Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 20.12.2013 Offene Fragen im Zusammenhang mit Herrn Gustl Mollath Ich frage die Staatsregierung: 1. Nachdem das OLG Nürnberg am 6. August 2013 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die sofortige Entlassung Herrn Mollaths aus der Psychiatrie angeordnet hat, frage ich die Staatsregierung: a) Wann und wie wurde Herr Mollath über seine bevorstehende Entlassung informiert? b) Wie viel Zeit blieb ihm, bis er die Einrichtung verlassen musste? c) Welche Hilfestellungen wurden ihm bei der Entlassung angeboten, z. B. in Bezug auf Wohnungs- oder Jobsuche , Abholung von der Anstalt usw.? d) Werden ihm derzeit Hilfestellungen angeboten? e) Welche Unterstützungs- und Hilfestellungen existie- ren allgemein für Personen, die aus einem psychiatrischen Krankenhaus entlassen werden? Gibt es z. B. eine dem Übergangsmanagement im Justizvollzug vergleichbare Entlassungsvorbereitung und Verknüpfung von Behandlungsmaßnahmen in der Einrichtung mit Hilfsangeboten und Maßnahmen nach der Entlassung ? 2. Nachdem die Staatsanwaltschaft München die renommierte Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert, die sich in der Sendung Beckmann kritisch über die bayerische Justiz und die psychiatrische Begutachtung von Straftätern geäußert hat, in mehreren Verfahren „wegen Besorgnis der Befangenheit“ abgelehnt hat und mittlerweile die Befangenheitsanträge von Gerichten zurückgewiesen wurden, weil die Äußerungen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind, frage ich die Staatsregierung: a) Welche Erwägungen lagen den Befangenheitsanträgen zugrunde? b) Waren bzw. wurden Generalstaatsanwaltschaft und/ oder das Justizministerium darüber informiert? Falls ja, mit welcher Folge? c) Trifft es zu, dass Frau Ziegert mit einer Unterlassungsklage gegen die „Unterstellungen der Staatsanwaltschaft “ vorgeht? d) Hat Frau Dr. Ziegert seitdem weitere Gutachtenaufträge von der bayerischen Justiz erhalten und wann war sie zuletzt als forensische Gutachterin in München und wann an anderen bayerischen Gerichten bestellt? Weshalb wird sie ggf. seit Längerem nicht mehr bestellt ? e) Ist die Staatsregierung der Ansicht, die Gutachteraus- wahl im Rahmen der Begutachtung von Straftätern sollte soweit wie möglich objektiviert werden? Wie könnte dies umgesetzt werden? 3. Nachdem im Zusammenhang mit seinem Bericht zum Fall Gurlitt in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung , Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz am 28.11.2013 Herr Justizminister Prof. Dr. Bausback auf geänderte Berichtspflichten in seinem Hause hingewiesen hat, frage ich die Staatsregierung: a) Bestehen weiterhin Berichtspflichten im Fall Gustl Mollath an das Justizministerium? b) Welche Änderungen hat der neue Justizminister in Bezug auf das Berichtswesen im Ministerium konkret angeordnet? c) Zu welchem Ergebnis kam die von ihm angesprochene Arbeitsgruppe und welche Maßnahmen wurden bzw. werden daraufhin ggf. ergriffen? 4. Wie bewertet die Staatsregierung die Forderung nach einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft mit Zuständigkeit für berufsbezogene Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte in Bayern? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 07.02.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Zur Beantwortung der Frage 1 Buchstabe a–e hat das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration den Träger des Bezirkskrankenhauses Bayreuth, das Kommunalunternehmen Kliniken und Heime des Bezirks Oberfranken, eingeschaltet. Die nachfolgenden Antworten beruhen insoweit überwiegend auf einer Zusammenfassung der dortigen Stellungnahme. 