Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Margit Wild SPD vom 31.03.2015 Inklusive Bildung – barrierefreie Schule Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Unterrichtsmaterialien zu inklusiver Bildung und Barrierefreiheit stehen in Bayern für Lehrkräfte zur Verfügung? 2. a) Inwiefern werden Schülerinnen und Schüler an allen bayerischen Schulen auf die Möglichkeiten, Bestandteile und Perspektiven inklusiver Bildung und barrierefreier Schulen vorbereitet und hingewiesen? b) Welche Unterrichtsmaterialien stehen hierfür zur Verfügung ? 3. a) Inwiefern werden Schülerinnen und Schüler an allen bayerischen Schulen für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert? b) Welche Unterrichtsmaterialien stehen hierfür zur Verfügung ? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 25.06.2015 1. Welche Unterrichtsmaterialien zu inklusiver Bildung und Barrierefreiheit stehen in Bayern für Lehrkräfte zur Verfügung? Zu den einzelnen Schularten lässt sich Folgendes feststellen : Das neu etablierte Lehrplaninformationssystem LIS beim ISB stellt eine systemische Verknüpfung der einzelnen Teile eines Lehrplans mit weiterführenden Informationen dar. Hierbei ist einem kontinuierlich gepflegten Online-Serviceteil besondere Beachtung zu schenken, der exemplarisch kompetenzorientierte Aufgaben, Querverweise innerhalb des Lehrplans, direkten Zugriff auf Materialien und Unterrichtshilfen , Erläuterungen zu Lehrplaninhalten und deren Umsetzung im Unterricht und einen Zugang zur Mediendatenbank mebis mit Prüfungsarchiv, bietet. Zudem veröffentlicht das ISB laufend Materialien, die einzelne Teilaspekte aus dem Unterricht bei Menschen mit Behinderung aufgreifen, diese wissenschaftlich-fachlich durchleuchten und mit praktischen Beispielen verknüpfen. Im Weiteren stehen die Handreichungen für den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD) zur Verfügung. Diese gewähren einen grundlegenden Einblick in die Arbeitsfelder der einzelnen sonderpädagogischen Förderschwerpunkte und zeigen auf, welche besonderen Aspekte in jedem dieser Förderschwerpunkte zu berücksichtigen sind. Auf der Homepage des ISB ist dazu eine Datei „Inklusion in der Schule unterstützen – Materialien des ISB“ unter http://www.isb.bayern.de/schulartuebergreifendes/paedagogik -didaktik-methodik/inklusion/ abrufbar. Grundschulen: Lernmittel für die Hand der Schülerinnen und Schüler dürfen im Unterricht nur eingesetzt werden, nachdem sie das Zulassungsverfahren durchlaufen und vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst genehmigt worden sind. Voraussetzung hierfür ist u. a., dass die Lernmittel den Anforderungen entsprechen, die nach pädagogischen Erkenntnissen, insbesondere nach methodischen und didaktischen Grundsätzen sowie nach Auswahl, Anordnung , Darbietung und Umfang der Unterrichtsinhalte für die Jahrgangsstufen 1 bis 4 der Grundschule angemessen sind. Für den Einsatz in der Grundschule ist es zwingend erforderlich, dass ein Lernmittel folgenden Anforderungen gerecht wird: – Unterstützung der ganzheitlichen Förderung des Kindes im Sinne des kognitiven, emotionalen und sozialen Kompetenzaufbaus – Orientierung an den fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsaufgaben – Thematisierung inklusiver Aspekte – Einbezug von Materialien, die für heterogene Lerngruppen und inklusiven Unterricht geeignet sind – Berücksichtigung der Interessen und Lebenswelten sowie die Verschiedenheit aller Schülerinnen und Schüler Zur Unterstützung der Lehrkräfte finden sich im Servicebereich des LehrplanPLUS, dem Lehrplaninformationssystem LIS, Aufgabenbeispiele für heterogene Lerngruppen in der Grundschule. Die Lernaufgaben werden von Arbeitskreisen erstellt, in denen neben Lehrkräften der Grundschule auch Sonderpädagogen tätig sind. Der