Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.06.2015 Bilanz G7-Gipfel in Elmau III – Demonstrationen im Rahmen des G7-Gipfels Der G7-Gipfel auf Schloss Elmau hat Bayern bewegt: Die Regierungschefs/-chefinnen der G7-Staaten haben, begleitet von zahlreichen bunten und kreativen Protesten der Zivilgesellschaft , über aktuelle internationale Fragen diskutiert. Im Nachgang des Gipfels ist es unerlässlich, die Frage nach einer Gesamtbilanz des Gipfels aus bayerischer Sicht zu stellen. Diese Frage drängt sich auf insbesondere mit Blick auf die hohen Kosten für den bayerischen Staatshaushalt , die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit der Gipfelgegnerinnen und Gipfelgegner, die Aufarbeitung von Vorfällen bei den zahlreichen Demonstrationen, den Einsatz von über 20.000 Sicherheitsbeamtinnen und Sicherheitsbeamten und sonstiger Einsatzkräfte sowie die Konsequenzen des G7-Gipfels in Elmau für Umwelt und Natur. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele und welche gewalttätigen Zwischenfälle gab es bei Demonstrationen im Rahmen des G7-Gipfels? 2. Wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten wurden mit welchem Schweregrad bei welcher Demonstration verletzt? 3. Wie viele Polizistinnen und Polizisten wurden mit welchem Schweregrad bei welcher Demonstration verletzt ? 4. Wie viele Journalisten und Journalistinnen wurden mit welchem Schweregrad bei welcher Demonstration verletzt? 5. Wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten wurden bei welcher Demonstration wegen welcher Umstände für wie lange in Gewahrsam genommen? 6. Sind gegen Versammlungsverbote und Versammlungsauflagen derzeit noch Rechtsmittel anhängig, und wenn ja, welche Verfahren sind dies? 7. Wie viele und wegen welcher Vergehen sind gegen Demonstrantinnen und Demonstranten Ermittlungsverfahren aufgenommen worden und welchen Stand haben diese Verfahren? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 03.08.2015 1. Wie viele und welche gewalttätigen Zwischenfälle gab es bei Demonstrationen im Rahmen des G7- Gipfels? Bei den nachfolgenden Versammlungen kam es zu gewalttätigen Zwischenfällen: Versammlungslage (stationäre und sich fortbewegende Versammlung) am 05.06.2015 in Garmisch-Partenkirchen Im Rahmen dieser Versammlung wurde in der Gernackerstraße vor dem Marshall-Center ein aus Pappe angefertigter Panzer in Brand gesetzt. Dadurch wurde die Teerfläche auf ca. 2 m² beschädigt. Die Schadenshöhe beträgt nach Auskunft der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen ca. 300 bis 500 €. Im weiteren Verlauf kam es aus bisher nicht nachvollziehbaren Gründen im Bereich des Marienplatzes zu einem Gerangel, in deren Verlauf die Versammlungsteilnehmer in Richtung der rechten Aufzugsseite drängten. Die begleitenden uniformierten Kräfte wurden zwischen den Versammlungsteilnehmern und einem geparkten Fahrzeug eingeklemmt, wodurch dieses verkratzt wurde. In diesem Zusammenhang warf ein unbekannter Täter aus der Menge heraus einen Suppenteller in Richtung von Einsatzkräften, die keinen Schutzhelm trugen. Verletzt wurde hierbei niemand . Gegen 17.40 Uhr wurde eine Beamtin aus einer Absperrkette in die Menschenmenge gezogen und dabei leicht verletzt. Im Zusammenhang mit dieser Aktion wurde auch Kaffee auf Einsatzkräfte geschüttet. Im weiteren Verlauf gegen 17.49 Uhr wurden Einsatzkräfte im Bereich Parkstraße/Mohrenbadstraße von einem bislang unbekannten Täter bespuckt. Gegen 17.50 Uhr erkannten Einsatzkräfte in einer Personengruppe eine Person, die vermutlich ein Messer mitführte . Es wurde vom Anfangsverdacht eines Verstoßes nach dem WaffG ausgegangen. Es kam zu vier Festnahmen. Andere Mitglieder der Gruppe erkannten die Festnahme und solidarisierten sich mit dem Betroffenen. Die Einsatzkräfte mussten zur Durchsetzung der Maßnahmen ca. 60 Personen mittels einer Polizeikette auf Abstand halten. Bei näherer Begutachtung des Messers lag kein Verstoß nach dem WaffG vor und alle Beteiligten wurden wieder auf freien Fuß gesetzt und haben sich anschließend entfernt. Personalien wurden nicht erhoben. Sich fortbewegende Versammlung des Aktionsbündnisses STOP G7 Elmau/Bayern am 06.06.2015 in GarmischPartenkirchen Im Rahmen der Versammlungslage am 06.06.2015 in Garmisch-Partenkirchen wurden zum Teil vermummte und mit Schutzwaffen ausgestattete Versammlungsteilnehmer