Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 01.06.2015 Islam- bzw. muslimfeindliche Straftaten in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche und wie viele islam- bzw. muslimfeindlichen Aufmärsche – einschließlich der Demonstrationen der bayerischen Pegida-Ableger oder der Proteste gegen den Bau von Moscheen – fanden nach Kenntnis der Staatsregierung seit dem Jahr 2000 in Bayern statt (bitte nach den einzelnen Jahren auflisten sowie Datum , Ort, Teilnehmerzahl, Anlass bzw. Thema und Veranstalter angeben)? 2.1 Wie viele Anschläge bzw. Übergriffe auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islamische Einrichtungen in Bayern gab es nach Kenntnis der Staatsregierung seit dem Jahr 2000 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und einzeln nach Ort, Datum, Name der Moschee und ihrer Dachorganisation sowie unter Angabe des Straftatbestands, einer kurzen Sachverhaltsschilderung und der Tatmotivation (PMK-Bereich) auflisten )? 2.2 In welchen dieser Fälle wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wie ist jeweils der Stand des Verfahrens (aufgeschlüsselt nach Einstellung des Verfahrens unter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes , Anklageerhebung, Verurteilung, andauernde Ermittlungen)? 2.3 Wie viele Straftäter wurden wegen dieser Taten zu welchen Strafen verurteilt? 3.1 Wie viele mutmaßlich islam- bzw. muslimfeindlich motivierte Straftaten wurden darüber hinaus nach Kenntnis der Staatsregierung seit dem Jahr 2000 in Bayern verübt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und einzeln nach Ort und Datum sowie unter Angabe des Straftatbestands , einer kurzen Sachverhaltsschilderung und der Tatmotivation (PMK-Bereich) auflisten)? 3.2 In welchen dieser Fälle wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wie ist jeweils der Stand des Verfahrens (aufgeschlüsselt nach Einstellung des Verfahrens unter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes , Anklageerhebung, Verurteilung, andauernde Ermittlungen)? 3.3 Wie viele Straftäter wurden wegen dieser Taten zu welchen Strafen verurteilt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 23.07.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Welche und wie viele islam- bzw. muslimfeindlichen Aufmärsche – einschließlich der Demonstrationen der bayerischen Pegida-Ableger oder der Proteste gegen den Bau von Moscheen – fanden nach Kenntnis der Staatsregierung seit dem Jahr 2000 in Bayern statt (bitte nach den einzelnen Jahren auflisten sowie Datum, Ort, Teilnehmerzahl, Anlass bzw. Thema und Veranstalter angeben)? Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr führt keine Statistik zu Anzahl, Anlass, Ort, Zeit oder Themen von Versammlungen. Ebenso bestehen hierzu keine Meldepflichten der zuständigen Versammlungsbehörden. Eine retrograde Erhebung dieser Daten bei den Versammlungsbehörden seit dem Jahr 2000 würde dort einen enormen Aufwand verursachen. Bei allen 96 bayerischen Versammlungsbehörden wären im Nachhinein sämtliche, dort seit dem Jahr 2000 angezeigten Versammlungen daraufhin zu überprüfen, ob sie von der gegenständlichen Schriftlichen Anfrage erfasst sind. Selbst auf der Grundlage einer solchen Erhebung wäre eine fundierte Beantwortung der Schriftlichen Anfrage nicht möglich, da das angemeldete Versammlungsthema in vielen Fällen keine abschließende Bewertung über das eigentliche Anliegen zulässt. Vielmehr wären in einem weiteren Schritt alle nur im Ansatz (im Sinne der Anfrage) relevanten Versammlungen mit den hierüber vorliegenden Erkenntnissen der Polizeibehörden und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz abzugleichen . Diese, für eine fundierte Beantwortung der Anfrage erforderliche Vorgehensweise würde einen enormen, letztlich unvertretbaren personellen und zeitlichen Aufwand bedeuten , von dem abgesehen wurde. Vorbemerkungen zu den Fragen 2.1 – 3.3 Die angefragten islam- bzw. muslimfeindlichen, politisch motivierten Straftaten sind derzeit nicht