LehrplanPLUS Grundschule enthält zudem direkte Verweise auf den Rahmenplan zum Förderschwerpunkt Ler nen. Die Entscheidung darüber, auf welche Materialien die Lehrkräfte bei der Planung und Durchführung ihres Unterrichts zurückgreifen, treffen diese eigenverantwortlich im Rahmen ihrer pädagogischen Verantwortung für die schulische Bildung und Erziehung der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler. Sie können dabei auch auf Lernmittel aus dem Förderschulbereich zurückgreifen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2015 17/7307 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7307 Mittelschulen: Lehrkräfte der Mittelschule können zur inklusiven Bildung bei Bedarf zugelassene Lernmittel aus dem Förderschulbereich für Schülerinnen und Schüler der Mittelschule einsetzen. Die für die jeweiligen Schularten allgemein zugelassenen Lernmittel sind unter www.km.bayern.de/lehrer /unterricht-und-schulleben/lernmittel.html einzusehen. Darüber hinaus kann die Lehrkraft im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung ergänzende Lern-/Lehrmaterialien heranziehen . Das Staatsministerium unterstützt die Lehrkräfte dabei u. a. durch Veröffentlichungen, z. B. mit der Broschüre „Soziales Lernen in der Mittelschule“ (download unter www. bestellen.bayern.de). Zugelassene Lernmittel beziehen sich auf die entsprechende Jahrgangsstufe eines bestimmten Unterrichtsfaches . Hierbei kann „Barrierefreiheit“ thematisiert werden, wenn dies einen entsprechenden Lehrplaninhalt darstellt (z. B. im Fach Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde der Jgst. 5: „Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft“). Realschulen und Gymnasien: Aufgrund der stark ausdifferenzierten und vielschichtigen Behinderungsarten und Förderbedarfe stehen an den Realschulen und Gymnasien keine einheitlichen, zentral erstellten Unterrichtsmaterialien zur Verfügung. Um den jeweiligen Bedürfnissen der betroffenen Schülerinnen und Schüler in passgenauer Weise Rechnung zu tragen, erstellen vielmehr die Lehrkräfte der jeweiligen Fächer und Jahrgangsstufen vor Ort ggf. unter Einbindung des zuständigen Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes (MSD) die notwendigen Materialien . In der Regel werden die im Unterricht eingesetzten Unterlagen, wie z. B. Arbeitsblätter oder Leistungsnachweise , dahingehend aufbereitet, dass sie ggf. unter Einsatz besonderer technischer Hilfsmittel für die behinderten Schülerinnen und Schüler erfassbar und bearbeitbar werden (z. B. Braillezeile am Laptop). Durch diesen Weg kann der behinderungsbedingte Nachteil unter Berücksichtigung der schulartspezifischen Eigenheiten und Ansprüche nach Möglichkeit ausgeglichen werden, um im Sinne der Inklusion eine chancengleiche Teilhabe und einen begabungsgerechten Bildungsabschluss zu ermöglichen. Berufliche Schulen: Die Themen Inklusion und Barrierefreiheit werden bezogen auf Schule und Arbeitswelt inhaltlich in unterschiedlichen Fächern aufgegriffen. Der Unterricht an beruflichen Schulen hat für alle Schülerinnen und Schüler neben der Vermittlung der berufsbezogenen Lerninhalte selbstverständlich auch die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit zum Inhalt und Ziel. Im Sozialkundeunterricht wird der Blick auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und Themen unserer Zeit gerichtet. Dazu zählen u. a. Veränderungen der Arbeitswelt sowie soziale Gerechtigkeit. Sowohl der Religionsunterricht als auch der Ethikunterricht an beruflichen Schulen haben als ein übergeordnetes Ziel „Teilhaben“ ausgewiesen. Teilhaben zielt auf die Aneignung , Gestaltung und Weiterentwicklung sinnvoller und verantwortbarer Handlungsmöglichkeiten. Bedingung für das Ermöglichen von Teilhabe ist Gerechtigkeit im Sinne von gleichberechtigter