1. Nachdem das OLG Nürnberg am 6. August 2013 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die sofortige Entlassung Herrn Mollaths aus der Psychiatrie angeordnet hat, frage ich die Staatsregierung: a) Wann und wie wurde Herr Mollath über seine bevorstehende Entlassung informiert? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.03.2014 17/734 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/734 Unmittelbar nach Unterzeichnung des Senatsbeschlusses vom 6. August 2013 und vor Herausgabe des Beschlusses sowie der Entlassungsanordnung informierte der Vorsitzende des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg telefonisch den Verteidiger Herrn Mollaths, Herrn Rechtsanwalt Dr. St., über die bevorstehende Entlassung. Der Verteidiger , Rechtsanwalt Dr. St., hat im Internet erklärt, er habe Herrn Mollath sogleich im Anschluss an das Telefonat mit dem Senatsvorsitzenden von der gerichtlichen Entscheidung informiert. Die Geschäftsstelle des Senats kündigte dem Sekretariat des Leiters des Bezirkskrankenhauses Bayreuth telefonisch den Eingang eines Faxes an. Sodann wurde per Fax der Senatsbeschluss an die Verteidigung, an den Leiter des Bezirkskrankenhauses Bayreuth (zusätzlich mit der Entlassungsverfügung und der Bitte um Aushändigung einer Beschlusskopie an den Untergebrachten) und die weiteren Beteiligten übermittelt. Nach Eingang des Telefaxes des Oberlandesgerichtes Nürnberg am 6. August 2013 erteilte das BKH Bayreuth dem durch das Kommunalunternehmen Kliniken und Heime Oberfranken eingeschalteten, für dieses in der Angelegenheit tätigen und voll umfänglich informierten Rechtsanwalt Karsten Sch. den Auftrag, Herrn Mollath umgehend vom Inhalt des Telefaxes des Oberlandesgerichtes Nürnberg zu informieren. Da sich Rechtsanwalt Sch. bereits auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Bayreuth aufhielt, konnte innerhalb von 10 Minuten nach Erhalt des Faxes Herr Mollath über den Inhalt desselben unterrichtet werden. b) Wie viel Zeit blieb ihm, bis er die Einrichtung verlassen musste? Herrn Mollath wurde zu keinem Zeitpunkt eine zeitliche Vorgabe gemacht, bis wann er die Einrichtung zu verlassen habe. Ihm standen mehrere Stunden zur Verfügung, um zu packen und das Verlassen der Klinik vorzubereiten. Nachdem Herr Mollath von Herrn Rechtsanwalt Sch. über den Inhalt des Schreibens des Oberlandesgerichtes Nürnberg informiert worden war, erklärte Herr Mollath, er sei nicht bereit, weitere Gespräche zu führen, begab sich in sein Zimmer und schloss die Türe. Aufgrund dessen setzte sich Herr Rechtsanwalt Sch. sofort telefonisch mit einem der Anwälte des Herrn Mollath, Herrn Rechtsanwalt Dr. St., in Verbindung und bat ihn, mit seinem Mandanten über die Situation zu sprechen. Herr Rechtsanwalt Dr. St. war seitens des Oberlandesgerichtes Nürnberg bereits informiert worden. Herr Mollath hatte sodann die Gelegenheit, allein und ungestört mit Herrn Dr. St. zu telefonieren. Erst nach diesem Gespräch war Herr Mollath bereit, weitere Informationen durch Herrn Rechtsanwalt Sch. entgegenzunehmen. Herr Mollath fragte sogleich, ob er das Bezirkskrankenhaus nun sofort verlassen müsse. Herr Rechtsanwalt Sch. wies darauf hin, dass Herrn Mollath selbstverständlich genügend Zeit zur Verfügung gestellt würde, um seinen „Auszug“ zu organisieren, und dass man auch bereit sei, Herrn Mollath diesbezüglich seitens des Bezirkskrankenhauses zu unterstützen . So wurde Herr Mollath auch gefragt, wer über seinen Rechtsanwalt hinaus informiert werden solle, ob Herr Mollath hinsichtlich des Zusammenpackens seiner Gegenstände bereit sei, Hilfe durch das Bezirkskrankenhaus anzunehmen und ob er besondere Wünsche seiner Abholung durch eine entsprechende Vertrauensperson habe. Herr Mollath lehnte jegliche Hilfestellung durch das Bezirkskrankenhaus ab und gab an, seine Abreise sei bereits durch Herrn Rechtsanwalt Dr. St. organisiert. Herr Rechts- anwalt Dr. St. hatte