festgestellt. Gegen 16.30 Uhr erreichte die sich fortbewegende Versammlung den Wendepunkt im Bereich Mittenwalder Straße, kurz vor der Einmündung Wildenauer StraDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.09.2015 17/7846 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7846 ße. Demonstrationsteilnehmer versuchten die Polizeikette an der Spitze des Aufzugs zu durchbrechen. Dazu wurden als Hilfsmittel Styroporplatten eingesetzt, die gleichzeitig als Körperschutz dienten. Zeitgleich wurden die Einsatzkräfte mehrfach mit Feuerlöschpulver angegriffen, Rauchkörper gezündet und Flaschen geworfen. Im Verlauf der Aktion wurde auch eine mind. 50 cm lange Holzlatte auf die eingesetzten Beamten geworfen und traf einen Beamten am Helm. Mitgeführte Fahnenstangen bzw. Transparentstangen dienten als Schlagwerkzeuge gegen die Polizeikräfte. Weiterhin kamen sogenannte Wurfzelte zum Einsatz. Diese waren offenbar dazu gedacht, die Sicht der Einsatzkräfte zu behindern und den Aktionsraum der Polizei sowie die Wirkung der eingesetzten polizeilichen Einsatzmittel einzuschränken . Zur Bereinigung der Lage setzten die Einsatzkräfte den Einsatzmehrzweckstock (EMS) und Pfefferspray ein. Gegen 17.42 Uhr wurden aus der Versammlung vereinzelt Gegenstände geworfen. Es kam zu einem kurzfristigen Drängen und Schieben zwischen Versammlungsteilnehmern und Einsatzkräften. Nachdem der Aufzug kurzfristig gestoppt wurde und sich die Lage beruhigte, konnte er fortgesetzt werden. 2. Wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten wurden mit welchem Schweregrad bei welcher Demonstration verletzt? Ein Teilnehmer der o. g. Versammlung wurde nach Pfeffersprayeinsatz durch Kräfte der Polizei dem BRK zur weiteren Behandlung übergeben. Über den Schweregrad sowie über weitere verletzte Versammlungsteilnehmer liegen bei der Bayerischen Polizei keine Informationen vor. 3. Wie viele Polizistinnen und Polizisten wurden mit welchem Schweregrad bei welcher Demonstration verletzt? Bei der nicht angezeigten sich fortbewegenden Versammlung in Garmisch-Partenkirchen vom Marshall-Center zum Camp Loisach am 05.06.2015 wurde einem Einsatzbeamten der Arm verdreht. Dabei handelte es sich um die unter Ziff. 1 dargestellte Situation, bei der es am Marienplatz zu einem Gerangel gekommen war. Der Beamte war weiterhin dienstfähig. Am 06.06.2015 wurden bei der sich fortbewegenden Versammlung des Aktionsbündnisses STOP G7 Elmau/Bayern durch Versammlungsteilnehmer in Garmisch-Partenkirchen zwei Einsatzbeamte verletzt: • Ein Beamter erlitt eine Fingerverletzung nach einem Fußtritt durch einen Versammlungsteilnehmer. Der Beamte war nach der Behandlung wieder dienstfähig. • Ein Beamter wurde durch den Angriff mittels Feuerlöschpulver aus einem Feuerlöscher verletzt (Atemwege) und musste zur weiteren Behandlung stationär ins Krankenhaus verbracht werden. Er wurde dort am Folgetag entlassen . • Drei Beamte wurden durch den polizeilichen Einsatz von Pfefferspray verletzt (Augenreizungen), wovon zwei Beamte dienstunfähig waren. Daneben erlitten bei dieser Versammlung vier Beamte Kreislaufprobleme ohne Fremdeinwirkung. Die Beamten konnten nach kurzer Behandlung bzw. Inaugenscheinnahme durch polizeieigenes Sanitätspersonal ihren Dienst wieder fortsetzen . 4. Wie viele Journalisten und Journalistinnen wurden mit welchem Schweregrad bei welcher Demonstration verletzt? Hierzu liegen bei der Bayerischen Polizei keine Informationen vor. 5. Wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten wurden bei welcher Demonstration wegen welcher Umstände für wie lange in Gewahrsam genommen ? Insgesamt wurden im Zusammenhang mit Versammlungen mit Bezug zum G7-Gipfel sieben Personen in Gewahrsam genommen. • Bei der nicht angezeigten sich fortbewegenden Versammlung in Garmisch-Partenkirchen vom Marshall-Center zum Camp Loisach am 05.06.2015 warf ein zunächst Unbekannter einen Teller in Richtung der unbehelmten Einsatzkräfte . Die Festnahme des 32-jährigen Österreichers erfolgte nach Fahndungsmaßnahmen am 06.06.2015 um 08.30 Uhr. Die Entlassung erfolgte am 08.06.2015 um 16.15 Uhr nach Wegfall der Gründe für die freiheitsentziehende Maßnahme. Der Anschlussgewahrsam nach Festnahme wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung wurde richterlich bestätigt. • Am 06.06.2015 um 16.25 Uhr warf ein 23-jähriger