und verantwortlicher Mitwirkung und Mitgestaltung. Ein auf den Menschen mit Behinderung angepasstes Handeln wird im Unterricht unterschiedlichster Ausbildungsberufe konkretisiert, z. B. im Gastronomiebereich oder bei den Verkaufsberufen oder bei den gewerblichen Berufen etwa im Zusammenhang mit Bauvorschriften, Arbeitssicherheitsvorschriften oder bei ergonomischen Vorgaben für Menschen mit Behinderung. An bestimmten beruflichen Schularten ist das Thema darüber hinaus explizit fachlicher Inhalt der Ausbildung, so heißt es z. B. in den Lehrplanrichtlinien für die Berufsfachschule für Sozialpflege im Lernfeld 2 „Menschen mit Behinderungen betreuen“: „Die Schülerinnen und Schüler reflektieren ihre Einstellung zu Menschen mit Behinderungen und erkennen wesentliche Grundhaltung für den Umgang und die Betreuung von Menschen mit Behinderungen.“ Als Beispiel für eine Fachakademie sei der Lehrplan für die Fachakademie für Sozialpädagogik genannt. Hier wird als Querschnittsaufgabe dem Thema Inklusion besondere Bedeutung beigemessen: „Das Konzept der Inklusion wird im Sinne des Verstehens von Verschiedenheit (Heterogenität ) als Selbstverständlichkeit und Chance verstanden. Inklusion berücksichtigt zahlreiche Dimensionen von Heterogenität : geistige oder körperliche Möglichkeiten und Einschränkungen, soziale Herkunft, Geschlechterrolle, kulturelle , sprachliche und ethnische Hintergründe, sexuelle Orientierung, politische oder religiöse Überzeugung. Diversität bildet den Ausgangspunkt für die Planung pädagogischer Prozesse.“ Der Lehrplan für die Fachschule für Heilerziehungspflege sieht im Lernfeld 2 „Individuelle Lebens-/Lernbedürfnisse wahrnehmen und verstehen“ u. a. vor: „… Ausgehend von diesem Wissen setzen sich die Fachschülerinnen mit den besonderen Bedingungen und Bedürfnissen von Menschen mit Beeinträchtigungen auseinander. Sie respektieren den Anspruch ihrer Adressaten auf Selbstbestimmung und lernen , differenziert mit entsprechenden Lebensäußerungen umzugehen. …“. Spezielles Unterrichtsmaterial zur Barrierefreiheit gibt es im Bereich der Wirtschaftsschulen: Derzeit sind am ISB Arbeitskreise eingesetzt, die Servicematerialien für den Lehrplan der Wirtschaftsschule zur Einstellung in das Lehrerinformationssystem LIS erarbeiten; teilweise sind bereits Materialien in das LIS eingestellt. Im Zusammenhang mit „Barrierefreiheit“ findet sich für den Lernbereich „Mobilität effizient gestalten“ im Fach „Mensch und Umwelt“ ein Beispiel für eine mögliche Lernsituation. Förderschulen: In den Förderschulen stehen den Lehrkräften in Bayern eine Vielzahl an Materialien und Handreichungen zur Verfügung. An erster Stelle sind hierbei die entsprechenden Lehrpläne der jeweiligen Förderschwerpunkte zu nennen, die auf die spezifischen Bedürfnisse durch das ISB abgestimmte Adaptionen der jeweiligen Lehrpläne darstellen. Zum Beispiel: – Für den Förderschwerpunkt Lernen besteht seit 1. August 2012 ein Rahmenlehrplan, der für Lehrkräfte der Jahrgangsstufen 1 bis 9 die förderspezifischen Ansätze für Unterricht und Erziehung aufzeigt. Der Rahmenlehrplan Lernen bezieht sich auf die (bisherigen) Lehrpläne der Grund- und Mittelschule; eine Anpassung an die neuen Lehrpläne Plus erfolgt zeitnah. Mit seinem Bezug zu den Lehrplänen der Grund- und Mittelschule ist er ein inklusiver Lehrplan, der primär für den Förderschulbereich erstellt, aber auch von den Lehrkräften der Grund- und Mittelschulen zur Unterrichtung von Schülerinnen und Drucksache 17/7307 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eingesetzt werden kann. – Für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung stehen eigenständige Lehrpläne zur Verfügung, welche die besonderen Bedürfnisse der betreffenden Schülerschaft berücksichtigen . Auch die Lehrkräfte der allgemeinen Schulen können darauf zurückgreifen und inhaltsbezogen die individuellen Anforderungen von Schülern mit geistiger Behinderung ableiten. 