im o. g. Telefongespräch gegenüber Rechtsanwalt Sch. angegeben, selbst sofort per Flugzeug zu kommen und spätestens gegen 15.00 Uhr da zu sein. Irgendeine zeitliche Vorgabe zum Verlassen der Klinik hatte es für Herrn Mollath nicht gegeben. Es wurde nachgefragt, ob Herr Mollath der Meinung sei, bis ca. 15.00 Uhr fertig zu werden, um diesbezüglich auch Herrn Rechtsanwalt Dr. St. einen genauen Termin nennen zu können. Eine Antwort hierauf gab Herr Mollath nicht. c) Welche Hilfestellungen wurden ihm bei der Entlassung angeboten, z. B. in Bezug auf Wohnungs- oder Jobsuche, Abholung von der Anstalt usw.? Hinsichtlich der Abholung wurde Herrn Mollath jegliche Hilfestellung angeboten, die Herr Mollath jedoch ablehnte, vgl. Antwort zu Frage 1 b. Gleiches gilt für andere Angebote wie die Hilfe bei der Wohnungssuche oder eine Information eines Arztes seines Vertrauens. Herr Mollath wollte keine Angaben zu seiner bevorstehenden Wohnungsnahme oder zu sonstigen Unterbringungsmöglichkeiten machen und auch keinen Arzt benennen. Letztendlich war Herr Mollath dazu bereit, ihm zur Verfügung gestellte Umzugskartons durch Bedienstete des Bezirkskrankenhauses Bayreuth packen, zum Ausgang transportieren und sich das auf seinem für ihn geführten Patientenkonto befindliche Guthaben auszahlen zu lassen. d) Werden ihm derzeit Hilfestellungen angeboten? Über die erfolgte Nachsendung von Zeitungen und Post hinaus wurden Herrn Mollath keine Hilfsangebote gemacht. Eine ambulante Nachsorge wurde nicht angeboten, da dies bei Fehlen jeglicher Bereitschaft eines Patienten zu einer ambulanten Nachsorge nicht möglich ist und auch vorliegend durch das Gericht nicht vorgegeben wurde. Herr Mollath hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht bereit sei, irgendwelche Hilfen vonseiten des Bezirkskrankenhauses Bayreuth anzunehmen. e) Welche Unterstützungs- und Hilfestellungen existieren allgemein für Personen, die aus einem psychiatrischen Krankenhaus entlassen werden? Gibt es z. B. eine dem Übergangsmanagement im Justizvollzug vergleichbare Entlassungsvorbereitung und Verknüpfung von Behandlungsmaßnahmen in der Einrichtung mit Hilfsangeboten und Maßnahmen nach der Entlassung? Bei strafgerichtlich untergebrachten Patienten im Maßregelvollzug nach den §§ 63 und 64 StGB erfolgt regelmäßig beginnend mit der Aufnahme der Patienten in die Klinik eine, auch den weiteren erreichten Behandlungserfolgen angepasste, mit dem Patienten bearbeitete und auch besprochene Therapieplanung. In diese werden rehabilitative Planungen und konkrete Rehabilitationsschritte mit aufgenommen , die bei konkreter werdender und tatsächlich vorliegender Entlassperspektive eine detaillierte, mit dem jeweiligen Patienten erarbeitete Entlassplanung beinhalten. Dabei wird das konkrete Entlassungsumfeld geklärt und der Vollstreckungsbehörde eine die Entlassungsmöglichkeiten darlegende Stellungnahme vorgelegt. Üblicherweise werden dabei empfehlenswerte Weisungen skizziert, die im gerichtlichen Entlassungsbeschluss Berücksichtigung finden können. Dabei wird für die Patienten in der Regel auch eine qualifizierte ambulante Nachsorge, häufig über die Forensisch -Psychiatrische Ambulanz der Klinik vorbereitet. Drucksache 17/734 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 In der Regel können sich Patienten in der einer Entlassung vorausgehenden Behandlungsphase im Rahmen eines vorbereitenden Probewohnens bereits in das künftige Entlassumfeld einüben und bewähren. In diesem Kontext werden alle zur Klärung anstehenden Fragen für die Zeit nach der Entlassung einer sachgerechten Bearbeitung und Regelung zugeführt. Somit verfügen die Patienten, deren Entlassung vorhersehbar und planbar ist, zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entlassung grundsätzlich über eine Wohnung, sei es