Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.05.2015 Operativer Opferschutz in Bayern II Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie begründet die Staatsregierung ihre Aussage, wonach eine nach Polizeipräsidien aufgeschlüsselte Darstellung der Maßnahmen zum Operativen Opferschutz die Sicherheit der Opfer gefährde, weil so der Täter in anonymisierter Form Zugang zu Maßnahmen und Fallzahlen pro Polizeipräsidium erhalte, wie in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze vom 13.11.2014 betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 angedeutet? 2. In welchen Polizeipräsidien wird Operativer Opferschutz betrieben (bitte einzeln auflisten)? 2.1 Wie viele Beamt(inn)en sind in diesen Polizeipräsidien mit Operativem Opferschutz betraut (bitte einzeln auflisten )? 2.2 Wie viele Planstellen speziell ausgebildeter Kriminalpolizist(inn)en werden für den Operativen Opferschutz in welchen Polizeipräsidien aufgestockt bzw. verlagert? 3. Wie begründet die Staatsregierung die Tatsache, dass der Ergebnisbericht der AG Stalking seit 2012 unter Verschluss gehalten wird? 3.1 Wurden Maßnahmen auf Vorschlag der AG Stalking bereits umgesetzt bzw. sind aktuell in Planung? 4. Zu welchen Ergebnissen bezüglich konkreter Maßnahmen des Operativen Opferschutzes kam die aktuelle Arbeitsgruppe im Innenministerium, die laut der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 für das erste Quartal 2015 erwartet wurde? 4.1 Zu welchen neuartigen Ergebnissen kam die aktuelle Arbeitsgruppe im Vergleich zur 2012 abgeschlossenen AG Stalking? 4.2 Welche Rolle spielten die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 genannte Evaluationsstudie „Evaluation der Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalteskalationen in Paarbeziehungen bis hin zu Tötungsdelikten und vergleichbaren Bedrohungsdelikten“ und das Forschungsprojekt „Gewalteskalation in Paarbeziehungen “ für die Arbeit der Arbeitsgruppe? 5. Wie gestaltet sich die „weitere Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Justizbehörden “ konkret, die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 13.11.2014 der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 angesprochen wird? 6. Wie gestaltet sich die „Zusammenarbeit von Schutzund Kriminalpolizei im konkreten Sachverhalt sowie [die Optimierung] im Hinblick auf ablauforganisatorische Gesichtspunkte“ konkret, die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 13.11.2014 der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern angesprochen wird? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 07.07.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Einleitend darf ich anmerken, dass der Operative Opferschutz eine qualifizierte Form des Opferschutzes darstellt. Er ist notwendig, wenn sich aufgrund eines herausragenden Gefährdungssachverhalts (High-Risk-Fall) die konkrete Gefährdung einer Person entweder durch angedrohte oder bereits erfolgte Repressalien ergibt und konkrete Schutzmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Dies ist der Fall, wenn die gefährdete Person aufgrund einer strukturierten Beurteilung der Gefährdungslage erkennbar einer konkreten Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder persönlicher Freiheit ausgesetzt ist. Wird ein Fall nach Beurteilung der Gefährdungslage nicht als Fall des Operativen Opferschutzes eingestuft, so greifen alle Maßnahmen des herkömmlichen Opferschutzes. Dabei handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um Informationsgespräche über Opferrechte und im Einzelfall bestehende rechtliche Eingriffsmöglichkeiten nach dem Recht der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung. Auch Aufklärung über Phänomene wie Stalking und das Vermitteln konkreter Verhaltenshinweise in jeweiligen Situationen zählt zu den Inhalten des Opferschutzes, ebenso wie die Information über bestehende Hilfs- und Beratungsangebote von Fachberatungsstellen mit ggf. direkter Vermittlung an eine solche Stelle. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.08.2015 17/7532 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7532 1. Wie begründet die Staatsregierung ihre Aussage, wonach eine nach Polizeipräsidien aufgeschlüsselte Darstellung der Maßnahmen zum Operativen Opferschutz die Sicherheit der Opfer gefährde, weil so der Täter in anonymisierter Form Zugang zu Maßnahmen und Fallzahlen pro Polizeipräsidium erhalte, wie in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze vom 13.11.2014 betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 angedeutet? In Anlehnung an die Beantwortung der Frage 1 des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zur Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Katharina Schulze vom 13.11.2014 betreffend „Operativer Opferschutz in Bayern “ ist Sinn und Zweck der Maßnahme, dass dem Gefährder der Aufenthaltsort der geschützten Person nicht bekannt wird (Drs. 17/4978 vom 20.03.2015). Aufgrund der geringen Fallzahlen des Operativen Opferschutzes besteht gerade deswegen die Gefahr, dass durch eine Aufschlüsselung der Einzelmaßnahmen nach Präsidien eine regionale Eingrenzbarkeit des Aufenthaltsortes des Opfers möglich ist. 2. In welchen Polizeipräsidien wird Operativer Opferschutz betrieben (bitte einzeln auflisten)? In Bayern werden derzeit fünf Fälle des Operativen Opferschutzes bearbeitet. Wie bereits angeführt, kann eine Aufschlüsselung nach Präsidien nicht erfolgen, da dies eine Gefahr für die zu schützenden Opfer hinsichtlich der Eingrenzbarkeit ihres Aufenthaltsortes darstellen würde. 2.1 Wie viele Beamt(inn)en sind in diesen Polizeipräsidien mit Operativem Opferschutz betraut (bitte einzeln auflisten)? 2.2 Wie viele Planstellen speziell ausgebildeter Kriminalpolizist(inn)en werden für den Operativen Opferschutz in welchen Polizeipräsidien aufgestockt bzw. verlagert? Die Fragen 2.1 und 2.2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Für die Bearbeitung des Operativen Opferschutzes sind derzeit keine etatisierten Stellen vorgesehen. Aufgrund der geringen Fallzahlen mit unterschiedlicher Dauer und Intensität ist ein genereller Personalansatz für Fälle des Operativen Opferschutzes nicht bezifferbar. Die einzelnen Polizeipräsidien entscheiden dabei je nach Einzelfall und haben ausreichend Handlungsspielraum, um den notwendigen Personalbedarf zielgerichtet einzusetzen. Fälle des Operativen Opferschutzes werden regelmäßig durch ausgebildete Kriminalbeamte bearbeitet, die hauptamtlich mit der Durchführung von Zeugenschutzmaßnahmen befasst sind. 3. Wie begründet die Staatsregierung die Tatsache, dass der Ergebnisbericht der AG Stalking seit 2012 unter Verschluss gehalten wird? Die Ergebnisse der AG Stalking enthalten auch Hinweise zu einsatztaktischen Vorgehensweisen und operativen Maßnahmen , die einer Veröffentlichung entgegenstehen, da andernfalls die Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen zum Schutz der Opfer reduziert werden würde. 3.1 Wurden Maßnahmen auf Vorschlag der AG Stalking bereits umgesetzt bzw. sind aktuell in Planung ? Die durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr beauftragte AG Stalking konstituierte sich am 26.01.2012 und legte im Dezember 2012 ihren Bericht vor. Wesentliche von der AG Stalking benannte Handlungsfelder mit deren Umsetzungsstand: Die Umwandlung des § 238 StGB (Nachstellung) von einem Erfolgsdelikt in ein Eignungs-/Gefährdungsdelikt wurde initiiert und liegt dem Bundesrat seit Mai 2014 vor (BR-Drs. 193/14 vom 06.05.2014). Dieser hat in seiner 932. Sitzung einen Antrag Bayerns auf sofortige Sachentscheidung bedauerlicherweise mehrheitlich am 27. März 2015 abgelehnt und die Initiative erneut zur Beratung in die Ausschüsse verwiesen. Die angeregte Überprüfung des strafrechtlichen Instrumentariums des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des in § 4 GewSchG geregelten Straftatbestandes ergab, dass in der Strafrechtspraxis keine bedeutsamen Probleme gesehen werden und damit ein drängender gesetzgeberischer Reformbedarf nicht besteht. Die von der Arbeitsgruppe angeregte Anpassung der Regelungen zur Speicherung von Verkehrsdaten mit Blick auf § 238 StGB wird im aktuellen Gesetzesvorhaben des Bundes zur Verkehrsdatenspeicherung nicht aufgegriffen. Die befürwortete Einrichtung von Schwerpunktsachbearbeitern bei den Staatsanwaltschaften ist umgesetzt, zwischenzeitlich sind bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften entweder Sonderdezernate „Gewalt im sozialen Nahbereich, Stalking und Vergehen nach dem Gewaltschutzgesetz “ eingerichtet oder besondere Ansprechpartner für die Behandlung solcher Fälle bestellt. Täterprogramme (gewaltzentrierte und konfrontative Unterstützungs - und Beratungsangebote zur Verhaltensänderung ) in jedem der drei Oberlandesgerichtsbezirke tragen der angeregten gerichtlichen Anordnung bzw. Weisung zu Beratungsgesprächen, Therapien o. Ä. auch bei Ersttätern Rechnung. Durch eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz wurde gewährleistet, dass sich die Rechtsantragsstellen der Gerichte bei Anträgen nach dem Gewaltschutzgesetz eng mit den polizeilichen Sachbearbeitern abstimmen und auf polizeiliche Berichte zurückgreifen