Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 08.01.2014 Bannmeile bei Volksfesten Bei Vergnügungsveranstaltungen wie Volksfesten kann grundsätzlich die Gemeinde Anordnungen für den Einzelfall nach Art. 19 Abs. 5 bzw. Art. 23 Abs. 1 LStVG erlassen. Zu den in diesen Artikeln genannten Schutzzwecken ordnen Gemeinden bei solchen Veranstaltungen um das Festzelt (den Festsaal) herum sog. „Bannmeilen“ an, in dessen Bereich das Mitführen und Konsumieren von alkoholischen Getränken in der Öffentlichkeit verboten ist. Ich frage die Staatsregierung: 1. In welchem Umfang kann eine solche Bannmeile örtlich wie sachlich angeordnet werden? 2. Kann sich die Bannmeile auch auf frei zugängliche private Grundstücke erstrecken? 3. Kann sich die Bannmeile auch auf öffentliche Straßen und Wege erstrecken? 4. Ist für die Überwachung und Einhaltung der BannmeilenRegelung die Polizei zuständig oder kann die Gemeinde dieses dem Veranstalter (und dieser wiederum dieses einem Sicherheitsdienst) auferlegen? 5. Ist das zuständige Landratsamt verpflichtet, Anordnungen zu treffen, wenn eine Veranstaltung über das Gebiet einer Gemeinde hinausgeht, die Gemeinden sich aber über zu treffende Anordnungen nicht einigen können, obwohl diese notwendig sind? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 13.02.2014 Vorbemerkung: Die rechtlichen Möglichkeiten zum Erlass von „Bannmeilen“, die Anforderungen an die Gefahrprognosen und an die Verhältnismäßigkeit hängen von den konkreten örtlichen Verhältnissen und sonstigen Umständen des Einzelfalles ab. In allgemeiner Hinsicht kann jedoch Folgendes gesagt werden : Art. 19 Abs. 5 LStVG gibt für erlaubnisfreie (wie grundsätzlich auch nachträglich für bereits genehmigte) Vergnügungen die Möglichkeit, Einzelfallanordnungen zum Schutz bestimmter Rechtsgüter zu erlassen. Ziel ist die Abwehr konkreter Gefahren. Gefahren, die den Erlass von Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 LStVG rechtfertigen, können sich insbesondere aus der Art der Veranstaltung, aus der Beschaffenheit des Veranstaltungsraums bzw. -orts sowie aus der Person bzw. dem Verhalten des Veranstalters ergeben . Es müssen konkrete Tatsachen hinreichenden Anlass zu der Befürchtung geben, die genannten Rechtsgüter seien gefährdet. Art. 19 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 2. Hs. LStVG gestattet es zudem, im Verordnungswege „Anforderungen an die Veranstaltung öffentlicher oder sonstiger Vergnügungen“ zu stellen. Die Vorschrift dient der Regelung von bestimmten typischen, wiederkehrenden Regelungsbedürfnissen bei verschiedenen oder auch bei ein- und derselben Veranstaltung und macht insoweit Nebenbestimmungen oder Einzelfallanordnungen entbehrlich. Ein Verbot des Mitführens und des Konsums von Alkoholika ist grundsätzlich auf Basis des Art. 19 LStVG möglich. Es dient u. a. dem Schutz der Nachbarschaft vor erheblichen Belästigungen, mit Blick auf enthemmtes (Aggressions-) Verhalten von alkoholisierten Personen auch dem Schutz von Leben und Gesundheit vor allem unbeteiligter Personen . Voraussetzung ist allerdings, dass von der Regelung Personen erfasst sind, die als Störer im Sinne von Art. 9 LStVG angesehen werden können. Dabei ist zu beachten, dass es eines (Zurechnungs-)Zusammenhangs des störenden Verhaltens zur Vergnügung bedarf. Es ist allerdings nicht notwendig, dass die Veranstaltung selbst unmittelbar die Gefahrenquelle ist; vielmehr genügt auch die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass Dritte die Veranstaltung dazu benutzen werden, aus ihr heraus oder anlässlich von ihr Gefahren herbeizuführen. Nach Art. 23 Abs. 1 LStVG können die Gemeinden zudem zum Schutz von Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Eigentum oder Besitz für Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Auch danach können, ist der Anwendungsbereich des Art. 19 LStVG nicht eröffnet, etwa Vorgaben zu Ort, Dauer oder Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.03.2014 17/735 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/735 Lautstärke der Veranstaltung, zur zulässigen Besucherzahl, zum Einsatz von Ordnern oder etwa zum Alkoholkonsum gemacht werden. Nach Art. 30 LStVG können die Gemeinden durch Verordnung auf bestimmten öffentlichen Flächen (außerhalb von Gebäuden und genehmigten Freischankflächen) den Verzehr alkoholischer Getränke in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr verbieten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums regelmäßig Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden. In den Verordnungen können die Gemeinden auch das Mitführen alkoholischer Getränke an näher bezeichneten Orten verbieten, wenn die Getränke den Umständen nach zum dortigen Verzehr bestimmt sind. Diese Vorschrift geht im jeweiligen Anwendungsbereich von Art. 19 und Art. 23 LStVG allerdings nicht vor. 1. In welchem Umfang kann eine solche Bannmeile örtlich wie sachlich angeordnet werden? Für den in der Vorbemerkung benannten Zusammenhang zwischen Gefahr/Störung und Vergnügung ist notwendig, dass sich die Gefahr oder Störung – und damit auch der Umfang der Bannmeile – im Ausstrahlungsbereich, d. h. im räumlichen wie auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung ereignet. Die Gefahren und Störungen müssen ursächlich mit der Veranstaltung zusammenhängen und es muss gerechtfertigt erscheinen, sie dieser zuzurechnen. Diese Grenze wird etwa dort überschritten, wo Besucher einer Veranstaltung in deutlicher Entfernung von dieser nicht oder nicht mehr als deren Gäste in Erscheinung treten. Innerhalb dieses Rahmens können jedoch grundsätzlich auch „Exzesshandlungen“ zurechenbar sein. Eine „Bannmeilen-Regelung“ hat allerdings grundsätzlich auch gaststättenrechtlich konzessionierten bzw. genehmigten sowie gewerberechtlich zugelassenen Verkaufsstellen und -flächen Rechnung zu tragen. 2. Kann sich die Bannmeile auch auf frei zugängliche private Grundstücke erstrecken? Grundstücke, die im Privateigentum stehen, können grundsätzlich von einem solchen Verbot erfasst werden, wenn sie für den öffentlichen Verkehr freigegeben sind. 3. Kann sich die Bannmeile auch auf öffentliche Straßen und Wege erstrecken? Allgemein darf insoweit auf die rechtliche Bewertung des Bay erischen Landtags (Drs. 16/15831) anlässlich der Einführung des Art. 30 LStVG verwiesen werden, die auch im hiesigen Zusammenhang maßgeblich ist: Dennoch fallen unter den Begriff der „öffentlichen Flächen“ im Sinne des Art. 30 LStVG insbesondere auch die den öffentlichen Ver- kehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz. Unbeschadet dessen kommen grundsätzlich auch Regelungen nach dem BayStrWG selbst in Betracht: Gemäß Art. 14 BayStrWG ist die Benutzung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze für den Verkehr jedermann gestattet. Eine über den Gemeingebrauch in diesem Sinn hinausgehende Sondernutzung bedarf der behördlichen Erlaubnis, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann (vgl. Art. 18 BayStrWG). Die Landkreise und Gemeinden können gemäß Art. 22 a BayStrWG die Sondernutzungen an Straßen oder Teilen davon in ihrer Baulast auch abweichend durch Satzung regeln. Nach einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Oktober 1982 (Az. 8 N 82 A.277) stellt das „Niederlassen zum Alkoholgenuss“ eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar, während ein zeitlich begrenztes Verweilen nicht ausreichen soll. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat es damals unbeanstandet gelassen , dass die gegenständliche Sondernutzungssatzung eine Sondernutzungserlaubnis für das „Niederlassen zum Alkoholkonsum“ generell versagte. 4. Ist für die Überwachung und Einhaltung der Bannmeilen -Regelung die Polizei zuständig oder kann die Gemeinde dieses dem Veranstalter (und dieser wiederum dieses einem Sicherheitsdienst) auferlegen? Im Rahmen von Nebenbestimmungen kann dem Veranstalter beispielsweise aufgegeben werden, eine bestimmte Zahl an Ordnern einzusetzen. Diese haben dann auch im an die Vergnügung angrenzenden öffentlichen Bereich für die Beachtung der Vorgaben – im Rahmen des rechtlich zulässigen , also insbesondere ohne Inanspruchnahme hoheitlicher Befugnisse – zu sorgen. Insoweit können Veranstalter ihre bestehende Verantwortlichkeit für die Verhinderung von Störungen nicht auf die Allgemeinheit abwälzen. 5. Ist das zuständige Landratsamt verpflichtet, Anordnungen zu treffen, wenn eine Veranstaltung über das Gebiet einer Gemeinde hinausgeht, die Gemeinden sich aber über zu treffende Anordnungen nicht einigen können, obwohl diese notwendig sind? In diesen Fällen gilt nach dem Rechtsgedanken des Art. 44 LStVG, dass die jeweils höhere Behörde oder Stelle zuständig ist, entsprechende Anordnungen ermessensgerecht – eine Handlungspflicht wird nur selten bestehen – zu treffen. Im Anwendungsbereich des Art. 23 LStVG gilt dessen Absatz 2, wonach für Ansammlungen, die über das Gebiet einer Gemeinde hinausgehen, auch die gemeinsame höhere Behörde Anordnungen für den Einzelfall erlassen kann.