Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.05.2015 Umsetzung des Mindestlohngesetzes in Bayern Unmittelbar nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 01.01.2015 hat eine kontroverse politische Debatte über die bürokratischen Folgen des Gesetzes und die Aufzeichnungspflichten der Arbeitgeber begonnen. Insbesondere die Verpflichtung bestimmter Branchen zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten und die Auftraggeberhaftung beim Einsatz von Subunternehmen oder im Falle einer Arbeitnehmerüberlassung unterliegen der Kritik. Für die Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Emilia Müller, handelt es sich bei dem „Mindestlohngesetz um ein Bürokratiemonster“. Die Staatsregierung fordert vor diesem Hintergrund u. a. eine Streichung der Dokumentationspflichten für sog. Minijobs, eine Reduzierung der Dokumentationspflichten für die Branchen, die unter das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fallen, sowie die Streichung der Auftraggeberhaftung für Subunternehmer. Bis zu einer Novellierung des Mindestlohngesetzes durch die Bundesregierung sollen die Prüfungen durch die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollbehörden vollständig ausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Auswirkungen hätte die von Staatsministerin Emilia Müller geforderte sofortige Aussetzung sämtlicher Kontrollen und Prüfungen durch die zuständigen Zollbehörden auf den weiteren Vollzug des Mindestlohngesetzes (MiLoG)? a) Welche Auswirkungen hätte die von der Staatsregierung geforderte Streichung sämtlicher Dokumentationspflichten für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse auf die Durchsetzung des Mindestlohngesetzes im Bereich der sog. Minijobs? b) Welche Auswirkungen hätte die von der Staatsregierung geforderte Streichung der Arbeitgeberhaftung gegenüber Sub- und Leiharbeitsunternehmen auf die Umsetzung des Mindestlohngesetzes insbesondere in den in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftszweigen? 2. Wie viele Kontrollen und Prüfungen wurden seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes durch die zuständigen Zollbehörden in Bayern durchgeführt? a) Wie viele Verstöße gegen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes konnten bei diesen Kontrollen in Bayern festgestellt werden? b) Wie viele Verstöße gegen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes wurden im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nach § 8 Abs.1 SGB IV und in den in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen in Bayern festgestellt (bitte nach den aufgeführten Branchen aufschlüsseln)? 3. Wie hoch ist nach Auffassung der Staatsregierung der zeitliche Verwaltungsaufwand, der mit der im Gesetz vorgesehenen Erfassung der täglichen Arbeitszeiten pro Woche und Monat einhergeht? a) Wie ist nach Auffassung der Staatsregierung auch ohne eine Dokumentation der täglichen Arbeitszeiten eine effektive Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes zu gewährleisten? b) Wie will die Staatsregierung Umgehungen des Mindestlohns durch Manipulationen der Arbeitszeitdokumentation durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer verhindern? 4. Welche Konstellationen sind denkbar, in denen durch die Dokumentation der Arbeitszeiten in den neun von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen bisher nicht erkannte Verstöße gegen das geltende Arbeitszeitgesetz aufgedeckt werden? a) Ist der vehemente Widerstand gegen die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten ein Indiz dafür, dass das Arbeitszeitgesetz bisher offenbar in manchen Bereichen systematisch missachtet wurde? b) Mit welchen Maßnahmen will die Staatsregierung die Einhaltung der Vorgaben für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz sicherstellen ? 5. Wie soll der gesetzliche Mindestlohn zukünftig in den Ausschreibungsverfahren für öffentliche Aufträge berücksichtigt werden? a) Sind der Staatsregierung bereits Fälle bekannt, in denen Unternehmen aufgrund von Verstößen gegen das Mindestlohngesetz von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen wurden? b) Wie will die Staatsregierung sicherstellen, dass Unternehmen , die gegen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes verstoßen, zukünftig von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden? 6. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über die bisherige Evaluierung des Mindestlohngesetzes durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vor? a) Welche Aussagen lassen sich in Bezug auf die in der IFO-Prognose vorhergesagten Arbeitsplatzverluste unter Berücksichtigung der aktuellen Arbeitsmarktdaten machen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.09.2015 17/7672 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7672 b) Wie bewertet die Staatsregierung die wissenschaftliche Qualität aktueller Prognosen über das Wachstum der Schattenwirtschaft als Folge des gesetzlichen Mindestlohns ? 7. Wie will die Staatsregierung die Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in den besonders problematischen Branchen des Baugewerbes, des Gaststätten - und Hotelgewerbes, des Transport- und Logistikgewerbes, des Schaustellergewerbes, der Forstwirtschaft, der Gebäudereinigung, des Messebaus und der Fleischwirtschaft genau kontrollieren? a) Wie viele Fälle von Schwarzarbeit und falscher Lohnabrechnung sind der Staatsregierung in den genannten Branchen in den vergangenen fünf Jahren bekannt geworden? b) Welche Unterstützung und Beratung erhalten betroffene Arbeitnehmer über die Möglichkeiten der Anzeigeerstattung und gerichtlichen Geltendmachung von Lohnansprüchen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 14.07.2015 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Kerstin Celina wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie wie folgt beantwortet: 1. Welche Auswirkungen hätte die von Staatsministerin Emilia Müller geforderte sofortige Aussetzung sämtlicher Kontrollen und Prüfungen durch die zuständigen Zollbehörden auf den weiteren Vollzug des Mindestlohngesetzes (MiLoG)? Die Staatsregierung hat sich bereits frühzeitig mit den umfangreichen Vollzugsproblemen des MiLoG befasst. Die großen Umsetzungsprobleme des MiLoG zeigen dringenden Handlungsbedarf auf. Insgesamt sind die derzeitigen Regelungen in vielen Belangen unangemessen und praxisuntauglich. Es besteht Korrekturbedarf hinsichtlich verschiedener Regelungen. Die größten Probleme bereiten in der Praxis unter anderem die überzogenen bürokratischen Anforderungen an die Wirtschaft. Aber auch viele Rechtsunsicherheiten bedingen Klarstellungsbedarf. Die Staatsregierung hatte deshalb in diesem Zusammenhang die Aussetzung der Kontrollen durch den Zoll als Sofortmaßnahme gefordert, bis Änderungen bzw. Klarstellungen der verschiedenen Problembereiche erfolgt sind. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales selbst hat die Kontrollen durch den Zoll bezüglich der Einhaltung der Mindestlohnregelungen im Transitverkehr bis zur Klärung der EU-Rechtskonformität der Vorschriften ausgesetzt. Daher wäre auch eine grundsätzliche Aussetzung der Zollkontrollen bis zur Auflösung aller Umsetzungsprobleme und Rechtsunsicherheiten nur konsequent. Die Staatsregierung hält auch weiterhin an ihren grundsätzlichen Korrektur- und Klarstellungsforderungen fest und setzt sich weiterhin für praxisgerechte Lösungen ein. a) Welche Auswirkungen hätte die von der Staatsregierung geforderte Streichung sämtlicher Dokumentationspflichten für geringfügig Beschäftigungsverhältnisse auf die Durchsetzung des Mindestlohngesetzes im Bereich der sog. Minijobs ? Eine Streichung der Dokumentationspflichten für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse würde die für die Unternehmen unverhältnismäßigen Bürokratiebelastungen mindern, ohne den unabdingbaren Mindestlohnanspruch nach § 1 MiLoG zu berühren. Der Anspruch eines jeden Arbeitnehmers auf Zahlung des Mindestlohns gegen seinen Arbeitgeber und die damit korrespondierende Pflicht eines jeden Arbeitgebers zur Gewährung des Mindestlohns an seine Arbeitnehmer blieben unberührt. Im Übrigen sind Lohn- und Gehaltsansprüche – wie sonstige arbeitsrechtliche Forderungen – vom Arbeitnehmer selbst gegenüber dem Arbeitgeber gegebenenfalls im Klagewege vor den Arbeitsgerichten durchzusetzen. b) Welche Auswirkungen hätte die von der Staatsregierung geforderte Streichung der Arbeitgeberhaftung gegenüber Sub- und Leiharbeitsunternehmen auf die Umsetzung des Mindestlohngesetzes insbesondere in den in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftszweigen ? Die Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG in Verbindung mit § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) führt zu einer verschuldensunabhängigen Haftung des Auftraggebers zur Zahlung des Mindestlohns über sämtliche Subunternehmerebenen , selbst wenn keine realistische Kontrollmöglichkeit des bzw. der Subunternehmer besteht. Eine Streichung dieser Vorschrift würde die für Auftraggeber daraus resultierenden unverhältnismäßigen Haftungsrisiken und hohen Bürokratiebelastungen mindern, ohne den unabdingbaren Mindestlohnanspruch nach § 1 MiLoG zu berühren. Der Anspruch eines jeden Arbeitnehmers auf Zahlung des Mindestlohns gegen seinen Arbeitgeber und die damit korrespondierende Pflicht eines jeden Arbeitgebers zur Gewährung des Mindestlohns an seine Arbeitnehmer blieben unberührt. Im Übrigen sind Lohn- und Gehaltsansprüche – wie sonstige arbeitsrechtliche Forderungen – vom Arbeitnehmer selbst gegenüber dem Arbeitgeber ggf. im Klagewege vor den Arbeitsgerichten durchzusetzen. 2. Wie viele Kontrollen und Prüfungen wurden seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes durch die zuständigen Zollbehörden in Bayern durchgeführt? Die Staatsregierung hat keine Zuständigkeit hinsichtlich der Kontrolle der Einhaltung des allgemeinen Mindestlohns. Wie in der Schriftlichen Anfrage selbst dargestellt, liegt die Zuständigkeit hierfür bei den Behörden der Zollverwaltung (§ 14 MiLoG), die als Bundesbehörden dem Bundesministerium der Finanzen unterstehen. Der Staatsregierung liegen zu den Fragen 2 bis 2 b insofern keine eigenen Kenntnisse vor. Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration hat deshalb die Bundesfinanzdirektion Südost – als Rechts- und Fachaufsichtsbehörde über die bay- Drucksache 17/7672 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 erischen Hauptzollämter (Augsburg, Landshut, München, Nürnberg, Regensburg, Rosenheim und Schweinfurt) – um Stellungnahme gebeten. Die Bundesfinanzdirektion Südost hat mitgeteilt, dass eine differenzierte statistische Erfassung der einzelnen Prüfaufgaben (zum Beispiel Sozialversicherung, Ausländerbeschäftigung , Sozialleistungen, Mindestlohn) nicht erfolgt . Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) gehe regelmäßig von einem ganzheitlichen Prüfansatz aus, das heißt bei jedem Arbeitgeber werden alle in Betracht kommenden Prüfaufgaben abgedeckt. Im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.05.2015 wurden in Bayern durch die FKS insgesamt 9.993 Prüfungen in allen Branchen durchgeführt. Dabei wurden 27.084 Personen befragt und 4.578 Arbeitgeberprüfungen (Prüfungen der Geschäftsunterlagen) durchgeführt. a) Wie viele Verstöße gegen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes konnten bei diesen Kontrollen in Bayern festgestellt werden? Die Bundesfinanzdirektion Südost weist darauf hin, dass eine statistische Erfassung, welche Ermittlungsverfahren aufgrund von Kontrollen eingeleitet werden, nicht erfolgt und neben Prüfungen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auch weitere Erkenntnisquellen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren führen, zum Beispiel Hinweise von Behörden oder Personen. Laut Bundesfinanzdirektion Südost wurden im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.05.2015 in Bayern insgesamt 13 Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes eingeleitet . Das sind bezogen auf die Zahl der Prüfungen 0,13 %. Die Verstöße beziehen sich auf alle Branchen. Verstöße gegen die Zahlung des Mindestlohns können aufgrund der erstmaligen Fälligkeit des Mindestlohns zum Ende Februar 2015 erst ab 01.03.2015 festgestellt werden. Diesbezügliche Zahlen wurden seitens der Bundesfinanzdirektion Südost nicht mitgeteilt. b) Wie viele Verstöße gegen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes wurden im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nach § 8 Abs. 1 SGB IV und in den in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen in Bayern festgestellt (bitte nach den aufgeführten Branchen aufschlüsseln)? Daten über Verstöße im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse liegen der Bundesfinanzdirektion Südost nicht vor und werden auch nicht erhoben. Eine Auswertung , in welchen Branchen Verstöße gegen das MiLoG festgestellt wurden, ist nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 2 a verwiesen. 