deutscher Staatsangehöriger als Teilnehmer der sich fortbewegenden Versammlung „Protest gegen den G7-Gipfel“ in Garmisch-Partenkirchen aus einer Menge heraus eine Zaunlatte wie einen Speer gezielt aus etwa drei Metern Entfernung auf einen Polizeibeamten. Der Polizeibeamte wurde am Einsatzhelm getroffen. Das Handeln des Tatverdächtigen stellte ein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung gem. StGB und ein Vergehen nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz dar. Im weiteren Verlauf beging der Mann ein Vergehen des Landfriedensbruchs , indem er versuchte, Pflastersteine aus der Fahrbahn zu lösen und umstehende Versammlungsteilnehmer aufforderte, selbiges zu tun. Der Tatverdächtige konnte am Tattag um 18.10 Uhr von Polizeibeamten wiedererkannt , vorläufig festgenommen und zur Gefangenensammelstelle verbracht werden. Ein von der Staatsanwaltschaft beantragter Haftbefehl wg. Verdachts des Landfriedensbruchs u. a. wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen wurde der 23-Jährige zur Unterbindung weiterer Straftaten mit Beschluss des AG Garmisch-Partenkirchen gem. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG bis längstens 08.06.2015, 18.00 Uhr, in Gewahrsam genommen. Die Entlassung aus dem Gewahrsam erfolgte nach Wegfall der Gewahrsamsgründe am 08.06.2015, 16.15 Uhr. • Am 07.06.2015 wurden auf dem Geh-/Radweg entlang der Bundesstraße 2, von Klais in Richtung GarmischPartenkirchen kommend, fünf deutsche Staatsangehörige im Alter von 17 bis 22 Jahren (vier Männer, eine Frau) festgestellt, die auch nach mehrmaliger polizeilicher Unterlassungsaufforderung beharrlich versuchten, den Gitterzaun zur gesperrten B 2 zu überklettern. Die Personen waren augenscheinlich dem Versammlungsgeschehen rund um den G7-Gipfel zuzuordnen. Die Personen wurden gem. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG um 14.50 Uhr in Gewahrsam genommen. Nachdem der Grund für die Ingewahrsamnahme bereits während einer einsatzbedingten Wartezeit im Gefangenenkraftwagen weggefallen war, wurden die Personen Drucksache 17/7846 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 um 16.05 Uhr aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen . 6. Sind gegen Versammlungsverbote und Versammlungsauflagen derzeit noch Rechtsmittel anhängig , und wenn ja, welche Verfahren sind dies? In der Landeshauptstadt München und im Werdenfelser Land fanden insgesamt rund 50 Versammlungen im Kontext des G7-Gipfels 2015 statt. Versammlungsverbote wurden durch die Behörden nicht ausgesprochen. Lediglich gegen den versammlungsrechtlichen Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen zu Routenbeschränkungen des Sternmarsches am 07.06.2015 wurden Rechtsmittel eingelegt . Über den Eilantrag wurde am 05.06.2015 erstinstanzlich und am 06.06.2015 in zweiter Instanz entschieden. Die Hauptsacheklage ist noch beim Verwaltungsgericht München anhängig. 7. Wie viele und wegen welcher Vergehen sind gegen Demonstrantinnen und Demonstranten Ermittlungsverfahren aufgenommen worden und welchen Stand haben diese Verfahren? Beim Einsatzabschnitt „Kriminalpolizeiliche Maßnahmen/ GeSa“ wurden bislang 43 Straftaten mit bekannten Tatverdächtigen im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen bearbeitet. Die Ermittlungen richten sich gegen insgesamt 44 Tatverdächtige (38 männlich und 6 weiblich). Im Einzelnen handelt es sich um folgende Straftaten: – Gefährliche Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen – Körperverletzung (vorsätzlich) – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Polizeivollzugsbeamte ) – Beleidigung (ohne sexuelle Grundlage) – Diebstahl geringwertiger Sachen – Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr – Hehlerei – Nötigung – Vergehen gegen das Bayerische Versammlungsgesetz – Vergehen gegen das Waffengesetz – Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz – Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (allgemeiner Verstoß mit Cannabis) – Vergehen gegen das Kunsturheberrechtsgesetz Von den 43 Ermittlungsverfahren sind 14 bereits abgeschlossen und wurden der zuständigen Staatsanwaltschaft vorgelegt. 29 Ermittlungsverfahren sind noch in Bearbeitung . Da die kriminalpolizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, können ggf. weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.