Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner SPD vom 12.05.2015 Krebsregister Bayern Der „Erste Bayerische Krebsbericht“ von 2013 des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit schreibt über das Bevölkerungsbezogene Krebsregister in Bayern, dass es „mit einer Erfassungsrate von über 90 % aller Krebserkrankungen eine herausragende, verlässliche Datengrundlage bildet“. Den klinischen Krebsregistern an den Tumorzentren attestiert der zitierte Bericht, dass ihnen eine „besonders wichtige Rolle“ bei der Wissensgenerierung, der Wissensverbreitung und der Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse über Tumorerkrankungen zukomme. Ich frage die Staatsregierung: 1. Nimmt die Staatsregierung heute noch die gleiche Sichtweise auf die bayerische Krebsregistrierung wie 2013 ein? 2. Wieso beabsichtigt die Staatsregierung mit 16 neuen Stellen beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Einzelplan 14 des Haushaltsplans 2015/16 eine Krebsregistrierung in Bayern „aufzubauen“? 3. a) Wie ist der Hinweis im Einzelplan 14 auf nicht bezifferte „Einnahmen für den Aufbau einer Krebsregistrierung in Bayern“ durch „Zuweisungen von Krankenversicherungen zur Krebsregistrierung“ zu verstehen? b) Wurden von der Staatsregierung entsprechende Verhandlungen mit den Krankenkassen in Bayern geführt, wenn ja, mit welchem Ergebnis? 4. a) Welches der „Kriterien zur Förderung klinischer Krebsregister des GKV-Spitzenverbandes vom 20.12.2013“ gemäß § 65 c SGB V (Klinische Krebsregister) erfüllen die existenten klinischen Krebsregister nach Auffassung der Staatsregierung nicht? b) Wenn es aus der Sicht der Staatsregierung bei einzelnen Kriterien Defizite bei den existenten klinischen Krebsregistern geben sollte, welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, diese Defizite bei grundsätzlicher Beibehaltung der Struktur der bayerischen Krebsregistrierung zu beseitigen? 5. a) Ist der Staatsregierung bewusst, dass sie mit einer Krebsregistrierung beim LGL alleine zum Zweck der Abrechnung mit den Krankenkassen über personenbezogene Daten nahezu aller bayerischen Krebspatienten verfügen muss? b) Hält die Staatsregierung eine derartige Konzentration von besonders schutzwürdigen Gesundheitsdaten (Art. 15 Abs. 7 des Bayerischen Datenschutzgesetzes – BayDSG) in einer staatlichen Behörde für geeignet, das Vertrauen der Bürger-/innen, die Kooperationsbereitschaft von Ärzt(inn)en, Tumorzentren und Krankenhäusern aufrechtzuerhalten? 6. Wie bewertet der Landesbeauftragte für Datenschutz (LfD) den Aufbau einer zentralen Datenhaltung parallel zu den existierenden klinischen Krebsregistern unter dem „Gebot der Datensparsamkeit“, obwohl im Krebsfrüherkennungs - und -registergesetz (KFRG) nur eine Landesauswertungsstelle gefordert wird, welche mit pseudonymisierten/anonymisierten Daten ihre Funktion erfüllen könnte? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 01.07.2015 1. Nimmt die Staatsregierung heute noch die gleiche Sichtweise auf die bayerische Krebsregistrierung wie 2013 ein? Die Haltung der Staatsregierung zur bevölkerungsbezogenen epidemiologischen Krebsregistrierung in Bayern hat sich nicht geändert. Mit der Einrichtung einer landesweit agierenden Vertrauensstelle, die die Pseudonymisierung der gemeldeten Daten vornimmt, und einer mit anonymisierten Daten arbeitenden Registerstelle wurde grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen. Die regionalen Klinikregister bieten vertraute Anlaufstellen vor Ort und gewährleisten die vertrauensvolle Rückmeldung zu epidemiologischen Fragestellungen an die Leistungserbringer in der Region. Jedoch stellt die Umsetzung des Krebsfrüherkennungsund -registergesetzes (KFRG) auf Landesebene erweiterte Anforderungen an das neu zu errichtende klinische Krebsregister . Ziel ist die weitere Verbesserung der onkologischen Versorgung und Behandlungsqualität. Dazu sind neben den epidemiologischen, wohnortbezogen erfassten Merkmalen die vielfach umfangreicheren klinischen Daten von der Diagnose über einzelne Behandlungsschritte und die Nachsorge bis hin zu Rückfällen behandlungsortbezogen zu erheben. Um nicht ständig Daten zwischen dem Wohn- und Behandlungsortregister austauschen zu müssen, ist ein zentrales bayerisches Krebsregister erforderlich. Deshalb strebt das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege an, den erweiterten Anforderungen der klinischen und epidemiologischen Krebsregistrierung gerecht zu werden und gleichzeitig beDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.08.2015 17/7341 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7341 stehende Strukturen zu nutzen, aber Doppelerfassung zu vermeiden. 