3. Wie hoch ist nach Auffassung der Staatsregierung der zeitliche Verwaltungsaufwand, der mit der im Gesetz vorgesehenen Erfassung der täglichen Arbeitszeiten pro Woche und Monat einhergeht? Der Staatsregierung liegen keine konkreten Informationen zum zeitlichen Verwaltungsaufwand bezüglich der im MiLoG vorgesehenen Erfassung der täglichen Arbeitszeiten vor. Die Auswertung einer von der Staatsregierung durchgeführten Umfrage unter anderem unter den Wirtschaftsorganisationen , den Organisationen der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege sowie den kommunalen Spitzenverbänden zu den Umsetzungsproblemen des MiLoG sowie sonstiger eingegangener Stellungnahmen zeigen jedoch deutlich insbesondere große Vollzugsprobleme aufgrund der überzogenen bürokratischen Anforderungen durch die unverhältnismäßigen Dokumentationspflichten auf. Insgesamt rund 70 % der Stellungnahmen (davon fast aller Verbände) enthalten Kritik zu den Aufzeichnungspflichten. a) Wie ist nach Auffassung der Staatsregierung auch ohne eine Dokumentation der täglichen Arbeitszeiten eine effektive Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes zu gewährleisten? Unabhängig von der Dokumentation der täglichen Arbeitszeiten ist der Mindestlohnanspruch nach § 1 MiLoG unabdingbar . Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns (vgl. Antwort zu Frage 1 a). b) Wie will die Staatsregierung Umgehungen des Mindestlohns durch Manipulationen der Arbeitszeitdokumentation durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer verhindern? Wie in der Schriftlichen Anfrage selbst dargestellt, liegt die Zuständigkeit für die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers bei den Behörden der Zollverwaltung (§ 14 MiLoG), die als Bundesbehörden dem Bundesministerium der Finanzen unterstehen. Die Staatsregierung hat keine Zuständigkeit hinsichtlich der Kontrolle der Einhaltung des allgemeinen Mindestlohns (vgl. Antwort zu Frage 2). 4. Welche Konstellationen sind denkbar, in denen durch die Dokumentation der Arbeitszeiten in den neun von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen bisher nicht erkannte Verstöße gegen das geltende Arbeitszeitgesetz aufgedeckt werden? Durch das Inkrafttreten des MiLoG ist keine Veränderung bezüglich der Bewertung der Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) eingetreten. Ebenso wurde die Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit im Sinne des ArbZG nicht durch das Inkrafttreten des MiLoG geändert. Gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit (über 8 Stunden; ohne Genehmigung maximal ausweitbar auf zehn Stunden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden) der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben. Die Nachweise sind gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Durch die Dokumentation der Arbeitszeiten nach dem MiLoG (Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit) können Verstöße gegen die tägliche Mindestruhezeit nach dem ArbZG offenkundig werden. Bei der Betrachtung längerer Zeiträume können darüber hinaus auch Verstöße gegen die nach dem ArbZG durchschnittliche höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden offenkundig werden. a) Ist der vehemente Widerstand gegen die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten ein Indiz dafür, dass das Arbeitszeitgesetz bisher offenbar in manchen Bereichen systematisch missachtet wurde? Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass das ArbZG bisher in manchen Bereichen systematisch missachtet worden wäre. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7672 b) Mit welchen Maßnahmen will die Staatsregierung die Einhaltung der Vorgaben für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz sicherstellen? Für den Vollzug des ArbZG sind die Gewerbeaufsichtsämter zuständig. Die Gewerbeaufsichtsämter überprüfen überwiegend anlassbezogen die Einhaltung des ArbZG. Die Staatsregierung hält diese Vorgehensweise für angemessen und bewährt. 5. Wie soll der gesetzliche Mindestlohn zukünftig in den Ausschreibungsverfahren für öffentliche Aufträge berücksichtigt werden? Nach den Ausführungen des für Ausschreibungsverfahren für öffentliche Aufträge zuständigen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie werden öffentliche Aufträge ausschließlich an gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Im Vergabeverfahren wird daher durch den öffentlichen Auftraggeber unter anderem geprüft, ob die Bieter einen schwerwiegenden Verstoß gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns begangen haben. Dies erfolgt entweder durch die Einholung von Eigenerklärungen beim Bieter bzw. durch eine Abfrage beim Gewerbezentralregister. Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 19 MiLoG. Öffentliche Auftraggeber müssen gemäß § 19 Abs. 3 MiLoG im Vergabeverfahren entweder beim Gewerbezentralregister Auskünfte über rechtskräftige Bußgeldbescheide wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 MiLoG anfordern ober von den Bewerbern eine Eigenerklärung verlangen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 19 Abs. 1 MiLoG nicht vorliegen. Bei Aufträgen ab einem Wert von 30.000 Euro netto fordert der öffentliche Auftraggeber für den Bewerber, der den Zuschlag erhalten soll, vor der Zuschlagserteilung zwingend eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister an (§ 19 Abs. 4 MiLoG). Zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien wird der Bund auch die entsprechenden Vorschriften im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) reformieren. Der Bund wird in diesem Zusammenhang unter anderem klarstellen, dass auch bei der Ausführung von Aufträgen der bundesweit einheitlich geltende gesetzliche Mindestlohn einzuhalten ist. Der Bundesgesetzgeber beabsichtigt damit die Einhaltung dieser allgemein geltenden Verpflichtung , auch über das Vergaberecht nochmals zu flankieren. Der aktuell vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sieht in § 128 Abs. 1 der Entwurfsfassung eine entsprechende Verpflichtung unter anderem zur Einhaltung der Vorgaben des MiLoG vor. Die tatsächliche Zahlung von Mindestlöhnen kann jedoch erst während der Ausführung von Aufträgen und nicht bereits im Vergabeverfahren überprüft werden. Zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der nach dem MiLoG geltenden Vorgaben sind gemäß § 14 die Behörden der Bundeszollverwaltung . a) Sind der Staatsregierung bereits Fälle bekannt, in denen Unternehmen aufgrund von Verstößen gegen das Mindestlohngesetz von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen wurden? Im Geschäftsbereich des zuständigen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sind bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Unternehmen aufgrund von Verstößen gegen das MiLoG von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen wurden. b) Wie will die Staatsregierung sicherstellen, dass Unternehmen, die gegen Bestimmungen des Mindestlohngesetzes verstoßen, zukünftig von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden? Vgl. Antwort zu Frage 5. 6. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über die bisherige Evaluierung des Mindestlohngesetzes durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vor? Das BMAS hat am 30. Juni 2015 die „Bestandsaufnahme Einführung des allgemeinen Mindestlohnes in Deutschland Juni 2015“ vorgelegt. Die Ausarbeitung ist online abrufbar auf der Mindestlohn-Homepage des BMAS unter www.dermindestlohn -wirkt.de. In der Bestandsaufnahme kündigt das BMAS auch einige Änderungen der Mindestlohnregelungen an, die per Verordnung umgesetzt werden sollen. Änderungen sind danach im Wesentlichen für folgende Bereiche geplant: • In den für Schwarzarbeit anfälligen Branchen wird die Einkommensschwelle, ab der die Arbeitszeitaufzeichnungspflicht entfällt, von 2.958 Euro auf 2.000 Euro brutto abgesenkt, soweit das sich hieraus ergebende Nettoentgelt in den 12 Monaten zuvor regelmäßig ausgezahlt wurde. • Die Aufzeichnung von Überstunden nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) soll nicht mehr durch den Zoll überprüft werden. Die nach dem ArbZG bestehenden Verpflichtungen bleiben bestehen, werden aber wie früher ausschließlich durch die zuständigen Behörden kontrolliert . • Bei der Beschäftigung von Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern , Kindern und Eltern des Arbeitgebers entfallen die Aufzeichnungspflichten. Bezüglich der Ausnahme des Ehrenamts vom MiLoG soll der Begriff „Ehrenamt“ im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) definiert werden. Es soll zudem gegenüber den Behörden der Zollverwaltung klargestellt werden, dass sowohl bei der zivilrechtlichen „Auftraggeberhaftung“ als auch bei der Anwendung der Bußgeldvorschriften ein „eingeschränkter“ Unternehmerbegriff zugrunde gelegt wird. Dabei übernimmt ein Unternehmen nur die Verantwortung für beauftragte Unternehmen , wenn eigene vertraglich übernommene Pflichten weitergegeben werden. a) Welche Aussagen lassen sich in Bezug auf die in der IFO-Prognose vorhergesagten Arbeitsplatzverluste unter Berücksichtigung der aktuellen Arbeitsmarktdaten machen? Hinsichtlich der beschäftigungswirksamen Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns gab es insbesondere vor dessen Einführung zum 01.01.2015 diverse Prognosen und Szenarien mit unterschiedlichen Aussagen. Unter anderem auch das ifo-Institut hat sich zum gesetzlichen Mindestlohn geäußert und negative Beschäftigungseffekte prognostiziert . Laut Kurzbericht 6/2015 des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB) zur Reichweite des Mindestlohns in deutschen Betrieben seien hingegen die Beschäftigungswirkungen aus ökonomisch theoretischer Sicht unbestimmt. Belastbare Aussagen könnten im Übrigen derzeit noch nicht Drucksache 17/7672 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 getroffen werden. Das Risiko von Jobverlusten steige aber mit der Höhe des Mindestlohns und mit der Zahl der betroffenen Beschäftigten in einem Betrieb. Prognosen stellen grundsätzlich interessante Quellen zur Meinungsbildung dar, sind jedoch immer mit gewissen Prognoserisiken verknüpft. b) Wie bewertet die Staatsregierung die wissenschaftliche Qualität aktueller Prognosen über das Wachstum der Schattenwirtschaft als Folge des gesetzlichen Mindestlohns? Eine Bewertung der wissenschaftlichen Qualität von Prognoseaussagen ist nicht Aufgabe der Staatsregierung. 7. Wie will die Staatsregierung die Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in den besonders prob lematischen Branchen des Baugewerbes, des Gaststätten- und Hotelgewerbes, des Transportund Logistikgewerbes, des Schaustellergewerbes, der Forstwirtschaft, der Gebäudereinigung des Messebaus und der Fleischwirtschaft genau kontrollieren ? Die Staatsregierung hat keine Zuständigkeit hinsichtlich der Kontrolle der Einhaltung des allgemeinen Mindestlohns. Wie in der Schriftlichen Anfrage selbst dargestellt, liegt die Zuständigkeit hierfür bei den Behörden der Zollverwaltung (§ 14 MiLoG), die als Bundesbehörden dem Bundesministerium der Finanzen unterstehen. a) Wie viele Fälle von Schwarzarbeit und falscher Lohnabrechnung sind der Staatsregierung in den genannten Branchen in den vergangenen fünf Jahren bekannt geworden? Der Staatsregierung liegen keine eigenen Kenntnisse vor. Die um Stellungnahme gebetene Bundesfinanzdirektion Südost hat mitgeteilt, dass ihr eine Beantwortung der Frage in der konkret gestellten Weise nicht möglich sei, da nicht definiert werde, was mit Schwarzarbeit oder falscher Lohnabrechnung gemeint sei. Sie weist darauf hin, dass Schwarzarbeit als Oberbegriff alle Tatbestände umfasse, für welche die FKS im Rahmen ihrer Prüfaufgaben zuständig sei. Hierzu gehören u. a. das Sozialversicherungs-, Ausländer- und Sozialleistungsrecht sowie die Kontrolle des Mindestlohns. Die FKS gehe regelmäßig von einem ganzheitlichen Prüfansatz aus, das heißt, bei jedem Arbeitgeber werden alle in Betracht kommenden Prüfaufgaben abgedeckt. Nach Mitteilung der Bundesfinanzdirektion Südost wurden im Zeitraum 01.05.2010 bis 31.12.2014 durch die FKS in Bayern in allen Branchen insgesamt 31.420 Ordnungswidrigkeitenverfahren und 57.335 Strafverfahren eingeleitet. Hierbei sind auch Ermittlungsverfahren enthalten, welche aufgrund örtlicher Zuständigkeit an andere Hauptzollämter außerhalb Bayerns bzw. umgekehrt nach Bayern abgegeben wurden. b) Welche Unterstützung und Beratung erhalten betroffene Arbeitnehmer über die Möglichkeiten der Anzeigeerstattung und gerichtlichen Geltendmachung von Lohnansprüchen? Grundsätzlich gilt, dass Lohnansprüche ebenso wie andere vorenthaltene Arbeitnehmerrechte (zum Beispiel Urlaub) von den betroffenen Arbeitnehmern selbst gegenüber dem Arbeitgeber, gegebenenfalls gerichtlich, geltend gemacht werden müssen. Neben der von der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern sowie vom Info-Zentrum Migration und Arbeit in München angebotenen Beratung für Beschäftigte erfolgt diese auch durch die DGB-Beratungsstellen „Faire Mobilität“.