2. a) Inwiefern werden Schülerinnen und Schüler an allen bayerischen Schulen auf die Möglichkeiten, Bestandteile und Perspektiven inklusiver Bildung und barrierefreier Schulen vorbereitet und hingewiesen ? b) Welche Unterrichtsmaterialien stehen hierfür zur Verfügung? 3. a) Inwiefern werden Schülerinnen und Schüler an allen bayerischen Schulen für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert? b) Welche Unterrichtsmaterialien stehen hierfür zur Verfügung? Inklusion im Sinne von Normalität und Wertschätzung von Vielfalt ist Teil zahlreicher Fortbildungen zum Thema Inklusion in den vergangenen Jahren gewesen. Ziel der Fortbildungsveranstaltungen ist selbstverständlich, dass die Lehrkräfte ihr Wissen in den Unterricht einfließen lassen sowie einer entsprechend wertschätzenden Haltung zu Schülerinnen und Schülern mit Behinderung Ausdruck verleihen und damit für die anderen Schülerinnen und Schüler erfahrbar machen. Das Schwerpunktprogramm der staatlichen Lehrerfortbildung für die Jahre 2015 und 2016 enthält u. a. den „Umgang mit Heterogenität“, insbesondere „Inklusion“, „Migration“ und „individuelle Förderung unterschiedlicher Begabungen“ sowie bezogen auf Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen unter anderem „interkulturelles und interreligiöses Lernen“ sowie „Sensibilisierung für den Umgang mit Menschen mit Behinderung“. Zur Sensibilisierung für den Umgang mit Menschen mit Behinderung gehört auch das Thema Barrierefreiheit, das in vielfältiger Form an Schulen aufgegriffen werden kann – zum Beispiel: – Sensibilisierung aufgrund von Schülerinnen und Schülern oder Lehrkräften mit Behinderung an der Schule. – Veranstaltungen zum Perspektivwechsel und zur Sensibilisierung für die Themen Behinderung und Barrierefreiheit (z. B. das Projekt: „Perspektivwechsel“ von GemeinsamMensch e.V. in München, bei dem Schülerinnen und Schüler in Kontakt mit Menschen mit Behinderung kommen, sie eine Greifbehinderung und Blindheit sowie Aktionen im Rollstuhl erleben können). – Aufgreifen von aktuellen Themen (z. B. der Film „Ziemlich beste Freunde“) etc. Die Bayerische Staatsregierung unter Federführung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration arbeitet derzeit an einem Portal zur Barrierefreiheit, das Informationsmaterialien auch zur Sensibilisierung enthalten soll. Sobald dieses Portal eröffnet ist, wird das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst in seinen Publikationen die Schulen darauf hinweisen. Die Schüler in den Förderschulen genießen den Vorteil, dass hier bezogen auf die einzelnen Förderschwerpunkte entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung stehen bzw. bauliche Maßnahmen so umgesetzt sind, dass die Erfordernisse seitens der Schülerschaft in hohem Maße Berücksichtigung finden und damit das Thema Barrierefreiheit für alle Schülerinnen und Schüler sichtbar und erfahrbar wird. Zum Beispiel im Förderschwerpunkt Hören stehen für die Entwicklungsmöglichkeiten und für die den Kommunikationsmöglichkeiten der Schüler notwendige Versorgung geeignete optische, akustische, akustovibratorische und taktile Hilfsmittel zur Verfügung. Im Förderschwerpunkt Sehen stehen zur Bewältigung von Sehschädigungen oder Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmung Scanner, Personal Computer, Braille-Zeile oder Sprachausgabe sowie computergestützte Schnelldrucker für Punktschrift zur Verfügung. Im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung / körperlich motorische Entwicklung sind elektronische Hilfsmittel zur Kommunikation (ELECOK) im Einsatz. Hinsichtlich der Unterrichtsmaterialien wird auf die Antworten zu Frage 1 verwiesen.