2. Wieso beabsichtigt die Staatsregierung mit 16 neuen Stellen beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Einzelplan 14 des Haushaltsplans 2015/16 eine Krebsregistrierung in Bayern „aufzubauen“? Die Umsetzung des KFRG umfasst eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen, um die durch das Bundesgesetz neu formulierten Aufgaben erfüllen zu können. Dazu gehört die Errichtung einer Landesauswertestelle, die z. B. die Berichterstellung für Bayern sowie die Kommunikation mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss oder dem Robert-KochInstitut übernimmt. Zu diesem Zweck sind im Einzelplan 14 des Haushaltsplans 2015/16 16 Stellen beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ausgewiesen. 3. a) Wie ist der Hinweis im Einzelplan 14 auf nicht bezifferte „Einnahmen für den Aufbau einer Krebsregistrierung in Bayern“ durch „Zuweisungen von Krankenversicherungen zur Krebsregistrierung“ zu verstehen? b) Wurden von der Staatsregierung entsprechende Verhandlungen mit den Krankenkassen in Bayern geführt, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Teilfragen 3 a und b gemeinsam beantwortet. Zur Finanzierung des Betriebs des klinischen Krebsregisters sieht das KFRG vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen für jede gemeldete Neuerkrankung eine Fallpauschale in Höhe von 119 € entrichten, die sich jährlich entsprechend der prozentualen Bezugsgröße erhöht. Die Zahlung der Fallpauschale ist an die Einhaltung der Fördervoraussetzungen des GKV-Spitzenverbands gebunden. Sowohl der Verband der privaten Krankenversicherung als auch die Beihilfebehörden haben fallbezogen ihre anteilige Mitfinanzierung zugesagt. Der Einnahmetitel im Einzelplan 14 ist für diese Mittel vorgesehen. Am 3. März 2015 fand eine Besprechung der Amtschefin des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege mit den Spitzenvertretern der ARGE Krankenkassen statt, in der das zukünftige Konzept eines zentralen klinischen Krebsregisters mit zentraler Abrechnung durch das LGL vorgestellt wurde. Der Vorschlag für eine zentrale Struktur und Organisationsform wurde von der ARGE positiv aufgenommen und unterstützt. 4. a) Welches der „Kriterien zur Förderung klinischer Krebsregister des GKV-Spitzenverbandes vom 20.12.2013“ gemäß § 65 c SGB V (Klinische Krebsregister ) erfüllen die existenten klinischen Krebsregister nach Auffassung der Staatsregierung nicht? Rückmeldungen aus den bestehenden regionalen klinischen Registern legen nahe, dass durch die Zusammenführung der Meldungen in einem gemeinsamen Bayerischen Krebsregister die Förderkriterien besser erfüllt werden können als bei einer Einzelbetrachtung durch sechs regionale klinische Register. So werden die geforderte Vollzähligkeit von mindes tens 90 % und eine DCO-Rate (Erstmeldung der Tumorerkrankung durch Todesbescheinigung) von höchstens 10 % derzeit zwar bayernweit erfüllt, nicht jedoch von jedem einzelnen Register. Gleiches gilt für den Anteil der feingeweblich gesicherten Diagnosen. Nur ein regionales klinisches Register erfüllt derzeit das Kriterium einer Vollständigkeit von mindestens 80 % für sog. TNM-Angaben (Primärtumor T, Lymphknotenbefall N, Metastasen M) des Tumorstadiums, keines die geforderten 80 % für GradingAngaben des geweblichen Tumordifferenzierungsgrads. Darüber hinaus ist die in den Kriterien 1.15 und 1.16 des GKV-Spitzenverbandes vom 20.12.2013 gemäß § 65 c SGB V geforderte Unabhängigkeit von den stationären und ambulanten Leistungserbringern bei den bisherigen Krebsregistern nicht gegeben. Drei Register (Erlangen-Nürnberg, Würzburg und München) sind an Universitätsklinika bzw. der Universität, zwei weitere an kommunalen Krankenhäusern (Augsburg, Bayreuth) angesiedelt. Das Tumorzentrum Regensburg ist als eingetragener Verein organisiert, für den die Universität die Personalverwaltung durchführt. Eine Konzentration am LGL mit regionalen Betriebsstätten vor Ort unter Einbindung der bisherigen Krebsregister würde das Kriterium der Unabhängigkeit von den Leistungserbringern erfüllen. b) Wenn es aus der Sicht der Staatsregierung bei einzelnen Kriterien Defizite bei den existenten klinischen Krebsregistern geben sollte, welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, diese Defizite bei grundsätzlicher Beibehaltung der Struktur der bayerischen Krebsregistrierung zu beseitigen? Um die Förderkriterien des GKV-Spitzenverbandes zu erfüllen und damit die Bezahlung der Fallpauschalen zum Betrieb des klinischen Krebsregisters sicherzustellen, sieht die Staatsregierung aus o. g. Gründen keine