Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.07.2015 Von Rechtsextremisten genutzte Immobilien in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Nutzung des ländlichen Raums als Aktivitätsgebiet der rechten Szene in Bayern? 2. Inwieweit sind der Staatsregierung spezifische Gemeinden im ländlichen Raum bekannt, die als Ansiedlungsschwerpunkte der rechten Szene in Bayern zu charakterisieren sind – und welche sind dies? 3. Wie viele Immobilien werden derzeit in Bayern von rechtsextremen Gruppierungen angemietet bzw. befinden sich in deren Besitz (aufgeschlüsselt nach Ort und Zeitpunkt der Anmietung/des Kaufs)? 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über sonstige Räumlichkeiten (z. B. Gaststätten), die von der rechten Szene in Bayern regelmäßig für Treffen bzw. Veranstaltungen angemietet werden? 5. Welche konkreten Schritte hat die Staatsregierung unternommen , um die Vorbesitzer/-innen bzw. Vermieter/-innen der von rechtsextremen Gruppierungen erworbenen bzw. angemieteten Immobilien aufzuklären und zu beraten ? 6. Wie bewertet die Staatsregierung den Erfolg der bisherigen Informations- und Beratungsangebote (bitte nach den einzelnen Immobilien aufschlüsseln), welche Strategie verfolgt die Staatsregierung, um künftig verstärkt auf die Gefahr von rechtsextremen Anmietungen sowie auf entsprechende Schutzmöglichkeiten hinzuweisen, und welche Rolle spielt dabei die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen? 7. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über den rechtsextremen (Online-)Versandhandel bzw. entsprechende Strukturen der rechten Szene in Bayern (ggf. unter Angabe des jeweiligen Firmensitzes auflisten)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 30.07.2015 Vorbemerkung: Bereits am 10. September 2013 stellte Herr Abgeordneter Dr. Sepp Dürr eine Schriftliche Anfrage zum gleichen Thema . In dieser wurden nahezu wortgleich die Fragen 1, 2, 3, 5 und 6 der jetzigen Anfrage gestellt und entsprechend aus damaliger Sicht beantwortet. Insoweit stellen die heutigen Antwortbeiträge nur Ergänzungen bzw. Aktualisierungen der Antworten des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17. Oktober 2013 auf die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sepp Dürr dar, auf die insoweit verwiesen wird (die Schriftliche Anfrage/Antwort ist als Anlage beigefügt). 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Nutzung des ländlichen Raums als Aktivitätsgebiet der rechten Szene in Bayern? Hinsichtlich Frage 1 wird auf die ausführliche Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17. Oktober 2013 zur fast gleichlautenden Frage in der Schriftlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dürr vom 10. September 2013 verwiesen. Die Antwort ist lediglich insoweit überholt, als dort noch das mittlerweile verbotene Freie Netz Süd (FNS) genannt wird. Im Anschluss an das Verbot des FNS lässt sich beobachten , dass die neu gegründete Partei „Der Dritte Weg“ (III. Weg) dort Strukturen zu etablieren versucht, wo zuvor die Aktionsschwerpunkte des FNS lagen. Auch wurden führende Aktivisten des FNS nach dem Verbot im III. Weg aktiv und gestalteten nun die Aktionen der Partei. Im Zuge des Vereinsverbots gegen das FNS wurde die Immobilie in Oberprex eingezogen. Dies traf die rechtsextremistische , vor allem die neonazistische Szene in Bayern empfindlich und beraubte sie eines ihrer wichtigsten Anlaufpunkte . Bis jetzt konnte vonseiten der rechtsextremistischen Szene, welche sich im III. Weg organisiert, kein adäquater Ersatz für das Objekt in Oberprex gefunden werden. Zentrales Thema der rechten Szene ist die Agitation gegen Asylbewerber. Vor dem Hintergrund steigender Asylbewerberzahlen versuchen sie Ängste in der Bevölkerung vor angeblicher Überfremdung zu schüren und richten Aktionen gegen Asylbewerberunterkünfte. 