Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.07.2015 Vollstreckung im Außendienst der Finanzämter Das Eintreiben von Steuerschulden im Außendienst als Vollziehungsbeamter bei den Finanzämtern erfordert einerseits große Sozialkompetenz und andererseits eine große Frustrationstoleranz . Zum Gehalt kann jede/r Vollziehungsbeamtin/-beamter eine zusätzliche Vollziehervergütung erhalten. Die Berechnung dieser Vergütung erscheint sehr komplex und könnte möglicherweise in Form einer abgestuften Pauschale vereinfacht werden. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. a) Auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert die individuelle Berechnung der Vollziehervergütung eines bayerischen Vollziehungsbeamten, die zusätzlich als Leistungsvergütung zum Grundgehalt mit Zulage gezahlt wird? b) Welche Vollstreckungsrichtlinien im Verfügungsbereich bestehen in Bayern? 2. a) Wie viele Vollziehungsbeamte gibt es in Bayern aktuell ? b) Wie hat sich die Zahl der Vollziehungsbeamten in Bayern in den letzten 10 Jahren entwickelt? c) Wie hat sich die Zahl der Vollziehungsfälle im gleichen Zeitraum entwickelt? 3. a) Gibt es in bestimmten Städten und Landkreisen Engpässe bei der Gewinnung von Vollziehungsbeamten, und wenn ja, wo genau? b) Woran liegen gegebenenfalls diese Engpässe nach Einschätzung der Staatsregierung? c) Was plant die Staatsregierung, um gegebenenfalls diese Engpässe zu beseitigen? 4. a) Welchen Gefahren sind Vollziehungsbeamte möglicherweise im Dienst ausgesetzt? b) Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese Gefahren auszuschalten oder zu minimieren? c) Gab es handgreifliche Übergriffe oder Überfälle gegenüber Vollziehungsbeamten in den letzten 10 Jahren , und wenn ja, welche? 5. a) Wie viele Stunden je Monat durchschnittlich benötigen Vollziehungsbeamte, um die entsprechenden Formulare zur Berechnung der Vollziehervergütung auszufüllen ? b) Wie viele Stunden je Monat durchschnittlich benötigen die Mitarbeiter/-innen, um das bestehende Abrechnungsverfahren und die dazugehörigen Formulare „Berechnung der monatlichen Vergütung an Vollziehungsbeamte “ zu prüfen, auszuwerten und zu verbuchen ? c) Welche Bestrebungen gibt es seitens der Staatsregierung , die bestehenden Formulare zu vereinfachen? 6. Was ist an Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen zu ändern, um eine abgestufte Pauschale anstatt einer detaillierten Berechnung der Vollziehervergütung einzuführen ? 7. a) In welcher Höhe konnten in den letzten zehn Jahren (2004 bis 2014) Steuerschulden durch Zahlungen an Vollziehungsbeamte eingetrieben werden? b) Wie viel Prozent der in den Jahren jeweils bestehenden durch Vollziehungsbeamte einzutreibenden Steuerschulden entspricht das jeweils? 8. a) Gibt es Vorgaben für Vollziehungsbeamte, einen Mindestbetrag pro Tag einzutreiben und/oder eine bestimmte Anzahl von Vollstreckungsschuldnern aufzusuchen ? b) Wenn ja, wie hoch ist gegebenenfalls dieser Betrag und wie viele Schuldner sind dies gegebenenfalls? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 11.08.2015 1. a) Auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert die individuelle Berechnung der Vollziehervergütung eines bayerischen Vollziehungsbeamten, die zusätzlich als Leistungsvergütung zum Grundgehalt mit Zulage gezahlt wird? Bisher erfolgt die Zahlung einer Vollstreckungsvergütung aufgrund der gemäß Art. 108 Abs. 5 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) fortgeltenden bundesrechtlichen Verordnung für Beamte im Vollstreckungsdienst (Vollstreckungsvergütungsverordnung – VollstrVergV) vom 8. Juli 1976 (BGBl I S. 1783), neu gefasst durch Bekanntmachung vom 6. Januar 2003 (BGBl I S. 8) in der am 31. August 2006 geltenden Fassung. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.10.2015 17/7879 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7879 Durch das Gesetz zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5. August 2010 (GVBl S. 410, ber. S. 764) wurde u. a. das Bundesbesoldungsgesetz durch das Bayerische Besoldungsgesetz abgelöst. In Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBesG wurde die Staatsregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer Vergütung für Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen und andere im Vollstreckungsdienst tätige Beamte und Beamtinnen im Landesrecht zu regeln und damit das bislang gemäß Art. 108 Abs. 5 BayBesG fortgeltende Bundesrecht zu ersetzen. Dieser gesetzliche Rahmen soll nunmehr mit einer Bayerischen Vollstreckungsvergütungsordnung ausgefüllt werden , die gerade erarbeitet wird. Sie sieht für den Bereich der Vollziehungsbeamten und Vollziehungsbeamtinnen in der Finanzverwaltung statt der bisherigen detaillierten und arbeitsaufwendigen Berechnung der Vollstreckungsvergütung eine monatlich zu zahlende pauschale Vollstreckungsvergütung vor. b) Welche Vollstreckungsrichtlinien im Verfügungsbereich bestehen in Bayern? Der Vollzug der einschlägigen gesetzlichen Regelungen der Abgabenordnung (AO) und Zivilprozessordnung (ZPO) wird durch ergänzende Anweisungen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung für Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung (kurz: „Vollzieheranweisung“ bzw. VollzA) und der sogenannten „Vollstreckungskartei Bayern“ des Bayerischen Landesamtes für Steuern gewährleistet. 2. a) Wie viele Vollziehungsbeamte gibt es in Bayern aktuell ? b) Wie hat sich die Zahl der Vollziehungsbeamten in Bayern in den letzten 10 Jahren entwickelt? c) Wie hat sich die Zahl der Vollziehungsfälle im gleichen Zeitraum entwickelt? Im Vollstreckungsaußendienst der bayerischen Finanzämter sind insgesamt 115 Vollziehungsbeamte/-beamtinnen beschäftigt (Stand: 1. Januar 2015). Dies sind 92 weniger als im Jahr 2006. Im Vergleich dazu ist auch die Zahl der im Vollstreckungsaußendienst bearbeiteten Fälle von 636.821 im Jahr 2005 auf 279.843 im Jahr 2014 zurückgegangen. Der Rückgang ist Folge der zunehmenden Verlagerung der steuerlichen Vollstreckungstätigkeit in den Innendienst der Finanzämter. Gerade in größeren Rückstandsfällen bieten mögliche Konto- und Forderungspfändungen durch den Innendienst gegenüber dem klassischen Vollziehereinsatz meist effizientere Realisierungschancen. 3. a) Gibt es in bestimmten Städten und Landkreisen Engpässe bei der Gewinnung von Vollziehungsbeamten , und wenn ja, wo genau? In Bayern gab und gibt es vereinzelt Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Stellen mit Vollziehungsbeamten/-beamtinnen . Ein besonderer örtlicher Schwerpunkt dieser Schwierigkeiten ist dabei nicht feststellbar. b) Woran liegen gegebenenfalls diese Engpässe nach Einschätzung der Staatsregierung? c) Was plant die Staatsregierung, um gegebenenfalls diese Engpässe zu beseitigen? Die Tätigkeit im Vollstreckungsaußendienst, insbesondere der tagtägliche Umgang mit Vollstreckungsschuldnern, stellt besondere Anforderungen an die Persönlichkeit der Vollziehungsbeamten/-beamtinnen, was den Bewerberkreis einschränkt. Unabhängig davon hat die Tätigkeit im Vollstreckungsaußendienst auch durch den Wandel bei der Bearbeitung von Vollstreckungsfällen und dem damit einhergehenden Rückgang der durchschnittlich bezogenen Vollstreckungsvergütungen in finanzieller Hinsicht an Attraktivität verloren. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Vollziehungsbeamten/ -beamtinnen verlagert sich mehr und mehr vom „staatlichen Geldeintreiber“ in den Bereich der Ermittlung etwaiger Vollstreckungsmöglichkeiten für den Vollstreckungsinnendienst. Mit der anvisierten Pauschalierung der Vollstreckungsvergütung für Vollziehungsbeamten/-beamtinnen (vgl. Antwort auf Frage 1 a) soll dieser Entwicklung Rechnung getragen und die Tätigkeit in finanzieller Hinsicht wieder lukrativer ausgestaltet werden. 