bei Angehörigen, alleine oder im Rahmen einer betreuten Wohnform. Für viele Patienten sind Maßnahmen der beruflichen Eingliederung konkret unternommen oder bereits abgeschlossen . Auch sonst ist mit den Patienten eine sinnvolle Tagesstrukturierung erarbeitet worden. Die Fragen der sozialen Absicherung sind geklärt. Bei der Mehrzahl der zur Entlassung aus dem Maßregelvollzug anstehenden Patienten ist zudem eine Nachbetreuung über die Forensisch-Psychiatrischen Ambulanzen der Maßregelvollzugs-Einrichtungen indiziert. In dieser nachsorgenden, sowohl unterstützenden als auch kontrollierten Betreuung erhalten die Patienten neben einer Fortführung der Behandlung auch die im Einzelfall notwendige Beratung und Unterstützung z. B. durch in den Ambulanzen tätige Sozialpädagogen. Insofern erhalten aus dem psychiatrischen Maßregelvollzug entlassene Patienten umfassende Unterstützung und Hilfestellungen, in die auch Hilfen anderer Institutionen, vorrangig in komplementären psychiatrischen Institutionen oder Suchthilfeeinrichtungen, mit einbezogen werden. Alle diese Schritte setzen jedoch eine Bereitschaft des Untergebrachten voraus, sich an einer Therapie oder deren Planung zu beteiligen oder mögliche rehabilitationsvorbereitende Schritte, z. B. auch verbunden mit sog. Vollzugslockerungen , zumindest zu erwägen oder zu akzeptieren. Diese Bereitschaft bestand bei Herrn Mollath nicht. 2. Nachdem die Staatsanwaltschaft München die renommierte Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert , die sich in der Sendung Beckmann kritisch über die bayerische Justiz und die psychiatrische Begutachtung von Straftätern geäußert hat, in mehreren Verfahren „wegen Besorgnis der Befangenheit “ abgelehnt hat und mittlerweile die Befangenheitsanträge von Gerichten zurückgewiesen wurden, weil die Äußerungen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind, frage ich die Staatsregierung: a) Welche Erwägungen lagen den Befangenheitsanträgen zugrunde? Die Ablehnungsanträge der Staatsanwaltschaft München I bezogen sich auf mehrere Strafvollstreckungsverfahren, denen jeweils Verurteilungen wegen schwerer und schwerster Straftaten, darunter Mord, sexueller Missbrauch von Kindern und Raub, zugrunde liegen. Gegen die Verurteilten war in den Ausgangsverfahren jeweils eine langjährige Freiheitsstrafe verhängt bzw. die Unterbringung im Maßregelvollzug angeordnet worden. Die Freiheitsstrafen bzw. die Unterbringung im Maßregelvollzug werden derzeit vollstreckt . Einen weiteren Ablehnungsantrag der Staatsanwaltschaft Ingolstadt in einem Verfahren, das mit einem solchen der Staatsanwaltschaft München I zusammenhängt, nahm die Staatsanwaltschaft Ingolstadt noch vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag zurück. Bei allen Verurteilten stand die nach §§ 57, 67d StGB vorgesehene gerichtliche Entscheidung an, ob die Vollstre- ckung des Restes der Freiheitsstrafe bzw. die weitere Unterbringung im Maßregelvollzug zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Für diese Entscheidung sind die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte zuständig; die Staatsanwaltschaft ist als Vollstreckungsbehörde an dem Verfahren beteiligt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen kommt es für die Entscheidung über die Aussetzung einer Strafe bzw. Maßregel zur Bewährung maßgeblich darauf an, ob die Aussetzung unter Berücksichtigung des Sicherungsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann bzw. ob zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. In den angesprochenen Verfahren beauftragten die Gerichte jeweils die Sachverständige Dr. Ziegert mit der Erstellung eines diesbezüglichen Prognosegutachtens. Frau Dr. Ziegert war am 15. August 2013 Gast in der am selben Tag um 22.45 Uhr in der ARD ausgestrahlten Sendung „Beckmann“ und führte dort u. a. aus: „Ich habe das Gefühl, dass die Bedingungen, der Maßregelvollzug in Bayern vielleicht noch etwas anders ist als in anderen Teilen Deutschlands. Ich habe manchmal das Gefühl, es geht um Mailand und Sizilien und Bayern wäre dann Sizilien.