Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Margit Wild SPD vom 26.06.2015 Rechtliche Handhabe bei sog. „Revenge Porn” Unter „Revenge Porn“ wird ein Phänomen verstanden bei dem Menschen sexuell explizites Foto- und/oder Filmmaterial ihrer ehemaligen Partnerinnen oder Partner ohne deren Einverständnis auf diversen Online-Plattformen hochladen und so der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Meist sind diese Aufnahmen während der gemeinsamen Beziehung im beiderseitigen Einvernehmen entstanden. Allerdings kommt es ebenso vor, dass Webcams oder die Kameras von Smartphones gehackt werden und daraus resultierend Aufnahmen illegal beschafft werden. Diese Aufnahmen werden entweder per Instant Messaging oder auf OnlinePlattformen verbreitet. Meist gleichzeitig mit Kontaktdaten der Opfer, vom Link zum Facebook-Profil über die aktuelle Arbeitsstelle bis hin zur Privatadresse. Die Suchmaschine Google löscht inzwischen die Link-Verweise aus den Suchergebnissen , das Material selbst bleibt natürlich weiterhin im Internet auffindbar. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche rechtlichen Instrumente stehen den Opfern in Deutschland und speziell in Bayern zur Verfügung? 2. Welche Instrumente zur Verfolgung und Aufklärung solcher Taten besitzt die Exekutive? 3. Für wie ausreichend bewertet die Staatsregierung diese Instrumente? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 30.07.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Inneren, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Welche rechtlichen Instrumente stehen den Opfern in Deutschland und speziell in Bayern zur Verfügung? Die Opfer können sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich gegen solche Verhaltensweisen vorgehen. Zivilrechtlich verletzt die Verbreitung oder das öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten grundsätzlich (zu Ausnahmen vgl. § 23 KunstUrhG) in rechtswidriger Weise dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG). Das Einstellen von Bildnissen im Internet wird in den in der Anfrage geschilderten Fallgestaltungen regelmäßig als öffentliches Zurschaustellen des Bildinhalts anzusehen sein (vgl. Dreier/Specht, UrhG, 4. Aufl., Rz. 10 zu § 22 KunstUrhG). Selbst wenn der Abgebildete nicht erkennbar ist (und damit kein Bildnis im Sinne des § 22 KunstUrhG vorliegt), kommt bei Aufnahmen des unbekleideten Körpers, die ohne Zustimmung der abgebildeten Person veröffentlicht werden, ein Schutz nach dem als Auffangstatbestand wirkenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Betracht. Dem Verletzten stehen daher gegen denjenigen, der das Bildmaterial unbefugt ins Netz stellt, zum einen verschuldens unabhängige Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in analoger Anwendung der §§ 1004 Abs. 1 BGB, 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG bzw. nach § 37 KunstUrhG zu. Dabei kommt auch eine vorbeugende Unterlassungsklage in Betracht, wenn die Verletzungshandlung unmittelbar bevorsteht, was etwa bei entsprechenden Ankündigungen anlässlich der Aufgabe der gemeinsamen Beziehung je nach den Umständen des Einzelfalls möglich erscheint. Die Störerhaftung erfasst nach der Rechtsprechung auch Anbieter von Suchmaschinen, Internet-Plattformen zum Austausch von Fotodateien zwischen Nutzern, InternetVideoportalen und anderen Informationsportalen, wenn sie durch hinreichend konkrete Beanstandung des Betroffenen, ggf. unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des für die Einstellung Verantwortlichen, Kenntnis von der Persönlichkeitsverletzung erlangt haben. Dann ist das beanstandete Material zu löschen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10, VersR 2012, 114, im Fall eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Blog-Eintrags). Ein Anspruch auf Löschung kommt auch gegenüber demjenigen in Betracht, der das Bildmaterial durch einen Instant Messaging Dienst erhalten und auf seinem Endgerät abgespeichert hat. Rechtsprechung hierzu ist allerdings nicht bekannt. Zum anderen kann der Verletzte gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KunstUrhG von demjenigen, der das Bildmaterial veröffentlicht hat, Ersatz des durch die rechtswidrige Veröffentlichung entstandenen Schadens verlangen. Der Anspruch setzt Verschulden voraus, das in den in der Anfrage geschilderten Fallgestaltungen aber in aller Regel vorliegen dürfte. Bei besonders schweren Verletzungen der ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts , die nicht hinreichend auf andere Weise, etwa im Wege der Geltendmachung von Unterlassungsbzw . Beseitigungsansprüchen, ausgeglichen werden können , gewährt die Rechtsprechung unabhängig vom Eintritt eines materiellen Schadens auch eine unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG gestützte Geldentschädigung, deren Höhe sich nach den relevanten Umständen des Eingriffs Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.09.2015 17/7829 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7829 in die Integrität der betroffenen Person richtet. In Fällen der unzulässigen Veröffentlichung von Nacktaufnahmen haben Gerichte den Geschädigten auf dieser Grundlage Geldentschädigungen zugesprochen (vgl. etwa LG Kiel, Urteil vom 27. April 2006, 4 O 251/05, NJW 2007,1002). Schließlich steht dem in seinem Recht am eigenen Bild bzw. dem in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Verletzten ein Anspruch auf Bereicherungsausgleich nach den §§ 812 ff. BGB zu, sollte der Verletzer durch den Eingriff in die fremde geschützte Rechtssphäre etwas von Vermögenswert erlangt haben. Neben und unabhängig von den zivilrechtlichen