2. Inwieweit sind der Staatsregierung spezifische Gemeinden im ländlichen Raum bekannt, die als Ansiedlungsschwerpunkte der rechten Szene in Bayern zu charakterisieren sind – und welche sind dies? Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse vor, die auf Ansiedlungsschwerpunkte der rechtsextremistischen Szene in Bayern hindeuten. Siedlungsschwerpunkte, wie etwa in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern, sind in dieser Art nicht bekannt. Es gab und gibt immer wieder einzelne Immobilien, Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.09.2015 17/7862 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7862 die der rechtsextremistischen Szene in Bayern sowohl als Wohnobjekte wie auch als Treffpunkte dienten. Zu nennen waren hier insbesondere die Objekte in Oberprex und das sogenannte „Braune Haus“ in München Obermenzing . Beide werden allerdings inzwischen nicht mehr von Rechtsextremisten genutzt. So wurde das Objekt in Oberprex im Rahmen des Vereinsverbotes gegen das Freie Netz Süd durch den Freistaat Bayern eingezogen. Bei der Immobilie in München Obermenzing wurde der Mietvertrag vorzeitig zum 31. Mai 2014 aufgelöst. 3. Wie viele Immobilien werden derzeit in Bayern von rechtsextremen Gruppierungen angemietet bzw. befinden sich in deren Besitz (aufgeschlüsselt nach Ort und Zeitpunkt der Anmietung/des Kaufs)? Auch hierzu wird zunächst auf die Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17. Oktober 2013 auf die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dürr verwiesen. Von den drei darin genannten Objekten wird einzig das Ladengeschäft des Internetversandhandels „Versand der Bewegung“ in Murnau weiterhin von Rechtsextremisten genutzt. Das Ladengeschäft ist für Rechtsextremisten aus den Regionen Garmisch-Partenkirchen und Murnau ein zentraler Anlaufpunkt. Regelmäßig werden dort Sonderverkäufe mit rechtsextremistischen Liederabenden sowie parteipolitische Veranstaltungen durchgeführt. Das Objekt in Oberprex wurde, wie bereits erwähnt, eingezogen und die rechtsextremistische Wohngemeinschaft in Obermenzing aufgegeben. Derzeit steht vor allem die Nutzungsüberlasssung eines ehemaligen Gasthofes an die Partei DIE RECHTE in Kolitzheim in der Nähe von Schweinfurt im öffentlichen Interesse. Dort fand am 24. Mai 2015 auch der Gründungsparteitag des Landesverbandes Bayern der Partei DIE RECHTE statt. Das Gebäude sollte nach den Vorstellungen der Partei zu einer Parteizentrale in Bayern ausgebaut werden. Das Landratsamt Schweinfurt untersagte die Nutzung des Grundstücks zu anderen als Wohnzwecken. Einen Eilantrag der Eigentümerin gegen diese Anordnung hat das VG Würzburg inzwischen abgelehnt. Die Entscheidung über die Klage der Eigentümerin gegen den Bescheid des Landratsamts Schweinfurt steht noch aus. 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über sonstige Räumlichkeiten (z. B. Gaststätten), die von der rechten Szene in Bayern regelmäßig für Treffen bzw. Veranstaltungen angemietet werden? In der Vergangenheit versuchten Rechtsextremisten durchaus ehemalige Gaststätten anzumieten, um diese dann für Veranstaltungen nutzen zu können. Hier kann vor allem die Pachtung eines Gasthofes in der Gemeinde Halsbach genannt werden, die letztlich aber verhindert werden konnte. Für nähere Einzelheiten zu diesem Sachverhalt wird auf die Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17. Oktober 2013 zu Frage 5 in der Schriftlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dürr vom 10. September 2013 verwiesen. Die langfristige Anmietung einer Gaststätte durch Rechtsextremisten stellt in Bayern allerdings die Ausnahme dar. Verschiedene rechtsextremistische Gruppierungen halten zwar wiederholt interne Treffen, etwa Stammtische von Kreisverbänden der NPD oder kleinere Feiern, in Gaststätten ab. Die Räumlichkeiten werden aber nur in Ausnahmefällen explizit für ein Treffen von Rechtsextremisten angemietet . Vielmehr treten sie dort entweder als „normale“ Gäste auf oder reservieren Nebenräume, um dort etwa die Parteiveranstaltungen abzuhalten. Daneben können rechtsextremistische Treffen in den Privaträumen von Rechtsextremisten abgehalten werden. 5. Welche konkreten Schritte hat die Staatsregierung unternommen, um die Vorbesitzer/-innen bzw. Vermieter/-innen der von rechtsextremen Gruppierungen erworbenen bzw. angemieteten Immobilien aufzuklären und zu beraten? In den Fällen, in denen die Sicherheitsbehörden vorab oder nachträglich von einem rechtsextremistischen Bezug bei der Nutzung einer Immobilie erfahren, wird die betroffene Kommune bzw. Person von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) beraten. Beispielhaft seien hier die Fälle Obermenzing, Kolitzheim, Halsbach, Burghaslach/ Oberrimbach und Oberprex genannt. Mitarbeiter der BIGE klären hier vor Ort und im Einzelfall über die Hintergründe der Personenzusammenschlüsse auf und legen Handlungsoptionen für die Betroffenen dar. Ob und inwieweit dies öffentlichkeitswirksam stattfindet, liegt im Ermessen der beratenen Personen bzw. Kommunen. 6. Wie bewertet die Staatsregierung den Erfolg der bisherigen Informations- und Beratungsangebote (bitte nach den einzelnen Immobilien aufschlüsseln), welche Strategie verfolgt die Staatsregierung, um künftig verstärkt auf die Gefahr von rechtsextremen Anmietungen sowie auf entsprechende Schutzmöglichkeiten hinzuweisen, und welche Rolle spielt dabei die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen? Seit Einrichtung der BIGE im Frühjahr 2009 wurden in mehr als 150 Fällen Kommunen in Bayern allgemein beraten bzw. beim Umgang mit konkreten Problemstellungen unterstützt. Dabei ging es in über 50 Fällen um Kauf, Pacht, Anmietung oder sonstige längerfristige Nutzung von Immobilien durch Rechtsextremisten: In 13 Fällen lag der Verdacht vor, dass eine echte Kaufabsicht von Personen mit Bezügen zur rechtsextremistischen Szene bestand. In einigen Fällen konnte ein Kauf von Gasthöfen mit Unterstützung der BIGE verhindert werden. In zwölf Fällen ging es um die tatsächliche Anmietung oder sonstige regelmäßige Nutzung von Immobilien für verfassungsfeindliche Aktivitäten. In fünf Fällen wurde ein Verkauf von Immobilien an Rechtsextremisten öffentlich angekündigt bzw. gegenüber der Kommune als Drohkulisse verwendet. In allen anderen Fällen wurde entweder nach Prüfung festgestellt, dass die potenziellen Käufer/Mieter – entgegen des Anfangsverdachts – doch nicht aus der rechtsextremen Szene kamen. Zum anderen Teil handelte es sich um Objekte , die aufgrund ihrer Historie theoretisch für Rechtsextremisten interessant bzw. grundsätzlich für eine Nutzung durch Rechtsextremisten geeignet gewesen wären, weshalb die Verkäufer sensibilisiert wurden. Von den betroffenen Kommunen und Personen wird oftmals eine vertrauliche Behandlung der Angelegenheit gewünscht. Daher ist eine Einzelaufstellung der Beratungsfälle nicht möglich. Zahlenmäßig liegen die Beratungsschwerpunkte in Oberfranken und Oberbayern. Mit Ausnahme der zuvor genannten Objekte in Kolitzheim und Murnau gibt es in Bayern keine Immobilie, die von Rechtsextremisten über bloße Wohnzwecke hinaus Drucksache 17/7862 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 wiederholt und in größerem Ausmaße für politische Zwecke genutzt wird. Dies ist auch auf die konzertierten Aktionen der bayerischen Sicherheitsbehörden im präventiven und repressiven Bereich zurückzuführen. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus spielt für die Staatsregierung eine große Rolle. So arbeitet die BIGE seit vielen Jahren im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit u. a. auch einzelfallbezogen mit dem bayerischen Bündnis für Toleranz zusammen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das von der Partei DIE RECHTE in Kolitzheim gemietete Objekt. Zudem wird das Bündnis für Toleranz in Bayern durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr finanziell maßgeblich gefördert. 7. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über den rechtsextremen (Online-)Versandhandel bzw. entsprechende Strukturen der rechten Szene in Bayern (ggf. unter Angabe des jeweiligen Firmensitzes auflisten)? Nach den Erkenntnissen des BayLfV sind in Bayern derzeit neun rechtsextremistische Vertriebe aktiv. Bei diesen handelt es sich im Einzelnen um: Ansgar Aryan Mantel/Neustadt a. d. Waldnaab FSN Shop Mantel/Neustadt a. d. Waldnaab Versand der Bewegung Murnau/Garmisch-Partenkirchen Patriaversand Kirchberg/Erding Wikingerversand Geiselhöring/Straubing-Bogen Tradition und Moderne Bad Wörishofen/Unterallgäu Oldschool Records Wolfertschwenden/Unterallgäu Schwarze Sonne Versand Münster/Donau-Ries DIM Records Coburg Der im Jahresbericht 2014 genannte Last Resort Store ist seit Anfang 2014 nicht mehr erreichbar und daher hier nicht mehr aufgeführt. Für weitere Informationen zu den Vertriebsstrukturen in der bayerischen rechtsextremistischen Szene wird auf den Verfassungsschutzbericht 2014 des BayLfV verwiesen. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Bayerisches Staatsministerium des Innern • 80524 München Telefon: 089 2192-01 E-Mail: poststelle@stmi.bayern.de Odeonsplatz 3  80539 München Telefax: 089 2192-12225 Internet: www.innenministerium.bayern.de U3, U4, U5, U6, Bus 100 (Odeonspl.) Vorab per E-Mail (Anfragen@bayern.landtag.de) Präsidentin des Bayer. Landtags Frau Barbara Stamm, MdL Maximilianeum 81627 München Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom Unser Zeichen Bearbeiter München 17.10.2013 Telefon / - Fax Zimmer E-Mail Abteilung-IE@stmi.bayern.de Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sepp Dürr vom 10.09.2013 betreffend von Rechtsextremisten genutzte Immobilien in Bayern Anlagen 5 Kopien dieses Schreibens Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt: zu 1.: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Nutzung des ländlichen Raums als Aktivitätsgebiet von Rechtsextremisten und Neonazis? Zusammenfassende Erkenntnisse über die Nutzung des ländlichen Raums durch Rechtsextremisten wurden aktuell im Rahmen der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion „Rechtsextremismus im ländlichen Raum“ veröffentlicht (BT-Drs. 17/14635 vom 27.08.2013). Rechtsextremismus ist danach eher ein Phänomen in den ländlichen Regionen als in Großstädten und Ballungsgebieten, auch wenn in einigen Großstädten starke rechtsextremistische Szenen bzw. Strukturen – vor allem solche von Neonazis – existieren. Schwerpunkte von Rechtsextremisten in ländlichen Gebieten liegen vor allem in Ost- - 2 - deutschland, aber auch in einigen wenigen Regionen der westlichen Bundesländer mit ähnlichen gesellschaftlichen, strukturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen . Bezogen auf Bayern ist die bundesweite Feststellung zu relativieren. In Bayern sind Rechtsextremisten sowohl in Ballungsräumen als auch im so genannten ländlichen Raum aktiv. Rechtsextremisten nutzen den „ländlichen Raum“ aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen glauben sie, dass ihnen dort weniger Gegenwehr entgegen schlägt und somit die politische Arbeit oder die Schaffung zentraler Szene-Treffpunkte wesentlich einfacher möglich ist. Zum anderen ist es in strukturschwachen Regionen für die rechtsextremistische Szene einfacher, Immobilien zu erwerben bzw. anzumieten , vor allem wenn durch das Vorschieben so genannter „Strohmänner“ der rechtsextremistische Hintergrund des Erwerbs bzw. der Anmietung zunächst nicht offen erkennbar wird. Sowohl bayerische Neonazis als auch die NPD versuchen daher, auch im ländlichen Raum präsent zu sein. So ist es zum Beispiel dem bayerischen NeonaziNetzwerk Freies Netz Süd gelungen, in einem abgelegenen Ortsteil der oberfränkischen Gemeinde Regnitzlosau, Landkreis Hof, einen zentralen Treffpunkt zu etablieren, der für Kameradschaftstreffen, Schulungen und Liederabende genutzt wird. Der im Jahr 2012 gestartete Versuch, in Nürnberg ein „Nationales Zentrum“ zu schaffen, ist hingegen gescheitert. Darüber hinaus versucht das Freie Netz Süd insbesondere im Zusammenhang mit den aktuellen Diskussionen um die Einrichtung neuer Unterkünfte für Asylbewerber , die Bevölkerung in ländlichen Gemeinden für sich zu vereinnahmen; so wird beispielsweise über Flugblattaktionen versucht, Ängste vor einer angeblichen Überfremdung oder Bedrohung durch kriminelle Flüchtlinge zu schüren. Auch die NPD bevorzugte es, die im Zusammenhang mit den im September stattgefundenen Landtags- und Bundestagswahlen abgehaltenen Kundgebungen in Klein- und Mittelstädten durchzuführen. So bewertete der bayerische Landesverband der NPD ihre zwischen dem 15. und 19.07.2013 durchgeführte „Bayerntour“ als durchwegs positiv: Es sei „(…) gelungen, flächendeckend die Aufmerksamkeit - 3 - der Medien zu erzwingen und die Präsenz der NPD gerade in kleineren Städten überzeugend unter Beweis zu stellen“. Angesichts der Stimmenverluste der NPD haben die Veranstaltungen offensichtlich nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. zu 2.: Inwieweit sind der Staatsregierung spezifische Gemeinden im ländlichen Raum bekannt, die als Ansiedlungsschwerpunkte für Neonazis und andere Rechtsextremisten zu charakterisieren sind, und welche sind dies? In Bayern sind Ansiedlungsschwerpunkte, d. h. lokal konzentrierte Ansiedlungen mit einem gezielten Zuzug von Rechtsextremisten - so wie die in der Bundestagsdrucksache 17/14635 exemplarisch angegebene Ortschaft Jamel in MecklenburgVorpommern - nicht bekannt. zu 3.: Wie viele Immobilien werden derzeit in Bayern von rechtsextremen Gruppierungen angemietet bzw. befinden sich in deren Besitz (aufgeschlüsselt nach Ort und Zeitpunkt der Anmietung/des Kaufs) und wie verhält sich diese Zahl im Vergleich zu den anderen Bundesländern? Die Antwort der Bundesregierung auf die o.g. Kleine Anfrage nennt bundesweit rund 260 von Rechtsextremisten genutzte Immobilien, für Bayern wird die Zahl 26 genannt. Diese aus einer vertraulichen Erkenntnissammlung mit spezifischen weit gefassten Kriterien stammenden Zahlen wurden von Seiten der Bundesregierung im Vorfeld der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht mit den Ländern abgestimmt . Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) wird sich an einer noch erforderlichen Abstimmung beteiligen. Die gewünschte umfassende Auflistung der Erkenntnisse über die Immobilienstrukturen der rechtsextremistischen Szene in Bayern berührt Informationen, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der Sicherheitsbehörden geheimhaltungsbedürftig sind. Ihre Offenlegung lässt Rückschlüsse auf die Aufklärungsaktivitäten des Verfassungsschutzes zu und würde die weitere Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes gefährden. Enthalten sind auch Informationen, die als Verschlusssachen eingestuft sind. Über geheimhaltungsbedürftige Aspekte der Tätigkeit des BayLfV berichtet das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr im Parlamentarischen Kontrollgremium (vgl. Art. 1 Abs. 1 Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetz – PKGG). - 4 - Immobilien, die allein für die private Nutzung bzw. eindeutig nicht extremistische Aktivitäten genutzt werden, können aus Gründen des überwiegenden Persönlichkeitsschutzes nicht genannt werden. Unter Zugrundelegung vorgenannter Bedingungen können offen die folgenden Objekte genannt werden, die der rechtsextremistischen Szene derzeit dauerhaft zur Verfügung stehen, regelmäßig für (rechtsextremistische) Veranstaltungen genutzt werden und auch überregional von Bedeutung sind: Ehemalige Gaststätte in Regnitzlosau, Landkreis Hof (Ortsteil Oberprex): Die im Frühjahr 2010 durch die Mutter eines Rechtsextremisten erworbene Immobilie dient der rechtsextremistischen Szene sowohl als Wohnraum als auch als Örtlichkeit für Schulungen, Feiern, interne Treffen und kleine Konzerte. Immobilie in München-Obermenzing: Das Anwesen wurde Ende 2012 ursprünglich für die private Wohnnutzung angemietet ; sie wird auch für Kameradschaftstreffen der Neonazi-Szene und rechtsextremistische Feiern genutzt. Rechtsextremistisches Ladengeschäft in Murnau, Landkreis GarmischPartenkirchen : Das Geschäft wird für den Betrieb eines rechtsextremistischen Versandhandels genutzt, in dem gelegentlich auch rechtsextremistische Veranstaltungen stattfinden . zu 4.: Welche konkreten Schritte hat die Staatsregierung unternommen, um die Vorbesitzer/-innen bzw. Vermieter/-innen der von rechtsextremen Gruppierungen erworbenen bzw. angemieteten Immobilien aufzuklären und zu beraten? Durch den Erwerb oder die Anmietung einer Immobilie durch Personen aus der rechtsextremistischen Szene befürchten bayerische Kommunen, dass ihr Ort zentraler Anlaufpunkt der rechtsextremistischen Szene wird bzw. sich die Szene dort etabliert. Neben diesem Erstarken der Szene mit all ihren Gefahren insbesondere für Jugendliche, der möglichen Zunahme von Straftaten und der gewalttätigen Konfrontation zwischen Rechts- und Linksextremisten verursacht ein lokaler Sze- - 5 - netreffpunkt darüber hinaus auch einen Imageschaden für den Ort und die ganze Region. Dabei ist es insbesondere im Vorfeld in der Regel schwierig zu beurteilen, ob eine Immobilie allein rein für private Zwecke oder auch für extremistische Bestrebungen genutzt werden soll oder ob es sich möglicherweise „nur“ um ein Scheingeschäft mit einem vorgetäuschten Kaufinteresse handelt. Mit dem am 12.01.2009 von der Bayerischen Staatsregierung verabschiedeten „Bayerischen Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“ wurde zur Unterstützung und Förderung aller Bekämpfungsansätze gegen Rechtsextremismus eine zentrale Informationsstelle gegen Extremismus des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr eingerichtet. Diese „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus“ (BIGE) soll insbesondere Ansprechpartner für Kommunen sein und diese bei der Verhinderung des Immobilienerwerbs durch Rechtsextremisten beraten und unterstützen, sofern diese Immobilien für rechtsextremistische Bestrebungen genutzt werden sollen und nicht nur reinen Wohnzwecken dienen. Die Beratungsleistung der BIGE ist stets individuell auf den Einzelfall abgestimmt. Sie erfolgt in enger Abstimmung mit den örtlich zuständigen Behörden, insbesondere mit der Polizei. Bei privatrechtlichen Immobiliengeschäften sind die Einflussmöglichkeiten für Kommunen und staatliche Behörden in der Regel eingeschränkt. Die Eigentümerwechsel werden den Behörden oft erst im Nachhinein bekannt. Eine gezielte vorherige Aufklärung und Beratung von Privateigentümern, die ihre Immobilie veräußern wollen, ist daher nur dann möglich, wenn sich diese direkt oder über lokale Behörden, Polizeidienststellen oder zivilgesellschaftliche Initiativen an die BIGE wenden. Ziel einer solchen Beratung kann dann zum Beispiel sein, den Verkäufer oder Vermieter einer Immobilie über die rechtsextremistischen Hintergründe von Kaufinteressenten bzw. neuen Mietern aufzuklären sowie über zu erwartenden Treffen und Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene in der Immobilie zu informieren. Auch mögliche Imageschäden für den Ort und die ganze Region nach Etablierung eines Szenetreffpunktes können aufgezeigt werden. Eine Rechtsberatung hinsichtlich der Miet- und Kaufverträge kann von der BIGE jedoch nicht angeboten werden. - 6 - Allgemeine Informationen und erste Hilfestellungen bei dem Verdacht eines Immobilienerwerbs durch Rechtsextremisten stellt die BIGE darüber hinaus insbesondere im Internetportal www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de zur Verfügung, das gemeinsam mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst betrieben wird. zu 5.: Wie bewertet die Staatsregierung den Erfolg der bisherigen Informationsund Beratungsangebote (bitte nach den einzelnen Immobilien aufschlüsseln), welche Strategie verfolgt die Staatsregierung, um künftig verstärkt auf die Gefahr von rechtsextremen Anmietungen sowie auf entsprechende Schutzmöglichkeiten hinzuweisen , und welche Rolle spielt dabei die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen ? Trotz der beschriebenen beschränkten Möglichkeiten ist es den von der BIGE beratenen Kommunen bislang in vielen Fällen gelungen, tatsächlichen Kaufabsichten der rechtsextremistischen Szene erfolgreich entgegenzutreten und einen Kauf zu verhindern oder angebliche Kaufabsichten als haltlos zu zerstreuen. Eine Aufschlüsselung aller bisherigen Beratungsfälle der BIGE ist nicht möglich. Zum einen handelt es sich dabei zum Teil um Verschlusssachen, die der Geheimhaltung unterliegen und Aufschlüsse über die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes geben könnten. Auf die Antwort zu Frage 3 wird ergänzend Bezug genommen . Zum anderen wurde von Seiten der betroffenen Kommunen in einigen Fällen der Wunsch geäußert, die Angelegenheit vertraulich zu behandeln. Exemplarisch können aber folgende Fälle genannt werden, in denen der Erwerb bzw. die Nutzung einer Immobilie durch die rechtsextremistische Szene erfolgreich verhindert werden konnte: Postbauer-Heng, Landkreis Neumarkt i.d. Oberpfalz: Anfang 2010 wurde von einem NPD-Funktionär das Gerücht verbreitet, dass ein Gasthof gekauft und in ein Schulungszentrum umgewandelt werden soll. Für die Kommune war mit Unterstützung der BIGE zu entscheiden, ob es sich um eine ernsthafte Kaufabsicht handelt