“ und „Ich weiß nicht, ob ich mich jemals würde begutachten lassen ...“ Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft München gaben die Äußerungen Anlass zu der Besorgnis, dass Frau Dr. Ziegert dem forensischen Begutachtungswesen – so wie es vom Gesetz vorgegeben ist – nicht unvoreingenommen gegenüberstehe. Dies ergebe sich insbesondere aus den von ihr geäußerten Zweifeln, ob sie sich selbst psychiatrisch begutachten lassen würde. Nach Beurteilung der Staatsanwaltschaft München I gingen die Äußerungen über eine selbstverständlich zulässige Kritik an konkreten Gegebenheiten hinaus und erweckten den Anschein, als würde sie im Besonderen dem Maßregelvollzug in Bayern ablehnend begegnen. In einer solchen Grundhaltung sah die Staatsanwaltschaft die Gefahr, dass sich Gutachten der Sachverständigen nicht allein an den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen, sondern auch an sachfremden Erwägungen orientieren und damit zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen könnten. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die in den betreffenden Verfahren zu erstellenden Prognosegutachten von überragender Bedeutung für den Schutz der Bevölkerung vor (potenziell) gefährlichen Straftätern seien, sah sich die Staatsanwaltschaft veranlasst, von ihrem in der Strafprozessordnung vorgesehenen Recht, einen Sachverständigen wegen Befangenheit abzulehnen, Gebrauch zu machen und eine Entscheidung des Gerichts darüber herbeizuführen, ob die Äußerungen von Frau Dr. Ziegert die Besorgnis einer Voreingenommenheit begründen . b) Waren bzw. wurden Generalstaatsanwaltschaft und/oder das Justizministerium darüber informiert ? Falls ja, mit welcher Folge? Vor Stellung der Ablehnungsanträge waren weder das Staatsministerium der Justiz noch die zuständige Generalstaatsanwaltschaft informiert. Eine Unterrichtung erfolgte – zunächst mündlich – Anfang September 2013 aus Anlass einer Presseberichterstattung über die Ablehnungsanträge. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/734 Schriftliche Berichte an die Generalstaatsanwaltschaft in München über die gestellten Befangenheitsanträge gegen die Sachverständige Dr. Ziegert erfolgten in den einzelnen Verfahren zwischen dem 16. September 2013 und dem 11. Oktober 2013 auf Grundlage der Bekanntmachung über die Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 7. Dezember 2005 (JMBl. 2006, S. 2). Die einzelnen Berichte wurden vom zuständigen staatsanwaltlichen Sachbearbeiter bei der Generalstaatsanwaltschaft München jeweils unverzüglich an das Bayerische Staatsministerium der Justiz weitergeleitet. Aufgrund der vorab erfolgten mündlichen Berichterstattung fand bereits am 13. September 2013 ein persönliches Gespräch der Sachverständigen Dr. Ziegert mit dem Amtschef des Staatsministeriums der Justiz und dem Herrn Generalstaatsanwalt in München statt. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde Frau Dr. Ziegert signalisiert, dass seitens der Staatsanwaltschaft die gerichtlichen Entscheidungen über die Befangenheitsanträge – gleich, ob die Befangenheit bejaht oder verneint werde – akzeptiert werden würden. c) Trifft es zu, dass Frau Ziegert mit einer Unterlassungsklage gegen die „Unterstellungen der Staatsanwaltschaft“ vorgeht? Von der Erhebung einer Unterlassungsklage durch Frau Dr. Ziegert ist weder bei den Staatsanwaltschaften München I und Ingolstadt noch im Staatsministerium der Justiz etwas bekannt geworden. d) Hat Frau Dr. Ziegert seitdem weitere Gutachtenaufträge von der bayerischen Justiz