Rechtsbehelfen kann das Opfer auch Strafanzeige bei der Polizei oder den Staatsanwaltschaften erstatten. Bei den in der Anfrage geschilderten Fallgestaltungen kommen je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles verschiedene Straftaten in Betracht. Einschlägige Strafnorm ist vorrangig § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB, sofern die Aufnahmen in geschützten Räumen (Wohnzimmer, Schlafzimmer, etc.) hergestellt wurden und den höchstpersönlichen Lebensbereich der Opfer verletzen. Dies dürfte bei den in der Anfrage geschilderten Fällen von Nacktaufnahmen des (Ex-)Partners meist der Fall sein. Nach § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB ist es strafbar , wenn zunächst einvernehmlich und befugt hergestellte Aufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich später wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich gemacht werden. Der Gesetzgeber wollte damit genau die Fälle erfassen, in denen ein Ex-Partner die während der Beziehung hergestellten intimen Bilder später verbreitete, um dem oder der Abgebildeten zu schaden. Das Veröffentlichen einschlägiger Fotos und Filme dürfte auch eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild darstellen (vgl. die vorstehenden zivilrechtlichen Ausführungen), was eine Straftat nach § 33 KunstUrhG darstellt. Sofern die/der Abgebildete minderjährig ist, kommt auch ein Verbreiten von Jugendpornografie nach § 184 c StGB in Betracht. Je nach den Umständen des Einzelfalles kommen auch Beleidigungsdelikte (§§ 185 ff. StGB) oder eine Strafbarkeit wegen Nötigung (§ 240 StGB) in Betracht. Sofern die Strafverfolgungsbehörden von entsprechenden Sachverhalten durch eine Anzeige des Opfers Kenntnis erlangen, haben sie den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und zu verfolgen. 2. Welche Instrumente zur Verfolgung und Aufklärung solcher Taten besitzt die Exekutive? Polizei und Staatsanwaltschaften verfügen über das Ermittlungsinstrumentarium der Strafprozessordnung, welches auch in den in der Anfrage geschilderten Fallgestaltungen zur Anwendung kommt. Durch die Befragung von Zeugen, insbesondere des Opfers, können erste Anhaltspunkte gewonnen werden. Wird – wie häufig – durch das Opfer ein konkreter Verdächtiger, zumeist ein Ex-Lebenspartner, benannt und werden weitere Umstände benannt, die einen ausreichenden Tatverdacht gegen diese Person begründen, kann durch eine Durchsuchung beim Verdächtigen und der Beschlagnahme von Computer- und Speichermedien sowie deren Auswertung gegebenenfalls belastendes Bildmaterial aufgefunden werden. Wenn nach den Umständen des Einzelfalls niemand anderes als der Beschuldigte Zugriff auf die Bilder gehabt haben kann, kann ggf. dadurch schon der Tatnachweis geführt werden, dass die Veröffentlichung durch ihn erfolgte. Wenn kein konkreter Tatverdächtiger benannt wird oder nach den Umständen des Einzelfalls auch andere Personen als der Ex-Lebenspartner für die Verbreitung der Bilder verantwortlich sein könnten, sind die Ermittlungen und der Tatnachweis hingegen erschwert. Im Einzelfall können dazu über eine Auskunft nach § 100 j StPO Informationen zu Bestandsdaten erlangt oder über eine Anfrage nach § 100 g StPO Verkehrsdaten ermittelt werden. Sofern der Täter sich allerdings einer Verschlüsselungssoftware bedient oder bei der Eröffnung z. B. eines Facebook- oder E-Mail-Accounts falsche Personalien angegeben hat, gehen diese Ermittlungsmaßnahmen ins Leere. Die Abfrage der Verkehrsdaten ist darüber hinaus häufig nicht weiterführend, weil diese derzeit mangels Pflicht zur Verkehrsdatenspeicherung nicht gespeichert werden. Die Betreiber der sozialen Netzwerke und Internetplattformen haben ihren Sitz zudem häufig im Ausland, sodass von diesen keine Auskünfte oder zumindest nur unter erschwerten Bedingungen Auskünfte erlangt werden können. 3. Für wie ausreichend bewertet die Staatsregierung diese Instrumente? Die vorhandenen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen decken die berechtigten privatrechtlichen Interessen der Verletzten (Beseitigung bzw. Unterlassung der Störung, Schadensersatz/Entschädigung, Bereicherungsausgleich) im Prinzip hinreichend ab. Aus strafrechtlicher Sicht stellt sich weniger die Frage von Lücken im materiellen Strafrecht als nach Defiziten bei den Ermittlungsmöglichkeiten. Dies hängt vielfach von der konkreten Fallgestaltung ab. Die Vorgehensweisen der Täter unterscheiden sich, insbesondere hinsichtlich der eingesetzten „Verschleierungsmethoden “. Welche Ermittlungsinstrumente im Einzelfall zur Anwendung kommen und welche Hindernisse sich dabei ergeben , hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Eine Ermittlung und Zuordnung der IP-Adressen, von denen aus die inkriminierten Inhalte in soziale Netzwerke oder auf Internetplattformen eingestellt wurden, hängt derzeit davon ab, ob, und wenn ja, für welchen Zeitraum, die Telekommunikationsanbieter die Verkehrsdaten speichern. Sollte der derzeit vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgestellte Gesetzentwurf zur Verkehrsdatenspeicherung umgesetzt werden, wäre in den vorliegenden Fällen künftig ein Zugriff auf Verkehrsdaten auf jeden Fall ausgeschlossen, da Straftaten nach §§ 184 c, 185 ff., 201 a, 240 StGB oder § 33 KunstUrhG nicht in den Katalog der Straftaten aufgenommen wurden, bei denen die Verkehrsdaten abgefragt werden dürfen. Generell ist anzumerken, dass die zivil- und strafrechtliche Rechtsdurchsetzung im Internet durch die weltweite Mobilität der Daten, die grundsätzliche Anonymität des Internets und die technischen Möglichkeiten zur Identitätsverschleierung und Verschlüsselung erschwert ist.