und welche Maßnahmen getroffen werden sollen. - 7 - Im Ergebnis wurde das Objekt nicht durch Personen aus der rechtsextremistischen Szene erworben. Halsbach, Landkreis Altötting: Im Herbst 2011 wurde von Rechtsextremisten ein Verein mit Sitz in einem gepachteten Gasthof in Halsbach gegründet. Ziel war insbesondere die Schaffung eines überörtlichen Neonazi-Zentrums. Im weiteren Verlauf wurde bekannt, dass Rechtsextremisten den Kauf dieses Objektes beabsichtigen. Die BIGE hat die lokalen Behörden beraten und unterstützt. Im Januar 2013 hat ein Bürger der Gemeinde , der nicht aus der rechtsextremistischen Szene stammt oder dieser nahe steht, das Objekt erworben. Au i.d. Hallertau, Landkreis Freising: Anfang 2013 wurde bekannt, dass sich in dem Ort ein Geschäft angesiedelt hat, in dem u.a. die rechtsextremistische Kleidermarke Thor Steinar angeboten wird. Die BIGE hat die Kommune beraten, welche Szenarien im Zusammenhang mit diesem Geschäft denkbar sind, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen und wie insbesondere die Jugendlichen vor Ort sensibilisiert werden können. Das Geschäft wurde im Sommer 2013 geschlossen. Burghaslach, Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim: Im Sommer 2011 wurde bekannt, dass die NPD einen Gasthof kaufen will. Die BIGE hat die Kommune beraten und Handlungsoptionen aufgezeigt. Ein Kauf durch die NPD hat nicht stattgefunden. Insgesamt hat die BIGE bislang in über 120 Fällen Kommunen allgemein bzw. bei konkreten Vorfällen beraten und unterstützt. In 43 Fällen ging es um Kauf, Pacht, Anmietung oder eine sonstige längerfristige Nutzung von Immobilien. In elf Fällen lag der Verdacht nahe, dass eine ernstzunehmende Kaufabsicht von Personen mit Bezügen zur rechtsextremistischen Szene vorlag. Es ist davon auszugehen, dass die Gefahr einer Anmietung oder des Erwerbs einer Immobilie durch Personen aus der rechtsextremistischen Szene künftig zunehmen wird. Die BIGE ist bestrebt, ihr Beratungsangebot bei Kommunen und Bürgern noch stärker bekannt zu machen. Hierzu dienen beispielsweise Vorträge und Fortbildungsveranstaltungen, das Internetportal www.bayern-gegen- - 8 - rechtsextremismus.bayern.de, Informationsstände bei Veranstaltungen oder die Betreuung der Ausstellung „Die braune Falle“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz . Um Rechtsextremismus wirkungsvoll zu begegnen und den Aufbau regionaler Strukturen, die Anwerbung von Jugendlichen, eine Unterwanderung von Vereinen und eine „Normalisierung“ rechtsextremistischen Gedankenguts dauerhaft zu verhindern , ist ein enges Zusammenwirken von staatlichen Stellen, Kommunalbehörden und allen demokratischen Kräften in der Gesellschaft notwendig. Die Stärkung der demokratischen Kultur bleibt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die BIGE arbeitet deshalb als zentrale Informations- und Beratungsstelle der Staatsregierung bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus neben vielen erfolgreich bestehenden sozialen, gesellschaftlichen und kirchlichen Initiativen. Sie kann und soll nicht an deren Stelle treten, sondern vielmehr vorhandene Maßnahmen bündeln, fördern und unterstützen. Zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus unterstützt die Bayerische Staatsregierung beispielsweise das „Bayerische Bündnis für Toleranz – Demokratie und Menschenwürde schützen“ mit der in Bad Alexandersbad sitzenden Projektstelle gegen Rechtsextremismus sowie die beim Bayerischen Jugendring angesiedelte Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus. Mit freundlichen Grüßen Joachim Herrmann Staatsminister