erhalten und wann war sie zuletzt als forensische Gutachterin in München und wann an anderen bayerischen Gerichten bestellt? Weshalb wird sie ggf. seit längerem nicht mehr bestellt? Allgemein entscheidet über die Beauftragung in gerichtsanhängigen Verfahren der mit der Sache befasste gerichtliche Spruchkörper in richterlicher Unabhängigkeit, in nicht gerichtsanhängigen Verfahren der Staatsanwaltschaft der staatsanwaltliche Sachbearbeiter eigenverantwortlich im Rahmen seiner staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis (vgl. Nr. 70 RiStBV). Aufträge an Sachverständige in Ermittlungsverfahren und gerichtlichen Strafverfahren werden nicht zentral erfasst. Wie oft bzw. wann Frau Dr. Ziegert zuletzt in einem Verfahren beauftragt wurde, ist daher nicht sicher feststellbar. Über die Gründe eines etwaigen Rückgangs der Aufträge an Frau Dr. Ziegert kann daher keine allgemeine Aussage getroffen werden. Jedenfalls gibt es keine Anweisung oder sonstige Regelung, Frau Dr. Ziegert nicht (mehr) zu beauftragen. e) Ist die Staatsregierung der Ansicht, die Gutachterauswahl im Rahmen der Begutachtung von Straftätern sollte soweit wie möglich objektiviert werden ? Wie könnte dies umgesetzt werden? Grundlagen für die Auswahlentscheidung der Gerichte und Staatsanwaltschaften sind die forensische Erfahrung des Gutachters, ggf. eine weitergehende fachliche Spezialisierung auf bestimmte Krankheitsformen, die zu erwartende Qualität des Gutachtens im Sinne einer Belastbarkeit auch in höheren Instanzen sowie eine zügige Erstellung aufgrund des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes. Diese Gesichtspunkte müssen vor der Auftragserteilung für jeden konkreten Einzelfall überprüft und miteinander abgewogen werden. Eine Beschränkung der Gutachterauswahl erscheint daher problematisch. Ein Losverfahren beispielsweise würde die o. g. Spezifika des Einzelfalls nicht ausreichend berücksichtigen und im Falle gerichtlicher Begutachtungsaufträge in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen. Die ebenfalls in der öffentlichen Diskussion vorgeschlagene Vergabe der Gutachtensaufträge durch eine zentrale Stelle würde darüber hinaus nicht unerhebliche zeitliche Verzögerungen mit sich bringen und damit dem Beschleunigungsgrundsatz widersprechen. Um eine möglichst hohe Qualität der Gutachten zu erreichen und entsprechend qualifizierte Gutachter auch bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften bekannt zu machen, hat das Staatsministerium der Justiz bereits in der Vergangenheit Gespräche zu Möglichkeiten und Instrumenten der Qualitätssicherung bzw. Fortbildung im Bereich der Forensischen Psychiatrie geführt, u. a. mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Bayerischen Landesärztekammer. Das Justizministerium hat den Gerichten und Staatsanwaltschaften in der Folge Listen mit qualifizierten bzw. zertifizierten Gutachtern zur Verfügung gestellt. Diese Listen werden auch in Zukunft regelmäßig aktualisiert. Darüber hinaus ist es den Verfahrensbeteiligten im konkreten Fall stets möglich, eigene Vorschläge zur Bestellung eines geeigneten Sachverständigen zu machen bzw. Bedenken gegen den bestellten Gutachter zu erheben. 3. Nachdem im Zusammenhang mit seinem Bericht zum Fall Gurlitt in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz am 28.11.2013 Herr Justizminister Prof. Dr. Bausback auf geänderte Berichtspflichten in seinem Hause hingewiesen hat, frage ich die Staatsregierung: a) Bestehen weiterhin Berichtspflichten im Fall Gustl Mollath an das Justizministerium? Verfahren im Komplex des Herrn Gustl Mollath sind grundsätzlich als Berichtssachen im Sinne der Bekanntmachung über die Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 7. Dezember 2005 (JMBl 2006, S. 2) anzusehen. b) Welche Änderungen hat der neue