Alternative zur Errichtung eines zentralen Krebsregisters. Auch das Expertengremium der Deutschen Krebsgesellschaft legt die Bildung von stärkeren zentralen Strukturen eindringlich nahe. Dabei ist geplant, trotz Konzentration des klinischen Krebsregisters am LGL regionale Strukturen als Betriebsstätten zu erhalten, um die Datenerfassung und die Kommunikation mit den Leistungserbringern vor Ort sicherzustellen. Zur Verbesserung der Vollständigkeit – insbesondere der TNM- und Grading-Angaben – ist eine bayernweit koordinierte und harmonisierte Erweiterung der Meldeinfrastruktur notwendig. Damit können auch Vollzähligkeitsdefizite in Gebieten beseitigt werden, die bisher nur epidemiologisch erfasst sind. Erhebliche Potenziale werden auch in der Schaffung einer landesweit wirksamen Betriebsstätte gesehen , welche im Rahmen der Heimatstrategie Bayern für den Main-Spessart-Kreis mit 16 Beschäftigten ausgewiesen ist. 5. a) Ist der Staatsregierung bewusst, dass sie mit einer Krebsregistrierung beim LGL alleine zum Zweck der Abrechnung mit den Krankenkassen über personenbezogene Daten nahezu aller bayerischen Krebspatienten verfügen muss? b) Hält die Staatsregierung eine derartige Konzentration von besonders schutzwürdigen Gesundheitsdaten (Art. 15 Abs. 7 des Bayerischen Datenschutzgesetzes – BayDSG) in einer staatlichen Behörde für geeignet, das Vertrauen der Bürger-/innen, die Kooperationsbereitschaft von Ärzt(inn)en, Tumorzentren und Krankenhäusern aufrechtzuerhalten ? Die Fragen 5 a und 5 b werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Drucksache 17/7341 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Der Staatsregierung ist bewusst, dass zum Zwecke der Abrechnung von Fallpauschalen für Krebsneuerkrankungen personenbezogene Daten von nahezu allen bayerischen Krebspatienten an einer zentralen Stelle vorliegen müssen. Die flächendeckende, vollständige Erfassung aller Krebsneuerkrankungen ist Ziel der klinischen Krebsregistrierung, um die Patientenversorgung und Behandlungsqualität weiter zu verbessern. Da das KFRG umfangreiche Vorgaben zur Erfassung klinischer Parameter mit Wohnort- und Behandlungsortbezug macht, ist der Abgleich der Meldungen über verschiedene Behandlungs- und Meldeanlässe eines Patienten unumgänglich, zumal die Fallpauschale nur einmal bezahlt wird. Dabei dürfte das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine staatliche Behörde nicht geringer sein als in eine privatwirtschaftliche Einrichtung. Die strikte Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben ist für den Freistaat Bayern selbstverständlich. Besonders schutzwürdige, personenbezogene Daten werden nur in unbedingt notwendigem Maße und unter Einbindung der weiterhin bestehenden, räumlich getrennten Vertrauensstelle zentral zusammengefasst. Durch dieses Vorgehen sollen Mehrfachstrukturen bei der Datenhaltung und -verarbeitung vermieden werden, welche dem Schutz der personenbezogenen Gesundheitsdaten zuwiderlaufen. 6. Wie bewertet der Landesbeauftragte für Datenschutz (LfD) den Aufbau einer zentralen Datenhaltung parallel zu den existierenden klinischen Krebsregistern unter dem „Gebot der Datensparsamkeit “, obwohl im Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) nur eine Landesauswertungsstelle gefordert wird, welche mit pseudonymisierten /anonymisierten Daten ihre Funktion erfüllen könnte? Der Landesbeauftragte für den Datenschutz wurde am 15.05.2015 über die Eckpunkte zum Entwurf eines bayerischen Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes informiert . In seinem Antwortschreiben vom 22.05.2015 hat er das Gesetzesvorhaben begrüßt und seine Mitarbeit angeboten . Insbesondere weist er darauf hin, dass die geplante Konzentration am LGL nicht zu einer Abschwächung des Datenschutzes im Vergleich zur jetzigen Lösung nach dem BayKRG führen darf. Die vorgesehene gesetzliche Regelung für ein integriertes landesweites klinisch-epidemiologisches Krebsregister in Bayern wird in enger Abstimmung mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz erfolgen. Die neue Konzeption minimiert die parallele Datenhaltung durch die derzeit gegebenen Mehrfachstrukturen an sechs regionalen Krebsregistern und kann so für ausgewählte Prozessschritte eine größere Datensparsamkeit als bisher bei größtmöglicher Sicherheit und Effizienz erreichen. Mit diesen Schritten wird die Krebsregistrierung in Bayern qualitativ auf hohem Niveau weiterentwickelt und den Vorgaben des KFRG in Hinblick auf die Erfüllung der Ziele des nationalen Krebsplans unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Belange bestmöglich Rechnung getragen.