 1 der Satzung nur durch eine Änderung der Satzung erfolgen und bedarf somit eines Beschlusses des Verwaltungsrates und der aufsichtlichen Genehmigung. Dabei muss die Änderung der Satzung auch auf eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung hin geprüft werden und wäre nicht genehmigungsfähig, sobald durch eine Fehlsteuerung Art. 32 Abs. 2 VersoG verletzt würde. Auch die Verwendung der Überschüsse von Anwartschaften , die mit niedrigerem Rechnungszins und längerer Lebenserwartung berechnet wurden, zur Bedeckung der übrigen Anwartschaften (Quersubventionierungen) kann in der Summe eine Höhe erreichen, die nicht mehr mit den Vorgaben des Art. 32 Abs. 2 VersoG vereinbar ist. Dabei ist insbesondere auf Quersubventionierungen zwischen Mitgliedern, deren Beiträge nur nach dem offenen Deckungsplanverfahren verrentet werden, weil sie nach dem 01.01.2015 ins Versorgungswerk eingetreten sind, und denjenigen , die hauptsächlich höher verrentete Anwartschaften erworben haben, zu achten. Die Höhe der erhaltenen oder geleisteten Quersubventionierungen pro Anwartschaftsverband wird daher jährlich untersucht.