Justizminister in Bezug auf das Berichtswesen im Ministerium konkret angeordnet? Der Staatsminister hat die ihm gegenüber geltenden Berichtspflichten dahingehend präzisiert, dass politisch bedeutsame Verfahren ab sofort nicht nur seinem Büro, sondern ihm persönlich zugeleitet werden. Ferner lässt er sich in einem Jour fixe monatlich über aktuelle Entwicklungen in bedeutsamen strafrechtlichen Verfahren unterrichten. Darüber hinaus wurde eine Arbeitsgruppe zur Fortentwicklung des Berichtswesens eingesetzt. Auf die Antwort zu Frage 4 c wird entsprechend Bezug genommen. Drucksache 17/734 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 c) Zu welchem Ergebnis kam die von ihm angesprochene Arbeitsgruppe und welche Maßnahmen wurden bzw. werden daraufhin ggf. ergriffen? Die aus Vertretern des Ministeriums und der staatsanwaltlichen Praxis bestehende Arbeitsgruppe hat sich mit einer verbesserten Strukturierung von Berichtsinhalten befasst. Das Ergebnis wurde zwischenzeitlich unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaften mit den Behörden- und Abteilungsleitern der Staatsanwaltschaften im Rahmen von Regionalbesprechungen erörtert und wird gegenwärtig umgesetzt . Berichten im Sinne der Bekanntmachung über die Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 7. Dezember 2005 (JMBl 2006, S. 2) wird insbesondere künftig ein Übersichtsblatt beigegeben werden, das eine Schnellinformation über Sachverhalt, Verfahrensstand und Bewertung durch die Generalstaatsanwaltschaft vorsieht. 4. Wie bewertet die Staatsregierung die Forderung nach einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft mit Zuständigkeit für berufsbezogene Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte in Bayern? Die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Verfahren gegen Richter und Staatsanwälte im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erscheint nicht veranlasst : Für die Staatsanwaltschaft gilt gemäß § 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) das Legalitätsprinzip. Dieses bedeutet Verfolgungszwang gegen jeden Verdächtigen bei Vorliegen eines Anfangsverdachts und, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, Anklagezwang. Die Staatsanwaltschaft ist danach verpflichtet, bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für verfolgbare Straftaten einzuschreiten. Verstößt ein Staatsanwalt hiergegen, so macht er sich wegen Strafvereitelung im Amt strafbar. Ist ein strafbares Verhalten dagegen nicht erkennbar, so muss das Verfahren vom Staatsanwalt ohne weitere Ermittlungen eingestellt werden. Diese Grundsätze gelten ausnahmslos in allen Verfahren, auch in Ermittlungsverfahren gegen Richter und Staatsanwälte. Bei den bayerischen Staatsanwaltschaften sind größtenteils bereits Sonderdezernate für Amtsdelikte eingerichtet, um Spezialwissen bündeln zu können und eine effiziente Sachbearbeitung sicherzustellen. Es erscheint weder sinnvoll noch erforderlich, die zahlreichen Anzeigen wegen Rechtsbeugung etwa in Zusammenhang mit Zivilverfahren, die überwiegend mangels Anfangsverdachts (von jeder Staatsanwaltschaft) nach § 152 Absatz 2 StPO einzustellen sind, auf eine spezielle Staatsanwaltschaft zu verlagern. Für die Fälle, die nicht eingestellt werden, wäre eine zentralisierte Bearbeitung zugleich mit deutlich erhöhtem Zeit- und Reiseaufwand verbunden, nachdem die Ermittlungen regelmäßig vor Ort getätigt werden müssen und die gerichtliche Zuständigkeit und damit auch der Ort der Hauptverhandlung unverändert bleibt. Eine Verlagerung der Ermittlungszuständigkeit im Einzelfall bei denkbarer Interessenkollision, d. h. die Zuweisung der Zuständigkeit an eine andere Staatsanwaltschaft durch die Generalstaatsanwaltschaft oder das Justizministerium, ist auch bereits jetzt möglich und wird im Einzelfall genutzt.