explizit auswertbar. Solche Straftaten können aktuell ausschließlich über den Oberbegriff „Hasskriminalität“ und das Unterthema „fremdenfeindlich “ gekennzeichnet werden. Zur Beantwortung der Fragestellung bliebe letztlich nur eine manuelle Durchsicht aller für den Tatortbereich „Freistaat Bayern“ im Tatzeitraum 2001 bis dato mittels KTA-PMK (Kriminaltechnische Anfrage – Politisch motivierte Kriminalität) gemeldeten Delikte . Dies ist jedoch wegen des unüberschaubaren Zahlenaufkommens nicht durchführbar. Der Bayerische Landtag hat am 27.11.2014 beschlossen , sich auf Bundesebene unter anderem dafür einzusetzen , dass im Rahmen der KTA-PMK eine eigene Erfassung von antimuslimischen Straftaten unter dem Themenfeld Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.09.2015 17/7820 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7820 der Hasskriminalität eingeführt wird (LT-Drs. 17/4542). Die daraufhin eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) „KPMD-PMK“ (Kriminalpolizeilicher Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität) hält entsprechende Konkretisierungen unter dem Oberbegriff „Hasskriminalität“ für zwingend erforderlich. Der Abschlussbericht der BLAG wird im Januar 2016 erwartet. Hinsichtlich der Fragestellungen 2.1, 2.2 und 2.3 eröffnet die Wahl der Begrifflichkeiten „Anschläge bzw. Übergriffe“ zum einen großen Auslegungsspielraum und ist zum anderen somit nicht in konkrete Datenbankabfragen umsetzbar. Zudem erweitert die anschließende Ergänzung des „angegriffenen Objektes“ auf „Moscheen, Moscheenvereine und sonstige islamische Einrichtungen“ die unbestimmten Begrifflichkeiten nochmals. Aufgrund der dargestellten Problematik erfolgte die Einstufung der Delikte im Sinne der gegenständlichen Schriftlichen Anfrage mittels des Parameters „angegriffenes Objekt“ und dem dazugehörigen Katalogwert „Moschee, Gebetsraum“. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass solche Objekte, bei denen eine Moschee im Rahmen einer „Mischbebauung“ lediglich ein Teil eines Gebäudes darstellt, nicht von der Recherche erfasst werden . Dies ist darin begründet, dass solche Objekte (z. B. ein Haus, bestehend aus Geschäftsräumen des Einzelhandels , einem Parteibüro, einer Moschee und Wohnungen) als „Wohn-/Geschäftshaus“ kategorisiert werden. Wegen gesetzlich vorgegebener Aufbewahrungs-/Löschungsfristen war zudem eine fundierte Beantwortung der Anfrage erst ab dem Jahr 2010 möglich. 2.1 Wie viele Anschläge bzw. Übergriffe auf Moscheen , Moscheevereine und sonstige islamische Einrichtungen in Bayern gab es nach Kenntnis der Staatsregierung seit dem Jahr 2000 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und einzeln nach Ort, Datum , Name der Moschee und ihrer Dachorganisation sowie unter Angabe des Straftatbestands, einer kurzen Sachverhaltsschilderung und der Tatmotivation (PMK-Bereich) auflisten)? 2.2 In welchen dieser Fälle wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wie ist jeweils der Stand des Verfahrens (aufgeschlüsselt nach Einstellung des Verfahrens unter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes , Anklageerhebung, Verurteilung, andauernde Ermittlungen)? 2.3 Wie viele Straftäter wurden wegen dieser Taten zu welchen Strafen verurteilt? Die Fragen 2.1, 2.2 und 2.3 werden, wegen Sachzusammenhangs , zusammen beantwortet: Tatort Tatzeit Name der Moschee und ihrer Dachorganisation Straftatbestand Sachverhaltsschilderung Tatjahr 2010 Dingolfing 22./23.05.2010 DITIB – TürkischIslamische Gemeinde e.V. § 304 StGB Beschuldigter warf eine Flasche mit Sweet-Chili-Soße gegen die Außenmauer der Moschee. Erledigung Mit Blick auf anderweitige Verfolgung und 2011 erfolgte Verurteilung des Täters u. a. wegen im Jahr 2007 zweier tatmehrheitlich begangener gemeinschädlicher Sachbeschädigungen wurde gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen. Tatjahr 2011 Bamberg 19./20.02.2011 Türkisch-Islamischer Kulturverein Bamberg § 303 StGB Unbekannter Täter (UT) besprühte einen Torpfosten mit einem Davidstern. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Tatjahr 2012 Kempten 05.01.2012 DITIB – Türkische Islamische Gemeinde Kempten §§ 130, 303 StGB UT beschädigte ein an der Außenmauer in Form einer Lichterkette angebrachtes Minarett. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Neumarkt i. d. Opf. 19./20.02.2012 DITIB – Türkische Islamische Gemeinde Neumarkt i. d. Opf. §§ 130, 303 StGB UT besprühte die Außenfassade mit „Türken raus!“. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Schwabach 07./08.07.2012 DITIB – Goldene Moschee Schwabach §§ 86 a, 130, 303 StGB UT besprühte die Außenfassade mit „Türken raus!“ und einem Hakenkreuz. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Drucksache 17/7820 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Tatort Tatzeit Name der Moschee und ihrer Dachorganisation Straftatbestand Sachverhaltsschilderung Tatjahr 2013 GarmischPartenkirchen 09.10.2013 DITIB – Türkische Islamische Gemeinde GarmischPartenkirchen §§ 185, 304 StGB Der Beschuldigte bewarf die Außenmauer der Moschee mit rohen Eiern und beschimpfte zugleich zwei andere Personen. Erledigung Rechtskräftige Verurteilung des Täters zu Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Euro wegen Beleidigung. Eine Sachbeschädigung lag nicht vor, weil sich die Eimasse rückstandslos und ohne größeren Aufwand entfernen ließ. Tatjahr 2014 Schrobenhausen 11.03.2014 DITIB -Türkisch Islamische Gemeinde Schrobenhausen § 167 StGB UT legte einen abgetrennten Schweinekopf nebst der Botschaft „Keine Moschee“ vor dem Vereins/ Gebetsraum der türkisch-islamischen Gemeinde in Schrobenhausen ab. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). GarmischPartenkirchen 21.06.2014 DITIB – Türkische Islamische Gemeinde GarmischPartenkirchen §§ 86 a, 303 StGB UT besprühte die Außenmauer der Moschee mit Hakenkreuzen. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Unterneukirchen, Ortsteil Oberschroffen 17./18.10.2014 Türkisch-Islamischer Kulturverein §§ 86 a, 303 StGB Besprühen der Außenfassade (Fenster, Tür, Mauerwerk) des Türkisch-Islamischen Kulturvereins mit zwei Hakenkreuzen, zwei S-Runen, der Parole „Hitler holt Euch“ sowie den Buchstaben „KAN“. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Internet Volksverhetzende Facebook-Äußerung mit Blick auf geplanten Bau einer Moschee in Deggendorf 30.11.2014 § 130 StGB Volksverhetzende Äußerung Erledigung Rechtskräftige Verurteilung des Heranwachsenden u. a. auch wegen der volksverhetzenden Äußerung. Verhängung richterlicher Weisungen. Tatjahr 2015 (Stand: 22.06.2015) Kempten 18.01.2015 DITIB – Türkische Islamische Gemeinde Kempten § 167 StGB UT legte einen abgeschnittenen Schweinefuß auf Parkplatz vor Moschee ab. Erledigung Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, da Täter nicht ermittelt werden konnte(n). Augsburg 10.05.2015 Islamischer Verein § 303 StGB UT besprühte die Außenmauer der Moschee mit der Aufschrift „SALAFISTEN RAUS“. Erledigung Verfahren noch offen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7820 3.1 Wie viele mutmaßlich islam- bzw. muslimfeindlich motivierte Straftaten wurden darüber hinaus nach Kenntnis der Staatsregierung seit dem Jahr 2000 in Bayern verübt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und einzeln nach Ort und Datum sowie unter Angabe des Straftatbestands, einer kurzen Sachverhaltsschilderung und der Tatmotivation (PMKBereich ) auflisten)? 3.2 In welchen dieser Fälle wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wie ist jeweils der Stand des Verfahrens (aufgeschlüsselt nach Einstellung des Verfahrens unter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes , Anklageerhebung, Verurteilung, andauernde Ermittlungen)? 3.3 Wie viele Straftäter wurden wegen dieser Taten zu welchen Strafen verurteilt? Die Fragen 3.1 – 3.3 werden zusammen beantwortet: Zu den Fragen 3.1, 3.2 und 3.3 können aus den oben ausgeführten Gründen aktuell keine belastbaren Daten erhoben werden.