Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 13.01.2014 Strukturelles Staatsdefizit Wie das Statistische Bundesamt zum Jahresende bekannt gab, steigt in den ersten drei Quartalen des Jahres 2013 trotz des anhaltenden Wirtschaftswachstums und hoher Steuereinnahmen die Staatsverschuldung weiter. Dabei geben Bund, Länder und Gemeinden auf allen Verwaltungsebenen mehr Geld aus, als sie einnehmen. Dies belegt, dass die öffentlichen Haushalte eine strukturelle und keine konjunkturelle Schwäche aufweisen. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Welche Erklärung gibt es für die trotz der konjunkturellen Hochphase steigende Staatsverschuldung? 2. Gibt es konkrete Vorstellungen, diesem Trend im Freistaat Bayern und auf allen bayerischen kommunalen Ebenen entgegenzuwirken? 3. An welche konkreten Maßnahmen, auch unter Berücksichtigung der kommunalen Finanzhoheit, ist dabei gedacht ? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 17.04.2014 Die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein vom 13. Januar 2014 betreffend „Strukturelles Staatsdefizit“ wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Welche Erklärung gibt es für die trotz der konjunkturellen Hochphase steigende Staatsverschuldung? Nach der zitierten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes beläuft sich das öffentliche Finanzierungsdefizit in den ersten drei Quartalen 2013 auf 28,7 Mrd. Euro, wobei für die Länder ein geringer Finanzierungsüberschuss ausgewiesen wird. Diese unterjährigen Ergebnisse der Kassenstatistik haben erfahrungsgemäß aber nur eine eher beschränkte Aussagekraft . Dies zeichnet sich auch bei der Betrachtung der Entwicklung des Finanzierungssaldos im vergangenen Jahr ab. Für den Abschluss des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte 2013 liegen mittlerweile vorläufige Ergebnisse vor: Danach fiel das Finanzierungsdefizit beim Bund mit rund 22,3 Mrd. Euro um knapp 3 Mrd. Euro geringer aus als geplant und lag überdies unter dem des Vorjahres (22,8 Mrd. Euro). Vor allem aufgrund der nicht strukturellen Ausgaben für den Europäischen Stabilitätsmechanismus und die Errichtung des Sondervermögens „Flut-Aufbauhilfe“ von insgesamt 16,7 Mrd. Euro lag das strukturelle Defizit deutlich niedriger. Die strukturelle Entwicklung des Bundeshaushalts – also bei Betrachtung ohne konjunkturelle Einflüsse und Einmaleffekte – geht dementsprechend in die richtige Richtung. Die Vorgaben der Schuldenbremse wurden mit deutlichem Abstand eingehalten, die strukturelle Nettokreditaufnahme lag mit 0,23 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bereits jetzt unter der ab 2016 geltenden dauerhaften Obergrenze von 0,35 % des BIP. Die Planung der Bundesregierung sieht zudem vor, im Jahr 2014 den Haushalt strukturell auszugleichen und für 2015 einen Haushalt ohne Nettokreditaufnahme vorzulegen . Auch die Länder befinden sich auf einem guten Weg. Sie haben nach vorläufigen Ergebnissen ihre Haushalte 2013 mit einem nahezu ausgeglichenen Ergebnis abgeschlossen. Das Finanzierungsdefizit fiel mit rund 0,5 Mrd. Euro erheblich geringer aus als geplant (rund 11,9 Mrd. Euro). Bei der Betrachtung dieser Entwicklung muss auch berücksichtigt werden, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2013 real um 0,4 % gewachsen ist, nach 0,7 % im Jahr 2012. Derzeit kann daher eher von einem moderaten Wachstum als von einer „konjunkturellen Hochphase“ die Rede sein. 2. Gibt es konkrete Vorstellungen, diesem Trend im Freistaat Bayern und auf allen bayerischen kommunalen Ebenen entgegenzuwirken? Nach Art. 18 Abs. 1 der Bayerischen Haushaltsordnung soll • der Haushaltsplan regelmäßig ohne Einnahmen aus Kre- diten ausgeglichen und • die Verschuldung am Kreditmarkt bis 2030 unter Berück- sichtigung der konjunkturellen Entwicklung abgebaut werden. Der Freistaat Bayern hat bei den Jahresabschlüssen seit 2011 Überschüsse (positive Finanzierungssalden) erzielt und in den Jahren 2012 und 2013 planmäßig Schulden getilgt (insgesamt 2 Mrd. €). Dies ist in den jährlichen Haushaltsrechnungen ausgewiesen, die der Bayerische Landtag erhält (liegen dem Bayerischen Landtag für 2011 und 2012 bereits vor). Auch die bayerischen Kommunen in ihrer Gesamtheit erwirtschafteten in den Jahren 2011 und 2012 (wie schon von 2004 bis 2008) Überschüsse. Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor. Der in der Anfrage genannte Trend besteht daher in Bayern nicht. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.03.2014 17/750 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/750 3. An welche konkreten Maßnahmen, auch unter Berücksichtigung der kommunalen Finanzhoheit, ist dabei gedacht? Nicht jeder Haushalt einer Kommune ist genehmigungspflichtig . Es ist vielmehr zwischen Haushaltssatzungen mit genehmigungspflichtigen Bestandteilen und Haushaltssatzungen ohne solche Bestandteile zu unterscheiden (vgl. Art. 65 Abs. 3 Satz 1 Gemeindeordnung – GO; zitiert wird im Folgenden die Gemeindeordnung, für die Landkreise und Bezirke existieren in der Landkreisordnung bzw. der Bezirksordnung vergleichbare Vorschriften). Genehmigungspflichtig ist die Aufnahme von Krediten für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Art. 71 Abs. 2 GO). Daneben bedarf der Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen der Haushaltssatzung der Genehmigung, wenn in den Jahren, zu deren Lasten sie vorgesehen sind, Kreditaufnahmen geplant sind (Art. 67 Abs. 4 GO). Die Gewährleistung der dauernden Leistungsfähigkeit ist ein zentrales Kriterium für eine geordnete kommunale Haushaltswirtschaft . Sie enthält das Gebot, dass die Kommune jederzeit in der Lage sein muss, ihren Ausgabeverpflichtungen nachzukommen. Die dauernde Leistungsfähigkeit spielt auch und gerade bei der Genehmigung von Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften eine wichtige Rolle: Nach Art. 71 Abs. 2 Sätze 2, 3 GO (bzw. den entsprechenden Vorschriften der LkrO sowie der BezO für die Landkreise und Bezirke) soll die Genehmigung des Gesamtbetrags der vorgesehenen Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt einer geordneten Haushaltswirtschaft erteilt oder versagt werden; sie kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Die Genehmigung ist in der Regel zu versagen, wenn die Kreditverpflichtungen mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht im Einklang stehen. Bei anzeigenpflichtige Haushalten kann die Rechtsaufsichtsbehörde die Satzung beanstanden und u. a. die Verletzung von Rechtsvorschriften geltend machen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass gerade die „Gewährleistung der dauernden Leistungsfähigkeit“ als zentrales Kriterium für eine geordnete Haushaltswirtschaft dazu dient, sicherzustellen, dass Gemeinden dauerhaft nicht „mehr Geld ausgeben, als sie einnahmen“.