können. Den geforderten Fortbildungen für polizeiliche Sachbearbeiter „Häusliche Gewalt“ ist durch die Kursangebote „Gefährderansprache Stalking“ und „Häusliche Gewalt/Opferschutz “ des Bayerischen Fortbildungsinstitutes der Polizei Rechnung getragen. Die Thematik „Häusliche Gewalt“ ist daneben auch fester Bestandteil der Fortbildungen auf justizieller Seite. Die angeregte Einführung eines polizeilichen Vernehmungsspiegels Stalking/Cyber-Stalking wird umgesetzt. Die polizeilichen Handlungsfelder im Zusammenhang mit den Themengebieten „Häusliche Gewalt“ und „Nachstellung “ gehen zwischenzeitlich über die Ergebnisse der durch die 2012 abgeschossenen AG Stalking erkannten Ansatzpunkte hinaus. Unter anderem wurde eine Arbeitsgruppe der Bayerischen Polizei beauftragt, auch in Anlehnung an die AG Stalking , die „Rahmenvorgabe zur polizeilichen Bekämpfung der Häuslichen Gewalt und damit in Zusammenhang stehender Stalkingfälle“ fortzuschreiben. Die fortgeschriebene Rahmenvorgabe befindet sich in der Endabstimmung. Der avisierte Termin zur Umsetzung ist nun für das 2. Halbjahr 2015 vorgesehen. Drucksache 17/7532 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Daneben werden relevante Sachverhalte aus dem Bereich der „Häuslichen Gewalt“ in Bayern im Rahmen von Fallkonferenzen einer eingehenden Bewertung zur Festlegung erforderlicher Maßnahmen unterzogen. Ergänzend beteiligt sich das Bayerische Landeskriminalamt an einer bundesweiten Arbeitsgruppe zum Management von Hochrisikofällen häuslicher Gewalt und von Stalking. Ziel der AG ist festzustellen, welche Konzepte und Projekte in den Ländern zur Risikoidentifizierung und Gefährdungseinschätzung von Beziehungsgewalt in interdisziplinären Fallkonferenzen bereits bestehen und umgesetzt werden, sowie zu prüfen und zu bewerten, ob hinsichtlich des Managements von Hochrisikofällen häuslicher Gewalt und Stalking ergänzender Handlungsbedarf besteht. 4. Zu welchen Ergebnissen bezüglich konkreter Maßnahmen des Operativen Opferschutzes kam die aktuelle Arbeitsgruppe im Innenministerium, die laut der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 für das erste Quartal 2015 erwartet wurde? Das abschließende Ergebnis der Arbeitsgruppe liegt dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr noch nicht vor. Der avisierte Termin zur Umsetzung ist für das 2. Halbjahr 2015 geplant. 4.1 Zu welchen neuartigen Ergebnissen kam die aktuelle Arbeitsgruppe im Vergleich zur 2012 abgeschlossenen AG Stalking? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 4.2 Welche Rolle spielten die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 genannte Evaluationsstudie „Evaluation der Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalteskalationen in Paarbeziehungen bis hin zu Tötungsdelikten und vergleichbaren Bedrohungsdelikten “ und das Forschungsprojekt „Gewalteskalation in Paarbeziehungen“ für die Arbeit der Arbeitsgruppe? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 5. Wie gestaltet sich die „weitere Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Justizbehörden“ konkret, die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 13.11.2014 der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern Drs. 17/4978 angesprochen wird? Insoweit darf auf die Beantwortung zu Frage 6 der Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend „Operativer Opferschutz in Bayern“ (Drs. 17/4978 vom 20.03.2015) verwiesen werden. Darüber hinaus sollen die im Rahmen von Gefahrenprognosen und Gefährderansprachen gewonnenen Erkenntnisse durch verstärkte Einbindung der Justiz in Fallkonferenzen erörtert werden. 6. Wie gestaltet sich die „Zusammenarbeit von Schutz- und Kriminalpolizei im konkreten Sachverhalt sowie [die Optimierung] im Hinblick auf ablauforganisatorische Gesichtspunkte“ konkret, die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 13.11.2014 der Abgeordneten Katharina Schulze betreffend Operativem Opferschutz in Bayern angesprochen wird? Bei Feststellung eines herausragenden Gefährdungssachverhalts meldet die erkennende Polizeidienststelle den Sachverhalt einschließlich einer strukturierten Beurteilung der Gefährdungslage unverzüglich an das Polizeipräsidium, das den Sachverhalt eingehend prüft. Kommt dieses in Zusammenarbeit mit den Fachdienststellen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der herausragenden Gefährdung Maßnahmen zum Operativen Opferschutz erforderlich sein können, wird eine Fallkonferenz einberufen und über das weitere Vorgehen entschieden. Die Zuweisung zur Umsetzung der zu treffenden Maßnahmen erfolgt durch das Polizeipräsidium.