Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 16.06.2015 Überprüfung von Steuervorbescheiden Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 09.06.2015 überprüft die EU-Kommission derzeit die Rechtmäßigkeit von Steuervorbescheiden an Unternehmen in einer Reihe von Mitgliedsstaaten, unter anderem Deutschland . Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Wurden auch aus Bayern Steuervorbescheide angefordert ? a) Wie viele Bescheide wurden angefordert? b) Welche Unternehmen sind davon betroffen? 2. Wie viele Steuervorbescheide für Unternehmen hat der Freistaat in den letzten 10 Jahren ausgestellt (aufgelistet nach Jahren)? 3. Gibt es Richtlinien, nach denen diese Steuervorbescheide ausgestellt werden? 4. Wie steht die Staatsregierung zu dem Verdacht der EU-Kommission, dass möglicherweise auch in Deutschland Unternehmen durch Steuervorbescheide selektive Steuervergünstigungen gewährt wurden? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 27.07.2015 Vorbemerkung Die Schriftliche Anfrage bezieht sich auf einen Zeitungsartikel über die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit von sog. „Steuervorbescheiden“ (Advance Tax Rulings – ATR) durch die EU-Kommission (KOM). Der Begriff „Steuervorbescheide “ wird im deutschen Steuerrecht nicht verwendet. Nach deutscher Auslegung fallen darunter in Deutschland erteilte verbindliche Auskünfte und verbindliche Zusagen aufgrund einer Außenprüfung. Darüber hinaus bezieht die KOM auch Vorabvereinbarungen über Verrechnungspreisgestaltungen (Advance Pricing Agreements – APA) in die Überprüfung mit ein. Für die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage sind im Folgenden mit Verwendung des Begriffs „Steuervorbescheide “ sowohl die ATR als auch die APA umfasst. 1. Wurden auch aus Bayern Steuervorbescheide angefordert ? Ja. a) Wie viele Bescheide wurden angefordert? Die KOM fordert alle Vorbescheide, die bestimmten Unternehmen ab dem Jahr 2004 bis zum Eingang der Anforderung im Juni 2015 erteilt wurden, an. b) Welche Unternehmen sind davon betroffen? In Bayern sind zwei Unternehmensgruppen von der Anforderung der KOM betroffen. Weitere Informationen zu den betreffenden Unternehmen können nicht mitgeteilt werden; der Schutz des Steuergeheimnisses überwiegt hier das parlamentarische Informationsinteresse. Schon die Information, für welche Unternehmensgruppen die KOM konkrete steuerliche Informationen angefordert hat, unterliegt dem Steuergeheimnis nach § 30 AO. Dieses zu wahren, ist aufgrund des in Art. 100, 101 BV verankerten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geboten. Die Veröffentlichung der Information, bei welchen bestimmten Unternehmen die KOM die Rechtmäßigkeit von Steuervorbescheiden überprüfen möchte, birgt die Gefahr einer Vorverurteilung. Denn schon die Tatsache, dass eine Überprüfung stattfindet, lässt die (ungeprüfte) Vermutung zu, dass hier unrechtmäßige Steuervorbescheide gewährt worden sein könnten. Zugleich sind Hinweise, dass die Veröffentlichung der konkreten Unternehmensgruppen im zwingenden öffentlichen Interesse liegt, nicht erkennbar. 2. Wie viele Steuervorbescheide für Unternehmen hat der Freistaat in den letzten 10 Jahren ausgestellt (aufgelistet nach Jahren)? Von bayerischen Finanzämtern wurden an Privatpersonen und Unternehmen folgende verbindliche Auskünfte erteilt: Jahr Verbindliche Auskünfte 2008 2.045 2009 862 2010 1.015 2011 951 2012 922 2013 924 2014 983 Vom 1. Januar 2011 bis zum 1. Juli 2015 wurden von bayerischen Finanzämtern 19 Vorabzusagen aufgrund von APA erteilt. Darüber hinaus wurden bzw. werden für die Erteilung von Steuervorbescheiden keine Statistiken geführt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.10.2015 17/7797 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7797 3. Gibt es Richtlinien, nach denen diese Steuervorbescheide ausgestellt werden? Die Erteilung von verbindlichen Auskünften erfolgt gem. § 89 Abs. 2 AO i. V. m. dem entsprechenden Anwendungserlass zur AO (AEAO) und der Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV). Die verbindlichen Zusagen aufgrund einer Außenprüfung werden nach der Vorgabe von § 204 AO und dem entsprechenden AEAO erteilt. Ein APA ist ein bi- oder multilaterales Vorabverständigungsverfahren über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen. Grundlage ist eine Klausel in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) über das Verständigungs- und das Konsultationsverfahren, die in dem jeweiligen DBA zwischen den Staaten konkret vereinbart werden muss, vgl. aber Art. 25 des OECD-Musterabkommens . Zu den APA hat das BMF am 5. Oktober 2006 ein Merkblatt (Az IV B 4 – S 1341 – 38/06) veröffentlicht . 4. Wie steht die Staatsregierung zu dem Verdacht der EU-Kommission, dass möglicherweise auch in Deutschland Unternehmen durch Steuervorbescheide selektive Steuervergünstigungen gewährt wurden? Es liegen keine Erkenntnisse oder Hinweise vor, dass in Deutschland oder Bayern rechtswidrige Steuervorbescheide erteilt wurden. Daher wird davon ausgegangen, dass keinem Unternehmen durch Steuervorbescheide selektive rechtswidrige Steuervergünstigungen gewährt wurden.