4. a) Welchen Gefahren sind Vollziehungsbeamte möglicherweise im Dienst ausgesetzt? c) Gab es handgreifliche Übergriffe oder Überfälle gegenüber Vollziehungsbeamten in den letzten 10 Jahren, und wenn ja, welche? Aufzeichnungen über Widerstandshandlungen oder Übergriffe gegen Beschäftigte in der Steuerverwaltung werden nicht geführt. Vereinzelte verbale oder körperliche Übergriffe sind bekannt. Schwerwiegende Folgen waren jedoch bisher nicht zu verzeichnen. b) Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese Gefahren auszuschalten oder zu minimieren? In Bayern werden Vollziehungsbeamten/-beamtinnen regelmäßig arbeitspsychologische Schulungen, Eigensicherungstrainings und interkulturelle Kompetenztrainings angeboten . Schwerpunkte bilden dabei die Themenbereiche „Deeskalation“ und „konstruktive Konfliktlösung“ sowie der Umgang mit anderen Kulturen, Stress und Aggressionen. Zur Vermeidung einer möglichen Gefährdung im Außendienst besteht eine enge Kooperation mit den örtlichen Polizeidienststellen, die Vollziehungsbeamte/-beamtinnen insbesondere beim Vollzug richterlicher Durchsuchungsbeschlüsse in einschlägigen Fällen im Wege der Amtshilfe unterstützen. Der Schutz der Privatsphäre der Vollziehungsbeamten/ -beamtinnen wird durch folgende Maßnahmen gewährleistet: • Größtenteils besteht die Möglichkeit der Nutzung von Dienstwagen. Bei dienstlicher Nutzung privater Fahrzeuge durch Vollziehungsbeamte/-beamtinnen kann die Anordnung einer Übermittlungssperre in den Fahrzeugregistern beantragt werden (§ 41 Abs. 2 StVG). • Die Bediensteten der Vollstreckungsstellen bzw. die Vollziehungsbeamten/-beamtinnen können bei den Einwohnermeldeämtern Auskunftssperren gemäß Art. 31 Abs. 7 MeldeG beantragen. • Ferner können die persönlichen Daten auf Antrag bei den Telekommunikationsanbietern sowie bei den Kfz-Versicherungen gesperrt werden. 5. a) Wie viele Stunden je Monat durchschnittlich benötigen Vollziehungsbeamte, um die entsprechenden Formulare zur Berechnung der Vollziehervergütung auszufüllen? b) Wie viele Stunden je Monat durchschnittlich benötigen die Mitarbeiter/-innen, um das bestehende Abrechnungsverfahren und die dazugehörigen Formulare „Berechnung der monatlichen Vergütung an Vollziehungsbeamte“ zu prüfen, auszuwerten und zu verbuchen? Drucksache 17/7879 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Angaben zum zeitlichen Aufwand für die detaillierte Berechnung der Vollstreckungsvergütung bei den Vollziehungsbeamten /-beamtinnen selbst, bei den Bediensteten der Geschäftsstellen der Finanzämter, die die Berechnungen durchführen, sowie beim Landesamt für Finanzen, welches die Auszahlung vornimmt, liegen nicht vor. c) Welche Bestrebungen gibt es seitens der Staatsregierung , die bestehenden Formulare zu vereinfachen ? Vgl. Antwort auf Frage 1 a. Nach der Umstellung der Vollstreckungsvergütung auf eine monatlich zu zahlende Pauschale sind die bis dahin zu verwendenden Formblätter obsolet. 6. Was ist an Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen zu ändern, um eine abgestufte Pauschale anstatt einer detaillierten Berechnung der Vollziehervergütung einzuführen? Vgl. Antwort auf Frage 1 a. 7. a) In welcher Höhe konnten in den letzten zehn Jahren (2004 bis 2014) Steuerschulden durch Zahlungen an Vollziehungsbeamte eingetrieben werden? In den Jahren 2004 bis 2014 wurden an Vollziehungsbeamte/ -beamtinnen insgesamt Zahlungen in Höhe von rund 1 Mrd. € geleistet. b) Wie viel Prozent der in den Jahren jeweils bestehenden durch Vollziehungsbeamte einzutreibenden Steuerschulden entspricht das jeweils? Der Gesamtbetrag der den Vollziehungsbeamten/-beamtinnen zugeteilten zu vollstreckenden Ansprüche wird nicht aufgezeichnet. 8. a) Gibt es Vorgaben für Vollziehungsbeamte, einen Mindestbetrag pro Tag einzutreiben und/oder eine bestimmte Anzahl von Vollstreckungsschuldnern aufzusuchen? b) Wenn ja, wie hoch ist gegebenenfalls dieser Betrag und wie viele Schuldner sind dies gegebenenfalls ? Vorgaben für Vollziehungsbeamte/-beamtinnen, einen Mindestbetrag pro Tag einzutreiben und/oder eine bestimmte Anzahl von Vollstreckungsschuldnern aufzusuchen, gibt es nicht.